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Allgemeine Chronik
Öffentliche Finanzen
Das Feilschen um Ausnahmen oder Sondersätze bei der Mehrwertsteuer fand seine Fortsetzung. Bundesrat und Ständerat sprachen sich für einen reduzierten MWSt-Satz von 3% für die Hotellerie aus. - Der Bundesrat beantragte dem Parlament den Verzicht auf eine generelle Steueramnestie. - Die Staatsrechnung 1995 schloss mit einem Defizit von 3,3 Mia Fr. ab und damit um 2,8 Mia Fr. besser als budgetiert. - Das Budgetdefizit 1996 konnte auf 4,05 Mia Fr. gesenkt werden. - Das dritte Sanierungsprogramm erlitt teilweise Schiffbruch. - Volk und Stände stimmten der Einführung einer Ausgabenbremse zu.
Bundesfinanzordnung
Der Bundesrat beschloss im Sinne einer erhöhten Transparenz, mit einer Teilrevision des Bundesgesetzes über den eidgenössischen Finanzhaushalt den Einnahmenüberschuss der Pensionskasse aus der Bundesrechnung auszugliedern. Damit wird das Defizit um fast eine Milliarde Franken steigen. Finanzminister Stich unterlag im Gesamtbundesrat aber mit der Forderung, auch das jährliche Darlehen an die SBB von ebenfalls rund einer Milliarde Franken, das die SBB nicht zurückzahlen können, im Bundeshaushalt als Ausgabe zu deklarieren. Schützenhilfe erhielt er vom Nationalrat, der die Teilrevision aufgrund der selben Forderung mit 90 zu 10 Stimmen zurückwies. Der Ständerat folgte auf Empfehlung seiner Finanzkommmission aber einstimmig dem Bundesrat, der die Tresoreriedarlehen der SBB über den Verordnungsweg regeln will. In der Wintersession schwenkte der Nationalrat auf die Linie des Ständerats ein [1].
Eine Motion Fischer (fdp, AG) kritisierte, dass Zinseinnahmen von zurückgestellten Strassengeldern nicht der Strassenrechnung, sondern der allgemeinen Bundeskasse gutgeschrieben werden und verlangte mit einer Änderung des Finanzhaushaltgesetzes, Zinserträge künftig der Strassenkasse gutzuschreiben. Ganz knapp lehnte der Nationalrat den Vorstoss im Sinne des Bundesrates ab [2].
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Direkte Steuern
Gegen seinen Willen schickte der Bundesrat Ende März einen Entwurf zu einer generellen Steueramnestie für 1997, 1999 oder 2001 in die Vernehmlassung und kam damit dem Auftrag einer Motion Delalay (cvp, VS) nach. Der Entwurf enthielt allerdings - anders als die früheren Amnestien von 1945 und 1969 - Fussangeln für reuige Steuersünder, denn er sieht zwar eine Entkriminalisierung der Steuerhinterzieher vor, verlangt aber eine Nachbezahlung der hinterzogenen Steuern samt Verzugszinsen sowie eine schriftliche Schuldanerkennung. Ausserdem will der Bundesrat die Einzelheiten der Amnestie in der Verfassung regeln, damit die Stimmbürger dazu Stellung nehmen können. Der Ständerat, der den Entwurf als ungenügend taxierte und eine Verschleppungstaktik des Bundesrats befürchtete, schob in der Sommersession mit 28:7 Stimmen eine parlamentarische Initiative Delalay (cvp, VS) für eine einmalige "echte" Steueramnestie nach. Die Auswertung des Vernehmlassungsverfahrens ergab ein gemischtes Bild: Während sich die bürgerlichen Parteien eine grosszügigere Lösung wünschten, verlangten SP, Grüne und der LdU sowie 17 Kantone einen Übungsabbruch. Im September beantragte deshalb auch der Bundesrat dem Parlament die Abschreibung der Motion Delalay und damit den Verzicht auf die Amnestie [3].
Auf der Suche nach einem Gegenvorschlag zur Volksinitiative "zur Abschaffung der direkten Bundessteuer" des Schweizerischen Gewerbeverbandes, die vom Bundesrat im letzten Jahr kategorisch abgelehnt worden war, beauftragte die ständerätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) die Verwaltung, als Kompromisslösung eine Verlagerung von der direkten Bundessteuer hin zur Mehrwertsteuer zu prüfen, wobei von der WAK eine Reduktion der direkten Bundessteuer um 20 bis 30% anvisiert wurde. Das Eidgenössische Finanzdepartement, das schon die SGV-Initiative vehement bekämpft hatte, lehnte auch den Kompromissvorschlag ab. Es bezifferte die Steuerausfälle auf 1,7 bis 2,55 Mia Fr. und rechnete mit einer Erhöhung des MWSt-Satzes auf 8% resp. 2,4%. Während die hohen Einkommen teilweise massiv entlastet würden, hätten gemäss EFD 75% bis 90% der Steuerpflichtigen mehr Steuern zu bezahlen. Die WAK beharrte aber auf einem indirekten Gegenvorschlag und präsentierte im November einen in der Kommission mit 8:1 Stimmen bei einer Enthaltung klar angenommenen Entwurf, gemäss dem die bei der direkten Bundessteuer steil ansteigende Progressionskurve gemildert werden soll. Mittlere und höhere Einkommen würden entlastet, wie per Saldo auch die verheirateten Doppelverdiener, womit der Konkubinatseffekt gemildert würde. Die aus der Senkung der direkten Bundessteuer um 20% resultierenden Mindereinnahmen von 1,65 Mia Fr. wären durch einen Zuschlag bei der Mehrwertsteuer von 1% beim Normalsatz und 0,3% beim reduzierten Satz vollständig zu kompensieren. Der Finanzausgleich soll im heutigen Umfang fortgesetzt werden. Zu diesem Zweck sollen die Kantonsanteile an der reduzierten direkten Bundessteuer heraufgesetzt werden.
Eine parlamentarische Initiative Reimann (svp, AG) hatte im März 1993 die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Nationalrats beauftragt, einen Entwurf zur Revision des Verrechnungssteuergesetzes auszuarbeiten. Danach sollen zumindest natürlichen und juristischen Personen mit Sitz in der Schweiz Verrechnungssteuern künftig verzinst werden, wenn der Fiskus die Verrechnungssteuer nicht innert 60 Tagen nach dem Antrag zurückerstattet. Im März stellte die WAK zwei Lösungen zur Diskussion. Während die erste Variante lediglich ein beschleunigtes Rückerstattungsverfahren anstrebt, sieht die zweite Variante eine Verzinsung ab dem 61. Tag nach Eingang des Rückerstattungsantrags vor. Beide Vorschläge stiessen in der Vernehmlassung bei den Kantonen, den Finanzdirektoren und der Bankiervereinigung vorwiegend auf Skepsis. Neben Steuerausfällen von rund 150 Mio Fr. pro Jahr wurde ein administrativer Mehraufwand geltend gemacht. In Betracht gezogen wurde der Vorschlag einer pauschalen Verzinsung. Nach dieser Variante erhielten im Inland wohnhafte natürliche Personen nicht bloss die Verrechnungssteuer von 35%, sondern einen auf 35,5% oder 36% erhöhten Betrag zurückerstattet. Im November beantragte die nationalrätliche WAK dem Plenum aus Gründen der Steuerausfälle mit 12 zu 6 Stimmen aber Nichteintreten auf die Initiative [5].
Im letzten Jahr hatte der Ständerat einstimmig eine Motion Frick (cvp, SZ) überwiesen, die familiengerechte Bundessteuern verlangt und eine gerechtere Besteuerung doppelverdienender Ehepaare gegenüber Konkubinatspaaren. Im September überwies auch der Nationalrat diese Motion mit 73 zu 37 Stimmen; Bundesrat Stich hatte vergeblich für die unverbindlichere Form des Postulats plädiert. Der Motionär berief sich auf ein Grundsatzurteil des Bundesgerichts, das Steuerunterschiede zu Lasten der Ehepaare spätestens ab 10% Mehrbelastung als verfassungswidrig bezeichnet. Gerade diese Praxis zur Gleichbehandlung von Ehe- und Konkubinatspaaren änderte das Bundesgericht aber im Berichtsjahr. In einem neuen Grundsatzurteil hält das Bundesgericht eine ungleiche Behandlung "in der Grössenordnung von 10% (oder eventuell auch darüber)" für nicht verfassungswidrig. Eine volle Gleichstellung sei im Rahmen des geltenden Rechts gar nicht möglich. Gemäss Bundesgericht steht der Vergleich von Ehepaaren und Alleinstehenden mit vergleichbaren Einkommen im Vordergrund. Erst in zweiter Linie habe der Gesetzgeber für eine Gleichbehandlung von Ehe- und Konkubinatspaaren zu sorgen [6].
