Im Juni 2014 gab der Bundesrat bekannt, dass der Ärztetarif TARMED angepasst werde. Erstmals nimmt die Regierung diesen Schritt in eigener, subsidiärer Kompetenz wahr, da sich die Tarifpartner untereinander nicht auf einen neuen Tarif einigen konnten. Das grundsätzliche Bestreben liegt darin, die intellektuellen Leistungen der Ärzte gegenüber den technischen Leistungen stärker zu gewichten. Ein Grund, der zu einer Verzerrung der Tarife führte, ist der technische Fortschritt, wobei technisch-apparative Leistungen heute mit wesentlich weniger Aufwand erbracht werden können, jedoch dahingehend keine tariflichen Anpassungen vorgenommen wurden. Deswegen wurde die Tarifstruktur in ihrer Gesamtheit als nicht mehr sachgerecht empfunden. Die Tarifanpassung wird als Folge des kurz zuvor in der Volksabstimmung angenommenen Verfassungsartikels über die medizinische Grundversorgung nötig und ist Teil des Masterplans "Hausarztmedizin und medizinische Grundversorgung", der als eine der Massnahmen im Rahmen der Gesamtstrategie "Gesundheit 2020" umgesetzt werden soll. Für die Prämienzahlenden fallen dadurch keine höheren Kosten an. Die Anpassung von TARMED hat zur Folge, dass bestimmte Tarifpositionen um CHF 200 Mio. gesenkt werden und im Gegenzug eine Tariferhöhung für die Grundkonsultation eingeführt wird. Faktisch bedeutet das eine Verlagerung von den Spezialisten in den Spitälern hin zu den Grundversorgern, namentlich den Haus- und Kinderärzten. Deren Vergütung für die Grundkonsultation nimmt mit dieser Massnahme um rund CHF 9 pro Konsultation zu. Zur Umsetzung hat der Bundesrat die Verordnung über die Anpassung von Tarifstrukturen in der Krankenversicherung verabschiedet, die auf 1. Oktober 2014 hätte Kraft gesetzt werden sollen.
Die von der Umlagerung benachteiligten Leistungserbringer wollten diesen Schritt jedoch nicht akzeptieren. Der Spitalverband H+ hat zusammen mit weiteren Verbänden beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhoben. Die Beschwerdeführerschaft erachtete die Verordnung als nicht vereinbar mit dem Krankenversicherungsgesetz, weil die undifferenzierten linearen Kürzungen bei den technischen Leistungen nicht sachgerecht seien. Darüber hinaus verstehen sich die Spitäler auch als Leistungserbringer in der medizinischen Grundversorgung, womit sie bei einer Streichung der Gelder gegenüber der Hausärzteschaft diskriminiert würden. Ebenfalls nicht einverstanden zeigte sich H+ mit dem Eingriff des Bundesrates in die Neuordnung der Tarifstruktur: Die Regierung berufe sich zu Unrecht auf ihre subsidiäre Kompetenz. Letztlich wurde gefordert, dass die Verfügung, beziehungsweise die Verordnung aufgehoben werde, was mit der Wiederherstellung der Tarifautonomie einherginge. Ende Oktober gab das Bundesverwaltungsgericht bekannt, nicht auf die Beschwerde einzutreten, und gab formale Gründe für den Nichteintretensentscheid an. Die angefochtene Anpassungsverordnung sei eben tatsächlich eine Verordnung des Bundesrates und nicht eine Verfügung, wie von den Beschwerdeführern fälschlicherweise interpretiert. Dieser Entscheid hatte auch zur Folge, dass die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hatte und die Anpassung demnach in der Tat auf den 1. Oktober in Kraft gesetzt wurde.

Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

Über 10 Milliarden Franken an Kosten zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung fallen im ambulanten Bereich in Artzpraxen und Spitälern jährlich an, was 37% der Gesamtkosten entspricht (Stand 2013). Seit dem Jahr 2004 werden die entsprechenden Leistungen mithilfe des Tarmed berechnet. Dabei werden ärztlichen Leistungen und dem Einsatz von medizinischem Material eine bestimmte Anzahl von Taxpunkten zugeschrieben. Die Anzahl Taxpunkte multipliziert mit dem kantonalen Taxpunktwert ergibt die verrechenbaren Preise. Ausgehandelt werden die Taxpunktwerte zwischen den Krankenversicherern und einer Tarifkommission der Unfallversicherung einerseits und der Ärzteverbindung FMH und dem Spitalverband H+ andererseits. Kann keine Einigung erzielt werden, wird der Taxpunktwert durch den jeweiligen Regierungsrat festgesetzt. Der Bund hat eine Schiedsrichterrolle. Bereits seit längerer Zeit stand fest, dass aufgrund des medizinischen Fortschritts, der manche durch Apparate gestützte Leistungen stark vereinfacht hatte, die geltende Tarmed-Struktur veraltet ist. Manche Gruppen von Leistungserbringenden, darunter viele Fachärzte und -ärztinnen, verdienen daher zu viel, andere, insbesondere Kinder- und Hausärzte, zu wenig. Dies trägt zu den hohen Kosten im Zusammenhang mit Spezialärztinnen bei gleichzeitigem Hausärztemangel bei.

Im März 2015 gründeten die FMH, die Medizinaltarifkommission der Unfallversicherung MTK, Curafutura und H+ die „TARMED Suisse AG", um die sich in Liquidation befindende Tarmed Suisse abzulösen und eine neue Tarifstruktur zu erarbeiten, welche per Anfang 2017 in Kraft treten soll. Damit sollten seit längerer Zeit herrschende Konflikte zwischen den Tarifpartnern gelöst werden. Der grössere der beiden Krankenversichererverbände, Santésuisse, beteiligte sich allerdings nicht an der neuen Firma, da man befürchte, die Tarmend-Revision werde zu einem Kostenschub im Rahmen von CHF 1,5 Mrd. oder fünf Prämienprozenten führen. Dies könne den Versicherten nicht zugemutet werden. Die an der TARMED Suisse AG beteiligten Partner betonten dagegen, die Revision werde kostenneutral ausfallen und Santésuisse sei eingeladen, sich an den Arbeiten zu beteiligen. Auch der Bundesrat betonte im Juni 2015, die Revision müsse dauerhaft kostenneutral ausfallen. Zudem rief Bundesrat Berset den Akteuren in Erinnerung, die Bundesregierung werde lediglich eine einzige und nicht zwei parallele Tarifstrukturen billigen, und hinter der gefundenen Lösung müsse die Mehrheit jeder Branche stehen.

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Im Winter und Frühling 2016 gingen die Arbeiten für eine Reform des Tarmed weiter und ein baldiger Abschluss wurde angestrebt – das Resultat musste dem Bundesrat bis Ende Juni zur Prüfung vorgelegt werden. Ansonsten werde dieser seine subsidiäre Kompetenz nutzen und selbst in den Tarmed eingreifen, hiess es von Seiten des BAG. Dies wollten die Tarifpartner unbedingt verhindern. Dennoch zeichnete sich ab, dass eine Einigung schwierig werden würde. Nachdem die Kosten im Gesundheitswesen und insbesondere im vom Tarmed geregelten ambulanten Bereich im Jahr 2015 erneut stark angestiegen waren und ein Eingriff des Bundesrates aus dem Jahr 2014 nicht die erwünschte Wirkung gezeigt hatte, erschien die Revision eigentlich dringender denn je. Dennoch beteiligte sich der grössere der beiden Krankenversichererverbände, Santésuisse, nach wie vor nicht an den Verhandlungen, und bei den Leistungserbringern eröffnete sich eine Kluft zwischen einer die Spezialärztinnen und Spezialärzte umfassenden Tarifunion und der FMH. Auch die FMH zeigte sich jedoch aufgrund innerer Konfliktlinien kritisch – der neue Tarif würde unter ihren Mitgliedern zwingend Gewinnerinnen und Verliererinnen schaffen. Die Santésuisse warnte weiterhin, die angedachte Lösung werde zu einem spürbaren Kostenschub führen, da nicht nur umverteilt, sondern auch der Kuchen vergrössert werde. Stattdessen müssten die teils überhöhten Tarife auf ein betriebswirtschaftlich sinnvolles Niveau gesenkt werden.

