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Parteien, Verbände und Interessengruppen
Parteien
Les partis dans l'année électorale: différenciation limitée eu égard à la récession — Victoire de la tendance modérée lors du congrès du PSS; la direction du parti, cependant, se démarque plus clairement des partenaires gouvernementaux bourgeois — Le PRD s'oppose au transfert de nouvelles tâches à l'Etat ; tendance de gauche à Genève et dans la Jeunesse radicale — Le congrès du PDC réduit la part des réformes dans son programme — Forces conservatrices et réformistes dans l'UDC — La politique d'opposition de l'Alliance des indépendants ne rencontre qu'un écho limité — Contributions programmatiques des libéraux-démocrates et du Parti évangélique populaire — Le PST est confronté à la concurrence croissante des jeunes groupes de gauche; le succès électoral du Partito socialista autonomo lui permet de conserver sa fraction parlementaire — La nouvelle droite continue à se diviser.
 
Wahljahre lassen die Parteien stärker ins allgemeine politische Bewusstsein treten. Allerdings gibt der Wettbewerb um die Wählergunst in der Referendumsdemokratie nur beschränkt Anlass zur Profilierung. 1975 grenzte überdies die alles überschattende Rezession den Spielraum ein : die Wahlprogramme mussten sich auf das vorherrschende Bedürfnis nach wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit ausrichten [1]. Die Massenmedien bemühten sich angelegentlich, die Wähler über die Parteien zu informieren ; da aber gerade auflagestarke Presseorgane dabei oft recht kritisch zu Werke gingen, wurde über eine Beeinträchtigung der Möglichkeiten zur Selbstdarstellung geklagt. Dem Fernsehen wurde eine zentralisierende Wirkung zugeschrieben ; da auf dem Bildschirm hauptsächlich die Landesorganisationen zum Zuge kämen, verliere das Publikum den Blick für die Eigenarten der Kantonalparteien [2].
Wie an anderer Stelle ausgeführt worden ist, gingen die drei grössten Parteien in bezug auf die Wähleranteile gestärkt aus dem Popularitätstest hervor, während die mittleren und kleinen überwiegend Verluste erlitten ; deutlich war ferner ein Trend nach links. Der weitere Rückgang der Wahlbeteiligung bedeutete freilich eine Schwächung des ganzen Parteiensystems [3]. Wie ein Nachholen der zuvor behinderten Profilierung nahm sich die dem Urnengang folgende Auseinandersetzung um die Legislaturziele aus. Der härtere Zusammenprall der Parteigegensätze im Bannkreis der Zauberformel wurde vielerorts begrüsst, da er geeignet sei, dem Wähler den Entscheid zu erleichtern und ihn vermehrt zur Beteiligung zu bewegen [4].
Sozialdemokratische Partei
Die Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage war geeignet, der Sozialdemokratischen Partei (SPS) neuen Auftrieb zu verschaffen. Als Regierungspartei mit traditioneller Ausrichtung auf Arbeitnehmerinteressen konnte sie deh verunsicherten Angehörigen der unteren Schichten als oppositionelle Kraft mit Zutritt zu den Schalthebeln der Macht erscheinen ; begünstigend wirkte ausserdem die Entschärfung der Überfremdungsfrage durch die starke Rückwanderung der Ausländer [5]. Von Bedeutung für die Reaktivierung der SPS war ferner, dass es gelang, den Gegensatz zwischen Parteiestablishment und Parteitagsmehrheit zu beheben. Obwohl der im März durchgeführte Parteitag. in Zürich stattfand, unterlag — wenn auch nur knapp — ein radikalerer Zürcher Entwurf der vom Parteivorstand mehrheitlich empfohlenen Fassung für die Bodenrechtsinitiative ; diese trug den Beschlüssen des vorjährigen Parteikongresses nur teilweise Rechnung. Bundesrat Ritschard warnte die intellektuellen Theoretiker davor, über die Köpfe der Arbeiter hinweg zu politisieren ; es gelte, nicht nur einfach zu reden, sondern auch einfach zu denken. Und Nationalrat Helmut Hubacher (BS), der kampflos zum neuen Parteipräsidenten gewählt wurde, liess es zwar nicht an Anklagen gegen das herrschende Wirtschaftssystem fehlen, wies aber die Forderung nach Revolution als illusionär zurück [6].
