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Wirtschaft
Geld, Währung und Kredit
Um das Abgleiten der Schweiz in eine Rezession zu verhindern, lockerte die Nationalbank ab Oktober in mehreren Schritten die Geldpolitik. – Der Bund und die Nationalbank unterstützten die in arge Schwierigkeiten geratene Grossbank UBS mit einem Hilfspaket von rund 68 Mia Fr. – Das Parlament beschloss eine Verbesserung des Einlegerschutzes bei den Banken. – Das Parlament verabschiedete die Teilrevision des Gesetzes gegen den Insiderhandel an den Börsen.
Geld- und Währungspolitik
Um das Abgleiten der Schweiz in eine Rezession zu verhindern, setzte die Nationalbank ab Oktober ihre üblichen Mittel der Geldpolitik ein. In der ersten Jahreshälfte, als noch wenig auf eine sehr negative Wirtschaftsentwicklung hindeutete, musste sie sich allerdings noch gegen Vorwürfe wehren, ihre Politik sei zu wenig restriktiv um eine Konjunkturüberhitzung und damit die Teuerung zu dämpfen. Im Oktober, als auch in der Schweiz klar wurde, dass sich die Finanzkrise massiv auf die Realwirtschaft auswirken würde, senkte sie dann im Gleichschritt mit der Europäischen Zentralbank den Leitzins um 0,25% und anfangs November nochmal um ein halbes Prozent. Zwei Wochen später erfolgte eine weitere Reduktion um ein ganzes Prozent auf einen mittleren Wert von 1%. Die SNB begründete diesen nicht erwarteten Schritt mit der sich nun deutlich abzeichnenden grossen Rezessionsgefahr für die Schweiz. Es sei sehr wahrscheinlich, dass sich der massive Konjunktureinbruch in den für die Schweiz wichtigen Exportländern USA, Deutschland, Italien und Japan ab 2009 voll auf die Produktion, die Investitionen und die Beschäftigung auswirken werde. Auf der anderen Seite würde das Sinken der Rohstoff- und Energiepreise die von dieser Ausweitung der Geldmenge ausgehende Inflationsgefahr reduzieren. Im Dezember erfolgte dann nochmals eine Senkung des Leitzinses um ein halbes Prozent. Damit lag die angestrebte Zielgrösse für den Libor-Satz (Zins für Dreimonats-Gelder in Franken in London) zwischen 0,0% und 1%. Die Geldmengen M1 und M2 bildeten sich in der ersten Jahrshälfte leicht weiter zurück. Vor allem im Gefolge der Leitzinssenkungen vom vierten Quartal begannen sie dann wieder zu steigen [1].
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Der Frankenkurs blieb gegenüber dem Euro in den drei ersten Quartalen relativ stabil. Im September stieg er um rund 10% an und fiel dann wieder. Im Dezember kostete der Euro im Mittel 1,54 Fr. Der Dollar erfuhr im ersten Halbjahr eine recht deutliche Abwertung und sein Kurs sank im März sogar unter einen Franken (0,98 Fr.). Ende Jahr lag er dann wieder auf 1,15 Fr. und damit leicht höher als Ende 2007. Der handelsgewichtete Kurs des Frankens stieg im Jahresvergleich sowohl nominal als auch real um rund 5% an, wobei die Entwicklung sehr sprunghaft und unstetig war [2].
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Die Geldmarktsätze bewegten sich im Jahresverlauf stark nach unten. Der Libor-Satz (Zins für Dreimonats-Franken in London) blieb bis September relativ konstant im Bereich von 2,75%. Die Lockerung der Geldmengenpolitik der Nationalbank führte dann zu einer Reduktion auf 0,66% zu Jahresende. Die langfristigen Zinssätze erhöhten sich zuerst und erreichten für 10-jährige Bundesanleihen im Juni 3,4%. Sie sanken dann aber bis Dezember im Mittel auf 2,2% [3].
