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Parteien, Verbände und Interessengruppen
Parteien
Die Bundesratsparteien verständigten sich nach den eidgenössischen Wahlen auf eine intensivere Zusammenarbeit. - Die SP-Basis sprach sich in einer Urabstimmung mit klarer Mehrheit für die Annahme der 10. AHV-Revision aus. - Die FDP verankerte in ihrem Parteiprogramm das Ziel eines längerfristigen EU-Beitritts. - Die CVP nahm als einzige Bundesratspartei im Wahljahr zur Frage des EU-Beitritts nicht Stellung. - Innerhalb der SVP kam es zu neuen Auseinandersetzungen zwischen dem liberalen Berner und dem konservativen Zürcher Parteiflügel. - Die Grünen versuchten sich mit dem Wechsel von einer Oppositions- zur Reformpartei ein neues Profil zu geben.
Das Parteiensystem
Vor den eidgenössischen Wahlen erarbeitete eine aus 31 prominenten Parlamentariern von FDP, CVP, SP und Grünen bestehende "Gruppe Dialog" eine "Erklärung für eine konsensfähige Erneuerungspolitik", die zu einer Deblockierung der eidgenössischen Politik beitragen sollte. Als wichtigste politische Ziele der kommenden vier Jahre postulierte die Gruppe die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Konsolidierung des sozialen Netzes, das Zugehen auf Europa, die Stabilisierung der Bundesfinanzen, eine verbesserte Ökoeffizienz sowie eine umfassende Verkehrsreform. Nach ihrem Wahlsieg stemmte sich die SP aber etwa gegen die Forderung der Konsolidierung der Sozialwerke und erklärte sich auch mit der Aussage der "Gruppe Dialog" nicht einverstanden, dass Zugehörigkeit zur Regierung und fundamentale Opposition in wesentlichen Fragen der Zukunftsgestaltung unverträglich seien. Sie präsentierte deshalb Ende November einen weniger rigiden Vorschlag, auf dessen Basis sich die vier Bundesratsparteien für die neue Legislatur auf eine intensivere Zusammenarbeit einigten. Die "Erklärung der Bundesratsparteien zur Zusammenarbeit - auf der Basis konstruktiver Kompromisse" versteht sich nicht als verbindliches Regierungsprogramm, postuliert aber regelmässige Gespräche und gemeinsame Arbeitsgruppen mit zeitlich definierten Mandaten, um Lösungen zu wichtigen politischen Sachfragen zu erarbeiten. Dabei stehen fünf Schwerpunkte im Vordergrund: Wirtschaft und Arbeit, Sanierung der Bundesfinanzen, Zukunft der Sozialversicherungen, Beziehungen zur EU sowie Regierungs-, Verwaltungs- und Verfassungsreform. Jede der Bundesratsparteien hat Anspruch auf zwei Vertreter. Das Grundsatzpapier hält fest, dass einzelne Parteien im Rahmen der "variablen Geometrie" ausscheren können (opting out); Sanktionen sind nicht vorgesehen [1].
Verschiedentlich wurden im Berichtsjahr Vorschläge zu Koalitionen von zwei Bundesratsparteien gemacht. So warb eine überparteiliche Parlamentariergruppe um FDP-Nationalrat Peter Tschopp (GE) für eine Koalition zwischen FDP und SP, um eine Öffnung gegenüber Europa zu erreichen. Auch SP-Präsident Peter Bodenmann äusserte mehrfach den Wunsch einer künftigen "Links-Mitte-Koalition" mit der FDP, um etwa in der Europafrage und der Drogenpolitik zu Lösungen zu kommen. Nach dem nationalen Wahlsieg der Links- und Rechtspole SP und SVP schlug auch CVP-Präsident Anton Cottier der FDP einen Schulterschluss und damit "einen starken dritten Pol im bürgerlichen Zentrum" vor, um die gegenseitige Blockierung von SP und SVP zu überwinden. Die umworbene FDP zeigte sich interessiert, sprach sich jedoch für pragmatische Lösungen anstelle eines institutionalisierten Miteinanders aus. Sie sehe weniger eine Tripolarität im Vordergrund, sondern Bipolaritäten mit wechselnden Allianzen je nach Materie [2].
Damit reagierte die FDP auf die These des Wandels vom zwei- zum dreipolaren Parteiensystem, die im Berichtsjahr vor allem in linken Kreisen die Runde machte und auch von SP-Präsident Peter Bodenmann vertreten wurde. Gemäss der These wandelt sich das traditionell in ein mehrheitlich bürgerliches und ein minderheitlich linkes Lager gespaltene Parteiensystem zunehmend in ein dreipoliges Parteiensystem mit einem rot-grünen Pol, einem bürgerlichen Zentrum (CVP, FDP) und einer national-konservativen Rechten (vom Zürcher Flügel dominierte SVP). Diese Rechte politisiere nicht nur gouvernemental, sondern auch ausgesprochen oppositionell [3].
Eine Studie zu den Wahlen 95 kam jedoch zum Schluss, dass sich auf der Ebene der Wählenden keine Annäherung zwischen CVP, FDP und SP erkennen lässt. Nur gerade beim Thema "Europa" liegt die SP näher bei CVP und FDP als die SVP. Die hauptsächliche Trennlinie verlaufe aber nach wie vor zwischen der Anhängerschaft der drei bürgerlichen Bundesratsparteien auf der einen und derjenigen der SP auf der anderen Seite, also nach einem bipolaren Muster [4].
Mit 62 zu 26 Stimmen verwarf der Nationalrat eine parlamentarische Initiative Zisyadis (pda, VD), die Transparenz bei der Parteienfinanzierung forderte. Die Initiative verlangte die Einführung eines Verfassungsartikels, wonach alle Sponsoren, die Parteien finanzieren, samt Höhe der Beträge und Herkunft der eingesetzten Gelder bekanntzumachen sind. Ausserdem hätten Gruppierungen, Verbände und Parteien, die zu einem Referendum oder einer Initiative Stellung beziehen, ihre Verbindungen zu Interessengruppen und Wirtschaftsorganisationen offenzulegen. Der Nationalrat befürchtete eine Benachteiligung der Parteien gegenüber anderen, nicht erfassten Organisationen und zweifelte die Praktikabilität des Anliegens an [5].
FDP-Generalsekretär Christian Kauter stellte im Frühjahr verschiedene Forderungen zur Diskussion, welche die Parteien aufwerten sollen. So seien die Parteien in der Bundesverfassung zu verankern und die gemeinnützigen Leistungen der Parteien in der politischen Bildung und Meinungsbildung vom Staat abzugelten, da den Parteien die finanziellen Mittel fehlten, um das politische Informationsdefizit zu decken und systematisch politische Ausbildung durchzuführen. Damit das Geld wirklich zweckgebunden eingesetzt wird, sollen Stiftungen gegründet werden [6].