Obwohl sich am Parteitag eine gemässigte Tendenz durchsetzte, enthielten die offiziellen Stellungnahmen der SPS Akzente, die eine schärfere Distanzierung von den bürgerlichen Parteien zum Ausdruck brachten. Die aus den Parteitagsdebatten hervorgegangene Wahlplattfortn forderte eine verstärkte Kontrolle der Wirtschaft durch den Staat, insbesondere auf den Gebieten des Kredits und der Kapitalbewegungen, ja sie sprach von einer Vergesellschaftung der Energiewirtschaft und einer eventuellen Verstaatlichung der Grossbanken. In einem speziellen Sofortprogramm zur Bekämpfung der Rezession verlangte die Partei gemeinsam mit dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund konjunkturfördernde Bundesinvestitionen von mindestens 2 Mia Fr., die Beteiligung des Bundes an reorganisationsbedürftigen Unternehmungen sowie die stufenweise Einführung der 40-Stunden-Woche. Ein sozialdemokratisches Armee-Leitbild setzte sich für eine gewisse Mitbestimmung durch gewählte Vertrauensleute der Einheiten sowie für schweizerische UNO-Detachemente ein, ging jedoch nicht so weit, die vom Parteitag befürwortete Wahlfreiheit zwischen Militär- und Zivildienst aufzunehmen [7].
Die SPS präsentierte sich in ihrer Plattform, wie bereits erwähnt, nicht mehr als eine Minderheit, die mit einem Bein in der Opposition stand, sondern als Anwärterin auf die Führung einer neuen Mehrheit. Dem entsprach es, wenn sie nach ihrem Wahlerfolg in ungewohnter Weise die Initiative an sich riss. Obwohl die Gespräche ergebnislos verliefen, wurden sie von sozialdemokratischer Seite positiv bewertet ; man buchte vor allem einen Prestigegewinn der Partei [8]. Gerade die Wahlen liessen aber auch innere Divergenzen hervortreten, so etwa in der Frage der Listenverbindung mit der PdA oder im Zusammenhang mit dem Jurakonflikt [9].
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Freisinnig-demokratische Partei
Auch die Freisinnig-demokratische Partei (FDP) zeigte sich bestrebt, der Verunsicherung entgegenzuwirken, doch legte sie das Hauptgewicht auf die Leistungsfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft und auf die regulierende Wirkung des Marktes. Bereits im Vorjahr hatte sie für verschiedene Bereiche Reformthesen ausarbeiten lassen. Eine Auswahl jener Postulate wurde nun nach Konsultation der Kantonalparteien vom Zentralvorstand in einer Wahlplattform zusammengefasst. Diese erhielt im Mai ohne wesentliche Modifikationen die Zustimmung der Delegiertenversammlung. Sie verlangte, dass der Tendenz zur Übertragung immer weiterer Aufgaben an den Staat Einhalt geboten werde ; von einem Marschhalt, insbesondere in der Sozialpolitik, war auch in anderen freisinnigen Erklärungen die Rede. Kritiker vermissten in der Plattform präzise Stellungnahmen zum Raumplanungsgesetz, zum Radio- und Fernsehartikel, zur Einführung eines Zivildienstes oder zum UNO-Beitritt. Dagegen setzte die Mehrheit der Delegierten einen Entscheid für die Fristenlösung in der Frage des Schwangerschaftsabbruchs durch [10]. Im September veröffentlichte die Partei noch ein ergänzendes Programm zur Bekämpfung der Rezession, in welchem sie eine ganze Reihe von konjunkturfördernden Staatsinvestitionen sowie deren Finanzierung durch Anleihen befürwortete [11].