Beide Räte überwiesen eine Motion Cottier (cvp, FR), die verlangt, dass die Schweiz durch die Beseitigung der steuerrechtlichen Hindernisse für international tätige Unternehmen wieder attraktiver wird. Der Motionär forderte den Bundesrat dazu auf, sicherzustellen, dass der konzerninterne, grenzüberschreitende Austausch von Beteiligungen ohne steuerliche Folgen, d.h. ohne Besteuerung der stillen Reserven, möglich wird. Der Bundesrat und eine Ratsminderheit, die den Antrag nur in Form eines Postulats entgegennehmen wollten, warnten davor, dass damit Schweizer Steuersubstrat in Milliardenhöhe unwiderruflich über die Grenze verschwinde [7].
Nur als Postulat überwies der Ständerat eine zuvor vom Nationalrat angenommene Motion Bührer (fdp, SH), die verlangte, dass innerhalb der Schweiz in einer Holding zusammengefasste Unternehmungen Gewinne und Verluste steuerlich verrechnen können. Finanzminister Villiger wehrte sich gegen eine isolierte Betrachtung des Problems der Holding-Besteuerung und sprach sich für eine Lösung im Rahmen des Unternehmenssteuerrechts aus [8].
Eine Motion der FDP-Fraktion, die den Bundesrat ersuchte, das Steuerharmonisierungsgesetz (StHG) so zu ändern, dass der Steueraufschub von der Grundstückgewinnsteuer im Falle der Ersatzbeschaffung selbstgenutzten Wohneigentums bereits auf den 1.1.1996, und nicht erst auf den 1.1.2001 landesweit in Kraft tritt, wurde vom Nationalrat als Postulat überwiesen [9].
Ein Postulat von Felten (sp, BS), das eine zukünftige Aufteilung der Steuerstatistik nach den Geschlechtern und eine entsprechende Aufschlüsselung des Bruttoarbeitseinkommens forderte, wurde vom Nationalrat überwiesen [10].
Zur parlamentarischen Initiative Carrobio, welche die steuerliche Nichtanerkennung von Schmiergeldern fordert, siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht). Zur neu vollen Steuerpflichtigkeit von AHV- und IV-Renten siehe unten, Teil I, 7c (AHV).
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Indirekte Steuern
Am 1. Januar 1995 trat nach ungewöhnlich kurzer Vorbereitungsphase die Mehrwertsteuer-Verordnung in Kraft. Auch danach wollten die Stimmen nicht verstummen, die kritisierten, dass die Verordnung schärfer ausgefallen sei als der vor der Volksabstimmung vom November 1993 veröffentlichte Entwurf. Im Wettlauf um Änderungen der Mehrwertsteuer wurden zwei Initiativen lanciert. Der Schweizerische Landesverband für Sport (SLS) und gemeinnützige Organisationen lancierten im Frühjahr eine Volksinitiative "gegen eine unfaire Mehrwertsteuer im Sport und im Sozialbereich". Diese verlangt, dass die Umsätze der nicht gewinnstrebenden Sportveranstaltungen sowie der anerkannten gemeinnützigen Organisationen von der Mehrwertsteuer befreit werden. Die Lega dei Ticinesi, unterstützt von der Autopartei des Kantons St. Gallen, lancierte eine Volksinitiative "für eine volksnahe Mehrwertsteuer", die verschiedene populäre Forderungen zusammenfasst. So sollen Kurtaxen, Sportanlässe, Hilfswerke, die Leistungen der öffentlichen Dienste sowie der Verkauf von Treibstoffen, Heizöl und Flugbilletten von der Steuer befreit werden. Für den Tourismus sowie Architekten- und Ingenieurhonorare verlangt die Initiative einen reduzierten MWSt-Satz von 2% [11].
Nach vorgängigem Widerstand, die MWSt-Verordnung bereits im ersten Jahr ihrer Inkraftsetzung abzuändern, sprach sich der Bundesrat im Juni dann doch für Erleichterungen aus und stellte einen reduzierten Mehrwertsteuersatz von 3% für das Beherbergungsgewerbe im Hotel- und Parahotelbereich in Aussicht. Der Bundesbeschluss, der auf zehn Jahre begrenzt sein soll, stützt sich auf die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung, wonach der Bund für im Inland erbrachte Tourismusleistungen auf dem Gesetzesweg einen tieferen Satz festlegen kann, sofern diese Leistungen in erheblichem Ausmass durch Ausländer konsumiert werden und die Wettbewerbsfähigkeit es erfordert. Der Bundesrat bezifferte die Steuerausfälle auf 130 bis 140 Mio Fr. und betonte, dass das Beherbergungsgewerbe die einzige verfassungsmässig vorgesehene Ausnahmeregelung darstelle. Trotzdem forderte der Schweizer Wirteverband postwendend einen reduzierten MWSt-Satz für sämtliche gastgewerblichen Dienstleistungen. In der Wintersession stimmte der Ständerat als Erstrat dem reduzierten Steuersatz für die Hotellerie mit 27 zu 4 Stimmen zu; ein Nichteintretensantrag Weber (ldu, ZH) hatte keine Chance. Der Ständerat folgte aber dem Vorschlag seiner Kommission, den Bundesbeschluss auf lediglich fünf Jahre zu beschränken. Ein Antrag Beerli (fdp, BE), den Beschluss schon im Laufe des Jahres 1996 in Kraft zu setzen, wurde knapp angenommen [12].
Fast gleichzeitig mit dem Sondersatz für die Hotellerie machte der Bundesrat mit drei Verordnungsänderungen weitere Zugeständnisse an Steuerpflichtige, die auf den 1. Januar 1996 in Kraft treten und Ausfälle von geschätzten 280 Mio Fr. zur Folge haben werden. Die erste Änderung betrifft die Lockerung der Spesenregelung, wonach geschäftlich begründete Unterkunfts- und Reisespesen sowie Ausgaben für beruflich genutzte Personenwagen voll - und nicht mehr nur zur Hälfte - als Vorsteuer abgezogen werden können. Ausgenommen sind die Verpflegungsspesen, die weiterhin nur zur Hälfte geltend gemacht werden können. Reduziert wird ferner die Eigenverbrauchsbesteuerung bei Nutzungsänderungen von Liegenschaften. Schliesslich beschloss der Bundesrat auch administrative Erleichterungen: Die rund 75 000 steuerpflichtigen Betriebe, die nach Saldosteuersätzen abrechnen (Jahresumsätze bis zu 500 000 Fr.) sollen inskünftig nur halbjährlich anstatt vierteljährlich abrechnen müssen [13].
Im Juli präsentierte eine Subkommission der nationalrätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) unter der Leitung von Georg Stucky (fdp, ZG) ihren Entwurf für ein Mehrwertsteuergesetz. Sie kam damit einer parlamentarischen Initiative Dettling (fdp, SZ) nach, die ein Gesetz unter Federführung des Parlaments nicht zuletzt aufgrund des gespannten Verhältnisses zu Bundesrat Stich gefordert hatte. Der Entwurf trägt den bisher geäusserten Kritiken an der bundesrätlichen Verordnung weitgehend Rechnung und macht gewichtige Konzessionen an die Steuerpflichtigen. Gemäss dem Entwurf sollen etwa die Umsätze im Immobilienbereich, der Versicherungen und Spitäler freiwillig der Steuer unterstellt werden, um so den entsprechenden Vorsteuerabzug geltend machen zu können (erweitertes Optionsrecht). Der von der Steuer ausgenommene Kulturbereich soll diese Möglichkeit zum ermässigten Zwei-Prozent-Satz ebenfalls erhalten. Ausserdem nahm die WAK-Subkommission Forderungen der Sportverbände auf und will Startgelder beim Sport und ähnliche Leistungen sowie die Umsätze der Brockenhäuser von der Steuer befreien. Aufatmen können nach dem Willen der Subkommission auch die Städte: Gemeindewesen sollen nicht nach den einzelnen Dienststellen besteuert werden, sondern als einziges Unternehmen. Anders als der Bundesrat will die Subkommission schliesslich auch Verpflegungsspesen voll zum Abzug zulassen, dafür sprach sie sich gegen einen Sondersatz für die Hotellerie aus. Auch die Leasingfirmen gingen leer aus. Der Gesetzesentwurf, der nach neuem Fahrplan Anfang 1998 die bundesrätliche Verordnung ablösen soll, wurde in der Vernehmlassung von Wirtschaftsverbänden und bürgerlichen Parteien grundsätzlich positiv aufgenommen. Der SP ging aber vor allem die Ausdehnung des Optionsrechts zu weit, und im Fall der Geschäftsspesen will sie es beim Vorschlag des Bundesrates belassen. Steuerausfälle von bis zu einer Milliarde Fr. pro Jahr bezeichnete sie als nicht tolerabel. Nicht befriedigt zeigten sich auch die Sportverbände, da der Hauptbereich der verbandsinternen Umsätze der Steuer unterstellt bliebe [14].