Zu den einzelnen Parteien vgl. auch die Tabelle Abstimmungsparolen 1995 (parolen_1995.pdf) sowie oben, Teil I, 1e (Eidg. Wahlen) und die verschiedenen Sachkapitel [7].
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Sozialdemokratische Partei (SP)
In einer erstmals seit 1921 wieder durchgeführten Urabstimmung sprachen sich im Frühjahr 66% der SP-Mitglieder für die 10. AHV-Revision und damit für die Erhöhung des Rentenalters der Frauen von 62 auf 64 Jahre aus. Damit entschied sich die Parteibasis (bei einer Stimmbeteiligung von knapp 33%) für einen anderen Weg als ihre traditionellen Bündnispartner, die Gewerkschaften, die gegen die 10. AHV-Revision das Referendum ergriffen hatten. Gemeinsam lancierten und reichten SP und Gewerkschaften allerdings schon vor Annahme der 10. AHV-Revision am 25. Juni eine "Auffanginitiative" ein, die verlangt, dass die 10. AHV-Revision ohne höheres Frauen-Rentenalter in Kraft gesetzt wird [8].
Ohne Gegenstimme beschloss der SP-Parteivorstand, die von fünf Europa-Organisationen lancierte Volksinitiative "Ja zu Europa", welche die sofortige Aufnahme von Beitrittsverhandlungen fordert, zu unterstützen. In der "Europa-Plattform der SP" postulierte die Partei ausserdem die EU-Mitgliedschaft der Schweiz bis zum 1. Januar 2000; hingegen verabschiedete sie sich vom EWR, da dieser zu einer bedeutungslosen Rumpforganisation geworden sei. Damit setzt die SP als einzige Bundesratspartei voll auf einen direkten EU-Beitritt. Das umstrittene Kapitel "Neutralitätspolitik", das den Begriff der Neutralität stark relativieren wollte, wurde aus der Plattform gestrichen [9].
Gleich drei Volksinitiativen kündigte die SP-Parteileitung zu Beginn des Jahres als Wahlkampf-Lokomotive an. Gemäss dem Initiativprojekt gegen Jugendarbeitslosigkeit sollen Lohnabhängige über 60 Jahren auf Kosten der Arbeitslosenversicherung in den vorzeitigen Ruhestand treten können, wenn mehr als 50 000 Menschen in der Schweiz arbeitslos sind. Ein zweites Initiativprojekt will eine "Millionärs-Steuer" für natürliche und juristische Personen, deren Vermögen über einer Million liegt, einführen. Vorgesehen ist eine Zusatzabgabe von einem Promille des Vermögens. Der dritte Initiativvorschlag gilt der Einführung des konstruktiven Referendums. Während die SP letzteren im Herbst lancierte, stellte sie die beiden ersten Initiativprojekte vorläufig zurück. Dies tat sie nicht zuletzt deshalb, weil im Sommer beide Räte die 1992 eingereichte SP-Initiative "Für weniger Militärausgaben und mehr Friedenspolitik" für ungültig erklärten, da die Einheit der Materie nicht gegeben sei. Die desavouierte Partei entschied daraufhin, eine Doppelinitiative mit gleichem Inhalt zu lancieren. Bereits im Januar hatte die SP ein Leitbild für eine "Armee light" präsentiert, die nur halb soviel kosten soll wie die Armee 95 [10].
In ihrer Wahlplattform 95 "Die Schweiz muss wieder sozialer werden" sprach sich die SP gegen die neoliberale Wirtschaftspolitik aus und forderte einen Ausbau des Sozialstaats über Steuererhöhungen sowie Sparpotentiale, die sie im Strassenbereich, in der Landwirtschaft, in der Landesverteidigung und im Zivilschutz ortete. Ausserdem stellte die Partei "14 Thesen gegen die Erwerbslosigkeit" vor, in denen sie in einem ersten Schritt die 40-Stunden-Woche, mittelfristig die 35-Stunden-Woche anstrebt [11].
Als einzige der Bundesratsparteien hatte die SP im Frühjahr gegen die drei Landwirtschaftsvorlagen und "für ein Bioland Schweiz" votiert. Das dreifache Nein des Volkes gereichte der Partei deshalb zum Triumph. Hingegen hatte die 1991 eingereichte und zuletzt auch parteiintern umstrittene AHV/IV-Ausbauinitiative von SP und Gewerkschaften an der Urne keine Chance [12].
Zum Streit kam es um den SP-Fraktionsvorsitz. Die Nachfolge von Ursula Mauch (AG) sollte einerseits ein Vertreter der Romandie, andererseits eine Frau übernehmen. Der Vorschlag von François Borel (NE) und Barbara Haering Binder (ZH), sich den Fraktionsvorsitz im Doppelpräsidium zu teilen, stiess parteiintern aber auf Opposition. Schliesslich wurde Ende November Ursula Hafner (SH) zur neuen Fraktionspräsidentin gewählt [13].
Die eidgenössischen Wahlen 95 brachten der SP mit 15 Sitzgewinnen [14] und einem Wählerzuwachs von 3,3% auf 21,8% einen historischen Sieg, nachdem sie im Berichtsjahr auf kantonaler Ebene vier Sitze zugelegt hatte. Erstmals seit 1979 wurde die SP, auf Kosten der FDP, wieder wählerstärkste Partei. SP-Präsident Peter Bodenmann provozierte die Grünen und die verschiedenen Wahlbündnisse links der SP, die nur bescheidene Resultate erzielten, danach mit der These, dass "die SP die einzige relevante soziale Kraft der Schweiz" sei, und dass es im linken Parteienspektrum als Machtfaktor nur mehr die SP geben könne [15].
Nur moderate bürgerliche Reaktionen gab es zur Aufnahme der drei PdA-Vertreter (inkl. Linksallianz) in die SP-Fraktion und damit zum kommunistischen Zuzug zur SP. Nur vereinzelt war von der Wiederbelebung der alten Volksfront die Rede. Die Fraktions-Kooperation zwischen den beiden Parteien, die sich auf Bundesebene jahrzehntelang voneinander distanziert hatten, wurde probeweise für ein Jahr beschlossen [16].