Die FDP war die einzige bürgerliche Bundesratspartei, die in den Nationalratswahlen einen absoluten Stimmenzuwachs erzielte. Indem sie sich in den Gesprächen über die Legislaturziele von Anfang an auf die Seite der bedrängten SVP stellte, fing sie den Vorstoss der SP auf und profilierte sich als deren Hauptgegenspielerin [12]. Etwas weiter links hielt sich dagegen die ihr nahestehende Jugendorganisation, die Jungliberale Bewegung ; diese befürwortete an ihrem Kongress in Genf Ende November eine stufenweise Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden. Eine von jungen Kadern verfochtene Linkstendenz machte sich auch in der Genfer Kantonalpartei geltend, nachdem die Freisinnigen der Rhonestadt in den kommunalen wie in den eidgenössischen Wahlen Verluste erlitten hatten [13].
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Christlichdemokratische Volkspartei
Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) legte wie schon 1971 das umfassendste Wahlprogramm vor. Ihm lag erneut der Entwurf einer Studienkommission zugrunde, der aber diesmal ohne Stellungnahme der Parteileitung den Delegierten unterbreitet wurde. Das Parteiparlament, das im April tagte, nahm allerdings an der « Fortschreibung des Aktionsprogramms 71 » eine Reihe von Abstrichen vor. So wurden Postulate für eine Verbesserung der Rechtsstellung der Frauen, der Jugendlichen und der Ausländer fallen gelassen, desgleichen Forderungen nach einer gerechteren Einkommens- und Vermögensverteilung oder nach Einbau eines Majorzelementes ins Wahlsystem. Wohl zeugte das neue Programm, das den Begriff der Lebensqualität in den Mittelpunkt rückte, noch von Reformwillen, doch war eine Verstärkung der konservativen Kräfte erkennbar [14]. Auch die CVP ergänzte im Herbst ihre Wahlplattform durch Vorschläge zur Rezessionsbekämpfung, wobei sie öffentliche Investitionen in der Höhe von mehreren Milliarden postulierte [15].
Nach den Wahlen versuchte die Parteileitung, zwischen dem Drängen der Sozialdemokraten und der Abwehrhaltung von FDP und SVP eine vermittelnde Stellung einzunehmen ; für die Ausarbeitung gemeinsamer Legislaturziele beanspruchte sie eine Führungsfunktion. Diesen Anspruch bekräftigte sie, indem sie ihre Vorschläge nach dem Scheitern der Verhandlungen dem Bundesrat zuleitete ; in diesen Vorschlägen ging sie zum Teil über die Postulate ihres Aktionsprogramms hinaus [16]. Der Führungsanspruch der CVP wurde freilich insofern in Frage gestellt, als ein der Partei nahestehender Wissenschafter auf die Gefahr hinwies, dass das Moment des « Christlichen » (bzw. des Katholischen) seine Integrationskraft verlieren und die CVP sich deshalb mehr und mehr auf wirtschaftliche Randgebiete abgedrängt sehen werde [17].
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Schweizerische Volkspartei
Die Schweizerische Volkspartei (SVP) begnügte sich nicht mit der Ausarbeitung eines konkreten Aktionsprogramms ; sie präsentierte auch eine « Parteiphilosophie », die unter der Devise « Toleranz und Ausgewogenheit » stand. Sie verwies darin auf ihre Entwicklung von einer Standespartei zur Volkspartei, unterliess es aber nicht, auf die Anliegen der Landwirtschaft und des Gewerbes besonderes Gewicht zu legen. Sie charakterisierte auch ihr Verhältnis zu den anderen Parteien und betonte dabei ihre Nähe zum Freisinn. Anderseits erklärte sie sich mit der Christlichdemokratischen und der Evangelischen Volkspartei verbunden im Bestreben, christliche Grundsätze in der Politik zu verwirklichen ; von den Sozialdemokraten distanzierte sie sich dagegen nachdrücklich [18]. Bei der Beratung der eigentlichen Wahlplattform durch die Delegiertenversammung im April fiel eine Verstärkung der konservativen Tendenz auf ; eine grosse Mehrheit wandte sich gegen die zuvor befürwortete Einführung eines Zivildienstes, während die Frage des Schwangerschaftsabbruchs offen gelassen wurde [19].