Die ausländischen Mitarbeiter von internationalen Organisationen sowie Diplomaten und deren Familienangehörige sind in der Schweiz bei Einkäufen von über 100 Fr. künftig von der Mehrwertsteuer befreit. Eine entsprechende Verordnung setzte der Bundesrat auf den 1. Juli in Kraft. Die Steuerbefreiung steht in Zusammenhang mit dem WTO-Sitz in Genf, für den die Schweiz eine Reihe von Zugeständnissen machte [15].
Ein Postulat Columberg (cvp, GR), das den Bundesrat aufforderte, Kur- und Verkehrsvereine insoweit von der Mehrwertsteuer zu befreien, als diese unentgeltliche Leistungen im Interesse des Gastes oder der im Tourismus tätigen Unternehmen erbringen, wurde vom Nationalrat überwiesen. Über 100 Schweizer Kur- und Verkehrsvereine traten bis auf weiteres in den Zahlstreik ein. Auch in anderen Branchen kam es zu Boykotten der Mehrwertsteuer. So zahlten die Brockenhäuser gemeinnütziger Organisationen ihre Steuern auf ein Sperrkonto ein. Die Treuhändergesellschaften forderten die Gültigkeit der neuen Spesenregelung rückwirkend auf 1995 und rieten Tausenden von Unternehmen, ihre Abrechnungen mit einem Vorbehalt zu versehen. Insgesamt dürfte es zu rund 20 Musterprozessen vor Bundesgericht kommen; Kläger sind unter anderem die Leasingfirmen, die Hauslieferdienste und die Tierärzte. Gegen 11 000 steuerpflichtige Unternehmen wurde Ende Jahr ausserdem die Betreibung eingeleitet. Damit verlagerte sich die Auseinandersetzung um die Mehrwertsteuer zusehends auf die juristische Ebene.
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Im April verabschiedete der Bundesrat seine Botschaft zu einer Revision des Mineralölsteuergesetzes, das die Umwandlung der bisher auf Mineralölen und Treibstoffen erhobenen Fiskalzölle in eine Verbrauchssteuer bezweckt und damit jene Verfassungsnorm vollziehen will, die Volk und Stände im November 1993 zusammen mit der Einführung der Mehrwertsteuer gutgeheissen haben. Die Schweiz hatte sich bereits 1972 im mit der EWG abgeschlossenen Freihandelsabkommen verpflichtet, Fiskalzölle zu beseitigen oder in interne Abgaben umzuwandeln. Mit der neuen Mineralölsteuer sollen Treib- und Brennstoffe belastet, gleichzeitig aber die Zölle auf diesen Produkten, einschliesslich des Zollzuschlages auf Treibstoffen, aufgehoben werden. Steuerpflichtig werden im wesentlichen Importeure, Lagerinhaber und Personen, die unversteuerte Waren abgeben oder verwenden. Die aus der Mineralölsteuer erwarteten jährlichen Einnahmen in der Grössenordnung von 4,5 Mia Fr. sollen den Ausfall der heutigen Fiskalzölle haushaltsneutral kompensieren. Neu soll der Bundesrat die Steuern periodisch der Teuerung anpassen können. Die Indexierung des Steuertarifs wurde im Vernehmlassungsverfahren von bürgerlichen Parteien, der Mineralölbranche und den Strassenverbänden (ohne VCS) allerdings heftig kritisiert. In seiner Botschaft sprach sich der Bundesrat auch gegen eine weitere Privilegierung der Zollausschlussgebiete und damit gegen Samnaun (GR) aus, da diese mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht in Einklang zu bringen sei. Die ständerätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben schlug für das Zollfreigebiet Samnaun eine Übergangszeit von zehn Jahren vor. Der Ständerat entschied in der Wintersession auf Antrag der beiden Bündner Standesvertreter aber mit 20 zu 14 Stimmen, gänzlich am Zollprivileg Samnauns festzuhalten. Ausserdem entschied der Ständerat mit Stichentscheid des Präsidenten, die neue Mineralölsteuer nicht zu indexieren. Eine Ratsmehrheit machte geltend, dass die Indexierung im Widerspruch zum Grundsatz stehe, nach dem die Steuersätze vom Gesetzgeber festzulegen seien. Weiter sprach sich der Ständerat gegen den Willen des Bundesrates auch dafür aus, dass Treibstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen und Biomasse steuerfrei bleiben sollen [17].
Einer parlamentarischen Initiative Meier (gp, ZH), die eine vollständige Abschaffung der Zweckbindung für die Mineralölsteuer zum Ziel hatte, wurde vom Nationalrat mit 82 zu 44 Stimmen keine Folge gegeben. Die Kommissionsmehrheit machte geltend, dass 1983 die Zweckbindung des Treibstoffgrundzolles von 60% auf 50% gesenkt worden sei; eine weitere Senkung oder gar die Aufhebung der Zweckbindung sei angesichts der Strassenausgaben des Bundes nicht angebracht [18].
Ebenfalls aufgrund des Freihandelsabkommens Schweiz-EWG aus dem Jahre 1972 und der dazu im November 1993 geschaffenen Verfassungsgrundlage verabschiedete der Bundesrat im Oktober seine Botschaft zu einem Automobilsteuergesetz, das auf Anfang 1997 in Kraft treten soll. Mit der Automobilsteuer werden die Automobile belastet und gleichzeitig die Fiskalzölle auf diesen Fahrzeugen aufgehoben. Der Steuer unterliegt neben der Einfuhr auch die Lieferung und der Eigengebrauch bei der Herstellung von Autos im Inland. Der Steuersatz beträgt 4%; die Autoverbände hatten einen Steuersatz von lediglich 3% gefordert. Als Bemessungsgrundlage wird nicht mehr wie bei den Zöllen das Gewicht, sondern der Wert herangezogen. Dem Bund werden aus der Automobilsteuer jährlich Einnahmen von 220 bis 250 Mio Fr. zufliessen, Fiskalzölle in gleicher Höhe fallen aber weg, womit auch diese Vorlage haushaltsneutral gestaltet ist [19].
Eine Motion Schmid (cvp, AI), die Wettbewerbsverzerrungen in der Biersteuer ausmerzen und die in der Europäischen Union bekannte Biersteuerstaffel einführen wollte, war letztes Jahr vom Ständerat angenommen worden, wurde aber im Berichtsjahr vom Nationalrat abgelehnt. Eine gleichlautende Motion Tschuppert (fdp, LU) überwies der Nationalrat als Postulat. Er folgte damit dem Bundesrat, der eine Revision des Biersteuergesetzes in Aussicht stellte, sich aber nicht auf die Biersteuerstaffel festlegen wollte [20].
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Ausgabenordnung
Das Total der Bundessubventionen stieg 1994 auf 21,6 Mia Fr. an und nahm damit gegenüber dem Vorjahr um 492 Mio Fr. oder 2,3% zu (real 0,7%). Die Subventionen machten wie im Vorjahr 52% der gesamten Bundesausgaben aus. 8,4 Mia Fr. (39%) flossen in den Bereich der Sozialen Wohlfahrt, wobei vor allem die Leistungen an die Invalidenversicherung (+140 Mio) und die Beiträge an die AHV (+72 Mio) stark anstiegen. Beim zweitgrössten Subventionsposten, dem Verkehr (5,7 Mia Fr., 26%), ergab sich ein Rückgang um 106 Mio Fr. Hingegen beanspruchte die Landwirtschaft (3,2 Mia Fr., 15%) zusätzliche 103 Mio Fr. [21].
Mit 56 zu 38 Stimmen überwies der Nationalrat eine Motion der LdU/EVP-Fraktion, die eine Beschränkung der Subventionen auf zehn Jahre forderte. Als Zweitrat folgte die kleine Kammer aber dem Bundesrat, der diese Regelung als zu pauschal, zu wenig differenziert und verfrüht einstufte. Der Vorstoss wurde nur als Postulat überwiesen. Auch eine Motion Mamie (fdp, VD), die mit jeder Kürzung von Subventionen gleichzeitig eine entsprechende Änderung der gesetzlichen Bestimmungen forderte, wurde vom Nationalrat nur als Postulat überwiesen [22].