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Freisinnig-demokratische Partei (FDP)
Zu Beginn des Jahres brachte die "Fischbacher-Affäre" der FDP negative Schlagzeilen. Die FDP St. Gallen sah vorerst keinen Anlass, ihr Parteimitglied, den Arzt Walter Fischbacher, dem vorgeworfen wurde, sich als Gegner des Anti-Rassismus-Gesetzes wiederholt rassistisch und antisemitisch geäussert zu haben, auszuschliessen. FDP-Präsident Franz Steinegger stellte sich auf den Standpunkt, dass die Regelung des Falles Fischbacher nur in die Kompetenz der St. Galler Kantonalpartei falle. Mutter- und Kantonalpartei mussten sich den Vorwurf mangelnder Abgrenzung gegen Rechtsaussen gefallen lassen. Schliesslich gab Fischbacher selbst seinen Austritt bekannt und kam damit einem Entscheid der Kantonalpartei zuvor [17].
Ein Vorstoss von FDP-Nationalrat Bernard Comby (VS), der verlangte, dass der Bundesrat unmittelbar nach Abschluss der bilateralen Verhandlungen das in Brüssel liegende EU-Beitrittsgesuch reaktiviert, führte in der freisinnigen Fraktion zu einer heftigen Diskussion über den Europa-Kurs der Partei. FDP-Präsident Franz Steinegger hielt an der europapolitischen Zielsetzung fest, sich auf die bilateralen Verhandlungen zu konzentrieren. An einer Delegiertenversammlung in Interlaken im April votierte auf Antrag der Genfer Sektion eine von Romands und Jungliberalen angeführte Mehrheit von 102 zu 81 Stimmen dann aber überraschend dafür, den EU-Beitritt als langfristiges, strategisches Ziel in einem als zu vage empfundenen Positionspapier zur Aussenpolitik festzuschreiben. Vergebens setzte sich die Parteiführung für eine Offenhaltung der Optionen ein. Damit übernahm die Partei weitgehend die Haltung des Bundesrates. Verschiedene freisinnige Befürworter eines EU-Beitritts warfen Parteipräsident Steinegger im Verlauf des Jahres allerdings vor, den Parteibeschluss nicht zu respektieren und die Position der FDP zu vernebeln [18].
Im Wahljahr 1995 präsentierte sich die FDP als eng mit der Wirtschaft verbundene Regierungspartei und trat mit dem Motto "Verantwortung übernehmen" an. Einstimmig hiess sie ein Positionspapier zur Wirtschaftspolitik gut, in dem sie sich für eine "liberale Fitnesskur", mehr Unternehmerfreiheit und Wettbewerb, Investitionen in Bildung und Forschung sowie eine wirtschaftsfreundlichere Steuerpolitik aussprach. Das Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern will die FDP zugunsten der indirekten Steuern verbessern. Einen weiteren Ausbau des Sozialstaats lehnte sie ab und sprach sich bei der Arbeitslosenversicherung für punktuelle Leistungskürzungen aus. Die Staatsquote aller drei Ebenen möchte sie bei 32% stabilisieren [19].
Mit einem weiteren Positionspapier "Perspektiven liberaler Lebensgestaltung" verabschiedete die FDP verschiedene Postulate zur Gleichstellung der Geschlechter. Konkret forderte sie den gleichen Zugang von Frauen und Männern zu allen Berufen und Positionen, die Einführung von Blockzeiten an den Schulen, freiwillige Tagesschulen sowie flexible Arbeitsformen und Teilzeitarbeit. Ferner trat sie für ein geschlechts- und zivilstandsunabhängiges Sozialversicherungs- und Steuersystem ein [20].
Zu den FDP-Vorschlägen für eine Neuordnung der Volksrechte, die unter anderem mehr direkte Demokratie in der Aussenpolitik ermöglichen wollen, siehe oben, Teil I, 1c (Volksrechte).
Nach acht Sitzverlusten bei den 1995 durchgeführten kantonalen Wahlen verlor die Staatsgründerin FDP auch bei den eidgenössischen Wahlen 0,8% an Wählerstimmen (neu: 20,2%), konnte aber trotzdem einen Nationalratssitz hinzugewinnen. In einer Nachwahlanalyse führte Parteipräsident Steinegger das Wahlresultat unter anderem darauf zurück, dass die Mehrheit der FDP-Wählerschaft den EU-Beitritt als langfristiges Ziel nicht wünscht. Als weiteren Grund sah er den missglückten Angriff der Zürcher FDP auf die Zauberformel anlässlich der Bundesratswahlen. Während die FDP in ihrer einstigen Hochburg Zürich einen Sitz verlor, konnte die SVP um Christoph Blocher ihre Vorherrschaft im bürgerlichen Lager ausbauen [21].
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Christlichdemokratische Volkspartei (CVP)
Mit dem freisinnigen Bekenntnis zu einem langfristigen EU-Beitritt brach der europapolitische Burgfrieden der beiden Bundesratsparteien CVP und FDP. Als einzige Bundesratspartei bezog die CVP im Wahljahr keine klare Position zur Europafrage und plädierte für einen etappenweisen Weg, wobei die bilateralen Verhandlungen die erste Etappe darstellten. Bereits im Februar hatte CVP-Präsident Anton Cottier an einem Parteitag in Lausanne allerdings für 1996 eine Volksabstimmung gefordert, um der Integrationspolitik eine neue demokratische Legitimation zu verschaffen. Den anderen Bundesratsparteien warf die CVP in der Europapolitik wahltaktische Manöver vor [22].
Verstärkt versuchte die CVP, sich als Partei des Mittelstandes zu profilieren. In einer einstimmig verabschiedeten Resolution verlangte sie bessere Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen durch Steuerentlastungen, einen leichteren Zugang zur Forschung und einen Abbau an Bürokratie. In einem Leitbild zur Landwirtschaft forderte die CVP ausserdem die schrittweise Anpassung der Preise an die Marktverhältnisse, ohne mit der Abgeltung von Zusatzleistungen zu brechen. Vom Bundesrat verlangte sie einen klaren Fahrplan zur Umsetzung der geplanten Agrarreform [23].
Als erste Bundesratspartei griff die CVP die anstehende Revision der Bundesverfassung auf und stellte diese ins Zentrum eines Parteitages in Olten. Unter dem Motto "Wir schmieden die Zukunft" forderte sie einen Städteartikel in der Verfassung, der die Städte und Agglomerationen institutionell stärken soll. Weiter schlug sie einen Verfassungsartikel vor, der dem Bund mehr Koordinationskompetenzen im Hochschulbereich geben soll. Die Partei machte sich ausserdem für Reformen in der Berufslehre stark und möchte der sinkenden Bereitschaft der Wirtschaft, Lehrlinge auszubilden, mit einem steuerlichen Lastenausgleich entgegen wirken [24].
