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Wirtschaft
Geld, Währung und Kredit
Die Nationalbank setzte bis in den Herbst ihre relativ restriktive Geldpolitik fort. – Das Parlament verabschiedete das neue Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMAG). – Die schweizerische Grossbank UBS war massiv von der Krise auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt betroffen. – Der Ständerat stimmte einer Verschärfung der gesetzlichen Massnahmen gegen Insidergeschäfte an der Börse zu.
Geld- und Währungspolitik
Die weiterhin gute Konjunkturlage veranlasste die Nationalbank ihre seit 2004 praktizierte Politik der Abschöpfung der vorher zu stark expandierten Geldmenge fortzusetzen. Sie erhöhte dazu die angestrebte Zielgrösse für den Libor-Satz (Zins für Dreimonats-Gelder in Franken in London) im März, Juni und September in drei Schritten um je 0,25% auf einen Satz von 2,75% (Bandbreite 2,25-3,25%). Die beiden ersten Heraufsetzungen erfolgten im Gleichschritt mit der Europäischen Zentralbank; bei der Erhöhung im September handelte die SNB im Alleingang. Erstmals seit neun Quartalen verzichtete die SNB im Dezember auf eine weitere Erhöhung. Sie begründete dies mit den nun doch aufgetauchten Risiken einer Konjunkturabschwächung und mit der von ihr als relativ gering eingeschätzten Inflationsgefahr. Wie bereits 2006 entwickelten sich die Geldmengen M1 und M2 rückläufig und das Aggregat M3 wuchs nur noch leicht an. Nach Ansicht der Nationalbank ist damit der bis 2003 geschaffene Geldüberhang abgeschöpft [1].
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Der Frankenkurs schwächte sich gegenüber dem Euro weiterhin leicht ab und bewegte sich in einem Bereich zwischen 1.60 Fr. und 1.68 Fr. Bis in den Herbst stieg der Euro an, um sich dann zu stabilisieren. Zu Jahresende betrug der Wechselkurs 1.66 Fr. Der Dollar blieb im Vergleich zum Franken in der ersten Jahreshälfte recht stabil, stürzte dann aber von über 1.20 Fr. auf gut 1.10 Fr. ab. Am Jahresende belief er sich auf 1.14 Fr. Der handelsgewichtete Kurs des Frankens ging im ersten Halbjahr sowohl nominal als auch real leicht zurück und machte in der zweiten Jahreshälfte diese Verluste wieder weitgehend gut, wobei es das ganze Jahr über zu starken Schwankungen kam [2].
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Die Geldmarktsätze stiegen, wie von der Nationalbank mit der Erhöhung des Richtwerts für das Zinszielband angestrebt, bis zum Herbst stetig an und blieben dann nach einem leichten Rückgang stabil. Der Libor-Satz (Zins für Dreimonats-Franken in London) betrug im Monatsmittel im Januar 2,21%, im September 2,90% und im Dezember 2,77%. Die langfristigen Zinssätze stiegen zuerst ebenfalls an, gerieten dann im Zeichen der Turbulenzen auf den Finanzmärkten ins Rutschen und lagen zu Jahresende nur noch knapp über den Geldmarktsätzen. Der Zins für 10-jährige Bundesanleihen wuchs bis Juni von rund 2,5% auf 3,4%, brach bis September auf 2,8% ein und erholte sich dann wieder leicht auf rund 3% [3].
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In der Frühjahrssession befasste sich der Nationalrat mit dem Projekt des Bundesrates für ein neues Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMAG), welches die staatliche Aufsicht über Banken, private Versicherungen und weitere Finanzintermediäre in einer Behörde zusammenfassen will. An sich waren alle Fraktionen mit diesem Anliegen einverstanden. Die SVP beantragte trotzdem Rückweisung an den Bundesrat mit dem Auftrag, das Ganze zu überarbeiten und vor allem auch staatsnahe Akteure wie die Postfinance, die Pensionskassen und die Suva dieser Aufsicht zu unterstellen. Sie blieb mit dieser Forderung allerdings allein und unterlag mit 119 zu 44 Stimmen. In der Detailberatung schloss sich die grosse Kammer weitgehend den Vorschlägen des Bundesrates an. Der Ständerat tat dies als Zweitrat ebenfalls. Er sprach sich jedoch gegen den vom Nationalrat auf Antrag der vorberatenden Kommission aufgenommenen Passus aus, dass die neue Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma nicht nur zur Stärkung des Ansehens und der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz beitragen soll, sondern insbesondere auch dessen Interessen berücksichtigen muss. Zusammen mit dem Bundesrat war eine klare Mehrheit der Ständeräte der Ansicht, dass nur eine vollständige Unabhängigkeit ohne besondere Rücksichtnahme eine korrekte Aufsicht und damit ein gutes Funktionieren des Finanzmarkts garantieren könne. Zudem lasse sich gar nicht festlegen, was die Interessen des schweizerischen Finanzmarktes, auf dem sich viele unterschiedliche Akteure bewegen, denn eigentlich seien. Im Nationalrat hatte die Kommission ihren Antrag damit begründet, dass die Finma auch als Akteurin in internationalen Gremien auftreten werde und sie deshalb auf die Vertretung der Anliegen des schweizerischen Finanzmarkts verpflichtet werden müsse. Eine ähnliche Auflage bestehe übrigens auch für die britische Aufsichtsbehörde. In der Differenzbereinigung hielten zuerst beide Kammern an ihrer Version fest, dann gab der Nationalrat nach. In der Schlussabstimmung hiessen der National- und der Ständerat die Neuorganisation der Finanzmarktaufsicht ohne Gegenstimmen gut. Die neue Behörde wird am 1. Januar 2009 ihre Tätigkeit aufnehmen [4].