Anfang April wurde die erarbeitete Lösung vorgelegt und die Branchenverbände waren aufgerufen, sich dazu zu äussern. Die FMH sprach sich bereits kurz darauf anlässlich zweier Delegiertenversammlungen mehrheitlich für die neue Tarifstruktur aus, brachte aber einen Vorbehalt bei der Normierungsvereinbarung an, welche dafür sorgen soll, dass durch die Reform trotz Ausbau der Tarif-Positionen keine Zusatzkosten entstehen. Die Forderung nach Verzicht auf den Normierungsfaktor, welcher alle Positionen um den gleichen Anteil kürzt und so die Kosten auf dem bisherigen Niveau hält, stiess bei Curafutura prompt auf vehemente Ablehnung. Die jährlich vier Milliarden Franken Mehrkosten, die dadurch entstehen würden, wurden als inakzeptabel und keinesfalls tragbar angesehen. Der Spitalverband H+ stellte sich Ende Mai als einziger voll hinter den neuen Tarmed und akzeptierte auch die vorgesehene Normierung. Die Vereinbarung könne in ihrer aktuellen Form dem Bundesrat zur Genehmigung vorgelegt werden. Nachdem Anfang Juni jedoch die Urabstimmung der FMH im Widerspruch zum vorherigen Entscheid der Delegierten eine knappe Ablehnung des Tarifs und eine überaus deutliche Ablehnung der Normierungsvereinbarung und damit der Kostenneutralität ergeben hatte, war klar, dass die Tarmed-Revision gescheitert war. Die nicht an den gemeinsamen Arbeiten beteiligte Santésuisse legte kurz darauf ihren eigenen Vorschlag vor, der auch für den ambulanten Bereich ein stärker an Fallpauschalen angelehntes System vorsieht.

Mitte Juni gab Bundesrat Berset in einem Interview in der Sonntagspresse bekannt, den Tarifpartnern eine Nachfrist einzuräumen, erklärte aber gleichzeitig, er schätze die Chancen für einen breit unterstützten Kompromiss als gering ein und der Bundesrat sei zu einem Eingriff in das Tarifsystem bereit. Entsprechende Arbeit würden bereits während des Laufens der Nachfrist begonnen. Nachdem auch Curafutura dem vorliegenden Vorschlag eine Absage erteilt hatte, standen nur noch die Spitäler dahinter. Wie erwartet lief die ursprüngliche Frist damit Ende Juni ungenutzt ab: Beim Bundesrat wurde kein gemeinsamer Vorschlag zur Revision des Tarmed eingereicht.

In der Zwischenzeit hatte die Kommission für Gesundheit und soziale Sicherheit des Nationalrats drei gleichlautenden parlamentarischen Initiativen Folge gegeben, die dem Bundesrat und den Kantonsregierungen die Kompetenz zum Eingriff in die Tarifstrukturen und Preise entziehen wollen.