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Staatsrechnung 1995
Die Finanzrechnung des Bundes für das Jahr 1995 wies ein Defizit von 3,3 Mia Fr. (1994: 5,1 Mia Fr.) aus und fiel damit um 2,8 Mia Fr. geringer aus als budgetiert. Die Ausgaben sanken gegenüber dem Vorjahr um rund 800 Mio Fr. oder 2% auf 40,53 Mia Fr. und liegen damit erstmals seit 1977 wieder unter jenen des Vorjahres. Die Einnahmen nahmen um eine Milliarde oder 2,8% auf 37,27 Mia Fr. zu. Bundesrat Villiger bezeichnete die Staatsrechnung allerdings als "geschönt": Eine sachgerechte Verbuchung der SBB-Darlehen und der Überschüsse der Pensionskasse des Bundes (PKB) hätte das Bundesdefizit auf über fünf Mia Fr. anschwellen lassen. Dazu kamen weitere günstige Umstände und einmalige Sonderfaktoren.
Bei den Ausgaben ist die Budgetabweichung von 1,9 Mia Fr. zu mehr als der Hälfte auf nicht beanspruchte Leistungen für die Arbeitslosenversicherung (ALV), geringere Passivzinsen und Kantonsanteile sowie die Beiträge des Bundes an die AHV/IV und die Ergänzungsleistungen zurückzuführen. Bei der ALV fiel der Bundesanteil um 410 Mio Fr. geringer aus, zusätzlich konnten Rückzahlungen von Darlehen im Umfang von 300 Mio Fr. verbucht werden. Als Folge geringerer Fiskalerträge, namentlich bei der Verrechnungssteuer, fielen die Kantonsanteile um 200 Mio Fr. tiefer als budgetiert aus. Beim Verkehr, wo sich insbesondere Projektverzögerungen bei den Privatbahnen und beim Alpentransit auswirkten, resultierten Minderausgaben von 149 Mio Fr. Auch die Ausgaben für Hauptstrassen lagen 50 Mio Fr. unter den Erwartungen. Die Exportrisikogarantie musste 1995 keine Bundesmittel beanspruchen und konnte Darlehen zurückzahlen, wodurch sich die Rechnung um 124 Mio Fr. verbesserte. Eine Budgetüberschreitung von 86 Mio Fr. verbuchte aber die Landwirtschaft als Folge der auf dem Nachtragsweg gewährten zusätzlichen Ökobeiträge sowie Zusatzkredite für die Käse- und Butterverwertung. Die Nachtragskredite von 648 Mio Fr. wurden durch Kreditreste im Umfang von 2,5 Mia Fr. weit überkompensiert. Bei den Ausgaben ergab sich unter Ausklammerung der nichtsteuerbaren Zinsausgaben, der Kantonsanteile und der konjunkturell bedingten Ausgaben an die ALV noch ein Ausgabenwachstum von 0,8%. Die verschiedenen Sparrunden zeigten damit Wirkung.
Bei den unerwarteten Mehreinnahmen von insgesamt 0,9 Mia Fr. brachte die Mehrwertsteuer rund 1,2 Mia Fr. mehr ein als budgetiert. Dieser Mehrertrag ist allerdings zu relativieren, weil er einerseits aus einem noch zu leistenden Vorsteuerabzug an Exporteure im Umfang von 700 Mio Fr. und andererseits aus früher als erwartet eingetroffenen Erträgen aus Importen in der Höhe von 500 Mio Fr. resultierte. Beide sind dem Übergang von der Warenumsatz- zur Mehrwertsteuer (zeitlichen Rechnungsabgrenzungen im Einführungsjahr) zuzuschreiben. Systematische Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer resultierten nicht. Die Warenumsatzsteuer verabschiedete sich mit einem Ertrag, der eine halbe Milliarde über dem Voranschlag liegt, weil die ausstehenden Steuerzahlungen unterschätzt wurden. Hingegen unterschritt die direkte Bundessteuer das Budget um 406 Mio Fr., da der Zuwachs bei den Einkommen und Erträgen in den Bemessungsjahren 1991/92 tiefer als erwartet ausgefallen ist. Um 852 Mio Fr. blieb auch der Rohertrag der Verrechnungssteuer unter dem Budgetwert. Eine schleppende Konjunktur ergab bei den Treibstoffzöllen Mindereinnahmen von 197 Mio Fr. Der Überschuss der Pensionskasse des Bundes (PKB) fiel hingegen um 233 Mio Fr. höher aus als budgetiert [23].
Die Erfolgsrechnung schloss bei einem Gesamtaufwand von 42,4 Mia Fr. und einem Gesamtertrag von 37,4 Mia Fr. mit einem Aufwandüberschuss von 5,014 Mia Fr. ab und damit um 1,7 Mia Fr. schlechter als die Finanzrechnung. Dies ist weitgehend dem Umstand zuzuschreiben, dass der von der PKB erzielte Einnahmenüberschuss von 1,2 Mia Fr. nicht den allgemeinen Bundesmitteln zugerechnet werden kann. Der Fehlbetrag in der Bilanz erhöht sich um den Aufwandüberschuss der Erfolgsrechnung auf 41,6 Mia Fr. Obwohl die Staatsquote (Ausgaben in Prozent des BIP) zurückgefallen ist und die Steuerquote (Fiskaleinnahmen in Prozent des BIP) praktisch auf dem gleichen Niveau verharrte, blieb der Aufwärtstrend der Verschuldungsquote (Bruttoschulden in Prozent des BIP) ungebrochen: Bei Schulden des Bundes im Betrag von 82,2 Mia Fr. (1994: 75,7 Mia) belief sich die Verschuldungsquote 1995 auf 22,9% (21,5%). 1990 hatte sie erst 12,9% betragen. Die Schuldzinsen des Bundes von rund 3,5 Mia Fr betrugen 7,6% seiner Ausgaben. Der Legislaturfinanzplan 1997-1999 sieht Defizite von 7,1 Mia (1997), 8,6 Mia (1998) und 8,1 Mia Fr. (1999) vor [24].
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Voranschlag 1996
Im März überwies der Ständerat einstimmig eine Empfehlung zu Sofortmassnahmen für das Budget 1996, die insbesondere einen Stellenabbau in der zivilen Verwaltung um mindestens 2% und die Plafonierung der Sachausgaben sowie der steuerbaren Transferausgaben forderte. Der Bundesrat bezeichnete diese Sofortmassnahmen als nicht realisierbar [25].
Ende Mai beschloss der Bundesrat, das Ausgabenwachstum im Voranschlag 1996 auf ein Niveau von unter 4% zu drücken und Einsparungen in der Höhe von 1,3 Mia Fr. vorzunehmen. Die Departemente, deren Budgeteingaben sich zuvor auf insgesamt 45,4 Mia Fr. belaufen hatten, unterzogen sich daraufhin Streichungen in Höhe von fast einer Milliarde Franken. Zusätzlich beschloss der Bundesrat dringliche Gesetzesänderungen in den Bereichen Forschung und Arbeitslosenversicherung (ALV). Mit einem ersten dringlichen Beschluss sollte die vom Parlament beschlossene Aufstockung der Mittel für die Schwerpunktprogramme der Forschung in den Jahren 1996 bis 1999 um 62 Mio Fr. rückgängig gemacht werden, womit sich 1996 15 Mio Fr. einsparen liessen. Gestrichen werden sollten sodann die A-fonds-perdu-Beiträge von 220 Mio Fr. an die ALV, die der Bund künftig in Form von Darlehen gewähren will. Weil so die Kantone die Hälfte beisteuern müssten, ergäbe sich für den Bund ein Spareffekt von 100 Mio Fr. Anfang September präsentierte Bundesrat Stich für 1996 ein Budget, das mit einem Defizit von 4,3 Mia Fr. abschliesst. Das Ausgabenwachstum wurde auf 4,1% begrenzt, während bei den Einnahmen mit einem Anstieg um 9,8% gerechnet wurde. Die Zunahme ist unter anderem Folge des Steuersystems mit einnahmenstarken geraden Jahren. Bereits abgezogen wurde der erwartete Steuerausfall von 140 Mio Fr. durch den MWSt-Sondersatz für die Hotellerie. Auf der Ausgabenseite fielen der Anstieg der Beiträge an die Krankenversicherung von 750 Mio Fr. und die einmalige Entschädigung von über 200 Mio Fr. für den Verzicht auf das Atomkraftwerk Graben ins Gewicht. Die Überschüsse der Bundespensionskasse figurieren weiterhin unter den Einnahmen. Ebenso wurden die Darlehen an die Bundesbahnen im Umfang von gut einer Milliarde Franken, welche die SBB nicht werden zurückzahlen können, gegen den Willen von Bundesrat Stich nicht unter den Ausgaben verbucht. Nicht zuletzt aufgrund dieses "geschönten" Budgets, dessen Defizit sich bei einer sachgerechten Darstellung - trotz einem verbesserten konjunkturellen Umfeld - auf über 6 Mia Fr. erhöht hätte, gab der Finanzminister seinen Rücktritt bekannt [26].
