Staatskritische Presse und Zensur

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Wie in den Vorjahren kamen verschiedene linksgerichtete Schüler-, Lehrlings- oder Soldatenzeitungen von meist bescheidener Auflage in Konflikt mit den Behörden. Das Bundesgericht hiess die Nichtigkeitsbeschwerde der Bundesanwaltschaft gegen ein Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen gut, das die Redaktoren des «Roten Gallus» von der Anschuldigung freigesprochen hatte, 1970 mit einem Zitat des Dichters Wolfgang Borchert zur Dienstverweigerung aufgefordert zu haben. Im Anschluss daran liess ein Pfarrer in Weinfelden eine Predigt ausfallen, da er befürchtete, sein Jesaia-Text könnte als verborgene Aufforderung zur Dienstverweigerung aufgefasst werden.

Ähnliches, wie für die Situation der Kunstschaffenden festgestellt wurde, gilt für die Medienschaffenden. Bundespräsident Ritschard erklärte im Rahmen einer Rede in Zürich, der Staat habe zu seiner Opposition in den Medien Sorge zu tragen. Es komme vor, dass Politiker mit der Medienpolitik den Staat schützen wollten und nicht einsähen, dass im Gegenteil der Staat die Freiheit der Medien zu schützen habe. Die Forderungen nach einem Gesamtmedienkonzept, das Presse, Radio, Fernsehen und weitere Massenmedien in ein gegenseitiges Beziehungsgefüge stellen soll, verstummten nicht. Bundesrat Furgler unterstützte dieses Anliegen, als er anlässlich der Eröffnung des Ringier-Pressezentrums in Zürich die Meinung vertrat, auch die Schweiz komme in Zukunft ohne ein kommunikationspolitisches Konzept nicht mehr aus. Im Spätsommer ernannte der Bundesrat eine Expertenkommission unter der Leitung von H. W. Kopp, die ein schweizerisches Medienkonzept erarbeiten soll. Ihr Auftrag lautet, in erster Dringlichkeit Zielsetzungen für eine koordinierte, möglichst widerspruchsfreie Medienpolitik zu formulieren und bis 1981 allfällig notwendige Medienartikel mit Ausführungsbestimmungen vorzulegen.

An der an anderer Stelle besprochenen UNESCO-Konferenz über die Mediencharta hatte die Schweizer Delegation Grundsätze zur Freiheit der Information herausgearbeitet. Im Anschluss an die von der Presse positiv aufgenommene Stellungnahme gegen eine Zensur durch staatliche Organe wurde allerdings vermerkt, dass in der Eidgenossenschaft immer noch der Grundsatz einer «nichtöffentlichen Verwaltung» gelte, was sich am restriktiven Verhalten mancher Behörden ablesen lasse. Ein Urteil des Bundesgerichtes bestätigte diese Feststellung: Die staatsrechtliche Kammer lehnte eine Klage der «Bündner Zeitung» und der Schweizerischen Journalisten-Union ab, die sich gegen die im Jahre 1976 durch die Bündner Regierung erlassenen Informationsrichtlinien gewandt hatten. Die Richter verneinten sowohl einen verfassungsmässigen Anspruch auf freie Informationsbeschaffung durch die Medien als auch eine sich aus den Grundrechten ergebende Informationspflicht der Behörden. Anlässlich einer Tagung orientierte Bundeskanzler K. Huber über die Informationsgrundsätze der Landesregierung. Der Bundesrat sei gesetzlich verpflichtet, die Öffentlichkeit zu orientieren. Aber nur so weit, als dadurch «keine wesentlichen schutzwürdigen öffentlichen oder privaten Interessen» verletzt würden.