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Ende Juni 2016 war die Frist zur Einreichung eines gemeinsamen Vorschlags der Tarifpartner für eine Revision des Tarmed beim Bundesrat abgelaufen. Die grundlegende Uneinigkeit zwischen dem Krankenversichererverband Curafutura und der Ärzteschaft darüber, ob die Revision kostenneutral ausfallen, eine Einnahmeerhöhung für die Hausärztinnen also durch Einsparungen bei den Spezialärzten kompensiert werden soll, hatte nicht überwunden werden können. Dies obwohl der Bundesrat klar vorgegeben hatte, dass die Revision nicht zu zusätzlichen Kosten führen darf und obwohl alle Tarifpartner ein subsidiäres Eingreifen des Bundesrates unbedingt vermeiden wollten. Die FMH hielt dagegen, der von ihr mit-erarbeitete nicht kostenneutrale Tarif sei sachgerecht und betriebswirtschaftlich, wie es der Auftrag gewesen war. Das BAG räumte den Tarifpartnern eine Nachfrist von vier Monaten für das Finden einer Konsenslösung ein, wie es in einer Medienmitteilung vom 1. Juli 2016 bekanntgab. Darin mahnte es erneut, durch die Revision dürfe keine Kostensteigerung entstehen. Die Beteiligten wurden aufgefordert, für den Fall, dass auch in der Nachfrist keine gemeinsame Lösung zustande kommt, zumindest Vorschläge zur punktuellen Anpassung der Tarife bei überteuerten Leistungen einzureichen. Die eingeräumte Frist von vier Monaten bis Ende Oktober wurde allgemein als sehr kurz aufgefasst. Die FMH begann die Arbeit an einem neuen Vorschlag und setzte sich zum Ziel, diesen bis im Frühling 2017 vorlegen zu können. Dieses Mal sollte zuerst ein interner Konsens zwischen den verschiedenen Fachgesellschaften gefunden werden, um ein erneutes Scheitern zu verhindern. Dafür erhielt der Verband ein Verhandlungsmandat seiner Delegierten. Zwischenzeitlich wurde es somit ruhiger um den Tarmed.

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Anfang November 2016 gab das Bundesamt für Gesundheit bekannt, dass die Tarifpartner auch die verlängerte Frist bis Ende Oktober nicht genutzt hatten, um einen gemeinsamen Vorschlag für die Revision des Tarmed einzureichen. Aus diesem Grund würden nun Anpassungen bei den zu hoch tarifierten Leistungen vorbereitet, welche in der ersten Jahreshälfte 2017 in die Vernehmlassung gehen sollen. Die Vermeidung von Mehrkosten sei immer noch Bedingung; ein von H+ eingereichter Vorschlag für eine Gesamtrevision und punktuelle Vorschläge der anderen Tarifpartner würden soweit als möglich berücksichtigt. Ende November genehmigte der Bundesrat die Vereinbarung der Tarifpartner, am aktuell gültigen Tarmed bis Ende 2017 festzuhalten, um einen vertragslosen Zustand zu vermeiden.

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Zwischen März und Juni 2017 führte das EDI eine Vernehmlassung zur Revision des Tarmed im Bereich der ambulanten ärztlichen Leistungen durch. Da sich die Tarifpartner nicht auf eine gemeinsame Tarifstruktur einigen konnten, soll der Tarmed in diesem Bereich zudem per 1. Januar 2018 als gesamtschweizerisch einheitliche Tarifstruktur für ärztliche Leistungen festgelegt werden. Auch im Bereich der physiotherapeutischen Leistungen muss der Bundesrat mangels vereinbarter einheitlicher Strukturen die Einzelleistungstarifstruktur festlegen. Zur vorgeschlagenen Lösung gingen in der Vernehmlassung 980 Stellungnahmen ein. Neben den hauptsächlich auf die Stellungnahme der GDK verweisenden Kantonen meldeten sich auch die grossen nationalen Parteien, Wirtschafts-, Versicherer- und Konsumentenverbände, Patientenorganisationen, Ärztegesellschaften und -vereinigungen sowie rund 700 einzelne Leistungserbringerinnen und -erbringer zu Wort. Unbestritten war der Revisionsbedarf des Tarmed, so dass Kantone, Parteien und Versicherer die vorgeschlagenen Änderungen grösstenteils befürworteten. Die Patientenorganisationen befürchteten jedoch insbesondere Kostenverschiebungen zur IV oder zur ALV sowie Leistungsverschiebungen vom ambulanten zum stationären Bereich. Die Ärztegesellschaften und Spitäler kritisierten die ungenügende Kostendeckung, welche eine wirtschaftliche Praxisführung in Frage stelle. So würden bereits heute gewisse Kosten nicht mehr durch den Tarmed gedeckt und die Revision verstärke dies zusätzlich. Besonders stark von den Änderungen betroffen seien zudem die vulnerabelsten Patientinnen und Patienten sowie ihre Leistungserbringer.

