In der zweiten Lesung des Nationalrates verlangte eine rechtsbürgerliche Minderheit unter Fischer (svp, AG) erneut Streichen, unterlag aber 107 zu 50 Stimmen noch deutlicher als in der ersten Abstimmung. Gegenüber der Mehrheit der Kommission, welche dem Ständerat zustimmen wollte, setzte sich ein Antrag Loretan (cvp, VS) durch, der zwar der kleinen Kammer folgen (Zulässigkeit anstatt Gewährleistung), den Begriff der Verhältnismässigkeit aber nicht übernehmen wollte, da dies ohnehin eine Maxime öffentlichen Handelns und in Abs. 2 von Art. 28 bereits enthalten sei, welcher stipuliert, dass Arbeitsstreitigkeiten nach Möglichkeit durch Verhandlung beizulegen sind. Ohne den Begriff «Schicksalsartikel» überstrapazieren zu wollen, wies er doch darauf hin, dass eine allzu starre Haltung gegenüber der linken Minderheit im Parlament zu einem Scheitern der gesamten Revision führen könnte. Die Ratslinke, welche erneut beantragt hatte, dem Bundesrat zuzustimmen resp. das Recht auf Streik noch pointierter zu fassen (Einzelantrag Rennwald, sp, JU) verstand den Wink und zog ihre Anträge zurück, um nicht das Streikrecht generell zu gefährden, worauf der Antrag Loretan mit 96 zu 62 Stimmen angenommen wurde. Nach diesen deutlichen Mehrheitsverhältnissen in der grossen Kammer stimmte der Ständerat der letzten Version des Nationalrates zu, unterstrich aber noch einmal deutlich, dass sich damit nichts an der bestehenden Rechtslage, wie sie das Bundesgericht in mehreren Leitentscheiden definiert hat, ändert. Politische und sogenannte «wilde» Streiks seien auch in Zukunft verboten. «Wilde» Streiks sind solche, die gegen Gesamtarbeitsverträge verstossen; ein «politischer» Streik war der «Frauenstreik» von 1991.
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)