Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) (Mindestumwandlungssatz)

Als PDF speichern

Ende November verabschiedete der Bundesrat seine Botschaft zu der bereits 2005 von ihm beschlossenen Änderung des BVG zur Senkung des Umwandlungssatzes. Aufgrund der Renditeerwartungen auf den Finanzmärkten soll der Umwandlungssatz rascher und stärker gesenkt werden als im Rahmen der 1. BVG-Revision vorgesehen. Diese hatte nur der längeren Lebenserwartung Rechnung getragen und die Senkung auf 6,8% im Jahr 2014 vorgesehen. Nach dem Willen des Bundesrates soll der Umwandlungssatz hingegen bereits ab 1. Januar 2008 bis 2011 schrittweise auf 6,4% gesenkt werden. Seiner Ansicht nach wird das vorgegebene Leistungsziel – BVG-Rente deckt zusammen mit der AHV bei voller Versicherungsdauer rund 60% des letzten Bruttolohnes – auch mit dem etwas tieferen Umwandlungssatz erreicht werden, weshalb er auf flankierende Massnahmen verzichten will. Es bleibt den Vorsorgeeinrichtungen freigestellt, kassenspezifische und ihrer Finanzlage angemessene Lösungen zur Sicherstellung einer bestimmten Rentenhöhe zu ergreifen. Genügende Reserven vorausgesetzt, ist auch die Beibehaltung des bisherigen Umwandlungssatzes möglich. Ein Bericht des Bundesrates an das Parlament im 5-Jahres-Rhythmus soll es diesem ermöglichen, über die Höhe des Mindestumwandlungssatzes periodisch zu entscheiden.

Im Vorjahr hatte der Bundesrat dem Parlament den Antrag unterbreitet, den Mindestumwandlungssatz in der beruflichen Vorsorge rascher und weitgehender zu senken, als dies in der 1. BVG-Revision beschlossen worden war (gestaffelter Rückgang von 7,1 auf 6,8% bis ins Jahr 2014), nämlich beginnend mit 2008 bis 2011 auf 6,4%. Während die Senkung in der BVG-Revision aus demografischen Gründen erfolgte, wurde das Abweichen von Fahrplan und Zielsatz mit der anhaltend schwierigen Situation auf den Kapitalmärkten begründet, welche für die Zukunft Renditen, wie sie in der Vergangenheit erwirtschaftet werden konnten, als unwahrscheinlich erscheinen lassen. Im Ständerat erlitt die Vorlage vorerst Schiffbruch. Mit 22 zu 9 Stimmen trat die Kammer zwar gegen den Antrag der SP, welche die Senkung im jetzigen Zeitpunkt als unnötig erachtete, auf den Entwurf ein, konnte sich dann aber in der Detailberatung nicht einigen, ab wann und in welchem Ausmass die Senkung vorgenommen werden soll. Der Fahrplan des Bundesrates schien auch einer Mehrheit der Kommission als sozialpolitisch nicht umsetzbar, weshalb sie den Zeitrahmen der Senkung von drei auf fünf Jahre ausdehnen wollte. Schliesslich setzte sich dann ein Minderheitsantrag aus der CVP (David, SG und Schwaller, FR) und Teilen der FDP (Forster, SG und Saudan, VD) zu den Übergangsbestimmungen durch. Danach sollte der Umwandlungssatz erst ab 2014 innerhalb von vier Jahren von 6,8 auf 6,4% gesenkt werden. In der Gesamtabstimmung wurde dieser Kompromissvorschlag schliesslich mit 22 zu 11 Stimmen bei vier Enthaltungen abgelehnt: Dagegen stimmten die Abgeordneten der SP, die sich jeder schnelleren Senkung als der bei der 1. BVG-Revision beschlossenen widersetzten, so wie eine Mehrheit aus der SVP- und der FDP-Fraktion, die eine raschere Senkung wollten.

Nachdem im Vorjahr der Vorschlag des Bundesrates für eine raschere Senkung des Mindestumwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge gescheitert war, befasste sich der Nationalrat damit. Eine linksgrüne Minderheit Rechsteiner (sp, BS) beantragte das Nichteintreten auf die Vorlage mit der Begründung, dass eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes inakzeptabel sei, solange die "Legal Quote" (Überschussbeteiligung der Versicherten) für die berufliche Vorsorge nicht geregelt sei. Ausserdem würde die zunehmende Lebenserwartung eine Reduktion des Mindestumwandlungssatzes nicht rechtfertigen. Mit 118 zu 62 Stimmen lehnte der Nationalrat, den Minderheitsantrag ab und trat auf die Vorlage ein. In der Detailberatung wich der Nationalrat nur in einem Punkt von der Vorlage des Bundesrates ab und zwar beim Zeitraum, über welchen die Senkung vorgenommen werden sollte. Die grosse Kammer folgte der Mehrheit ihrer Kommission und beschloss, die Senkung nicht wie vom Bundesrat vorgesehen innerhalb von drei, sondern von fünf Jahren umzusetzen. Einen Minderheitsantrag Bortoluzzi (svp, ZH), welcher den Mindestumwandlungssatz aus dem Gesetz streichen wollte, lehnte der Nationalrat ab, ebenso wie einen Antrag der Minderheit Rechsteiner (sp, BS). Dieser wollte mit einer Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes eine Regelung der „Legal Quote“ einführen, welche die Interessen der Versicherten durch eine klare, einheitliche Praxis schützte. Die Bürgerlichen betonten zwar ebenfalls die Wichtigkeit einer Diskussion dieser Frage, wiesen aber darauf hin, dass aufgrund der Komplexität der Thematik der Subkommission BVG mehr Zeit für Abklärungen eingeräumt werden sollte. In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage mit 115 zu 57 Stimmen an. Die SP und die Grünen sprachen sich dagegen aus.