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Im August 2017 gab der Bundesrat bekannt, dass er von seiner subsidiären Kompetenz Gebrauch machen und die Einzelleistungstarifstruktur Tarmed anpassen werde. Dies war nach 2014 zum zweiten Mal nötig geworden, weil sich Leistungserbringer und Versicherer nicht auf einen gemeinsamen Tarif hatten einigen können und somit für das Jahr 2018 keine Tarifstruktur mehr vorgelegen hätte. Die Änderungen der Verordnung zum Tarmed sahen vor, die „Vergütungen der verschiedenen Leistungen in angemessene Relation zu stellen“. Dazu sollten einerseits die Leistungsvergütungen bestimmter Tarifpositionen geändert werden. Zum Beispiel soll für alle Leistungen ein einheitlicher Dignitätsfaktor bestimmt werden. Die Weiterbildungsdauer der Fachärzte soll folglich nicht mehr in die Tarife einfliessen, so dass alle ärztlichen Leistungen einheitlich abgerechnet werden. Andererseits werden die Abrechnungsregeln einzelner Tarifpositionen geändert, was unter anderem zu mehr Abrechnungstransparenz und reduzierten Beträgen bei der Verrechnung von Leistungen in Abwesenheit der Patientinnen und Patienten führen soll. Zudem werden die Tarife derjenigen Leistungen gesenkt, deren Dauer durch technische oder medizinische Fortschritte reduziert worden ist. Einzelne dieser Massnahmen hatte der Bundesrat entsprechend den Rückmeldungen aus der Vernehmlassung angepasst, so dass er nun mit jährlichen Einsparungen von CHF 470 Mio. (anstelle der ursprünglich erwarteten CHF 700 Mio.) rechnete. Diese Korrekturen betrafen vor allem die vulnerabelsten Patienten, also Kinder, Betagte und psychisch Kranke, deren Grundkonsultation unter anderem weiterhin länger dauern darf als bei den übrigen Patienten.

Die betroffenen Akteure reagierten unterschiedlich auf die Revision. Der Kassenverband Curafutura lobte die Revision und erwartete deutliche Einsparungen bei den Prämien; Santésuisse hingegen bezweifelte, dass die durch die Revision möglichen finanziellen Reduktionen tatsächlich die von Bundesrat Berset angegebene Höhe erreichen würden. Negative Reaktionen kamen vor allem von den Leistungserbringern: Der Ärzteverband FMH sorgte sich aufgrund der Revision wie bereits in der Vernehmlassung vor möglichen Verschiebungen vom ambulanten in den stationären Bereich. Für die Ärzte bedeute dies zudem eine Reduktion ihrer Vergütungen um durchschnittlich 10 Prozent, vereinzelt könne es gar zu Reduktionen bis 30 Prozent kommen. Dies veranlasste die Presse zu Spekulationen, ob die Revision den Anreiz der Ärzteschaft gesteigert habe, ihre eigene Tarifrevision Tarco voranzutreiben. Deren Erarbeitung hatte sich zuvor als schwierig erwiesen, weil höhere Ansätze bei den einen Ärzten aufgrund der nötigen Kostenneutralität zu finanziellen Einbussen für andere Ärzte führen würden. Der Spitalverband H+ betonte schliesslich, dass die Anpassung des Tarmed die Situation der Spitäler weiter verschlechtern werde. Aufgrund dieser unterschiedlichen Rückmeldungen waren sich die Medien nicht einig, ob die Revision eine gute oder schlechte Nachricht für die Patienten sei. Zwar setze der Bundesrat damit ein Zeichen gegen die ständig wachsenden Prämien, jedoch seien Einsparungen von einer halben Milliarde pro Jahr bei jährlichen Gesundheitskosten von etwa CHF 70 Mrd. eher ein Tropfen auf den heissen Stein.