Um das Defizit im Budget 1996 auf unter 4 Mia Fr. zu drücken, forderten die vorberatenden Finanzkommissionen des National- und Ständerates zusätzliche Ausgabenkürzungen von 437 bzw. 277 Mio Fr. Die ständerätliche Kommission lehnte andererseits beide dringlichen Gesetzesänderungen ab, während die nationalrätliche Kommission nur den dringlichen Sparbeschluss zur ALV zurückwies. In der Wintersession folgten beide Räte ihren Kommissionen in weiten Teilen. Der Ständerat als Erstrat lehnte die beiden dringlichen Sparbeschlüsse ab. Gegen den Willen seiner Kommission stockte er zudem gemäss einem Antrag Cavadini (lp, NE) den Kredit für den Nationalstrassenbau um 163,4 Mio Fr. auf. Im Nationalrat fanden vier Rückweisungsanträge von LdU/EVP, SD, FPS und EDU keinen Sukkurs. Im Gegensatz zum Ständerat nahm die grosse Kammer den Sparbeschluss zu den Schwerpunktprogrammen der Forschung mit 89 zu 79 Stimmen an, verwarf hingegen mit 94 zu 81 Stimmen ebenfalls den dringlichen Sparbeschluss zur ALV. Der Aufstockung des Kredits im Nationalstrassenbau stimmte der Rat zu und sanktionierte damit den teuren Ausrutscher des Ständerats vom Sparpfad. Ausserdem kürzte er gegen den Willen des Bundesrates die Beiträge an die Kantone zur Verbilligung der Krankenkassenprämien um 80 Mio Fr.; bei den Militärausgaben kürzte er 65 Mio Fr. In der Differenzbereinigung setzte sich der Ständerat mit seinem Veto durch, die Schwerpunktprogramme der Forschung nicht zu kürzen, und er behielt auch beim am längsten umstrittenen Punkt, den Etatsstellen, das letzte Wort: lediglich 300 Stellen werden definitiv gestrichen, nachdem sich im Nationalrat eine bürgerliche Minderheit für die Streichung von 400 Stellen ausgesprochen hatte [27].
Am 21. Dezember verabschiedeten die eidgenössischen Räte das Budget 1996. Dieses schliesst bei Ausgaben von 43,97 Mia Fr. und Einnahmen von 39,92 Mia Fr. mit einem Ausgabenüberschuss von 4,048 Mia Fr. (1995: 6,08 Mia) ab. Bei den Einnahmen wird mit einer Zunahme von 3,6 Mia Fr. oder 9,9% gegenüber dem Voranschlag 1995 gerechnet. Die Ausgaben nehmen um 1,6 Mia Fr. oder 3,7% zu, womit das Ausgabenwachstum höher ist als das geschätzte Wirtschaftswachstum von etwa 3%. Das Ausgabenwachstum entfällt jedoch nicht auf neue Begehrlichkeiten, sondern praktisch vollumfänglich auf frühere Beschlüsse wie die Leistungen des Bundes an die Krankenkassen und an die AHV/IV sowie auf die Passivzinsen und die Kantonsanteile an den Bundeseinnahmen. Der budgetierte Aufwandüberschuss in der Erfolgsrechnung beträgt 6,1 Mia Fr. [28].
Bund, Kantone und Gemeinden budgetierten für 1996 einen Ausgabenüberschuss von insgesamt 8,3 Mia Fr. (1995 13,2 Mia). Ihre Verschuldung betrug im laufenden Jahr 179 Mia Fr., 49,2% des Bruttoinlandprodukts (BIP); davon entfielen etwas weniger als die Hälfte auf den Bund, ein Drittel auf die Kantone und gut ein Fünftel auf die Gemeinden. Damit würden die öffentlichen Haushalte den Budgetkriterien für den Beitritt zur europäischen Währungsunion erstmals seit 1991 wieder genügen. Mit einem Budgetdefizit aller Gebietskörperschaften inklusive Sozialversicherungen von 2,2% des BIP überschritt die Schweiz die erlaubten 3% der EU ebensowenig wie die Verschuldungsquote von höchstens 60% [29].
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Bei den Eidgenössischen Abstimmungen im Frühling sprachen sich 83,4% aller Stimmenden und sämtliche Kantone für die Einführung einer Ausgabenbremse aus, die Teil des Sanierungsprogramms 1993 war. Damit wird für einmalige Ausgabenbeschlüsse von mehr als 20 Mio Fr. und neue, jährlich wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Mio Fr. das qualifizierte Mehr in jeder Parlamentskammer nötig [30].
Einführung einer Ausgabenbremse (Art. 88 Abs. 2 und 3 BV )
Abstimmung vom 12. März 1995

Beteiligung: 37,9%
Ja: 1 390 831 (83,4%) / 26 Kantone
Nein: 277 225 (16,6%) / 0 Kantone

Parolen:
- Ja: FDP, CVP (2*), SVP (1*), LP, LdU, EVP, SD, FP, EDU; Vorort, Arbeitgeberverband, SGV.
- Nein: GP, PdA; CNG.
- Stimmfreigabe: SP (1*), Lega.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Die Vox-Befragung zur Abstimmung zeigte klar, dass sich die grosse Mehrheit der Votierenden vom Sparappell des Bundesrates überzeugen liess. Rund 20% der Befürworter gaben als Argument für die Ausgabenbremse an, die Parlamentarier disziplinieren und zur Anwesenheit im Saal zwingen zu wollen. Bei den Nein-Stimmenden überwog die Ansicht, dass die Ausgabenbremse bloss als Alibi für die Behörden diene und keine wirkliche Sparmassnahme darstelle [31].
Neben einer Ausgabenbremse hält der Bundesrat auch eine verfassungsmässige Schuldenbremse für nötig. Er präsentierte gleichzeitig mit dem Budget 96 zwei verschiedene Varianten der Schuldenbremse, die weiter geprüft werden sollen. Nach dem - von Finanzminister Stich bevorzugten - Saldomodell muss die Finanzrechnung bei wirtschaftlicher Normallage (BIP-Zuwachs von 0,5-1,8%) ausgeglichen abschliessen. Übersteigt das reale Wirtschaftswachstum diesen Grenzwert, muss ein Einnahmeüberschuss erzielt werden, bei schlechter Konjunkturlage sind Defizite möglich. Wird diese Vorgabe nicht eingehalten, kann der Bundesrat die Finanzhilfen und Abgeltungen um bis zu 30% kürzen, ohne das Parlament zu befragen. Voraussetzung für die Einführung des strengen Saldomodells wäre die vorgängige Beseitigung des strukturellen Defizits. Die zweite, weniger strenge Variante geht von der Faustregel aus, dass die Ausgaben nicht stärker zunehmen dürfen als das trendmässige Wachstum des BIP, das höchstens zulässige Ausgabenwachstum über zwei Jahre ist jedoch auf 10% begrenzt. Die Vorschläge gingen in die Vernehmlassung. Ebenfalls im Sinne einer Schuldenbremse lancierte der LdU eine Volksinitiative "Schluss mit der Schuldenwirtschaft". Der Initiativtext verlangt, dass innerhalb von Vierjahresperioden die Bundesausgaben die Einnahmen nicht übersteigen dürfen. Wie zu kürzen ist, lässt der Verfassungsvorschlag offen; ausgenommen von den Kürzungen sind aber die Kantonsanteile an den Bundeseinnahmen und die Sozialversicherungen [32].
Institutionelle Massnahmen gegen die Staatsverschuldung und eine Erweiterung von Art. 42bis BV forderte auch eine parlamentarische Initiative Bührer (fdp, SH), wonach das Wachstum der Ausgaben das mittelfristige Wachstum des Bruttoinlandprodukts nicht übersteigen dürfe. Zudem seien die Bundesausgaben innert zehn Jahren so zu verringern, dass die Bundesstaatsquote von heute 11,8 auf 10% sinke. Der Initiative wurde vom Nationalrat mit 63 zu 55 Stimmen Folge gegeben. Auch eine Motion der LdU/EVP-Fraktion "Stopp der Defizitwirtschaft", wonach die Ausgaben des Bundes prozentual nicht stärker ansteigen dürfen als das Bruttoinlandprodukt im Durchschnitt der letzten vier Jahre und ansonsten Mehreinnahmen vorzuschlagen seien, wurde vom Nationalrat mit 65 zu 34 Stimmen überwiesen. Der Ständerat als Zweitrat folgte aber dem Bundesrat, der vor einer zu grossen Einschränkung warnte, und überwies die Motion nur als Postulat [33].
Als unrealistisch erachteten Bundesrat und eine klare Mehrheit des Nationalrats eine Motion der Freiheits-Partei, die als Grundlage für die Budgetierung der kommenden Jahre die Rechnung des Jahres mit dem letzten positiven Abschluss, also 1988, forderte. Auch eine von 1993 datierende Motion Giezendanner (fp, AG), die den Bund zu einem Steuer- und Abgabenstopp bis Ende 1997 verpflichten wollte, wurde vom Nationalrat, mit 39 zu 73 Stimmen, abgelehnt. Er folgte damit dem Bundesrat, der im vorgeschlagenen "Moratorium" ein Hindernis für allfällige Steuerreformen im Rahmen des Programms zur marktwirtschaftlichen Erneuerung sah [34].
