Arbeitsgruppe beleuchtet HIV-Infektionen durch Bluttransfusionen (ab 1993)

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Im Frühjahr 1993 setzte Bundesrat Cotti eine dreiköpfige Arbeitsgruppe ein mit dem Auftrag, abzuklären, unter welchen Umständen und in welchem Umfang Patienten durch Transfusionen von Blutpräparaten möglicherweise mit dem HI-Virus infiziert wurden. Nach Angaben des Departements des Innern (EDI) sollen die Experten feststellen, ob bei den meist vor dem Jahr 1985 erfolgten Infektionen die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten wurden bzw. der ärztlichen Pflicht nachgelebt wurde. Überprüft werden soll namentlich die Arbeitsteilung zwischen den Bundesämtern für Gesundheitswesen (BAG) und Sozialversicherungen (BSV), der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) und dem Roten Kreuz (SRK). Ziel ist laut EDI, für die Zukunft Verantwortlichkeit und Strukturen festzulegen, die eine rasche Reaktion der Behörden im Bereich der Blutprodukte sicherstellen.

Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Diese Fragestellung erhielt durch den Blutskandal in Deutschland, wo in noch ungewissem Ausmass ungenügend kontrollierte Blutkonserven in die Spitäler gelangten, neue Aktualität, besonders als bekannt wurde, dass nicht auszuschliessen sei, dass einzelne dieser Blutpräparate auch in die Schweiz eingeführt worden seien. Keine der darauf angesprochenen Behörden (IKS, BAG, Kantonsärzte bzw. -apotheker) konnte mit letzter Klarheit die Frage beantworten, ob, wann und wo problematische Blutpräparate importiert und allenfalls verwendet worden seien. Diese völlig unklaren Kompetenzen erhärteten den Ruf nach einer zentralisierten Kontrollinstanz.

Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Die noch von Bundesrat Cotti als Vorsteher des EDI eingesetzte Arbeitsgruppe «Blut und AIDS» legte anfangs 1994 ihren Bericht vor. Sie attestierte den involvierten Bundesämtern zwar, bei den nach 1984 erfolgten HIV-Infektionen durch verseuchte Blutpräparate keine groben Pflichtverletzungen, Unterlassungen oder fachlichen Fehler begangen zu haben, stellte aber dennoch gewisse Mängel fest. Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) musste sich hingegen eine scharfe Rüge gefallen lassen. Der Bericht führte aus, dass das Verhalten des Zentrallaboratoriums, welches noch nach 1985 möglicherweise verseuchte Blutpräparate weiter vertrieb, gegen die medizinisch-ethischen Regeln verstossen habe und zudem rechtswidrig gewesen sei. Aufgrund ihrer Feststellungen kam die Arbeitsgruppe zum Schluss, das Bluttranfusionswesen müsse neu organisiert werden. Die extreme Verzettelung der Kompetenzen zwischen BAG, BSV, IKS und SRK führe zu Unsicherheiten, Überschneidungen und vor allem zu Verzögerungen. Das Bluttranfusionswesen sei deshalb einer einzigen Instanz unterzuordnen, die Kontrollbehörde wäre und auch Entscheidungen in Grundsatzfragen zu treffen hätte.
Die festgestellten Mängel betreffen aber nicht nur die Blutprodukte, sondern die Heilmittel im allgemeinen, bei deren Kontrolle die gleiche Aufsplitterung der Verantwortlichkeiten herrscht wie im Blutspendewesen. Die Arbeitsgruppe verlangte deshalb, dass auch die Heilmittel einer einzigen Behörde unterstellt werden, was eine Abschaffung des Interkantonalen Konkordates und der IKS bedeuten würde.

Als Folge der schweren Vorwürfe reorganisierte das SRK seinen Blutspendedienst. Ab 1996 sollen die Blutspenden nur noch in wenigen Zentren getestet und weiterverarbeitet werden.

Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven