Luftreinhaltekonzept (allgemein)

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Die LRV wird zwar wegen der eingeräumten Fristen erst in den 90er Jahren ihre volle Wirkung zeitigen, doch darf sie als mittel- bis langfristig zentrales Instrument im Kampf gegen die Luftverschmutzung bezeichnet werden. Noch nicht vorlegen konnte der Bundesrat bis Ende Jahr das vom Parlament geforderte Luftreinhalte-Konzept, das festlegen soll, auf welchen Stand und mit welchen zusätzlichen Massnahmen die Luftqualität verbessert werden soll.

Alle Bundesratsparteien, die Automobil- und die Umweltverbände begrüssten den bundesrätlichen Massnahmenkatalog und bekräftigten ihr grundsätzliches Einverständnis mit der Stossrichtung des Luftreinhalte-Konzepts. Von den Massnahmen, die der Bundesrat möglichst rasch verwirklichen möchte, stiessen die vorgeschlagenen Verschärfungen der Abgasvorschriften mehrheitlich auf Zustimmung. Hingegen meldeten die FDP, die SVP und die Automobilverbände gegen die Einführung einer Lenkungsabgabe auf Brenn- und Treibstoffen, aber auch gegen die Erhebung einer leistungsabhängigen Schwerverkehrssteuer Bedenken an. Konsequentere Schritte zur Verminderung der Luftbelastung durch den Verkehr verlangten die Umweltorganisationen und die SP. Dabei stellten sie auch eine weitere Zunahme der Mobilität in Frage. Einstweilen ist das Parlament noch nicht bereit, drastische und bei breiten Bevölkerungsschichten wenig populäre Massnahmen zu beschliessen. So lehnte der Nationalrat eine Standesinitiative des Kantons Bern (Kt.Iv. 85.202), welche die Vorbereitung einer Treibstoffrationierung verlangte, mit 91 zu 36 Stimment ab.

Der Bundesrat verabschiedete das vom Parlament geforderte Luftreinhalte-Konzept, in welchem er – ausgehend von einer Darstellung des Ist-Zustandes und den Auswirkungen der Luftverschmutzung auf Mensch und Umwelt – den Soll-Zustand der Luftqualität festlegte. Da die Schadstoffemissionen seit den 50er Jahren erheblich zugenommen haben und heute die in der LRV festgelegten Immissionsgrenzwerte v.a. in den städtischen Agglomerationen zum Teil um das Zwei- bis Vierfache überschritten werden, muss zur Verminderung der Luftbelastung der Schadstoffausstoss drastisch reduziert werden. Das Luftreinhalte-Konzept sieht vor, dass bei den Schwefeldioxid-Emissionen bis 1990 der Stand von 1950 und bei den Stickoxid- und Kohlenwasserstoff-Emissionen bis 1995 der Stand von 1960 erreicht werden soll. Unter Einbezug der zu erwartenden Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung wurde eine Reihe von Massnahmen aus den Bereichen Verkehr und Energie auf ihre Wirksamkeit und Realisierbarkeit hin untersucht und eingeteilt in solche, die der Bundesrat möglichst rasch zu realisieren gedenkt oder je nach Ergebnis der noch laufenden Abklärungen ergreifen wird, und solche, die politisch gegenwärtig kaum realisierbar sind oder aus heutiger Sicht keinen Beitrag zur Verbesserung der lufthygienischen Situation leisten können. Der Bundesrat verzichtete jedoch darauf, einschneidende Massnahmen, die früher bereits behandelt und abgelehnt worden waren (z.B. Treibstoffrationierung, Öko-Bonus, motorfahrzeugfreie Tage), erneut zu prüfen. Hingegen beabsichtigt er, allenfalls eine Verschärfung der LRV zu verfügen und insbesondere eine zweckgebundene Lenkungsabgabe auf fossiler Energie einzuführen. Die Gesamtbilanz der Untersuchungen ergab folgendes Bild: Mit den vorgesehenen Massnahmen kann bei den Schwefeldioxid-Emissionen das lufthygienische Ziel erreicht werden, bei den Stickoxid- und Kohlenwasserstoff-Emissionen hingegen nicht. Der Bundesrat rief deshalb die Kantone und Gemeinden dringend auf, auch ihrerseits die im Rahmen des Vollzugs der LRV notwendigen Vorkehrungen gegen übermässige Immissionen so rasch als möglich zu ergreifen. Seinerseits beabsichtigt er, auch Massnahmen, die er gegenwärtig für politisch kaum realisierbar hält, im Hinblick auf ihre allfällige spätere Durchsetzbarkeit weiter im Auge zu behalten.