Zwei Motionen Graber (lp, NE) und Columberg (cvp, GR), die verlangten, im Rahmen der Massnahmen zur Sanierung des Bundeshaushaltes auch den Abbau der gesetzlichen Vorgaben zu prüfen, wurden nach dem Nationalrat auch vom Ständerat überwiesen [35].
Eine Motion der liberalen Fraktion, die zu Beginn jeder Session eine Übersicht über alle neuen Stellen und Ausgaben forderte, die mit den traktandierten Geschäften in Zusammenhang stehen, wurde gegen den Willen von Bundesrat Stich von beiden Räten überwiesen. Eine weitere Motion der Liberalen, die den Bundesrat aufforderte, im Voranschlag 1995 für jede einzelne Rubrik die gesetzlichen oder verfassungsmässigen Grundlagen anzugeben und alle Ausgaben zu streichen, die einer derartigen Grundlage entbehren, war zum Zeitpunkt ihrer Behandlung überholt und wurde nur als Postulat überwiesen [36].
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Das bereits im Vorfeld als "konzeptlos" und "zu einnahmenlastig" heftig kritisierte dritte Sanierungspaket erlitt teilweise Schiffbruch, nachdem beide Räte gewichtige Brocken des Pakets, welches das strukturelle Defizit des Bundeshaushalts von 4 Mia Fr. bis 1997 weitestgehend beseitigen sollte, ablehnten. Der Bundesrat hatte Ausgabenkürzungen von gut 2,3 Mia Fr. und Mehreinnahmen von rund 1,3 Mia Fr. vorgesehen, wobei er auch 23 gezielte Abbaumassnahmen - drei auf Verfassungs- und 20 auf Gesetzesstufe - von insgesamt rund 500 Mio Fr. vorschlug [37].
Als Erstrat verweigerte jedoch der Nationalrat dem Bundesrat in der Januar-Sondersession das Kernstück der Sanierungsvorlage, eine höhere Besteuerung der fossilen Energieträger im Wert von gut 1 Mia. Fr [38]. Eine bürgerliche Ratsmehrheit machte mit 110:58 bzw. 109:59 Stimmen geltend, dass nach einer Erhöhung der Treibstoffpreise im Jahre 1993 um 20 Rappen eine weitere Verteuerung zum heutigen Zeitpunkt untragbar sei. Auch auf die Einführung eines Proportionaltarifs von 9,8% für juristische Personen bei der direkten Bundessteuer bei gleichzeitiger Anrechnung der Kapitalsteuer an die Ertragssteuer trat der Nationalrat nicht ein. Der Bundesrat hatte die Mehrerträge aus dieser Massnahme auf 300-400 Mio Fr. geschätzt, wobei dem Bund unter Berücksichtigung des Kantonsanteils an den Bundeseinnahmen 200-300 Mio Fr. verblieben wären. Nein sagte der Nationalrat mit 94:69 Stimmen auch zur Erweiterung der Zweckbindung der Treibstoffzölle und verhinderte damit, dass aus den Erträgen der Treibstoffzölle künftig auch die Bahninfrastruktur finanziert werden kann. Er stimmte lediglich einer Reform der Tabaksteuer zu, die zusätzliche 75 Mio. Fr. in die AHV-Kasse fliessen lassen wird. Neben dem Grossteil der beantragten Mehreinnahmen verwarf der Nationalrat auf der Ausgabenseite auch zahlreiche der gezielten Sparvorschläge. So wurde die Änderung des Mischindexes bei AHV und IV mit 164 zu 8 Stimmen wuchtig abgelehnt. Der Bundesrat hatte sich von der Anpassung der Renten an die Teuerung (und nicht mehr auch an den Lohnindex) eine Einsparung von 90 Mio Fr. erhofft. Eine Kürzung des Bundesbeitrags an die AHV von 120 Mio Fr. nahm der Nationalrat an, lehnte aber die Erhöhung des AHV/IV/EO-Beitragssatzes für Selbständigerwerbende von 7,8% auf 8,4% (96 Mio), welche die Bundesbeitragskürzung hätte kompensieren sollen, knapp ab. Deutlich verworfen wurde eine Streichung der IV-Viertelsrenten (7 Mio). Auf eine Einsparung von jährlich rund 48 Mio Fr. verzichtete der Nationalrat bei Beiträgen des Bundes an Bauten für die Berufsbildung; linke und gewerbefreundliche Kreise brachten diese Massnahme gemeinsam zu Fall. Vertreter der Landwirtschaft und des öffentlichen Verkehrs setzten ausserdem durch, dass die Rückerstattung des Treibstoffzolles für die Bauern und die konzessionierten Verkehrsbetriebe im Umfang von 125 Mio Fr. aufrechterhalten wird. Fest hielt die grosse Kammer auch an den Ausgleichzahlungen für Gemeinden, die wegen des Natur- und Landschaftsschutzes auf die Nutzung der Wasserkraft verzichten (1 Mio); Schweizer Radio International verschonte sie von einer Kürzung um 2 und später 6 Mio. Fr. Angenommen wurden hingegen vom Rat die reduzierten Beitragssätze im Bereich der Nationalstrassen (75 Mio) und Deregulierungen im öffentlichen Verkehr, wie auch drei Verfassungsänderungen, die den Bund von Beiträgen für Bahnhofparkinganlagen (24 Mio) und vom Ankauf von Brennapparaten und der Übernahme von Branntwein (3,5 Mio) entheben sowie die Beschaffung der persönlichen Armeeausrüstung zentralisieren sollen (15 Mio) [39].
Zu Beginn der Frühjahrssession zog der Bundesrat die Anträge zur Zweckerweiterung der Treibstoffzölle auf die Bahninfrastruktur und zu einer Benzinzollerhöhung zurück. Bundesrat Stich begründete diesen Rückzieher mit den neuen Plänen der Landesregierung, einen befristeten Benzinzollzuschlag allenfalls für die direkte Sonderfinanzierung der Neat zu erheben. An der Erhöhung des Heizöl- und Gaszolls hielt der Bundesrat fest. Der Ständerat, der sich ebensowenig sparfreudig wie der Nationalrat zeigte, lehnte aber auch diese mit 22 zu 9 Stimmen ab. Auf der Einnahmenseite nahm er nur gerade die Reform der Tabaksteuer an. Auf der Ausgabenseite schuf der Ständerat einige Differenzen zum Nationalrat, indem er insbesondere der Streichung von Bundesbeiträgen an Bauten der Berufsbildung zustimmte. Der Nationalrat folgte ihm in der Differenzbereinigung. Dafür akzeptierte der Ständerat in einer zweiten Runde die Zentralisierung der Beschaffung der persönlichen Armeeausrüstung. Beide Räte hiessen ausserdem eine für die Jahre 1993-1995 beschlossene Verlängerung der linearen zehnprozentigen Beitragskürzung für die Jahre 1996 und 1997 gut, wobei die Räte das Sparziel des Bundesrates von 250 Mio Fr. auf mindestens 300 Mio Fr. verschärften [40].
Insgesamt bewilligte das Parlament Verbesserungen von rund 600 Mio Fr. Davon entfallen die Hälfte auf die linearen Kürzungen. Rund 200 Mio Fr. blieben nach den Beratungen im Parlament bei den gezielten Kürzungen übrig. Als Mehreinnahmen konnte das dritte Sanierungspaket anstelle der ursprünglich vorgeschlagenen 1,3 Mia Fr. nur gerade die 75 Mio Fr. für die Tabaksteuerreform verbuchen. Zu den vom Parlament bewilligten Verbesserungen kommen rund 1,3 Mia Fr., die der Bundesrat in eigener Kompetenz beschliessen konnte. Insgesamt wird der Bundeshaushalt mit dem dritten Sanierungsprogramm ab 1996 um rund 2 Mia Fr. entlastet, womit das Ziel klar verfehlt wurde [41].
Zusätzlich zu den Spar- und Einnahmenbeschlüssen setzte der Bundesrat eine ganze Reihe von Überprüfungen und strukturellen Reformen in Gang, welche zu einer nachhaltigen Sanierung des Bundeshaushaltes beitragen sollen. Dazu zählen die Überprüfung der Normen und Standards im Hoch- und Strassenbau sowie sämtlicher Finanzhilfen und Abgeltungen des Bundes gemäss dem Subventionsgesetz und eine Neugestaltung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen. Im weiteren wird geprüft, wie die Bestimmungen über die Haushaltsführung in Bundesverfassung und Gesetzen griffiger gestaltet werden können. Schliesslich gehören auch die Arbeiten an der Regierungs- und Verwaltungsreform sowie die konsequente Umsetzung des Verursacherprinzips in der Umweltschutzgesetzgebung in diesen Rahmen [42].