In der Differenzbereinigung folgte der Ständerat dem Nationalrat. Da die kleine Kammer die Vorlage in der Gesamtabstimmung als Erstrat abgelehnt hatte, musste sie die Beratung neu aufnehmen. Das Eintreten war nun aber vor dem Hintergrund der Finanzkrise unbestritten. Eine sozialdemokratische Minderheit, welche den Umwandlungssatz nur auf 6,5% senken und die Frage der "Legal Quote" regeln wollte, wurde zurückgezogen, weil sich die SGK des Nationalrates dem Problem annehmen wird. Der Ständerat nahm die Vorlage in der Gesamtabstimmung bei 3 Enthaltungen einstimmig an. In der Schlussabstimmung verabschiedete der Nationalrat die Vorlage mit 126 zu 62 Stimmen und der Ständerat mit 35 zu 1 Stimme bei 6 Enthaltungen.

Am 7. März stimmte das Volk über das fakultative Referendum gegen die Anpassung des Mindestumwandlungssatzes bei der zweiten Säule ab. Diese hatte das Parlament im Jahr 2008 beschlossen. Das Volk lehnte die Anpassung des Umwandlungssatzes wuchtig mit einer Mehrheit von 72,7% ab. Das fakultative Referendum unterstützten die Links-Parteien, die Grünen und die CVP sowie die wichtigsten Gewerkschaftsorganisationen. Die Gegner der Anpassung lehnten die Rentenkürzungen im Allgemeinen ab und hielten diese für verfassungswidrig. Sie waren den Pensionskassen und Versicherungen gegenüber sehr skeptisch eingestellt und vertraten die Ansicht, dass diese in erster Linie eine Gewinnmaximierung anstrebten. Befürworter einer Änderung des Mindestumwandlungssatzes waren unter anderem die SVP und die FDP. Sie machten geltend, dass eine Anpassung des Umwandlungssatzes wegen der gesteigerten Lebenserwartung nötig sei und dass die Beiträge ohne die Senkung des Mindestumwandlungssatzes heraufgesetzt werden müssten.


Abstimmung vom 7. März 2010

Beteiligung: 44,9%
Ja: 617 209 (27,3%) / Stände: 0
Nein: 1 646 369 (72,7%) / Stände: 20 6/2

Parolen:
– Ja: FDP (1*), CVP (5*), SVP (6*), EVP (4*), EDU (2*), GLP (3*), BDP (1*); ZSA, eco, SGV, SBV.
– Nein: SP, CSP, PdA, GP, SD (1*), Lega; SGB, TravS.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Die Änderung des BVG fand in keinem einzigen Kanton Zustimmung. Am deutlichsten war die Ablehnung in den Westschweizer Kantonen Jura, Wallis und Neuenburg, wo es einen Nein-Stimmenanteil von über 80% gab. Abgesehen von Appenzell-Innerrhoden kam kein Stand auf einen Ja-Stimmen-Anteil von über 40%. Entsprechend der Vox-Analyse waren für den Stimmentscheid die sozio-demografischen und die politischen Faktoren von zentraler Bedeutung. Bei Letzteren spielte einerseits die Einordnung in das links-rechts Schema eine wichtige Rolle, aber auch die Verbundenheit mit einer Partei. Die sozio-demografischen Merkmale wirkten dahingehend, dass insbesondere die Ältesten einer Gesetzesänderung zustimmten, da sie von einer solchen Änderung nichts mehr zu befürchten hatten. Auch der Bildungsstand wirkte sich auf den Stimmentscheid aus; der Gesetzesvorlage stimmten vor allem Personen mit einer höheren Bildung zu. Die Stimmmotive der Befürworter waren überwiegend darin begründet, dass die Senkung des Mindestumwandlungssatzes die Rentenfinanzierung stabilisiere und für die nächsten Generationen sichere. Die Begründungen der Gegner und Gegnerinnen der Vorlage waren vielfältiger. Einerseits sahen sie die Vorlage nicht als die richtige Lösung zur Stabilisierung der zweiten Säule an. Andererseits wollten die Befragten keine Rentenkürzungen und lehnten die Pensionskassen, die sich auf dem Rücken der Arbeitnehmer bereichern würden, ab. Auch allgemeinere soziale und ethische Überlegungen wurden angeführt.