Im Zusammenhang mit dem Luftreinhalte-Konzept des Bundesrates diskutierte das Parlament auch Massnahmen im Bereich Verkehr. Neben der weiteren Reduktion der Schadstoffemissionen wurden dabei Massnahmen zur Einschränkung des motorisierten Privatverkehrs verlangt. Beide Räte überwiesen denjenigen Teil einer Motion Schüle (fdp, SH) (Mo. 86.834), der Massnahmen zur Ausmerzung der schadstoffintensiven Altfahrzeuge verlangte. Weitergehende Vorstösse, welche namentlich die Prüfung einer Treibstoffrationierung, die Einführung von autofreien Tagen oder einen Öko-Bonus forderten, wurden jedoch abgelehnt. Immerhin wurde der Bundesrat mit einem Postulat der vorberatenden Nationalratskommission sowie mit einer als Postulat überwiesenen Motion Jaeger (ldu, SG) (Mo. 86.807) beauftragt, Möglichkeiten einer Umlegung der Haftpflichtprämien und der kantonalen Motorfahrzeugsteuern auf den Benzinpreis zu prüfen. In dieselbe Richtung zielt auch eine vom Kanton Zürich eingereichte Standesinitiative (Kt.Iv. 87.206).

Das Parlament nahm Kenntnis vom Luftreinhalte-Konzept, das Mittel und Wege aufzeigt, wie die Schadstoffbelastung vermindert werden kann, und erteilte dem Bundesrat mit einer Motion den Auftrag, so rasch als möglich ein zusätzliches Massnahmenpaket vorzulegen, um bis 1995 nicht nur die Schwefeldioxid-, sondern auch die Kohlenwasserstoff- und die Stickoxid-Emissionen auf den Stand von 1960 senken zu können. Die Motion nennt eine Reihe von Massnahmen, die dabei im Vordergrund stehen, insbesondere auch solche, die früher abgelehnt und vom Bundesrat aus politischen Gründen nicht mehr weiter geprüft worden waren. Neben der Reduktion der Schadstoffemissionen des Motorfahrzeugverkehrs sieht die Motion finanzielle Anreize zur Verminderung des Brenn- und Treibstoffverbrauchs, die Überwälzung der kantonalen Motorfahrzeugsteuern auf den Treibstoffpreis sowie die verstärkte Förderung des kombinierten Güterverkehrs, der alternativen einheimischen Energien und der internationalen Zusammenarbeit vor. Zudem soll die Regierung darlegen, wie der Vollzug beschlossener Massnahmen sichergestellt werden kann, und nötigenfalls die Kompetenzen der Kantone und Gemeinden erweitern. Mit 83 zu 73 Stimmen hiess der Nationalrat diese Motion seiner vorberatenden Kommission gut, und der Ständerat stimmte ihr stillschweigend zu. In weiteren Vorstössen wurden dem Bundesrat zusätzlich zum Luftreinhalte-Konzept insgesamt 54 Massnahmen zur Prüfung überwiesen.

Im Luftreinhalte-Konzept waren die anzustrebenden Ziele für die Luftqualität festgelegt und Mittel und Wege aufgezeigt worden, wie die Schadstoffbelastung auf den Stand von 1950 bzw. 1960 vermindert werden kann. Da mit den bisher beschlossenen oder vorgesehenen Massnahmen das Ziel nur für die Schwefeldioxide zu erreichen ist, hatte das Parlament den Bundesrat 1987 mit einer Motion beauftragt, so rasch als möglich ein zusätzliches Massnahmenpaket zur Reduktion der Luftverschmutzung vorzulegen. In weiteren parlamentarischen Vorstössen waren dazu insgesamt 54 Massnahmen zur Prüfung überwiesen worden, die sicherstellen sollen, dass bis 1995 die vorgegebenen Ziele auch für die Emissionen von Stickoxiden und Kohlenwasserstoffen erreicht werden können. Im Auftrag des Bundes untersuchte die Ingenieurunternehmung Elektrowatt die Wirksamkeit und Durchführbarkeit dieser Massnahmen. Sie kam zum Schluss, dass sich damit die Luftverschmutzung zwar beträchtlich vermindern lasse, dass die geprüften 54 Massnahmen jedoch nicht genügen, um bei den Kohlenwasserstoff- und den Stickoxidemissionen den Zustand von 1960 zu erreichen. Die Elektrowatt schlug daher vor, auch einschneidendere und politisch brisante Massnahmen wie Umweltabgaben, die Kontingentierung fossiler Brenn- und Treibstoffe, eine massive Förderung des öffentlichen Agglomerations- und Ferngüterverkehrs sowie Lenkungsabgaben auf flüchtigen organischen Verbindungen in Betracht zu ziehen. Aufgrund dieser Studie will der Bundesrat nun über das weitere Vorgehen entscheiden, und er stellte in Aussicht, das zusätzliche Massnahmenpaket zur Luftreinhaltung Anfang 1989 zu präsentieren.