Der empfindliche Wählerverlust in den Nationalratswahlen veranlasste die Parteileitung zur Selbstkritik. Nationalrat Conzett (ZH), der sich noch einmal im Präsidium bestätigen liess, sprach von einer Abdrängung der SVP in eine Aussenseiterrolle und forderte mehr Aufgeschlossenheit gegenüber den Ideen der neuen Generation ; zugleich warnte er vor einer Ablösung der Parteien durch Wirtschaftsverbände. Zentralsekretär P. Schmid befürwortete eine Straffung des Parteiapparats und eine Verjüngung der Fraktion [20]. Ein Ausschuss unter dem Vorsitz von Nationalrat Hofmann (BE), Vizepräsident der SVP und Direktor des Zentralverbandes schweizerischer Milchproduzenten, erhielt den Auftrag, Reformvorschläge auszuarbeiten [21]. Als regionalen Erfolg konnte die SVP den Anschluss der 1972 gegründeten Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei des Kantons Schwyz verzeichnen [22].
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Landesring der Unabhängigen
Der Landesring der Unabhängigen (LdU) konkretisierte seine im Vorjahr beschlossenen « Grundsätze und Richtlinien » durch ein Wirtschaftsprogramm, das der Rücksichtnahme auf die Umwelt höchste Priorität einräumte. Die durch Umweltbelastung verursachten gesellschaftlichen Kosten sollten vermehrt in die Preise und Tarife eingehen. Für die Finanzierung des öffentlichen Agglomerationsverkehrs wurden Beiträge der interessierten Gemeinden und Arbeitgeber vorgesehen und für die Ausrichtung produktionsunabhängiger Zuschüsse an Landwirte der Berg- und Hügelgebiete die Erhebung von Beherbergungsabgaben [23]. Der LdU profilierte sich aber auf die Wahlen auch durch seine oppositionelle Finanzpolitik ; er wandte sich zwar nicht mehr gegen eine Erhöhung der Bundessteuern, doch bekämpfte er die Zollzuschläge auf Benzin und Heizöl. Ausserdem unterstützte der Landestag im April die Forderung der nordwestschweizerischen Atomkraftwerkgegner, dass die Bauarbeiten in Kaiseraugst vor Abklärung verschiedener Fragen nicht fortgesetzt werden dürften [24].
Die Wähler honorierten freilich die vom LdU in Anspruch genommene Oppositionsrolle schlecht. Vor allem misslangen die Anstrengungen in der welschen Schweiz. Einen Stimmenzuwachs verzeichnete dagegen die St. Galler Sektion, die ihren Standort « links von der Mitte » einnahm und im Sommer dem LdU-Vertreter in der Zürcher Regierung, A. Gilgen, Intoleranz in der Bildungspolitik zur Last gelegt hatte [25].
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Liberal-demokratische Union
Die Liberal-demokratische Union (LIDUS) beteiligte sich ihrerseits am konjunkturpolitischen Ideenwettbewerb : sie schlug die Lancierung einer nationalen Solidaritätsanleihe vor, welche die wachsenden Spareinlagen für die Finanzierung der Arbeitsbeschaffung fruchtbar machen sollte. Die Genfer Kantonalpartei, von der die Anregung ausgegangen war, unterliess es nicht, an das Vorbild der Wehranleihe von 1936 zu erinnern. Die liberale und evangelische Fraktion machte den Vorschlag zum Gegenstand einer Motion [26]. In den welschen Kantonen konnten die Liberaldemokraten ihre Wählerschaft erweitern, nicht aber in Baselstadt. Dafür wurde im Sommer in Baselland eine Liberale Partei als « Alternative zum Freisinn » gegründet. Gegen deren volle Aufnahme in die LIDUS erhob man freilich in Basel Bedenken im Hinblick auf das Verhältnis zur FDP [27].