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Der Bundesrat beantragte dem Parlament eine Verlängerung der Teilnahme der Schweiz an den Allgemeinen Kreditvereinbarungen des IWF um weitere fünf Jahre. Dieses Abkommen ist Teil des internationalen Sicherheitsdispositivs zur Bewältigung von gravierenden Währungs- und Zahlungsbilanzkrisen. Die Schweizerische Nationalbank als für die Schweiz teilnehmende Institution wird damit zu einer Darlehenszusage von rund 1,8 Mia Fr. verpflichtet. Zusammen mit dem Verlängerungsbeschluss schlug der Bundesrat dem Parlament auch eine neue Kompetenzregelung vor. In Zukunft soll nicht mehr dieses, sondern die Regierung in Absprache mit der Nationalbank für die Verlängerungsbeschlüsse zuständig sein [5].
Der Nationalrat überwies gegen die Empfehlung des Bundesrates eine Motion, die verlangt, dass bei der Ausschüttung von zukünftigen Sondererlösen aus Goldverkäufen der Nationalbank das Parlament über die Auszahlungsmodalitäten und die Verwendung des Bundesanteils von einem Drittel entscheidet. Diese von der SVP, der SP und der GP unterstützte Motion hatte 2006 die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats eingereicht, nachdem sie in einem Bericht ihre Unzufriedenheit mit dem Vorgehen des Bundesrats und der Nationalbank bei der Verteilung der Einnahmen aus der Liquidierung eines Teils der in Gold angelegten Währungsreserven formuliert hatte. Der Ständerat lehnte die Motion ab, weil erstens keine Geldverteilungen aus neuen Goldverkäufen in Sicht seien und zweitens derartige Bestimmungen nur die Begehrlichkeit und Sonderfinanzierungswünsche bei den Parteien wecken würden. Wie auch der Bundesrat fand die kleine Kammer, dass der im Finanzhaushaltsgesetz für den Bundesanteil festgelegte Verwendungszweck von Sonderausschüttungen (Schuldenabbau) sinnvoll und ausreichend sei. Mit einem überwiesenen Postulat Stamm (svp, AG) verlangte der Nationalrat vom Bundesrat einen Bericht über die Hintergründe der Goldverkäufe der Nationalbank und dabei insbesondere eine Antwort auf die Frage, ob die Schweiz beim Verkauf dieses „Volksvermögens“ unter dem Druck ausländischer Institutionen (z.B. der Zentralbanken der USA oder der EU) gestanden habe [6].
Die Nationalbank feierte im Berichtsjahr ihr hundertjähriges Bestehen [7].
Zur Botschaft des Bundesrates zur Verschärfung des Geldwäschereigesetzes siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).
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Banken, Börsen und Versicherungen
Zur Zusammenfassung der staatlichen Aufsicht über die Banken, Privatversicherungen und andere Finanzintermediäre in der neuen Behörde Finma siehe oben.