Heftige, auch parteiinterne Kritik provozierte ein Vorschlag der CVP, wonach die ausländische Wohnbevölkerung auf 20% begrenzt werden solle. Die Partei musste sich vorwerfen lassen, aus wahltaktischen Gründen Anliegen rechtsextremer Kreise aufzunehmen. Auf Druck der Walliser und Freiburger Kantonalparteien musste die CVP aussserdem im November ihre Vernehmlassung zur Neat widerrufen, in der sie der Gotthard-Achse gegenüber der Lötschberg-Achse Priorität eingeräumt hatte. Die CVP korrigierte sich und sprach sich neu wieder für die gleichzeitige Realisierung der Achsen aus. Parteipräsident Anton Cottier wurde aber Führungsschwäche vorgeworfen [25].
Bei den kantonalen Wahlen 1995 verlor die CVP insgesamt neun Sitze, was dazu beitrug, dass die Partei in den Medien überwiegend als Verliererpartei dargestellt wurde. Auf eidgenössischer Ebene blieb die CVP mit nur einer Sitzeinbusse [26] und einem Wählerverlust von 1,2% (neu: 16,8%) aber von der grossen Niederlage verschont. Allerdings drang die SVP in der Innerschweiz tief in CVP-Stammlande ein und näherte sich der CVP gesamtschweizerisch bis auf knapp 2% an. Mit Hugo Fasel (csp, FR) wechselte ausserdem der Chef der CVP-nahen Gewerkschaft CNG in die Fraktion der Grünen. Die CVP gestand Fehler im Wahlkampf ein und kündigte an, die konfessionelle Öffnung forcieren zu wollen, um im protestantischen Lager neue Wähler zu gewinnen [27].
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Schweizerische Volkspartei (SVP)
Zu Beginn des Jahres verabschiedeten die Delegierten der SVP ein neues Schwerpunktprogramm, das programmatische Flügelkämpfe zwischen dem konservativen und dem liberalen SVP-Lager beilegen sollte. In den Mittelpunkt stellte die SVP, wie die CVP, die Erhaltung und Förderung des Mittelstandes. Zur Nagelprobe geriet aber die Europafrage: Mit der Formulierung "ein Beitritt zur EU ist kein Ziel der schweizerischen Aussenpolitik" setzte sich mit 131 zu 111 Stimmen der konservative Zürcher Flügel durch, während sich die Westschweizer, Berner, Bündner und die SVP-Frauen sowie Bundesrat Ogi mehrheitlich für das Offenhalten aller Optionen ausgesprochen hatten. Deutlich setzte sich bei den Delegierten eine repressive Haltung in der Drogenfrage durch. So wurde der Verzicht auf staatliche Heroinabgabe und Fixerstuben mit klarer Mehrheit - aber gegen die SVP-Frauen und die Berner Sektion - abgesegnet. Ein Antrag, die Abschaffung der direkten Bundessteuer ins Programm aufzunehmen, hatte keine Chance [28].
Zu einem ernsthaften Streit innerhalb der SVP kam es um die Neat. Der Zürcher Exponent Christoph Blocher forderte im Februar eine zweite Neat-Abstimmung und den Verzicht auf die Lötschberglinie. Damit stellte er sich klar in Gegensatz zu den Bernern, Westschweizern und SVP-Bundesrat Ogi, die den Neat-Vollausbau gemäss Volksentscheid realisieren wollen. Die Partei wies den Vorschlag von Blocher zurück [29].
Auch auf andere Eskapaden von Christoph Blocher reagierte die Partei empfindlich. Im Mai liess sich das SVP-Aushängeschild von der von ihm präsidierten Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns) einen Freipass für drei Referenden ausstellen - gegen Konzessionen bei den bilateralen Verhandlungen, gegen die europäische Sozialcharta und gegen neue Staatssekretäre. Die SVP, die eine immer stärkere Vermischung mit der Auns befürchtet, forderte Blocher daraufhin auf, die Positionen von SVP und Auns klar voneinander zu trennen. Anlässlich der Grosskundgebung "Ja zur Schweiz - Nein zum EWR/EU-Beitritt", die Ende September unter dem Patronat von Christoph Blocher in Zürich stattfand, traten die SVP Zürich und die Auns zum Ärger der SVP-Parteizentrale allerdings in einer gemeinsamen Trägerschaft auf [30].
Dem Vorwurf insbesondere der CVP und der FDP, dass die SVP als Regierungs- und gleichzeitige Oppositionspartei ein Doppelspiel betreibe, begegnete die SVP mit einem Parteitag in Holziken (AG) unter dem Titel "Zukunft der SVP - Opposition oder Regierungspartei?". Dabei sprach sie sich klar für ein Verbleiben in der Regierung aus [31].
Der Präsident der SVP, Hans Uhlmann, gab nach achtjähriger Tätigkeit seinen Rücktritt auf Ende Januar 1996 bekannt [32].
Bereits bei den kantonalen Wahlen setzte die SVP mit 15 Sitzgewinnen zum Siegeszug an, wobei sie allein in Luzern, wo sie zum ersten Mal antrat, 11 Sitze holte. Bei den eidgenössischen Wahlen gehörte die SVP mit fünf Mandatsgewinnen und einem Wählerzuwachs von 3% (neu: 14,9%) dann ebenfalls zu den Siegern, wobei sich die Wählerschaft klar für den aggressiven Stil des konservativen Parteiflügels entschied. Gewählt wurde keine einzige zusätzliche Frau. Die SVP-Frauen schlugen deshalb ungewohnt radikale Töne an und forderten eine professionelle parteiinterne Frauenförderung. Aus Protest auf daraufhin herablassende Voten zur Stellung der Frau innerhalb der SVP trat SVP-Generalsekretärin Myrtha Welti aus der Berner Kantonalsektion aus [33].
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Liberale Partei (LP)
Im Wahljahr 95 unterstrichen die Liberalen den europa- und wirtschaftspolitischen Offensivgeist der Partei und wiederholten ihre Forderungen nach Revitalisierung und Deregulierung. Unter anderem sprachen sie sich für die Aufhebung der direkten Bundessteuer und für eine Reform des Föderalismus aus. EU-Beitrittsverhandlungen forderte die LP noch für die Ende Jahr begonnene Legislaturperiode [34].
Die Liberalen kritisierten die Uneinigkeit unter den Bundesratsparteien und drohten, die Zauberformel nicht mehr zu unterstützen. Für die nächste Legislatur verlangten sie von den vier Parteien, dass sie vor der Gesamterneuerung des Bundesrates im Dezember eine Vereinbarung über die Legislaturziele ausarbeiten und veröffentlichen, wobei zumindest zu wichtigen Themen, darunter die europäische Integration, ein gemeinsamer Nenner vorliegen müsse. In die Landesregierung wählen wollten die Liberalen danach nur noch Personen, die das Koalitionsprogramm vorbehaltlos unterstützen [35].