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Das Parlament stimmte der Verlängerung der Teilnahme der Schweiz an den Allgemeinen Kreditvereinbarungen des IWF um weitere fünf Jahre zu. Der Nationalrat lehnte allerdings auf Antrag seiner Aussenpolitischen Kommission die von der Regierung beantragte Kompetenzübertragung für zukünftige Vertragsverlängerungen ab. Der Ständerat schloss sich diesem Entscheid an [4].
Zum Jahresende beantragte der Bundesrat dem Parlament auch noch die Verlängerung des Rahmenkredits für die internationale Währungshilfe auf der Grundlage des Bundesgesetzes über die internationale Währungshilfe (WHG) für den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 25. Dezember 2013. Dieser Kredit beträgt 2,5 Mia Fr. und dient für entsprechende Darlehen, die Übernahme von Garantieverpflichtungen und die Leistung von à-fonds-perdu-Beiträgen an Staaten mit Zahlungsbilanzproblemen. Diese Kreditzusagen sind in den vergangen Jahren kaum beansprucht worden; die weltweite Krise der Finanzmärkte und die sich daraus entwickelnde Rezession könnten aber dazu führen, dass die Instrumente der internationalen Währungshilfe wieder vermehrt in Anspruch genommen werden müssen [5].
Der Nationalrat überwies diskussionslos eine Motion der SP-Fraktion, die vom Bundesrat verlangt, sich im IWF, der Weltbank und den regionalen Entwicklungsbanken dafür einzusetzen, dass prioritär eine auf die lokale Ernährungssicherheit zielende Landwirtschaftspolitik gefördert wird und nicht eine an Exportchancen ausgerichtete. Eine Motion Maury Pasquier (sp, GE), welche forderte, dass der Bundesrat vor den Konferenzen dieser und ähnlicher internationaler Organisationen vorgängig das Parlament über seine vorgesehenen Stellungnahmen informiert und konsultiert, fand hingegen im Ständerat keine Mehrheit [6].
Zur Verschärfung des Geldwäschereigesetzes siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).
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Banken, Börsen und Versicherungen
Von der Krise auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt und den daraus entstandenen Erschütterungen der Finanzmärkte waren alle international tätigen Schweizer Banken, insbesondere aber die Grossbank UBS massiv betroffen. Der Verlust im Geschäftsjahr 2007 hatte 4,4 Mia Fr. betragen und stieg im ersten Quartal 2008 auf 11,5 Mia Fr. Bei ihren Wertpapierbeständen, namentlich bei Titeln aus dem US-Hypothekengeschäft, musste die UBS bis Januar 2008 rund 21 Mia Fr. und nach dem ersten Quartal nochmals 19 Mia Fr. abschreiben [7].
Der Bundesrat und die Bankenvertreter wiesen zuerst lange Zeit auf die gesunde Struktur der beiden Grossbanken UBS und CS und ihre ausreichende Kapitaldecke hin. Die Nationalbank ihrerseits half, wie andere Notenbanken auch, mit Liquiditätsspritzen für die Geschäftsbanken aus [8]. Wie viele andere Staaten, deren Immobilienmärkte ebenfalls gesund finanziert waren, ergriffen die schweizerischen Behörden bis in den Herbst hinein keine besonderen Massnahmen zur Stützung der Banken. Mitte September, nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Bank Lehman Brothers und dem massiven Kurssturz an den Aktienbörsen verstärkte die Nationalbank ihre Bemühungen zur Sicherung der Liquidität der Geschäftsbanken. Gleichzeitig häuften sich die Forderungen, namentlich der politischen Linken, nach staatlichen Interventionen. Aber auch nachdem die EU-Staaten den Einlegerschutz für Bankkunden massiv verbessert hatten, sah der Bundesrat noch keinen Anlass zum Handeln. Er kündigte allerdings an, dass er diverse Massnahmen vorbereitet habe und sie wenn nötig auch beschliessen werde. Wirtschaftsministerin Leuthard versicherte, dass man eine Grossbank wie die UBS nicht werde untergehen lassen. An ihrer ausserordentlichen Generalversammlung anfangs Oktober erweckte die UBS den Eindruck, dass „das Schlimmste überstanden“ sei [9].