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Von der Krise auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt war auch die schweizerische Grossbank UBS massiv betroffen. Zum Verhängnis wurde ihr ein übergrosses Engagement im hochriskanten Markt mit bonitätsmässig schlecht abgesicherten Immobilienhypotheken in den USA (so genannter Subprime-Markt). Im dritten Jahresquartal musste die UBS rund 5 Mia Fr. abschreiben und einen Verlust von rund 700 Mio Fr. ausweisen. Im Dezember gab sie bekannt, dass sie im vierten Quartal nochmals 11 Mia Fr. habe abschreiben müssen. Die andere schweizerische Grossbank, die CS, sah sich zwar auch zur Abschreibung von einigen Milliarden gezwungen, war aber insgesamt von der Krise weniger betroffen. Im Nationalrat versuchte die Linke in der Dezembersession vergeblich, aus diesem Anlass eine Diskussion über die Rolle der Banken in der schweizerischen Volkswirtschaft und über die Notwendigkeit strenger Regeln und Kontrollen für den Finanzmarkt auf die Traktandenliste zu setzen. Ihr Wunsch nach der dringlichen Behandlung einer Interpellation der SP-Fraktion fand keine Mehrheit. Immerhin kam die internationale Bankenkrise im Nationalrat in der Fragestunde vom 17. Dezember doch noch zur Sprache [8].
Zu den Diskussionen über die Rückerstattung blockierter Bankkontos ehemaliger ausländischer Staatschefs siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).
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Der Ständerat verabschiedete als Erstrat ohne Gegenstimmen die vom Bundesrat im Vorjahr beantragte Revision des Börsengesetzes mit dem Ziel Insidergeschäfte weiter zu fassen. Börsengeschäfte sind demnach auch strafbar, wenn sie aufgrund von speziellen Kenntnissen über bevorstehende sinkende Kurse getätigt werden. Noch vor diesem Beschluss hatte der Ständerat, gegen den Willen des Bundesrates, eine Motion Wicki (cvp, LU) für eine Totalrevision der Insiderartikel im Strafgesetzbuch (Art. 161 und 161bis) überwiesen. Das Ziel dieser Überarbeitung soll es sein, die Bestimmungen griffiger zu machen um Insidergeschäfte wirksamer zu bekämpfen. Der Bundesrat hatte dagegen argumentiert, dass er vor der Einleitung einer Totalrevision die Ergebnisse einer noch laufenden Überprüfung durch Spezialisten aus dem EFD und dem EJPD abwarten möchte [9].
Der Ständerat hiess als Erstrat das neue Bundesgesetz über Bucheffekten gut. Abgesehen von einigen vom Bundesrat nicht bestrittenen Änderungsvorschlägen der Kommission übernahm er diskussionslos die Vorlage der Regierung. Auch gegen die Genehmigung des Haager Wertpapierübereinkommens gab es keine Einwände [10].
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Weiterführende Literatur
Baltensperger, Ernst / Hildebrand, Philipp / Jordan, Thomas, The Swiss National Bank's monetary policy concept – an example of a "principles-based" policy framework, Zürich (Swiss National Bank) 2007.
Jacsó-Potyka, Judit, Bekämpfung der Geldwäscherei in Europa: unter besonderer Berücksichtigung des Geldwäschestrafrechts von Österreich, der Schweiz und Ungarn, Zürich 2007.
Perruchoud, Alexander, Swiss monetary policy : rules, effects, and indicators, Berlin (Dissertation.de; Diss. Staatswiss. Basel) 2007.
Schweizerische Nationalbank (Hg.), Die Schweizerische Nationalbank 1907–2007, Zürich 2007.
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[1] Schweizerische Nationalbank, 100. Geschäftsbericht 2007, Bern 2008, S. 26 und 28 ff.; Bund, 14.12.07.
[2] Schweizerische Nationalbank, 100. Geschäftsbericht 2007, Bern 2008, S. 26.
[3] Schweizerische Nationalbank, 100. Geschäftsbericht 2007, Bern 2008, S. 26.
[4] AB NR, 2007, S. 62 ff., 893 ff., 985 f., 1057 f. und 1161 f.; AB SR, 2007, S. 404 ff., 540 f., 609 f., 624 und 659; BBl, 2007, S. 4625 ff.; NZZ, 16.11.07. Vgl. SPJ 2006, S. 99.
[5] BBl, 2007, S. 8677 ff.
[6] Motion: AB NR, 2007, S. 186 ff.; AB SR, 2007, S. 1124 f.; NZZ, 19.3.07. Postulat: AB NR, 2007, S. 2062. Vgl. SPJ 2006, S. 99 f.
[7] Presse vom 22.6. und 23.6.07. Siehe auch Lit. Schweizerische Nationalbank.
[8] UBS: Presse vom 2.10., 31.10. und 11.12.07. CS: Presse vom 2.11.07. Nationalrat: AB NR, 2007, S. 1910 f. (SP-Interpellation) und 1923 ff. (Fragestunde); BaZ, 12.12.07.
[9] AB SR, 2007, S. 36 ff. (Motion) und 541 f. (Gesetz). Vgl. SPJ 2006, S. 101 f.
[10] AB SR, 2007, S. 1120 ff. Siehe SPJ 2006, S. 102.
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