Evangelische Volkspartei
Die Evangelische Volkspartei (EVP) veröffentlichte wiederum ein Schwerpunkteprogramm, das aber umfassender war als vier Jahre zuvor. Als besondere Postulate seien erwähnt eine engere Indikationenlösung für den Schwangerschaftsabbruch und ein Partnerschaftsverhältnis zwischen Kirchen und Staat [28]. Die der EVP schon bisher nahestehende Vereinigung Evangelischer Wähler von Baselstadt wurde als Kantonalpartei angegliedert [29].
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Kleine Linksparteien
Auf der äussersten Linken stand die Partei der Arbeit (PdA) einer wachsenden Konkurrenz jüngerer Gruppierungen gegenüber. In ihrer Wahlplattform berief sie sich — im Sinne eines ersten Schrittes zu einer sozialistischen Schweiz — auf die im Mai eingereichte Initiative gegen Teuerung und Inflation ; diese sah eine weitgehende Kontrolle der Privatwirtschaft und die Verstaatlichung monopolistischer Unternehmungen vor. Ihrer bisherigen Linie gemäss proklamierte sich die PdA einerseits als einzige grundsätzliche Alternative zur Politik des Grossbürgertums und betonte sie anderseits die Notwendigkeit einer Einheit der Linken. Vor allem strebte sie ein Zusammengehen mit den Sozialdemokraten an [30]. In der deutschen Schweiz hatte sie damit freilich keinen Erfolg, weil hier die Kantonalparteien der SP zu Listenverbindungen nicht bereit waren. Die deutschschweizerischen PdA-Sektionen wiesen darauf ihrerseits entsprechende Angebote von Gruppen der Neuen Linken zurück. Dabei wandten sie sich speziell gegen die POCH (Progressive Organisationen), indem sie ihr vorwarfen, sie spalte oder konkurrenziere bestehende linksgerichtete Organisationen [31].
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Bedeutsam erscheint in diesem Konflikt, dass sich die POCH in ihren programmatischen Schriften auf die Kommunistische Weltbewegung beruft, mit der die PdA rege Beziehungen unterhält, dass sie aber den Führungsanspruch der traditionellen Trägerin des Kommunismus in der Schweiz ignoriert. Im Unterschied zur Wahlplattform der PdA legt die POCH besonderes Gewicht auf die Vereinigung der einheimischen und der ausländischen Arbeiter. Und wenn sich die PdA seit 1967 zum Mehrparteiensystem bekennt und eine Distanzierung der Schweiz von allen militärischen Blöcken befürwortet, so lehnt die POCH die Vorstellung eines « schweizerischen Sozialismus », der ohne Anschluss an das kommunistisch-antiimperialistische Bündnissystem aufgebaut werden könnte, ab [32]. Wohl vermochte die POCH kein Nationalratsmandat zu gewinnen ; ihre auf die deutschsprachigen Kantone beschränkte Wählerzahl beträgt jedoch schon fast das Doppelte derjenigen der PdA in der deutschen Schweiz [33]. Ausserdem nahmen einzelne POCH-Vertreter in drei weiteren Kantonsparlamenten Einsitz [34].
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Nur symbolischen Charakter hatte die Wahlaktivität der Revolutionären marxistischen Liga. Sie beteiligte sich sowohl an der Bestellung der zürcherischen Kantonsbehörden wie in zwölf Kantonen an der Kampagne für den Nationalrat. Es ging ihr aber mehr um eine Gelegenheit zur Verstärkung ihrer Agitation als um einen Mandatgewinn. Immerhin erklärte sie sich zu Listenverbindungen mit kommunistischen Parteien bereit ; mit der POCH kamen solche zustande [35].
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Den einzigen Sitz für die Neue Linke gewann der Partito socialista autonomo (PSA) im Tessin, wo sich die PdA wie 1971 zur Listenverbindung herbeiliess ; der Gewählte ermöglichte dafür seinen Wahlhelfern, die einen ihrer fünf Sitze verloren hatten, die Stärke einer Fraktion beizubehalten. Im übrigen arbeitete der PSA mit der POCH eng zusammen, wobei auch der gemeinsame Aufbau einer entsprechenden Organisation in der Westschweiz vorgesehen wurde [36].
