Änderung des Namensrechts (Pa.Iv. 94.434)

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1994 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einen Bundesgerichtsentscheid gerügt, mit welchem einem Mann, der den Familiennamen seiner Frau führt, das Recht verwehrt wurde, den Namen, den er vor der Trauung trug, dem Familiennamen voranzustellen. Bei seinem Entscheid hatte sich das Bundesgericht auf den Willen des Gesetzgebers berufen, der bei der Revision des Eherechts der Achtung der Einheit des Familiennamens Priorität und nur für die Ehefrau eine Ausnahme gestattet hatte. Der damals von der Schweiz formulierte Vorbehalt zur Europäischen Menschenrechtskonvention ist aber nach Meinung des Europäischen Gerichtshofes mit der in Gleichstellungsfragen offenen Auslegung der Konvention nicht vereinbar.

Der Bundesrat hatte auf die Rüge aus Strassburg mit einer Änderung der Zivilstandsverordnung reagiert und bestimmt, dass dem Mann die gleiche Möglichkeit wie der Frau zugestanden wird, allerdings nur, wenn beide Brautleute vor der Eheschliessung ein entsprechendes Gesuch stellen, während für die Frau nach wie vor die Erklärung genügt, sie wünsche nach ihrer Verheiratung ihren bisherigen Namen dem Familiennamen voranzustellen. Nicht die durch diese Regelung letztlich nach wie vor bestehende Ungleichbehandlung, sondern der Umstand, dass der Bundesrat in Umgehung der geltenden Normenhierarchie direkt eine Verordnung angepasst hatte, ohne dem Parlament eine diesbezügliche Gesetzesänderung vorzulegen, bewog Nationalrätin Sandoz (lp, VD) zu einer parlamentarischen Initiative, welche verlangt, dass die Bestimmungen des ZGB über den Familiennamen der Ehegatten so geändert werden, dass die Gleichstellung von Mann und Frau gewährleistet wird. Allerdings führt der Text der Initiative nicht aus, in welcher Form die Gleichstellung sicherzustellen sei. Der Nationalrat folgte den Erwägungen seiner Rechtskommission, wonach eine politisch so heikle Frage nicht allein auf dem Verordnungsweg hätte geregelt werden dürfen, und nahm die Initiative stillschweigend an.

Dossier: Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Namensrecht

Ausgehend von der heutigen Rechtslage bestätigte das Bundesgericht einen Entscheid der Zürcher Behörden, wonach die Eltern nicht wählen können, welchen Nachnamen ihre Kinder tragen sollen. Laut geltendem Gesetz erhält das Kind verheirateter Eltern in jedem Fall deren Familiennamen, in der Regel also den Namen des Ehemannes (Art. 160 und 270 ZGB). Wenige Tage nach Veröffentlichung dieses Urteils beschloss die Rechtskommission des Nationalrates, dem Plenum vorzuschlagen, dass Heiratswillige inskünftig den gemeinsamen Familiennamen frei wählen oder ihren eigenen Namen weiterführen können; folgerichtig sollen die Kinder entweder den gemeinsamen Familiennamen oder den Namen der Mutter bzw. des Vaters tragen dürfen. Der Vorentwurf der Rechtskommission wurde in der Vernehmlassung insgesamt positiv aufgenommen.

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Der Bundesrat unterstützte zwar die Stossrichtung dieser Vorschläge, mochte sich jedoch mit dem Verzicht auf den Doppelnamen nicht einverstanden erklären. Als Begründung führte er an, der Doppelname habe sich in der Praxis bewährt; insbesondere entspreche er dem Bedürfnis, die Namenskontinuität und damit die Persönlichkeitsrechte der Frauen zu wahren, gleichzeitig aber die Verbundenheit der Eheleute untereinander und mit ihren Kindern im Namen auszudrücken.

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Das revidierte Eherecht, das auf Anfang 1988 in Kraft gesetzt wurde, hatte die Gleichstellung von Frau und Mann zum Ziel. Ganz konnte dieses Anliegen damals jedoch nicht umgesetzt werden; zu emotional verlief die Auseinandersetzung und zu gross war die Angst vor der traditionalistisch-konservativen Gegnerschaft und dem von ihr angekündigten Referendum. So wurden schliesslich Kompromisse beim Familiennamen und beim Bürgerrecht hingenommen. Das einzige Zugeständnis war für die Frauen, dass sie ihren Familiennamen beibehalten und jenem des Ehemannes voranstellen dürfen; die Kinder erhalten aber ausnahmslos den Familiennamen und das Bürgerrecht des Vaters. In der Zwischenzeit stiess diese Ungleichbehandlung der Geschlechter auf zunehmende Kritik und wurde sogar vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügt. Dieser Umstand hatte (allerdings vorab aus formaljuristischen Gründen) die inzwischen aus dem Parlament ausgeschiedene Nationalrätin und Rechtsprofessorin Sandoz (lp, VD) bewogen, eine parlamentarische Initiative mit der Forderung einzureichen, die Bestimmungen des ZGB seien so zu ändern, dass die Gleichstellung von Frau und Mann gewährleistet wird.