Noch bevor das dritte Sanierungsprogramm für die Bundesfinanzen verabschiedet wurde, verpflichtete der Ständerat den Bundesrat gegen dessen Willen per Motion seiner Finanzkommission einstimmig dazu, bis Mitte 1996 ein viertes Sanierungsprogramm vorzulegen. Dieses soll bis zum Jahr 2000 eine Ausgabenreduktion von wenigstens 80% des strukturellen Defizits, mindestens aber von 2,5 Mia Fr. durch die Neustrukturierung, den Abbau und den Verzicht auf Staatsaufgaben bringen, wobei jedes Departement einen Beitrag von in der Regel 3% des Haushaltsvolumens leisten soll. Der Motionstext nahm die bereits in anderen Vorstössen geäusserte Forderung einer verfassungsmässigen Schranke auf, die ab dem Jahr 2001 ein Wachstum der Staatsausgaben, das über das Wachstum des Bruttoinlandprodukts hinausgeht, verhindern soll. Der Nationalrat, der vorläufig auf punktuelle Sanierungsmassnahmen verzichten will, überwies die Motion in der Herbstsession aber lediglich als Postulat [43].
Bereits vorher hatte der Nationalrat mit 104 zu 45 Stimmmen aber eine Motion seiner Finanzkommission überwiesen, die vom Bundesrat bis Ende 1998 ein Anschlussprogramm zur Beseitigung des strukturellen Defizites verlangt. Die Motion setzt ausschliesslich auf ausgabenseitige Massnahmen und verlangt in erster Linie eine Verminderung der laufenden Ausgaben durch eine Vereinfachung der Verwaltungsorganisation und von Normen und Standards sowie eine Reform des Finanzausgleichs und Teilprivatisierungen. Der Ständerat folgte der grossen Kammer entgegen dem Willen des Bundesrates oppositionslos [44].
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Finanzhaushalt der Kantone
Die Rechnungsabschlüsse 1995 der 26 Kantone wiesen insgesamt noch ein Defizit von 1,52 Mia Fr. (1994: 3,7 Mia Fr.) auf. Gegenüber dem Budget entspricht dies kumuliert einer Verbesserung um 897 Mio Fr. Nur vier Kantone (LU, GE, TG, JU) erreichten geringere Einnahmen als budgetiert. Während zwölf Kantone (GE, VD, BE, BS, SO, ZH, AG, LU, NE, VS, TG, JU) einen Aufwandüberschuss von zusammen 1,71 Mia Fr. verzeichnen mussten, wiesen 14 Kantone in den Laufenden Rechnungen 1995 Ertragsüberschüsse von kumuliert 188 Mio Fr. auf. Der Kanton Schwyz erreichte dabei das beste Ergebnis. Demgegenüber trugen die drei Kantone Genf (389 Mio), Waadt (355 Mio) und Bern (351 Mio) allein über zwei Drittel zum Gesamtdefizit bei [45].
Für das Jahr 1996 wiesen die Kantone Voranschläge mit einem kumulierten Defizit von rund 2,6 Mia Fr. (1995: 4,2 Mia) aus. Die Ausgaben wurden auf 55,2 Mia Fr. budgetiert, was einem Zuwachs von 1,3 Mia (2,4%) entspricht (Zahlen gemäss FkF). Gleichzeitig nahmen aber auch die Einnahmen um 2,9 Mia (5,8%) auf 52,6 Mia Fr. zu. Die Verbesserung der kantonalen Finanzen beruht in erster Linie auf der erwarteten Rückzahlung kantonaler Darlehen an die Arbeitslosenkasse. Diese Darlehen belasteten die Budgets der Kantone 1995 mit 1,35 Mia Fr., die Rückzahlungen sollen sich auf 600 Mio Fr. belaufen, womit ein Verbesserungseffekt von 1,95 Mia Fr. entsteht. Zur Verbesserung beitragen sollen ausserdem die Sparmassnahmen. Als einziger Kanton rechnet Schaffhausen für 1996 nicht mit einem Finanzierungsfehlbetrag. 13 Kantone konnten ihre Finanzlage gegenüber dem Budget 1995 verbessern, in den Kantonen Genf, Waadt, Freiburg, Aargau, Solothurn und Luzern ist die Verbesserung markant ausgefallen [46].
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Der Bundesrat hat für die Jahre 1996 und 1997 die Finanzkraft der Kantone neu festgelegt und dabei zum Teil für grosse Verschiebungen beim Finanzausgleich gesorgt. Die Finanzkraft von 14 Kantonen wurde höher eingestuft als bisher, während jene von 11 Kantonen neu schwächer taxiert worden ist. Einzig Appenzell Innerrhoden wurde gleich eingestuft wie bisher. Der Kanton Basel-Landschaft ist neu in die Gruppe der finanzstarken Kantone eingereiht worden, während Freiburg zu den finanzschwachen Kantonen abgerutscht ist. Als finanzstärkster Kanton steht weiterhin Zug an der Spitze, während der Jura das Wallis als finanzschwächsten Kanton abgelöst hat [47].
Nur als Postulat überwies der Nationalrat eine LdU/EVP-Motion, die eine Entflechtung der öffentlichen Haushalte forderte. Der Bundesrat begrüsste zwar das Anliegen der Motionäre, wonach den Kantonen konkrete Leistungen zugunsten des Bundes (z.B. in Bereichen wie Militär, Asyl) abzugelten und zweckgebundene Subventionen auf ein Minimum zu beschränken sind. Einen Abbau der Subventionen des Bundes an die Kantone innert nur fünf Jahren auf die Hälfte des heutigen Standes lehnte der Bundesrat jedoch ab. Er verwies auf eine grundlegende Reform des Finanzausgleichs, für die der Bundesrat im Juni grünes Licht erteilt hat, und die 1996 vorliegen soll [48].
Auch eine Motion Strahm (sp, BE), die verlangte, im Rahmen der Neuordnung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen auch die Abgeltung von Zentrumslasten der Städte durch die Kantone als Verteilungskriterium zu berücksichtigen, wurde nur als Postulat überwiesen. Der Bundesrat wies darauf hin, dass grundsätzlich nicht die Städte, sondern die Kantone Ansprechpartner des Bundes seien. Es gelte, den innerkantonalen und interkantonalen Finanzausgleich zu fördern, um die Zentrumslasten der Städte besser zu berücksichtigen [49].
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Weiterführende Literatur
U. Cavelti et al., Beiträge zum neuen schweizerischen Mehrwertsteuerrecht, Zürich (Europa-Institut) 1994.
M. van Orsouw, Das vermeintliche Paradies - Eine historische Analyse der Anziehungskraft der Zuger Steuergesetze, Zürich 1995.
Treuhand-Kammer, Kantonale Freiräume in der Steuerharmonisierung: Fragen zu den unter dem Steuerharmonisierungsgesetz verbleibenden kantonalen Freiräumen, Zürich 1995.
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M. Eggler, "Der Voranschlag des Bundes für 1996", in Die Volkswirtschaft, 68/1995, Nr. 11, S. 44 ff.
M. Eggler, "Der Abschluss der Staatsrechnung des Bundes 1995", in Die Volkswirtschaft, 69/1996, Nr. 5, S. 27 ff.
K. Grüter, Prioritäten von heute - Perspektiven von morgen. Finanzpolitischer Handlungsspielraum für neue konzeptionelle Ansätze, in Schriftenreihe des Eidg. Personalamtes, Band 3, Bern 1995.
U. Gygi / M. Caluori, "Bundeshaushalt: Quo vadis?", in Die Volkswirtschaft, 69/1996, Nr. 2, S. 18 ff.
R.L. Jones / P. Urio, "Public finance issues and problems in Switzerland", in Public Budgeting and Finance, 14/1994, Nr. 4, S. 23 ff.
J.-P. Witschard, "Die Voranschläge von Bund, Kantonen und Gemeinden für das Jahr 1996", in Die Volkswirtschaft, 69/1996, Nr. 3, S. 21 ff.
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B. Dafflon / M. Della Santa, Fédéralisme et solidarité. Etude de la péréquation en Suisse, Fribourg 1995.
U. Gygi, "Der neue Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen", in Die Volkswirtschaft, 69/1996, Nr. 5, S. 22 ff.
