Vorstösse und Beschlüsse zur Terrorbekämpfung nach 2001

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Nach den Attentaten vom 11. September in den USA beteiligte sich die Schweiz an den weltweiten Versuchen, die logistischen und organisatorischen Netzwerke der Terroristen aufzudecken und zu zerschlagen. Erste Abklärungen ergaben, dass bedeutsame Verbindungen zur Schweiz und namentlich dem schweizerischen Finanzplatz mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht bestanden hatten. Konten von Organisationen, welche den US-Behörden verdächtig erschienen, wurden von der Bundesanwaltschaft gesperrt, und eine im Tessin angesiedelte islamische Finanzgesellschaft wurde polizeilich durchsucht. Obwohl sich von der für die Anschläge in den USA verantwortlich gemachten islamischen Organisation Al-Quaida in der Schweiz keine Spuren finden liessen, wurde sie und eventuelle Nachfolgeorganisationen sowie Unterstützungsaktionen zu ihren Gunsten vom Bundesrat verboten. Interpellationen von Ständerat Fünfschilling (fdp, BL) sowie der FDP-Fraktion im Nationalrat gaben dem Bundesrat Gelegenheit, sein Konzept und die bestehenden und geplanten Vorkehrungen zu einer wirksamen Bekämpfung des internationalen Terrorismus darzulegen. Eine umfassende Lagebeurteilung kündigte er für das Frühjahr 2002 an. Eine Motion Merz (fdp, AR) für einen Ausbau des Instrumentariums der Staatsschutzorgane namentlich im Bereich der Nutzung von elektronischen Datenbanken und Informationssystemen bei gleichzeitiger Verstärkung der parlamentarischen Aufsicht überwies die kleine Kammer in Postulatsform. Die CVP reichte ihrerseits Motionen für mehr Überwachungskompetenzen und eine Lockerung der Datenschutzbestimmungen für den Nachrichtendienst ein.

Im Sommer veröffentlichte der Bundesrat seine umfassende Lage- und Gefährdungsbeurteilung der Schweiz in Bezug auf Terroranschläge, wie dies im Anschluss an den 11. September 2001 mit verschiedenen parlamentarischen Vorstössen gefordert worden war. Er hielt darin fest, dass zur Zeit die Wahrscheinlichkeit gering sei, dass die Schweiz zum primären Ziel terroristischer Attacken werde. Wichtig sei aber, dass die Schweiz zusammen mit der internationalen Staatengemeinschaft verhindere, dass terroristische Gruppen (und die organisierte Kriminalität) die weltweit vernetzten Dienstleistungen und Infrastrukturen der Schweiz nutzen können. Wo das bestehende Abwehrdispositiv noch ausgebaut werden müsse, seien die entsprechenden Vorarbeiten im Gange.

Im Sommer beantragte der Bundesrat dem Parlament die Genehmigung von zwei internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus resp. von terroristischen Bombenanschlägen sowie eine Reihe von dazu gehörenden Gesetzesanpassungen. Die beiden Übereinkommen sind Teil von insgesamt zwölf Übereinkommen und Zusatzprotokollen zur Terrorbekämpfung, welche die UNO nach den Terrorattacken in den USA vom 11. September 2001 verabschiedet hat. Die anderen zehn hatte die Schweiz bereits ratifiziert; sie erforderten keine Anpassung schweizerischer Gesetze. Die beiden letzten Übereinkommen verlangten hingegen die Aufnahme eines spezifischen Tatbestandes des Terrorismus in das Strafrecht. Damit würde es möglich, Terroranschläge strenger zu bestrafen als anders motivierte Taten mit ähnlicher Schadenswirkung (Sachbeschädigung, Körperverletzung). Definiert wird Terrorismus in der Botschaft des Bundesrates als Tat, bei welcher es darum geht, Bevölkerungsgruppen einzuschüchtern oder Staaten und internationale Organisationen zu nötigen. Explizit mit einer eigenen Strafnorm soll auch die finanzielle Unterstützung (d.h. vorsätzliches Sammeln oder Zurverfügungstellen von Vermögenswerten) solcher Aktivitäten bestraft werden. Beide Delikte sollen in der Schweiz von den Bundesbehörden verfolgt und beurteilt werden. Strafrechtsexperten kritisierten die Vorlage als überflüssig, da die bestehenden Rechtsgrundlagen für die Terrorismusbekämpfung ausreichen würden, und bezeichneten sie in Bezug auf die verwendete Terrorismusdefinition als problematisch.
In der Rechtskommission des Nationalrats fand diese Kritik Berücksichtigung. Sie beschloss, das Geschäft nicht, wie vom EJPD gewünscht, als dringlich zu behandeln und es vom Plenum gleichzeitig mit dem Ständerat in der Herbstsession beraten zu lassen, sondern vorgängig noch Experten anzuhören. Der Ständerat, welcher in der Herbstsession die Vorlage als Erstrat behandelte, unterstützte zwar eine Unterzeichnung der Übereinkommen, lehnte aber die Vorgehensweise seiner vorberatenden Kommission ab. Diese hatte, nicht zuletzt um die Schweiz vor unberechtigten Vorwürfen zu schützen, ihr Finanzplatz sei an der Terrorismusfinanzierung beteiligt, zuerst die Übereinkommen ratifizieren wollen, um erst dann die nötigen gesetzlichen Anpassungen vorzunehmen. Auf Antrag Schiesser (fdp, GL) wies der Rat die Vorlage an die Kommission zurück mit der Auflage, die Übereinkommen und die Strafgesetzänderungen gleichzeitig zur Beratung vorzulegen. Der CVP-Vertreter Schmid (AI) wies zudem darauf hin, dass bei der Schaffung einer speziellen Terrorismusstrafnorm grundsätzliche Probleme entstehen können. Wenn man sich an die vom Bundesrat in der Botschaft verwendete Terrorismusdefinition halte, müssten im Prinzip auch Angehörige von Unabhängigkeitsbewegungen und Widerstandsorganisationen in Diktaturen zu Terroristen erklärt werden (in den Worten von Schmid: „Was dem einen sein Freiheitskämpfer, ist dem anderen sein Terrorist“).