Nach jahrelangem Aufschwung mussten die Liberalen bei den eidgenössischen Wahlen eine Niederlage hinnehmen. Sie verloren in der Romandie drei Nationalratssitze und einen Ständeratssitz, wurden aber dank den hohen Sitzverlusten der Grünen doch stärkste Nichtregierungspartei im Parlament. In der Stadt Lausanne verlor die LP einen Exekutivsitz. Ein Grund für die Wählerverluste dürfte im Imageverlust der Partei durch die Verwicklung in Bau- und Bankenskandale im Kanton Waadt liegen. Der Versuch, anlässlich der eidgenössischen Wahlen in die Kantone Zürich und Bern zu expandieren, blieb erfolglos. Verwunderung löste in der Romandie nach den Wahlen die Tatsache aus, dass die Liberalen die Idee prüften, mit der europafeindlichen Freiheits-Partei eine Fraktion einzugehen [36].
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Grüne Partei (GP)
Die Grünen wählten Nationalrat Hanspeter Thür (AG) zu ihrem neuen Präsidenten, nachdem sich andere Kandidatinnen wie Rosmarie Bär (BE) und Cécile Bühlmann (LU) zurückgezogen hatten. Thür löste die in den Zürcher Regierungsrat gewählte Nationalrätin Verena Diener ab, welche die Grünen seit 1992 präsidiert hatte [37].
Im Wahljahr 95 nahm die GP eine Kurskorrektur vor und versuchte sich neu als Reformpartei, und nicht mehr als Protestpartei, zu profilieren. Verschiedentlich äusserte sie Interesse an einer Mitte-Links-Koalition mit der SP und weiteren "fortschrittlichen" Kräften der Mitte, um den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft voranzutreiben. Mit der Aussage, diese Zusammensetzung sei längerfristig auch auf Bundesratsebene anzustreben, äusserten die Grünen erstmals Regierungsambitionen.
Auf eine Gratwanderung begaben sich die Grünen auch mit einem europapolitischen Kurswechsel: Die Partei, die zuvor lediglich eine vorsichtige Öffnung befürwortet hatte und den EWR ablehnte, entschied an einem Parteitag im Juli auf Antrag der Genfer Sektion, die Volksinitiative "Ja zu Europa", die sofortige EU-Beitrittsverhandlungen fordert, zu unterstützen. Die Grünen betonten, den EU-Beitrittsprozess kritisch begleiten zu wollen. Trotzdem formierte sich grundsätzliche Opposition gegen den reformistischen Kurs der Partei rund um den Berner Luzius Theiler und die Zürcher Sektion [39].
Ihre Wahlplattform stellten die Grünen unter das Schwerpunktthema ökologische Wirtschafts- und Steuerreform, wonach Energie statt Arbeit zu besteuern sei. Die Einführung einer Energiesteuer zur Finanzierung des Sozialbereiches, welche im 2. Teil einer Doppelinitiative angestrebt wird, verabschiedete die Partei ebenso diskussionslos wie die Forderungen nach einer wirksamen CO2-Abgabe, keinem weiteren Ausbau der Autobahnen, dem Ausstieg aus der Atomenergie und dem Verbot der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen. Neu wehren sich die Grünen nicht mehr gegen jegliches Wirtschaftswachstum, sondern sie fordern dessen Gestaltung mit umweltgerechten Innovationen. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schlug die Partei ein Bonus-Malus-System vor, gemäss welchem Arbeitgeber, die Teilzeitarbeit fördern, beispielsweise mit einer Reduktion des Arbeitslosenversicherungs-Beitrags belohnt würden. Für das neue Jahrtausend soll gemäss den Grünen die 30-Stunden-Woche zum Normalfall werden [40].
Die eidgenössischen Wahlen brachten den Grünen mit dem Verlust fast der Hälfte der bisherigen Nationalratssitze - was weit über dem effektiven Rückgang des Wähleranteils liegt - eine klare Wahlniederlage. Zuvor hatten die Grünen bei den kantonalen Wahlen acht Mandate verloren. Parteiintern wurde deshalb der Kurswechsel der Partei kritisiert, diskutiert wurde aber auch ein Zusammenschluss aller grünen Kräfte [41].
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Landesring der Unabhängigen (LdU)
Der in der Europafrage geschlossene LdU forderte im Wahljahr 95 rasche Verhandlungen über den EU-Beitritt und warf den bürgerlichen Parteien CVP und FDP vor, die Europafrage zu tabuisieren. Gleichzeitig betonte er innere Reformen als Voraussetzung für eine Öffnung der Schweiz. Nötig sei die Durchsetzung marktwirtschaftlicher Grundsätze durch ein strenges Kartellverbot, die Aufhebung des Saisonnierstatuts, die Herstellung der Freizügigkeit des Personenverkehrs und der Ersatz der Planwirtschaft im Agrarsektor durch eine marktwirtschaftliche Ordnung. Das Subventionswesen sei neu zu regeln, indem unter anderem Subventionen alle zehn Jahre auf ihre Notwendigkeit hin überprüft werden müssten. Die Partei wiederholte ausserdem ihre Forderung nach einem parlamentarischen Konkurrenzsystem [42].
Der LdU feierte im Berichtsjahr das 60jährige Jubiläum, musste aber gleichzeitig den politischen Tiefststand seit der Gründung registrieren. Bei den Zürcher kantonalen Wahlen konnte er mit Proporzglück zwar vier Sitze hinzugewinnen. Auf eidgenössischer Ebene konnte die Partei die Mandate von zwei zurücktretenden Ratsmitgliedern aber nicht halten und ist neu nur noch mit vier Parlamentariern vertreten [43].
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Evangelische Volkspartei (EVP)
In ihrer Wahlplattform bekräftigte die EVP das "E" in ihrem Namen als Leitmotiv. Dezidiert sprach sie sich in der Familienpolitik gegen die Fristenlösung, für eine Mutterschaftsversicherung und eine Harmonisierung der Kinderzulagen aus. Weiter schlug sie ein Bundesamt für Familienfragen und die Einführung eines Familienstimmrechts nach dem Motto "Ein Mensch - eine Stimme" vor, wobei das Stimmrecht der Kinder von den Eltern treuhänderisch wahrgenommen würde. Zur Integrationsfrage gab sich die Partei zurückhaltend; vor einer neuen Beurteilung der Beitrittsfrage will sie die bilateralen Verhandlungen mit der EU zu Ende führen. Stark machen will sich die EVP für die Reform der Bundesverfassung, die von ethischer und geistiger Tragweite sei [44].