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Äusserste Rechten
Die Aufspaltung der äussersten Rechten schritt weiter fort. Im Frühjahr überwarf sich H. R. Bachofner mit der Nationalen Aktion (NA), deren Regierungskandidat er 1971 in Zürich gewesen war. Er griff dem Zentralvorstand vor und lancierte auf eigene Faust zwei eidgenössische Volksinitiativen : eine für die Besteuerung der Arbeitgeber von ausländischen Arbeitskräften und eine weitere für die Befreiung existenzsichernder Renten von steuerlicher Belastung ; dies führte zu seinem Ausschluss, obwohl er als NA-Kandidat bei den Zürcher Kantonsratswahlen im Rennen stand [37]. Der Ausgeschlossene gründete im September eine « Liga zum Schutz von Lebensraum und Lebensqualität », die sich für die Erhaltung der Umwelt und eine gesunde Ernährung einsetzte, bei den Nationalratswahlen aber praktisch bedeutungslos blieb [38]. Der NA gelang es anderseits nicht, die im Vorjahr aus der Republikanischen Bewegung James Schwarzenbachs ausgescherten Kreise zu integrieren. So konkurrenzierten sich bei den Zürcher Kantonsratswahlen im April unverbundene Listen der NA und der dissidenten Republikaner in Winterthur [39]. Im September vereinigten sich ehemalige Republikaner und Nationale aus den Kantonen Zürich und Waadt zu einer « Eidgenössisch-Demokratischen Union », die den « Solidarismus », eine « Synthese von Patriotismus und Sozialismus », auf ihre Fahne schrieb. Zu ihr gesellten sich auch Dissidente der bernischen Evangelischen Volkspartei, die sich gegen die Aufhebung des Jesuitenverbots engagiert hatten. Die Union gewann in den Kantonen Bern und Waadt je 1 % der Wähler [40].
Die NA präsentierte eine von ihrer Delegiertenversammlung genehmigte Wahlplattform, die sich an das Programm von 1973 anlehnte [41]. Kürzer fassten sich die Republikaner, deren Zentralvorstand ein Credo mit den Leitbegriffen Treue und Widerstand verabschiedete. Ähnlich wie vier Jahre zuvor identifizierte sich die Bewegung im Wahlkampf mit dem Namen ihres Führers [42]. Beide Hauptgruppen der Neuen Rechten erlitten in den Wahlen Verluste ; wo sie aber unmittelbar im Wettbewerb standen, erwies sich — mit Ausnahme von Valentin Oehens Wohnkanton Bern — der Name Schwarzenbach als zugkräftiger. Obwohl weder die eine noch die andere Fraktionsstärke erreichte, kam — wie bereits erwähnt — eine parlamentarische Zusammenarbeit nicht zustande [43].
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[1] Vgl. SPJ, 1967, S. 20 f. ; 1971, S. 30 sowie JdG, 121, 28.5.75 ; Bund, 238, 12.10.75.
[2] Zur Presse vgl. A. Häfliger in Civitas, 31/1975-76, S. 195 f., ferner etwa die Parteienporträts in NZ, 291, 296, 298, 304, 18.-30.9.75. Fernsehen : NZZ, 225, 29.9.75. Vgl. auch oben, I, 1e (Lutte électorale).
[3] Vgl. oben, Teil I, 1e (Participation électorale, Résultat des élections au CN).
[4] Vgl. oben, Teil I, 1c (Gouvernement).
[5] Vgl. oben, Teil I, 7d (Politique à l'égard des étrangers). Zu den Auswirkungen der Rezession auf die Popularität der SPS vgl. Tw, 252, 28.10.75 ; 24 Heures, 250, 28.10.75 ; NZZ, 251, 29.10.75.
[6] Über den Parteitag vgl. Presse vom 24.3.75, ferner oben, Teil I, 6c (Bodenrecht) sowie R. Lienhard und P. Ziegler in Profil, 1975, S. 129 ff. Vgl. auch SPJ, 1974, S. 171.
