Einschränkung des Verbandsbeschwerderechts im NHG bei Einzelprojekten innerhalb der Bauzone (Pa.Iv. 19.409)

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Im Jahr 2020 gaben beide Kommissionen für Umwelt, Raumplanung und Energie einer parlamentarischen Initiative Bregy (cvp, VS) Folge, die den Umstand ändern wollte, dass Organisationen im Bereich des Natur- und Heimatschutzes und der Denkmalpflege auch bei Einzelprojekten innerhalb der Bauzone das Verbandsbeschwerderecht einlegen können. Das Verbandsbeschwerderecht im Natur- und Heimatschutzgesetz soll analog zu demjenigen im Umweltschutzgesetz eingeschränkt werden, forderte der Initiant. Die UREK-NR gab der Initiative im August mit 13 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung Folge. Im Oktober folgte die UREK-SR ihrer Schwesterkommission mit 8 zu 4 Stimmen.

Auf Antrag der UREK-NR beschloss der Nationalrat in seiner Wintersession 2022, die Behandlungsfrist für eine parlamentarische Initiative Bregy (mitte, VS) betreffend eine Einschränkung des Verbandsbeschwerderecht im Natur- und Heimatschutzgesetz um zwei Jahre bis zur Wintersession 2024 zu verlängern. Die Kommission hatte den Antrag damit begründet, dass die Arbeiten zu einem Gesetzesentwurf noch im Gange seien. Der Entwurf soll unter anderem festlegen, bis zu welcher Gebäudegrösse das Verbandsbeschwerderecht eingeschränkt werden soll und welche Ausnahmen bei der Neuregelung vorzusehen sind.

Nachdem die Behandlungsfrist für eine parlamentarische Initiative Bregy (mitte, VS) in der Wintersession 2022 verlängert worden war, hatte die UREK-NR im März 2023 einen Gesetzesentwurf zur Anpassung des NHG fertiggestellt und diesen in die Vernehmlassung geschickt.
Das BAFU veröffentlichte die Vernehmlassungs-Ergebnisse im Dezember 2023 in einem Bericht. Der Entwurf der UREK-NR sah eine Einschränkung des Verbandsbeschwerderechts bei Wohnbauten mit einer Geschossfläche von unter 400 Quadratmetern vor, vorausgesetzt, das Bauvorhaben sei nicht in einem sensiblen Gebiet geplant. Ein Kommissionsminderheitsantrag Jauslin (fdp, AG) forderte, dass das Verbandsbeschwerderecht lediglich bei einer Geschossfläche von unter 250 Quadratmetern eingeschränkt werden solle. Ebenso solle das Beschwerderecht aufrechterhalten werden, falls die betroffene Bauzone auch für eine Auszonung geeignet wäre. Eine Kommissionsminderheit Munz (sp, SH) setzte sich für ein Fortbestehen des Verbandsbeschwerderechts bei Wohnbauten ein, die in einer Gemeinde mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent erbaut werden sollten.

Die Hälfte der 68 Stellungnehmenden in der Vernehmlassung unterstützte den Mehrheitsantrag der UREK-NR. 13 Kantone (AI, BE, GL, GR, JU, LU, NW, SO, SZ, TI, VD, VS, ZG) konnte die Vorlage überzeugen, während der Kanton Obwalden sich für die Minderheitsanträge Jauslin und Munz aussprach. Der Kanton Bern unterstützte zusätzlich den Minderheitsantrag Munz. Die Regierungskonferenz der Gebirgskantone befürwortete den Mehrheitsantrag der UREK-NR – trotz der divergierenden Stellungnahme zweier Mitgliedskantone (OW, UR) – ohne Vorbehalte. Eine Mehrheit der stellungnehmenden Dachverbände (Baumeisterverband, economiesuisse, SAB, SBV, SGV), die bürgerlichen Parteien (SVP, FDP.Liberalen, Mitte) und weitere Verbände aus der Bau- und Immobilienbranche (bspw. HEV, metal.suisse) begrüssten die Vorlage. Mit deren Hilfe könnte ein Ungleichgewicht beim Verbandsbeschwerderecht zwischen dem NHG und dem USG behoben werden, da bei letzterem lediglich UVP-pflichtige Bauvorhaben vom Beschwerderecht betroffen seien, lautete die Argumentation der Unterstützerinnen und Unterstützer. Einige Stellungnehmenden wünschten sich eine Erhöhung der Schwelle der Geschossfläche auf 600 Quadratmeter (bspw. USPI, FRI, HEV), während die Handelskammer beider Basel gar eine Erhöhung des Grenzwerts auf 1'000 Quadratmeter forderte.

Gegen den Mehrheitsantrag äusserten sich zehn Kantone (AG, AR, BL, GE, FR, NE, SG, TG, UR, ZH), welche unter anderem keinen Handlungsbedarf sahen, da das Verbandsbeschwerderecht ohnehin nur selten genutzt werde. Auch die BPUK und der KSD sowie die Grünen und die SP lehnten die Vorlage ab, da sie den Umwelt- und Denkmalschutz schwäche. Auf Unverständnis stiess die Vorlage bei den stellungnehmenden Umwelt- und Denkmalschutzorganisationen (bspw. Pro Natura, Greenpeace, NIKE), welche sich allesamt gegen den Mehrheitsantrag positionierten. Als Begründung ihrer Haltung nannten die Organisationen unter anderem die «Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze», da Wohnbauprojekte mit einer geringeren Geschossfläche privilegiert behandelt werden würden. Die Denkmalschutzorganisationen (AKD, AS, SHS, NIKE) störten sich insbesondere daran, dass eine Mehrzahl der schützenswerten Ortsbilder nicht mehr dem Verbandsbeschwerderecht unterstellt wären. Falls die Gesetzesänderung jedoch angenommen werden würde, sicherten alle Umwelt- und Denkmalschutzorganisationen sowie die KSD, SP, SGB und der sia dem Minderheitsantrag Munz ihre bedingte Unterstützung zu. Dem Minderheitsantrag Jauslin würde wohl ebenfalls eine bedingte Zustimmung seitens der Gesamtheit der Umwelt- und Denkmalschutzorganisationen sowie der SP, KSD und SGB zuteilwerden, wobei drei Kantone (AG, SG, TG) ihre bedingte Unterstützung nur für die Senkung des Grenzwerts der Geschossfläche auf 250 Quadratmeter aussprachen.