Bei den kantonalen Wahlen 1995 konnte die EVP in Zürich zwei Mandate hinzugewinnen. Auf eidgenössischer Ebene vermochte sie den Sitz des zurückgetretenen populären Pfarrers Ernst Sieber (ZH) aber nicht zu halten und ist neu nur noch mit zwei Mandaten vertreten.
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Partei der Arbeit (PdA)
Konkretes mit Utopischem verknüpfen wollte die PdA in ihrer Wahlplattform "Zehn Notwendigkeiten für eine solidarische und fortschrittliche Schweiz". Darin stellt sie die gesellschaftliche Verteilung der Arbeit in Frage und postuliert längerfristig die Einführung der 32-Stundenwoche ohne Kürzung der Löhne. Weiter fordert sie eine allgemeine Sozialversicherung, die mit Lohnprozenten finanziert wird und sowohl AHV wie auch Kranken- und Arbeitslosenversicherung beinhaltet. Klar sprach sich die Partei für einen raschen EU-Beitritt aus [45].
Als einzige Partei ausser den Grünen sprach sich die PdA gegen die Einführung einer Ausgabenbremse aus, da sie die Verhinderung neuer sozialer Ausgaben befürchtete. Ausserdem lehnte sie zusammen mit den Gewerkschaften die 10. AHV-Revision ab und grenzte sich damit klar von der SP ab.
Die eidgenössischen Wahlen brachten der PdA (inkl. Linksallianz) einen Sitzgewinn in Genf, womit sie neu mit drei Vertretern im Nationalrat sitzt. Mit der Wahl eines PdA-Vertreters in den Lausanner Stadtrat verfügt die PdA ausserdem neu in den drei grössten Westschweizer Städten über ein Exekutivmitglied. Damit gelang der bereits totgesagten Partei eine erstaunliche Wiederauferstehung. Nach den Wahlen schlossen sich die drei PdA-Vertreter (inkl. Linksallianz) der SP-Fraktion an. Damit hat die PdA das Ziel einer unabhängigen Linksopposition im Parlament, das sie noch im Wahlkampf deklarierte, kurzerhand aufgegeben [46].
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Freiheits-Partei (FPS)
Die autofreundliche Freiheits-Partei feierte im Berichtsjahr ihr 10jähriges Bestehen. An ihrem Jubiläumsparteitag sprach sie sich für die Abkehr vom Konkordanzprinzip und der Zauberformel aus und warf dem Bundesrat und den bürgerlichen Bundesratsparteien politische Misswirtschaft vor [47].
In einer Resolution "Neat: Das Ganze halt!" forderten die Freiheitlichen eine neue Volksabstimmung über die Neat, da die Zustimmung der Stimmbürger auf heute nicht mehr richtigen Grundlagen bezüglich Kosten und benötigten Schienenkapazitäten basiert habe [48].
In den eidgenössischen Wahlkampf zog die Partei vorab mit einer aggressiven Politik gegen Ausländer und Asylsuchende unter dem umstrittenen, da historisch gewichtig besetzten Motto "Das Boot säuft ab". Hauptforderungen waren der vollständige Einwanderungs- und Aufnahmestopp für Asylbewerber, die Kündigung des Genfer Flüchtlingsabkommens sowie eine Reduktion des Ausländerbestandes auf EU-Niveau. Heftigen Widerstand meldete die FPS gegen den EU-Beitritt oder Zugeständnisse im freien Personenverkehr an. Eine harte Linie fuhr die Partei auch in Drogenfragen, wo sie der Liberalisierung den Kampf ansagte. Nach wie vor eliminieren will sie zudem die direkte Bundessteuer [49].
Entgegen günstigen Prognosen verpasste die Freiheits-Partei bei den eidgenössischen Wahlen nicht nur ihr Ziel, stärkste Nichtregierungspartei zu werden, sondern sie verlor sogar Wählerprozente und einen Nationalratssitz. Danach kam es zu parteiinternen Spannungen um den Stil der Partei, gegen den insbesondere Nationalrat Giezendanner (AG) protestierte [50].
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Lega dei Ticinesi
Die Lega stellte im Berichtsjahr die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Kantons Tessin in den Vordergrund und forderte als Massnahmen - ohne konkrete Umsetzungen vorzuschlagen - etwa eine Tessiner Freihandelszone, eine Senkung des Tessiner Benzinpreises, um den Benzintourismus wiederzubeleben, und eine Kantonalisierung der "Lex Friedrich". Zudem lancierte sie im Berichtsjahr eine Volksinitiative "Für eine volksnahe Mehrwertsteuer" [51].
Nachdem die Tessiner Protestpartei Lega noch im Frühjahr bei den kantonalen Wahlen triumphiert hatte und erstmals in die Regierung einzog, erhielt sie im Herbst auf eidgenössischer Ebene die Quittung für das selbstherrliche Schalten und Walten der Parteiführer Flavio Maspoli und vor allem Giuliano Bignasca. Wegen zahlreichen politischen und parteiinternen Skandalen mussten sie sich den Vorwurf mangelnder moralischer Integrität gefallen lassen. Die Lega verlor in beiden Räten je einen Sitz und stellt neu nur noch einen Vertreter im Nationalrat [52].
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Schweizer Demokraten (SD)
Im Juni lehnte die Schweizer Stimmbevölkerung eine Lockerung der "Lex Friedrich", gegen welche die Schweizer Demokraten im Alleingang das Referendum ergriffen hatten, ab. Damit konnte sich die Partei als einzige Bekämpferin des "Ausverkaufs der Heimat" feiern lassen, hatten doch alle anderen Parteien mit Ausnahme der EDU (die Grünen beschlossen leer einzulegen) der Vorlage zugestimmt [53].
Die SD stieg mit ihrem angestammten Thema in den nationalen Wahlkampf und lancierte eine Volksinitiative "Masshalten bei der Einwanderung", wonach die jährliche Zahl der Einwanderer die Zahl der Auswanderer des Vorjahres nicht übersteigen darf. Die 1992 eingereichte SD-Initiative "Für eine vernünftige Asylpolitik" wurde auf Antrag des Bundesrates vom Ständerat wegen Völkerrechtswidrigkeit für ungültig erklärt [54].
Nachdem die SD auf kantonaler Ebene 1995 einen Sitz zulegen konnte, verlor sie bei den eidgenössischen Wahlen zwei ihrer bisher fünf Nationalratsmandate. Bei der Ausmarchung um die Fraktionszusammenschlüsse verlor die Partei zudem ihren bisherigen Fraktionspartner Lega an die Freiheits-Partei. Eine Fraktionsgemeinschaft mit den Schweizer Demokraten lehnte die FPS ab. Mit nur drei Nationalräten ist die SD somit neu fraktionslos.