[7] Wahlplattform : Die sozialdemokratische Plattform 1975. Sofortprogramm : Tw, 226, 27.9.75 ; gk, 31, 2.10.75. Armee-Leitbild : Die Armee in der sozialdemokratischen Sicherheitspolitik, (Bern) 1975.
[8] Vgl. oben, Teil I, 1c (Gouvernement) und 1e (Programmes électoraux). Bewertung : BN, 284, 5.12.75.
[9] Vgl. oben, Teil I, 1d (Question jurassienne) und 1e (Listes et candidats, Apparentements).
[10] Reformthesen : Politische Rundschau, 53/1974, S. 69 ff. Wahlplattform : FDPS, Zielsetzungen 75. Zur Delegiertenversammlung vgl. Presse vom 26.5.75, ferner NZZ, 121, 29.5.75. Zum Marschhalt vgl. Politische Rundschau, 54/1975, S. 125 ; BN, 72, 26.3.75.
[11] Politische Rundschau, 54/1975, S. 122 ff.
[12] Vgl. oben, Teil I, 1c (Gouvernement). Ober das Verhältnis zur SVP vgl. oben, Teil I, 1e (Apparentements) und JdG (ats), 180, 5.8.75.
[13] Jungliberale : 24 Heures, 279, 1.12.75. Genf : TG, 235, 9.10.75 ; NZZ, 302, 30.12.75 ; vgl. auch oben, Teil I, 1e (Elections cantonales et communales).
[14] CVP, Aktionsprogramm 1975 ; ferner Presse vom 14.4.75 ; NZZ, 87, 16.4.75 ; Vat., 90, 19.4.75. Vgl. dazu SPJ, 1971, S. 178.
[15] Vat., 231, 6.10.75 ; TA, 242, 18.10.75. Vgl. oben, Teil I, 4a (Konjunkturpolitik).
[16] Vgl. oben, Teil I, 1c (Gouvernement) ; ferner Vat., 260, 8.11.75 ; 284, 6.12.75.
[17] Prof. W. Wittmann in NZZ, 261, 10.11.75. Wittmann war an der Ausarbeitung des Aktionsprogramms 1975 beteiligt.
[18] SVP für Toleranz und Ausgewogenheit, (Bern) 1975. Vgl. SVP-Bulletin, 1/1975, Nr. 1, 2.
[19] SVP, Aktionsprogramm 75' ; Presse vom 28.4.75 ; NZZ, 102, 5.5.75.
[20] SVP-Bulletin, 1/1975, Nr. 5 ; Presse vom 10.11.75.
[21] SZ (spk), 273, 25.11.75.
[22] Vat. (sda), 99, 30.4.75 ; vgl. SPJ, 1972, S. 168.
[23] Umweltgerechtes Wirtschaften, Wirtschaftsprogramm des LdU, 1975 (Schriftenreihe LdU, 93). Tat, 205, 1.9.75 sowie SPJ, 1974, S. 174.
[24] Tat, 86, 14.4.75. Vgl. oben, Teil I, 5 (Massnahmen zur Verbesserung des Bundeshaushaltes), 6a (Atomkraftwerke) und SPJ, 1974, S. 75 f.
[25] Welsche Schweiz : Tat, 258, 3.11.75. St. Gallen : Der Ring, 6, 14.4.75 ; 12, 8.9.75 ; St. Galler Tagblatt, 164, 17.7.75 ; Tat, 254, 29.10.75. Vgl. oben, Teil I, 8a (Primar- und Mittelschulwesen).
[26] LIDUS, Mitteilungsblatt, 1975, Nr. 61, S. 13 ff. ; vgl. auch JdG, 236, 10.10.75 ; 238, 13.10.75 sowie Verhandl. B:vers, 1975, V, S. 20. Zu den Spareinlagen vgl. oben, Teil I, 4b (Geld- und Kapitalmarkt).
[27] BN, 142, 21.6.75 ; LIDUS, Mitteilungsblatt, 1975, Nr. 61, S. 4 ; Nr. 62, S. 3 ; 1976, Nr. 63, S. 9.
[28] Die Evangelische Volkspartei im Dienst am Mitmenschen, an Volk und Staat. Vgl. NZZ, 195, 25.8.75 ; Evangelische Woche, 35, 28.8.75.