In der Sondersession 2024 widmete sich der Nationalrat in Erfüllung einer parlamentarischen Initiative Bregy (mitte, VS), welche eine Anpassung des NHG im Bereich des Verbandbeschwerderechts forderte, einem Entwurf seiner UREK zur Änderung des besagten Bundesgesetzes. Die Vorlage beabsichtigte eine punktuelle Einschränkung des Verbandsbeschwerderechts bei «kleineren Bauvorhaben von geringer Bedeutung» und war in der Vernehmlassung stark umstritten gewesen. Konkret soll das Verbandsbeschwerderecht laut Kommissionssprecherin Simone de Montmollin (fdp, GE) für Bauvorhaben von weniger als 400 Quadratmetern nicht angewendet werden, ausser das Bauvorhaben betreffe unter anderem besonders empfindliche Gebiete, wie beispielsweise Biotope und Wassergebiete nationaler, regionaler oder lokaler Bedeutung, oder historische Stätten. Dem Nationalrat lagen vier Minderheiten aus dem links-grünen Lager vor: Eine erste Minderheit Masshardt (sp, BE) plädierte dafür, nicht auf die Vorlage einzutreten, da schlicht kein Handlungsbedarf bestehe. Eine Mehrheit der Beschwerden gegen Bauprojekten werde von Privatpersonen eingereicht, weshalb also meist Nachbarinnen und Nachbarn statt Umweltverbänden Bauvorhaben behinderten. Sich genau auf die Verbandsbeschwerden zu fokussieren, welche lediglich rund 50 Beschwerden pro Jahr ausmachten, sei der falsche Ansatz, so Masshardt. Die zweite Minderheit Munz (sp, SH) forderte, das Gesetz lediglich auf Erstwohnungen zu beschränken und das Verbandsbeschwerderecht bei Bauvorhaben, welche dem Zweitwohnungsgesetz unterliegen, weiterhin in gleicher Form aufrechtzuerhalten. Zwei weitere Minderheiten, angeführt von Christophe Clivaz (gp, VS), forderten zum einen, dass das Verbandsbeschwerderecht nur bei einer Bruttogeschossfläche von weniger als 250 Quadratmetern ausgesetzt werden können solle und zum anderen dass das Beschwerderecht ebenfalls bei Bauvorhaben innerhalb von Bauzonen weiterbestehen solle, die als für eine Auszonung geeignet empfunden werden.

Die Volkskammer sah sich in zwei klare Lager gespalten. Während die Fraktionssprecherinnen und -sprecher der SP, Grünen und GLP auf Nichteintreten pochten, beabsichtigten die Fraktionen der FDP, SVP und der Mitte, auf die Vorlage einzutreten. So beschloss der Nationalrat Eintreten mit 116 zu 67 Stimmen (bei einer Enthaltung). Auch in der Detailberatung blieben die Fronten ähnlich verhärtet. Der Minderheitsantrag Munz wurde unter anderem seitens der Mehrheitssprecherin Monika Rüegger (svp, OW) kritisiert, da dieser eine Ungleichbehandlung von Zweit- und Erstwohnungen mit sich bringe, und vom Nationalrat schliesslich mit 123 zu 62 Stimmen abgelehnt. In dieser Abstimmung unterstützte auch die GLP-Fraktion den Antrag der Kommissionsmehrheit. Der Initiant Philipp Matthias Bregy bemängelte die beiden Minderheitsanträge Clivaz: Damit könnten erstens beinahe alle Zonen von einer potenziellen Auszonung betroffen sein, was die Gesetzesrevision obsolet mache, und zweitens stellten die in der Vorlage festgehaltenen 400 Quadratmeter Bruttogeschossfläche bereits einen Kompromiss dar. Die Minderheitsanträge Clivaz scheiterten schliesslich mit 112 zu 72 Stimmen bei einer Enthaltung (Bruttogeschossfläche), respektive mit 113 zu 72 Stimmen ohne Enthaltungen (Auszonung). Neben den geschlossen dafür stimmenden Fraktionen der SP, der Grünen und der GLP sprachen sich auch die beiden EVP-Nationalräte Marc Jost (evp, BE) und Niklaus-Samuel Gugger (evp, ZH) sowie FDP-Nationalrat Matthias Samuel Jauslin (fdp, AG) für die Minderheiten Clivaz aus, während sich FDP-Nationalrätin Giacometti (fdp, GR) der Abstimmung über eine Einschränkung der Bruttogeschossfläche enthielt. Die gleichen Ratsmitglieder, welche sich auch den Minderheiten Clivaz angeschlossen hatten, stellten sich in der Gesamtabstimmung gegen die Vorlage, welche somit mit 113 zu 72 Stimmen unverändert angenommen wurde.