BRG 05.080: Neue Regionalpolitik des Bundes (NRP)

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Spätestens seit ihrer 1996 vorgestellten Analyse der Regionalpolitik ist die Landesregierung von der Notwendigkeit einer neuen strategischen Ausrichtung überzeugt. Zu diesem Zweck hatte das Seco eine Expertenkommission mit der Ausarbeitung von neuen Strategien und Mitteln für die Regionalpolitik eingesetzt. Dieser Bericht mit dem Titel „Neue Regionalpolitik“ wurde im Februar des Berichtsjahres abgeliefert. Der Bundesrat beauftragte das EVD, gestützt auf diesen Expertenbericht einen Vorschlag für eine Neuorientierung zuhanden einer Vernehmlassung auszuarbeiten. Gemäss den Leitideen des Bundesrates soll die Berggebietsförderung auch in Zukunft beibehalten werden. Das Schwergewicht soll jedoch, wie es die Expertenkommission in ihrem Bericht verlangt hatte, von der Unterstützung bei der Bereitstellung von Infrastrukturen hin zur Schaffung von Anreizen für die Ansiedelung von wettbewerbsfähigen und wertschöpfungsintensiven Arbeitsplätzen verlagert werden. Damit die Interessen der Bergregionen und generell der ländlichen Gebiete besser koordiniert werden und sie neben den Kantonen direkt mit den Bundesstellen in Kontakt treten können, verlangte Ständerat Stadler (cvp, UR; Po. 03.3136) die Schaffung einer Konferenz des ländlichen Raums und der Berggebiete, analog zu einer 2001 ins Leben gerufenen Institution für die städtischen Agglomerationen. Dieses Postulat wurde vom Bundesrat nicht bekämpft und vom Rat ohne Gegenstimme überwiesen.

Dossier: Regionalpolitik (INTERREG und NRP)

Nachdem der Expertenentwurf für eine neue Regionalpolitik verwaltungsintern überarbeitet worden war, gab der Bundesrat die Vorlage im Mai in die Vernehmlassung. Wie aus dem Expertenentwurf bekannt, will der Bund nicht mehr den Bau von einzelnen Infrastrukturprojekten (z.B. Skilifte, Mehrzweckhallen) in den strukturschwachen Regionen mitfinanzieren, sondern Anschubfinanzierungen für Projekte leisten, welche die Unternehmen in den Regionen gemeinsam konkurrenzfähiger machen. Konkret würde beispielsweise der Aufbau von Vermarktungs- und Technologie- resp. Ausbildungszentren gestützt, von deren Leistungen die ansässigen Unternehmen profitieren könnten. Derartige Starthilfe soll nicht nur in Bergebieten, sondern auch in Agglomerationen und grenznahen Regionen ausgerichtet werden. Überhaupt keine Bundeshilfe mehr würden hingegen einzelne Bergtäler erhalten, deren Wirtschaft über kein Entwicklungspotential verfügt. Nicht mehr weitergeführt werden soll auch der sogenannte Bonny-Beschluss, der in strukturschwachen Regionen einzelnen Unternehmen mit Bundesmitteln unter die Arme greift. Für diese neue Regionalpolitik gedenkt der Bundesrat etwa gleich viel Geld einzusetzen wie bisher, d.h. rund CHF 70 Mio. pro Jahr. In der Vernehmlassung äusserten sich die Bergkantone, die meisten Kantone der Westschweiz und auch die SVP ablehnend; ihrer Meinung nach muss sich die Hilfe weiterhin ausschliesslich auf Berggebiete konzentrieren. Die geringe Unterstützung für die Vernehmlassungsvorlage veranlasste den Bundesrat, eine Arbeitsgruppe zur Überarbeitung des Projekts einzusetzen. In dieser sind die Kantone prominent vertreten.

Dossier: Regionalpolitik (INTERREG und NRP)

Nach der doch recht massiven Kritik am Vernehmlassungsentwurf im Vorjahr befasste sich eine Arbeitsgruppe mit starker Kantonsbeteiligung mit der von der Landesregierung geplanten neuen Regionalpolitik. Diese Arbeitsgruppe sorgte dafür, dass entgegen der ursprünglichen Absicht des Bundesrats gewisse Instrumente der bisherigen Regionalpolitik beibehalten wurden. Nicht verzichtet werden soll insbesondere auf die einzelbetriebliche Förderung mit Steuererleichterungen für neu angesiedelte Unternehmen in strukturschwachen Regionen (sog. Bonny-Beschluss).
Die kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren hiessen die in ihrem Sinn abgeänderte Version Ende Juni gut, und der Bundesrat präsentierte im November seine Botschaft für eine neue Regionalpolitik. Seiner Ansicht nach geht es dabei um eine Konzentration auf das Kernanliegen „Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit“ der Regionen. Der interregionale Ausgleich sei hingegen infolge der Neuregelung des Finanzausgleichs (NFA) und den Beschlüssen über die Grundversorgungspolitik des Bundes in den Hintergrund gerückt. Im Zentrum der neuen Regionalpolitik soll die Förderung von Programmen, Initiativen und Netzwerken stehen, welche die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Regionen und ihrer Unternehmen stärken. Mehr Wert als bisher soll auch auf die Koordination mit den einzelnen Politikbereichen (z.B. Verkehrspolitik) sowie auf die Ausbildung von Fachleuten für das Management und die Evaluation der Regionalpolitik gelegt werden. In den Genuss der Förderungsmassnahmen sollen die Bergregionen, die übrigen ländlichen Gebiete sowie nahe an der Landesgrenze gelegene Zonen kommen. Städtische Agglomerationen in Grenzzonen (Basel, Genf) sind davon aber explizit ausgenommen, da diese wirtschaftlich nicht darauf angewiesen seien resp. von anderen Instrumenten (z.B. Unterstützung für Verkehrsprojekte) profitieren könnten. Innerhalb der Förderregionen sollen vorab diejenigen Gebiete zum Zuge kommen, deren Wettbewerbskraft mit den Massnahmen am meisten gestärkt werden kann. Konkret heisst dies, dass sich die Hilfe auf regionale Zentren konzentriert und entlegene Bergtäler kaum mehr direkt berücksichtigt werden. Für deren Schicksal sollen zukünftig in erster Linie die Kantone verantwortlich sein.
Für die Realisierung dieser neuen Politik schlug der Bundesrat ein neues Bundesgesetz vor, das diejenigen bisherigen Instrumente, deren Beibehaltung sinnvoll erscheint, zusammenfasst und zum Teil mit neuen Zielsetzungen ausstattet. Dieses neue Gesetz soll zeitlich beschränkt sein, seine finanzielle Ausstattung wird über Mehrjahresprogramme geregelt. In diesem Zusammenhang wird auch eine begriffliche Neuerung eingeführt: Der Fonds für Investitionshilfe in Berggebieten wird in Fonds für Regionalentwicklung umbenannt. Er soll vom Bund mit jährlich etwa CHF 30 Mio. alimentiert werden; dazu fliessen noch etwa CHF 40 Mio. Rückzahlungen von Darlehen aus dem bisherigen Investitionshilfefonds. Die Kosten der im Rahmen des Bonny-Beschlusses gewährten Erleichterungen bei der Bundessteuer wurden auf rund CHF 20 Mio. pro Jahr geschätzt.

Dossier: Regionalpolitik (INTERREG und NRP)

Das Parlament befasste sich im Berichtsjahr mit der vom Bundesrat vorgeschlagenen neuen Regionalpolitik. Als Erstrat musste der Ständerat in der Frühjahrssession zur Kenntnis nehmen, dass seine vorberatende Kommission nicht in der Lage gewesen war, das Ende 2005 vom Bundesrat vorgelegte Paket vollständig zu beraten. Er hiess deshalb zuerst einmal, als Übergangslösung bis zur Inkraftsetzung des neuen Gesetzes, die Verlängerung der Geltungsdauer für die bestehenden Instrumente gut. Der Nationalrat folgte ihm in der Sommersession. Im Einzelnen handelte es sich dabei um folgende Programme: Interreg III der EU, Unterstützung des Strukturwandels im ländlichen Raum, Unterstützung von Investitionsvorhaben und überbetriebliche Investitionen in wirtschaftlichen Erneuerungsgebieten sowie Massnahmen zugunsten von wirtschaftlichen Erneuerungsgebieten.

Dossier: Regionalpolitik (INTERREG und NRP)

Auf Antrag des Bundesrates verlängerte das Parlament die Rechtsgrundlage für die Förderung der Beteiligung der Schweiz an der EU-Initiative für die grenzüberschreitende, transnationale und interregionale Zusammenarbeit (INTERREG III) um weitere zwei Jahre bis Ende 2008.

Dossier: Regionalpolitik (INTERREG und NRP)

Das neue Bundesgesetz über die Regionalpolitik, das die Mitfinanzierung von infrastrukturellen Einzelprojekten durch die Unterstützung von Massnahmen ersetzen will, welche die Konkurrenzfähigkeit einer Region insgesamt stärken, kam dann in der Sommersession vor den Ständerat. Dieser nahm es ohne bedeutende Änderungen an. Im Nationalrat, der die Vorlage ebenfalls noch in der Sommersession verabschiedete, beantragte eine von Gysin (sp, BS) angeführte Kommissionsminderheit die Rückweisung an den Bundesrat mit der Auflage, alle Regionen, das heisst auch die grossen Städte, in die Regionalpolitik einzubeziehen. Gysin fand für seinen Antrag im ganzen Rat nur bei vier anderen Abgeordneten Unterstützung. In der Detailberatung wurden Anträge der Linken abgelehnt, welche die Ziele der nachhaltigen Entwicklung und der Schonung der Ressourcen stärker gewichten wollten. Nicht besser erging es auch einem Antrag aus ihren Reihen, eine bessere Zusammenarbeit unter den Gemeinden, den Kantonen und dem Bund mit der Einrichtung einer Tripartiten Konferenz anzustreben.

Dossier: Regionalpolitik (INTERREG und NRP)

Für einige Aufregung sorgte die Umsetzung des Beschlusses des Parlaments vom Vorjahr, den so genannten Bonny-Beschluss zur Förderung strukturschwacher Regionen weiterzuführen. Dieses Instrument erlaubt es unter anderem, neu angesiedelte ausländische Unternehmen für zehn Jahre von der direkten Bundessteuer zu befreien. Die vom Bundesrat im Sommer angekündigte und trotz heftiger Proteste auf Anfang 2008 in Kraft gesetzte Neubestimmung der in Frage kommenden Gebiete beschränkte diese auf die ärmsten und strukturschwächsten Regionen der Schweiz. Bisherige Nutzniesser, die ihre ökonomischen Probleme der 70er und 80er Jahre überwunden haben wie die Industriestädte Schaffhausen, Thun, Biel und Neuenburg, aber auch heute prosperierende ländliche Regionen im Genferseegebiet und im Unterwallis gehören nicht mehr dazu. Dies führte namentlich in der Romandie zu Protesten, während umgekehrt Zürich und Zug verlangten, dass diese selektive einzelbetriebliche Förderung ganz aufgehoben werde.

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