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Einen ersten Effekt verzeichnete die Tarmed-Änderung, die im Januar 2018 in Kraft trat, bereits im Februar 2018: Wie das Bundesamt für Statistik vermeldete, sank der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) von Dezember 2017 auf Januar 2018 um 0.1 Prozent. Dies sei insbesondere auf die tieferen Preise für ambulante Behandlungen im Spital, die um 4.9 Prozent gesunken waren, zurückzuführen, erklärte das BFS.

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Im Nachgang zur Änderung des Tarmed, die am 1. Januar 2018 in Kraft trat, zeigten sich verschiedene Gruppierungen von ambulanten Ärztinnen und Ärzten – zum Beispiel Gynäkologen und Orthopäden – unzufrieden, da ihre ambulanten Tarife reduziert worden waren. In Genf entschieden sich die Handchirurgen gar, ab dem 1. Januar für fairere Abgeltungen ihrer Arbeit zu streiken, und führten vorerst keine nicht dringlichen Operationen mehr durch. Zum Beispiel solle eine Karpaltunneloperation neu statt CHF 177 noch CHF 105 – und somit weniger als ein Haarschnitt, wie Stéphane Kämpfen, Präsident der Gruppe der Handchirurgen betonte – kosten. Dadurch würden sie mit solchen Operationen Verluste erzielen, argumentierten die Chirurgen; zudem seien solche Tarife schon fast eine Beleidigung ihrer Arbeit. Der Streik dauerte bis zum 1. März 2018: Nach langen Verhandlungen standen die Genfer Handchirurgen kurz vor einer Einigung mit Santésuisse für eine neue nationale Vergütung von fünf Behandlungen, so dass das Tarmed in diesen Bereichen nicht zur Anwendung gelangen würde. Da das KVG den Kantonen die Möglichkeit gebe, mit den Tarifpartnern – den Ärztinnen, Ärzten und Krankenversicherungen – entsprechende eigene Übereinkommen zu treffen, könne der Bundesrat diese Änderung nicht verhindern, betonte die Tribune de Genève.

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Im April 2018 urteilte das Bundesgericht in der Frage, ob der Bundesrat 2014 dazu berechtigt gewesen war, den Tarmed nach politischen Gesichtspunkten zu ändern. Der Bundesrat hatte bei der ersten Tarmed-Änderung entschieden, den Haus- und Kinderärzten mehr und den Spezialärzten im Tarmed weniger Geld für ihre Leistungen zuzusprechen. Dies erachtete die Privatklinik St. Anna in Luzern als widerrechtlich und verrechnete ihre Kosten weiterhin nach den alten, höheren Tarmed-Tarifen. Das eingesetzte Schiedsgericht, das nötig geworden war, weil eine Krankenversicherung diese höheren Tarife nicht akzeptiert hatte, gab der Klinik recht, woraufhin die Versicherung den Fall vors Bundesgericht weiterzog. Da in der Zwischenzeit auf Anraten des Spitalverbands H+ verschiedene Spitäler ihre Rechnungen unter Vorbehalt ausgestellt hatten, erwarteten sowohl Krankenversicherungen als auch Spitäler den Entscheid mit grossem Interesse.
Das Bundesgericht befand im April 2018, dass das KVG keine klaren Vorgaben dazu mache, welche Anpassungen der Bundesrat machen dürfe und wie er dabei vorgehen müsse. Folglich komme ihm diesbezüglich ein grosser Ermessensspielraum zu; er könne daher auch lineare Kürzungen sowie politisch motivierte Kürzungen wie die Förderung der Hausarztmedizin vornehmen. Die Krankenkassen zeigten sich erleichtert über das Urteil, das gemäss Santésuisse nun für Rechtssicherheit sorge. Der Berufsverband der Ärztinnen und Ärzte FMH zeigte sich erstaunt über den Entscheid und insbesondere darüber, dass es dem Bundesrat möglich sein soll, politische Aspekte zu berücksichtigen, während sich die Tarifpartner beim Tarmed strikt an den Wortlaut des KVG halten müssten. Die Medien urteilten, dass dieser Entscheid den Einfluss des Bundesrates stärke; Gewinner seien die Prämienzahlenden, lobte Santésuisse den Entscheid.

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