[29] Evangelische Woche, 16, 17.4.75.
[30] Plattform : Vorwärts, 26, 26.6.75. Initiative : vgl. SPJ, 1974, S. 174 sowie oben, Teil I, 4a (Konjunkturpolitik).
[31] Listenverbindungen : POCH-Zeitung, 5, 3.7.75 ; Bresche, Nr. 52, Juli 1975: Vorwärts, 36, 4.9.75. Zu den Spannungen zwischen PdA und POCH vgl. auch Zeitdienst, 20, 23.5.75 ; 27, 11.7.75 ; NZ, 300, 27.9.75 ; 24 Heures, 236, 11.10.75.
[32] Delegiertenversanmtlung der POCH '75 17./18./19. Mai 1975 in Basel, Bericht der Geschäftsleitung, Programmatisches Dokument, Resolutionen, Zürich 1975 ; POCH — Wer sind wir? Was wollen wir? Zürich 1975. Vgl. auch « Anmerkungen zu Thesen der PdA », in Positionen, Nr. 5, Nov. 1975, S. 8 ff. Über internationale Kontakte der PdA vgl. Vorwärts, 7, 13.2.75 (Spanien) : 8, 20.2.75 (Italien) ; 18, 1.5.75 (Sowjetunion) ; 23, 5.6.75 (DDR) ; VO, 150, 3.7.75 (Bulgarien). Vgl. ferner SPJ, 1967, S. 154.
[33] POCH (ZH, BE, LU, SO, BS, BL, SH, SG, AG) : 19173. PdA (ZH, BE, BS, BL, SG) : 10 241. Das Wiederauftreten der PdA in BE, BL und SG wurde als Konkurrenzmassnahme gegen die POCH gedeutet (24 Heures, 236, 11.10.75).
[34] In BL, LU und ZH (vgl. oben, Teil I, 1e, Elections cantonales et communales).
[35] Zürich : Vgl. oben, Teil I, 1e (Elections cantonales et communales). Nationalrat : Bresche, Nr. 52, Juli 1975 ; 54, 15.9.75 ; 55, 5.10.75 ; 58, 15.11.75.
[36] Vgl, oben. Teil I, 1e (Résultat des élections au CN). Listenverbindung : Vorwärts, 36, 4.9.75 ; SPJ, 1971, S. 32. Zusammenarbeit mit POCH : POCH-Zeitung. 46, 22.5.75 ; 26, 18.12.75.
[37] Kandidatur von 1971 : NZZ, 190, 26.4.71 ; vgl. auch SPJ, 1970, S. 191. Bruch mit der NA : BN, 71, 25.3.75 ; NZZ (sda), 85, 14.4.75 ; NZZ, 89, 18.4.75 ; Volk + Heimat, Nr. 6, Mai 1975. Zur Initiative der NA vgl. oben, Teil 1, 7d (Politique à l'égard des étrangers).
[38] TA, 186, 14.8.75 ; 229, 3.10.75. Die Liga kandidierte in ZH, BS und AG.
[39] TA, 89, 18.4.75 ; vgl. auch NZZ, 148, 30.6.75 ; TA, 235, 10.10.75.
[40] NZZ, 221, 24.9.75 ; TA, 221, 24.9.75. Für die Union kandidierten die bisherigen Nationalräte Breny (na, VD) und Naegeli (rep., TG), ferner der einst führende Waadtländer Republikaner Grosclaude (vgl. SPJ, 1973, S. 166 ; 1974, S. 175). Vgl. auch SPJ, 1973, S. 14.
[41] Volk + Heimat, Nr. 4, April 1975. Vgl. SPJ, 1973, S. 167.
[42] Der Republikaner, 12, 29.8.75 ; vgl. auch TA (ddp), 153, 5.7.75 ; Der Republikaner, 10/11, 18.7.75. Name : Tat, 248, 20.10.71 ; Der Republikaner, 13, 19.9.75.
[43] Vgl. oben, Teil I, 1e (Résultat des élections au CN).
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