Als sich die kleine Kammer in der Wintersession ein zweites Mal mit der Vorlage befasste, war sie sich rasch einig: sie verzichtete auf die spezielle Strafrechtsnorm, da die bestehenden Strafrechtstatbestände (Mord, Freiheitsberaubung, Sprengstoffattentate etc.) für eine Terrorismusbekämpfung ausreichend seien. Die bundesrätlichen Vorschläge zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung fanden hingegen Zustimmung. Die Bestimmungen über die Strafbarkeit von Geldspenden wurden allerdings gelockert: wer bei der Unterstützung beispielsweise einer wohltätigen Organisation bloss in Kauf nimmt, dass deren Mittel auch Terroristen zu Gute kommen könnten, soll nicht bestraft werden. Zulässig sollen auch Spenden für Organisationen sein, welche in totalitären Staaten „für die Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung oder Wahrung von Menschenrechten“ kämpfen. Als zusätzliches Mittel im Kampf gegen Terrorismus (und auch andere Verbrechen) stimmte der Ständerat zudem mit knappem Mehr dem Antrag Marty (fdp, TI) zu, dass die Mobilfunkbetreiber die Identität ihrer Kunden auch dann abklären müssen, wenn diese die bisher anonymen so genannten Prepaid-Karten benutzen. Als Erstrat genehmigte der Ständerat auch die Ratifizierung der beiden Übereinkommen.

Bei der Genehmigung von zwei Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus resp. von terroristischen Bombenanschlägen sowie einer Reihe von dazu gehörenden Gesetzesanpassungen übernahm der Nationalrat weitgehend die Entscheide der kleinen Kammer aus dem Vorjahr. Auf Antrag seiner Rechtskommission war er insbesondere damit einverstanden, auf die Einführung eines speziellen Straftatbestands des Terrorismus zu verzichten. Bei den Gesetzesanpassungen war eigentlich nur noch die vom Ständerat beschlossene Registrierungspflicht für so genannte Prepaid-Karten für Mobiltelefone umstritten, auf welche die Kommissionsmehrheit verzichten wollte. Im Plenum setzte sich die Registrierungspflicht für diese wegen ihrer Anonymität von Kriminellen geschätzten Karten deutlich durch. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen zur Bekämpfung der finanziellen Unterstützung des Terrorismus und die beiden Internationalen Übereinkommen wurden vom Nationalrat in der Gesamtabstimmung oppositionslos resp. mit einer Gegenstimme (Bignasca, lega, TI) gutgeheissen. Ein Teil der Linken hatte allerdings in der Debatte mit dem Datenschutz begründete Vorbehalte gegen die vorgeschlagenen strafrechtlichen Mittel zur Terrorismusbekämpfung geäussert. In der Schlussabstimmung lehnten die Grünen die Strafrechtsrevision ab, eine Minderheit der SP enthielt sich der Stimme.