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Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU)
Die EDU wählte mit dem bernischen Grossrat Christian Waber einen neuen Präsidenten. Er löste EDU-Mitgründer und Nationalrat Werner Scherrer (BE) ab, der die Partei während sechs Jahren geleitet hat [56].
In ihrem auf biblischen Grundsätzen beruhenden Wahlprogramm legte die EDU den Schwerpunkt auf gesellschaftliche Fragen und sprach sich etwa gegen Abtreibung und die Ausbeutung der Frau durch die Werbung sowie für eine repressive Drogenpolitik aus. Der Gentechnologie steht sie sehr kritisch gegenüber. In der Europafrage sprach sich die Partei gegen einen EU-Beitritt, aber für bilaterale Verhandlungen aus [57].
Zu Beginn des Jahres lancierte die EDU eine Petition "Für die Förderung gesunder Familien und gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare". Geschützt werden sollen damit gemäss der Partei die Grundzellen des Staates Ehe, Familie und Kinder [58].
Die EDU, die im Berichtsjahr ihr 20jähriges Bestehen feierte, verfolgte ihren Expansionskurs weiter und gründete neue Sektionen in Graubünden, der Zentralschweiz und dem Jura, womit sie nun in 21 Kantonen etabliert ist. Auf eidgenössischer Ebene stagnierte die Kleinpartei mit einem Nationalratsmandat, verzeichnete aber einen leichten Wählergewinn [59].
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Andere Parteien
Die Christlich-konservative Volkspartei (CKP), die 1994 aus der Taufe gehoben worden war, gründete in den Kantonen Aargau, Luzern, Thurgau und Zürich unter dem Namen Katholische Volkspartei weitere Sektionen. Die Partei trat unter anderem gegen Abtreibung und Konventionalscheidung, Feminismus, eine liberalisierte Drogenabgabe, die Neat und den EU-Beitritt an, forderte aber die Einführung des Schulgebets [60].
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Weiterführende Literatur
U. Altermatt / H.-P. Kriesi (Hg.), Rechtsextremismus in der Schweiz: Organisationen und Radikalisierung in den 1980er und 1990er Jahren, Zürich 1995.
P. Farago, Wahlen 95. Zusammensetzung und politische Orientierungen der Wählerschaft an den eidgenössischen Wahlen 1995, Bern/Genf/Zürich 1996 (Reihe selects, swiss electoral studies).
M. Furrer, Rechte und linke Fundamentalopposition, o.O. 1995.
H. Hartmann / A. Gross, Heile Welt Schweiz, die nationalkonservative Bewegung in der Diskussion, Bülach 1995.
M. Klaus (Hg.), Quelle chance pour nos institutions?, Schönbühl 1995 (Festschrift für Bundeskanzler François Couchepin).
C. Longchamp et al., Hin zur Tripolarität im Parteiensystem der Schweiz. Eine Erstanalyse der Nationalratswahlen vom 22. Oktober 1995, Bern 1995.
Y. Papadopulos, "Einige Elemente zum Verständnis des Populismus", in Rote Revue, 73/1995, Nr. 3, S. 34 ff.
P. Taggart, "New populist parties in Western Europe", in West European Politics, 18/1995, Nr. 1, S. 34 ff.
D. Wisler, Drei Gruppen der neuen Linken auf der Suche nach der Revolution, Zürich 1995.
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H. Hartmann / F. Horvath, Zivilgesellschaft von rechts. Die Erfolgsstory der Zürcher SVP, Zürich 1995.
W. Mettler, Liebi Fraue und Manne.. Christoph Blocher: ein Lebensbild, Schaffhausen 1995.
Sozialdemokratische Partei, Die Schweiz muss wieder sozialer werden. Wahlhandbuch 95, Bern 1995.
B. Studer, Un parti sous influence. Le Parti communiste suisse, une section du Komintern 1931 à 1939, Lausanne 1994.
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[1] TA, 3.11.95; Ww, 23.11.95 (Gruppe Dialog); SoZ, 3.12.95; LZ und Bund, 6.12.95. Bis Ende Jahr wurden vier prominent besetzte vorparlamentarische Kommissionen geschaffen: Die Neat-Arbeitsgruppe, die Gruppe Wirtschaft, Konjunktur und Arbeitsmarkt, die Arbeitsgruppe Migration und die Gruppe Drogenpolitik (SoZ, 14.1.96).1
[2] SoZ, 30.4.95 (SP-FDP); NZZ, Bund und JdG, 31.10.95 (CVP-FDP).2
[3] Lit. Longchamp; SGT, 31.10.95; SoZ, 5.11.95.3
[4] Lit. Farago.4
[5] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 472 ff.; BaZ, 9.3.95.5
[6] Lit. Klaus; TA, 16.2.95. Zu den Finanzen der Parteien vgl. z.B. SHZ, 26.1.95.6
[7] Siehe auch SoZ, Mai-Juli 95 (Serie Wahl 95 - Parteien im Profil).7
[8] Presse vom 10.4. und 24.4.95; SoZ, 23.4.95. Vgl. SPJ 1994, S. 324. Zur Urabstimmung und Auffanginitiative siehe auch oben, Teil I, 7c (AHV).8
[9] Bund, 27.2.95; TA, 13.5.95; Presse vom 12.6.95. Vgl. SPS, Europa-Plattform der SP. Für ein soziales, ökologisches und demokratisches Europa - zusammen mit der Schweiz, Bern 1995. Vgl. auch SPJ 1994, S. 324 (Neutralität).9
[10] Presse vom 23.1.95; Bund, 3.7.95; Presse vom 4.9.95. Zur SP-Initiative "Mehr Rechte für das Volk dank dem Referendum mit Gegenvorschlag" siehe oben, Teil I, 1c (Volksrechte). Zur SP-Studie über eine reduzierte Armee siehe oben, Teil I, 3 (Défense nationale et société).10
[11] Lit. SPS; Presse vom 4.9.95.11
[12] Zur AHV/IV-Ausbauinitiative siehe oben, Teil I, 7c (AHV).12
[13] TA, 21.3.95; SoZ, 26.3.95; Presse vom 25.11.95.13
[14] Inkl. dem Sitz der Partito socialista unitario (TI), der 1991 noch nicht der SP zugezählt wurde.14
[15] Siehe "Hegemoniestreben der SP zur Linken", in NZZ, 18.12.95 und P. Bodenmann / A. Daguet, "Wo steht die Linke heute?", in Rote Revue, 1996, Nr. 1, S. 1 ff.15
[16] NZZ und TA, 7.12.95; AT, 14.12. und 20.12.95.16
[17] SoZ, 8.1.95; NQ, 9.1.95; Ww, 12.1.95; Presse vom 19.1.95.17
[18] TA, 3.2.95; Presse vom 22.4.95; NZZ, 30.10.95.18
[19] Presse vom 24.4. und 26.7.95. Vgl. die Positionspapiere der FDP Wirtschaftspolitik, Wege aus der Arbeitslosigkeit und Finanz- und Steuerpolitik der FDP, Bern 1995.19
[20] Presse vom 23.1.95. Die Forderungen basieren auf einer im Auftrag der FDP erstellten Pilotstudie "Frau und Mann in Wirtschaft und Gesellschaft der Schweiz" (Bund, 20.1.95).20
[21] Bund, 20.12.95; SoZ, 29.10.95. Zum Versuch der FDP Zürich, anlässlich der Bundesratswahlen von Ende September die Zauberformel zu sprengen, siehe oben, Teil I, 1c (Regierung).21
[22] Presse vom 6.2., 28.4. und 8.5.95.22
[23] KMU: Presse vom 21.8.95; CVP, Klein- und Mittelunternehmen auf dem Weg ins nächste Jahrhundert, Bern 1995. Agrar-Leitbild: LZ und NZZ, 1.7.95.23
[24] Presse vom 19.7.95; SGT und TA, 25.9.95.24
[25] Ausländerbegrenzung: LZ, 21.9.95. In einem CVP-Standpunkt Auf dem Weg zu einer Migrationspolitik in der Schweiz, Bern 1995, hatte die Partei zu Beginn des Jahres wesentlich liberalere Grundsätze postuliert (Presse vom 11.2.95). Neat: NF, 17.11. und 30.11.95; Bund, 21.11. und 24.11.95.25
[26] Ausgehend von einer Zuordnung, die den Sitz der Alliance jurassienne (BE) 1991 nicht zur CVP zählte.26
[27] TA, 18.11.95 (Fasel); SoZ, 12.11.95; Presse vom 29.1.96. Eine Studie kam zum Schluss, dass bei den eidg. Wahlen die CVP ihr Wählerpotential von allen Bundesratsparteien am schlechtesten, d.h. nur zu knapp einem Drittel, ausschöpfen konnte (Lit. Farago).27
[28] Presse vom 23.1.95. Vgl. SVP, Schwerpunktprogramm '95, Bern 1995. Die Berner SVP sprach sich später offiziell für die laufenden Heroinabgabeversuche und Fixerräume aus (Bund, 10.3.95). Zu den SVP-Flügelkämpfen siehe auch SPJ 1994, S. 325.28
[29] Presse vom 1.2.95. Vgl. auch oben, Teil 1, 6b (Chemins de fer).29
[30] SoZ, 14.5.95; Sonntags-Blick, 9.7.95. Die Auns zählt über 20 000 Mitglieder, darunter gehören nicht wenige auch der SVP an. Zur Auns siehe "In den Schuhen des Fischers" in Ww, 21.9.95. Zur Anti-EU-Kundgebung sowie zu den "Stiefel-Inseraten" der SVP Zürich und ihrem Präsidenten Christoph Blocher vor den eidgenössischen Wahlen siehe oben, Teil I, 1e (Eidg. Wahlen). Vgl. auch Lit. Hartmann.30
[31] Presse vom 20.8.95.31
[32] Presse vom 3.11.95.32
[33] NZZ, 4.11.95; SoZ, 5.11. und 17.12.95.33
[34] Presse vom 28.8.95. Vgl. LPS, Die liberalen Grundsätze für die Legislaturperiode 1995-1999, Bern 1995.34
[35] Presse vom 16.9.95; Bund, 13.10.95.35
[36] TA, 24.8.95; BaZ, 9.11.95; JdG, 4.12.95; 24 Heures 6.12. und 7.12.95 (Fraktionsbildung).36
[37] SoZ, 2.7.95; Presse vom 3.7.95.37
[39] SoZ, 2.7.95; Presse vom 3.7.95.39
[40] SGT und NZZ, 7.7.95; Presse vom 11.9.95. Vgl. GPS, 12 Reformen für die Schweiz, Bern 1995. Zur "Tandeminitiative" siehe SPJ 1994, S. 327.40
[41] TA, 24.10.95; BZ, 9.12.95. Als 20. Vollmitglied nahm die GPS die Ökoliberale Bewegung Schaffhausen auf (NZZ, 11.9.95).41
[42] Presse vom 13.2.95; NZZ, 16.8.95. Zu den LdU-Vorschlägen für eine Staatsreform vgl. SPJ 1994, S. 326. Die Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative "Schluss mit der Schuldenwirtschaft", welche der LdU zu Beginn des Jahres lanciert hatte, brach er im März 1996 wieder ab (siehe oben, Teil I, 5, (Indirekte Steuern).42
[43] TA, 15.9.95; Bund, 16.9.95.43
[44] NZZ und TA, 15.5.95.44
[45] WoZ, 16.6.95.45
[46] BaZ, 16.3.95. Vgl. auch "Linker Populismus oder Totgesagte leben länger" in Ww, 26.10.95; Presse vom 6.12.95; NZZ, 18.12.95 (Fraktion).46
[47] Kritische Würdigungen des FPS-Jubiläums: WoZ, 7.4.95; Bund, 25.8.95; TA, 26.8.95.47
[48] NZZ, 22.5.95.48
[49] NZZ, 28.8.95.49
[50] Bund, 22.11.95.50
[51] CdT und TA, 3.8.95. Zur Lega-Initiative siehe oben, Teil 1, 5 (Indirekte Steuern).51
[52] BaZ, 23.1.96. Über die Lega-Zeitung "L'altra Notizia" wurde der Konkurs verhängt (BZ, 26.4.96).52
[53] Presse vom 26.6.95.53
[54] NZZ, 4.9.95. Zur ungültigen Asyl-Initiative vgl. oben, Teil I, 1c (Volksrechte).54
[56] Bund, 20.6.95; EDU-Standpunkt, 1995, Nr. 8.56
[57] EDU-Grundsatzprogramm, Thun 1995.57
[58] Vgl. oben, Teil I, 7d (Familienpolitik).58
[59] EDU-Grundsatzprogramm, Thun 1995.59
[60] TA, 3.1. und 14.7.95; LNN, 6.3.95. Bei den eidgenössischen Wahlen erreichte die KVP in Aargau 0,7% und im Thurgau 1,4% der Stimmen.60
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