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[1] BBl, 1995, IV, S. 348 ff.; Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1940 f. und 2611 f.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1136 f.; TA, 19.8.95.1
[2] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 314 ff.2
[3] BBl, 1995, IV, S. 1642 ff.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 610 ff.; Presse vom 30.3., 15.6. und 6.9.95; NZZ, 1.7.95. Vgl. SPJ 1994, S. 126.3
[5] Amtl. Bull NR, 1995, S. 1241 (Verlängerung der Behandlungsfrist); BaZ, 14.3.95; NZZ, 21.4.95; Presse vom 11.8.95; SGT, 15.11.95. Vgl. SPJ 1993, S. 134.5
[6] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1943 ff. Vgl. SPJ 1994, S. 126 f. Urteil des Bundesgerichts: Presse vom 8.3.95; LNN, 19.4.95.6
[7] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 77 ff.; Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2139 ff.7
[8] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 609 ff.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1281 f.; LZ, 21.12.95.8
[9] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 316 f.9
[10] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1609.10
[11] Zu Problemen mit dem Systemwechsel von der Wust zur MWSt siehe z.B. NZZ, 10.1.95, SoZ, 15.1.95 und SHZ, 16.3.95. SLS-Initiative: BBl, 1995, III, S. 114 ff.; Presse vom 24.5.95; Sport, 21.3. und 23.5.95. Lega-Initiative: BBl, 1995, III, S. 643 ff.; TA, 29.3.95. Vgl. SPJ 1994, S. 124.11
[12] BBl, 1995, IV, S. 358 ff.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1149 ff.; Presse vom 20.6. und 8.12.95.12
[13] Presse vom 28.6., 18.8. und 19.9.95.13
[14] Presse vom 4.7., 30.8. und 9.12.95. Eine Motion Schüle (fdp, SH), die vom BR bis 1996 ein MWSt-Gesetz verlangte und die letztes Jahr vom StR überwiesen worden war, verwarf der NR auch als Postulat, da bereits das Parlament ein solches Gesetz erarbeite (Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1945 f.). Vgl. SPJ 1994, S. 125.14
[15] NZZ und Bund, 12.7.95.15
[17] BBl, 1995, III, S. 137 ff.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1260 ff. und 1269 ff.; Presse vom 6.4.95; BüZ, 17.10.95; NZZ, 18.12.95; Presse vom 20.12.95; SGT, 21.12.95. Vgl. SPJ 1994, S. 128. Zu einer Motion Cavadini (lp, NE), die sich im Rahmen der Einführung des Mineralölsteuergesetzes für die steuerliche Privilegierung von Erdgas stark macht, siehe unten, Teil I, 6a (Produits pétroliers).17
[18] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 922 f.18
[19] BBl, 1995, IV, S. 1689 ff.; NZZ, 26.10.95.19
[20] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 856 ff. Vgl. SPJ 1994, S. 128.20
[21] Presse vom 16.9.95; Die Volkswirtschaft, 68/1995, Nr. 9, S. 34 ff.21
[22] LdU/EVP-Motion: Amtl. Bull. NR, 1995, S. 570 ff.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1282 f. Motion Mamie: Amtl. Bull. NR, 1995, S. 114.22
[23] Eidg. Finanzverwaltung, Bundesfinanzen in Kürze, Rechnung 95, Bern 1995; Presse vom 15.2.96.23
[24] Lit. Eggler; NZZ, 2.2.96; Presse vom 26.4.96. Die Defizite gemäss Legislaturfinanzplan 97-99 verbuchen die SBB-Darlehen und die Überschüsse aus der Pensionskasse bereits korrekt.24
[25] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 231 f.25
[26] BBl, 1995, IV, S. 1073 ff.; Botschaft zum Voranschlag 1996, Bern, Oktober 95; Lit. Gygi / Caluori; NZZ, 1.6.95; Presse vom 18.8., 2.9. und 27.10.95. Mit dem Voranschlag 1997 sollen die SBB-Darlehen erstmals über die Finanzrechnung geführt und der Einnahmenüberschuss der PKB aus der Finanzrechnung ausgeklammert werden (Die Volkswirtschaft, 69/1996, Nr. 5, S. 27).26
[27] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2458 ff. und 2633 ff.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1090 ff., 1244 ff. und 1267 ff.; Presse vom 22.11., 6.12., 7.12., 13.12.-15.12. und 20.12.95.27
[28] BBl, 1996, I, S. 291 ff.; Presse vom 21.12.95. Im April 1996 beantragte der BR dem Parlament in einem ersten Supplément Kreditnachträge von 544 Mio Fr. und Verpflichtungskredite von 46 Mio Fr., wobei 190 Mio Fr. allein auf die Landwirtschaft entfielen (Presse vom 4.4.96).28
[29] Die Volkswirtschaft, 69/1996, Nr. 2, S. 18 ff. und Nr. 3, S. 21 ff.; NZZ, 14.3.96.29
[30] BBl, 1995, II, S. 1364; NZZ, 19.1.95; Presse vom 13.3.95. Vgl. SPJ 1994, S. 132. In der Herbstsession 1995 kam die Ausgabenbremse erstmals zur Anwendung.30
[31] P. Sciarini et al., Analyse der eidg. Abstimmungen vom 12. März 1995, Vox Nr. 56, Adliswil/Bern 1995.31
[32] Presse vom 25.2.95; SHZ, 30.3.95; BaZ und Bund, 27.10.95. LdU-Initiative: BBl, 1995, I, S. 356 ff.; DAZ, 6.3.95. Im März 1996 zog der LdU sein Volksbegehren zurück, da der BR mit dem Vorschlag für die Schuldenbremse einen Gegenvorschlag vorweggenommen habe (Presse vom 22.3.96).32
[33] Bührer: Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2033 ff. LdU/EVP: Amtl. Bull. NR, 1995, S. 321 ff.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1040 ff.; NZZ, 3.2.95. Vgl. SPJ 1994, S. 132.33
[34] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 319 ff. (FP) und S. 600 f. (Giezendanner).34
[35] Amtl. Bull. StR, 1995, 490 f. Vgl. SPJ 1994, S. 132.35
[36] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 578 f. und 317 ff.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1042.36
[37] BBl, 1995, I, S. 89 ff.37
[38] Der Grundzoll auf Treibstoffen (inkl. Dieselöl) sollte um 15 Rappen pro Liter, der Heizölzoll von 30 Rappen auf 4 Fr. je 100 kg Heizöl bzw. beim Erdgas auf 2,50 Fr. pro 100 kg brutto erhöht werden. In einer mündlichen Konsultation wendeten sich FDP, CVP, SVP, LP, LdU, SD, die Wirtschaftsverbände und die FDK zum jetzigen Zeitpunkt gegen zusätzliche Mehreinnahmen zur Sanierung des Bundeshaushaltes (BBl, 1995, I, S. 101 bzw. 106).38
[39] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1 ff., 28 ff., 56 ff., 84 ff., 582 ff., 717 f. und 1011 ff.; Presse vom 24.1.-26.1.95. Vgl. SPJ 1994, S.133 f.39
[40] BBl, 1995, II, S. 398 ff. und 456; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 159 ff., 186 ff., 217 ff., 312 ff. und 440; Presse vom 8.3.-10.3.95. Differenzbereinigung: Amtl. Bull. NR, 1995, S. 582 ff.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 312 ff. Im August hat der BR die Ausnahmen von der linearen Beitragskürzung festgelegt: AHV, EL, IV, ALV, Krankenkassen, Nationalstrassen, Butter- und Käseverwertung, Direktzahlungen, Entwicklungs- und Osthilfe, Immobilienstiftung für internat. Organisationen in Genf, Pro Helvetia, Schweizerische Volksbibliothek, Jubiläum 1998, Historisches Lexikon der Schweiz, Berglandwirtschaft, Schweiz Tourismus, die gemeinwirtschaftlichen Leistungen der SBB und versch. Ausgaben in Bildung und Forschung. Kürzungen von nur 5%: Friedenserhaltende Aktionen, Kultur und Sprache in Graubünden und Tessin, wissenschaftliche Akademien, berufliches Bildungswesen (NZZ, 24.8.95).40
[41] SGT, 17.3.95; NZZ, 30.11.95.41
[42] BBl, 1995, I, S. 92.42
[43] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 228 ff.; Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1946 f.; Presse vom 10.3.95.43
[44] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 590 ff.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 316 f.; BaZ, 15.3.95.44
[45] Zahlen gemäss SDA (NZZ, 4.6.96). Jene des Rechnungswesens der öffentlichen Haushalte der Fachgruppe für Kantonale Finanzfragen (FkF) konnten zeitlich nicht mehr berücksichtigt werden. Eine Motion Spielmann (pda, GE), die dieses Rechnungsmodell der öffentlichen Haushalte auch für den Bund einführen wollte, wurde vom NR auf Antrag des BR klar verworfen (Amtl. Bull. NR, 1995, S. 565 ff.).45
[46] Presse vom 18.11.95; Lit. Witschard.46
[47] SoZ, 29.10.95; Presse vom 23.11.95.47
[48] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 326 ff.48
[49] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 572 ff.49
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