Der Nationalrat hatte die Initiative nach deren grundsätzlicher Gutheissung seiner Rechtskommission zur vertieften Ausarbeitung zugewiesen. Diese legte 1997 ihre Vorschläge vor. Danach sollen im Regelfall beide Ehegatten ihren Namen weiterführen und sich nur für die Kinder auf einen gemeinsamen Familiennamen einigen. Wenn beide den gleichen Namen tragen möchten, können sie entweder jenen des Mannes oder jenen der Frau wählen. Der mit dem neuen Eherecht eingeführte Doppelname ohne Bindestrich hat in diesem Konzept keinen Platz mehr. Die Kommission ging sogar noch einen Schritt weiter als die Initiantin und merzte auch beim Kantons- und Gemeindebürgerrecht die Ungleichbehandlung von Mann und Frau aus: Die Heirat soll künftig keine Auswirkungen mehr auf das Bürgerrecht haben, und die Kinder sollen das Bürgerrecht jenes Elternteils erhalten, dessen Namen sie tragen.

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In der Augustsession brauchte der Nationalrat nur gerade zwei Stunden, um sich voll und ganz der Linie seiner Kommission anzuschliessen. Die Beibehaltung des bisherigen Namens wird – vorausgesetzt, dass der Ständerat ebenfalls zustimmt – zum Normalfall, denn jede Lösung in Richtung eines gemeinsamen Familiennamens bedürfte neu einer Erklärung vor dem Standesamt. Die Doppelnamen werden wieder abgeschafft. Beim Familiennamen der Kinder müssen sich die Eltern auf den einen oder anderen Namen einigen. Heiraten Eltern erst, nachdem ihre gemeinsamen Kinder das 14. Altersjahr erreicht haben, so können die Jugendlichen den Familiennamen selber wählen. Diese Bestimmung war für CVP-Fraktionschef Maitre (GE) Anlass, noch einmal von einem absurden Gesetz zu sprechen, welches das Zivilstandsregister zu einem „Selbstbedienungsladen“ verkommen lasse. Trotz Gegenstimmen aus der CVP wurde die ZGB-Änderung sowohl beim Familiennamen als auch beim Bürgerrecht mit 92 zu 24 Stimmen deutlich angenommen.

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Der Ständerat übernahm weitgehend die Vorschläge des Nationalrates zur Gleichstellung von Frau und Mann beim Familiennamen und beim Bürgerrecht. In einem wichtigen Punkt folgte er allerdings dem Bundesrat. Einstimmig beschloss er, Doppelnamen weiter zuzulassen, um die Einheit der Familie zu unterstreichen. Zudem nahm er gegenüber dem Nationalrat eine Änderung beim Familiennamen der Kinder unverheirateter Paare vor. Diese sollen grundsätzlich den Namen der Mutter tragen; bei gemeinsam wahrgenommenem Sorgerecht sollen die Eltern auch den Namen des Vaters wählen dürfen.

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Die Gleichstellung von Frau und Mann beim Familiennamen und beim Bürgerrecht erlitt in der Schlussabstimmung der Räte eine nicht vorhergesehene Totalniederlage; damit wurde eine Vorlage verworfen, die das Parlament selber erarbeitet und insgesamt fünfmal grundsätzlich gutgeheissen hatte. In der Differenzbereinigung schwenkte der Nationalrat auf die Linie von Bundes- und Ständerat ein, welche die Doppelnamen als Zeichen der Einheit der Familie weiter zulassen wollten, beschloss aber, dass bei Uneinigkeit der Eltern über den Familiennamen die Vormundschaftsbehörde entscheiden sollte. Diese als verwirrlich und etatistisch kritisierte Lösung fand schliesslich keine Mehrheiten mehr. Angeführt von der CVP, welche das neue Namensrecht als Frontalangriff auf die Familie einstufte, bodigte der Ständerat die Gesetzesänderung diskussionslos mit 25 zu 16 Stimmen, der Nationalrat, dem die Angelegenheit immerhin ein paar kurze Erklärungen wert war, mit 97 zu 77 Stimmen.

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