Am 16. Oktober war es dann soweit. Der Bundesrat kündigte ein Hilfspaket von rund 68 Mia Fr. für die in grosse Schwierigkeiten geratene UBS an. Dabei handelte sich aber nicht um einen à-fonds-perdu-Beitrag an die Bank, sondern um verzinsbare Darlehen und Investitionen von Bund und Nationalbank, welche bei Gelingen der Operation und einer Erholung der Finanzmärkte in einigen Jahren sogar Gewinn abwerfen könnten. Dieser vom Betrag her unvorstellbar grosse Staatseingriff sei notwendig, um den Zusammenbruch der Bank zu verhindern. Dabei gehe es gemäss Bundesrat weniger um die Rettung der Bank an sich, als vielmehr um die Rolle, welche diese über ihre Zahlungs- und Kreditfunktion für die gesamte nationale Wirtschaft spiele. Zusammen mit der Grossbank CS hält die UBS einen Anteil von rund 35% am einheimischen Kreditmarkt. Bei einem Ausfall einer der beiden Banken wären viele Unternehmen und Haushalte infolge der Blockierung ihrer Konten nicht mehr in der Lage, Einkäufe, Lohnzahlungen und Investitionen vorzunehmen. Die bestehende Einlagenversicherung von 30 000 Fr. würde daran wenig ändern, da die von der Gesamtheit der Banken dafür reservierte Garantiesumme von 4 Mia Fr. nur einen kleinen Teil der bei der UBS deponierten privilegierten Einlagen ausmacht. Der Bundesrat ging in seiner Botschaft zu den Hilfsmassnahmen (siehe unten) davon aus, dass der Zusammenbruch einer der beiden Grossbanken einen kurzfristigen volkswirtschaftlichen Schaden von 75 bis 150 Mia Fr. (das sind 15-30% des jährlichen BIP) verursachen würde. Dass sich der Staat in diesem Ausmass an der Rettung einer durch eigenes Fehlverhalten in die Krise geratenen privaten Firma beteiligt, wurde zwar allgemein als Sündenfall bezeichnet. Dieser sei aber, so lautete der Tenor sowohl in den Medien als auch bei den Parteien, angesichts des Risikos eines Zusammenbruchs des gesamten Wirtschaftssystems notwendig gewesen. Der Bundesrat wurde in den Medien auch dafür gelobt, dass er trotz des Drucks von aussen nicht vorzeitig mit Absichtserklärungen und Teilinformationen die Gerüchteküche angeheizt und den Finanzmarkt verunsichert habe. Die SP war freilich mit der konkreten Ausgestaltung der Massnahmen nicht einverstanden. Sie verlangte, dass sich der Bund mit 26 Mia Fr. direkt am Aktienkapital der UBS beteiligt und in dieser Funktion als Grossaktionär mit rund einem Drittel des Kapitals Einfluss auf die Geschäftspolitik nimmt [10].
Konkret beschloss der Bundesrat zusammen mit der Nationalbank und der Eidgenössischen Bankenkommission ein Massnahmenpaket zur Stabilisierung des schweizerischen Finanzsystems und zur Verbesserung des Vertrauens in die Banken. Das Paket bestand im Wesentlichen aus zwei Elementen: Einer Auffanggesellschaft zur Auslagerung von illiquiden Risikopapieren der UBS und einem Bundesdarlehen an die UBS, damit sie sich neben der Nationalbank an dieser Zweckgesellschaft beteiligen kann.
Die Nationalbank sollte gemäss dem Plan mit einem Einsatz von maximal 54 Mia Fr. zusammen mit der UBS eine Auffanggesellschaft gründen. Diese kauft von der UBS illiquide, das heisst mit grossem Risiko behaftete und zum aktuellen Zeitpunkt nicht oder nur mit grossen Verlusten verkäufliche Wertpapiere im Betrag von bis zu 60 Mia Fr. Zweck dieser Operation ist es, die Liquidität der Bank zu verbessern. Da die SNB langfristigere Perspektiven als eine private Bank hat und die Auffanggesellschaft mit dem Verkauf der schlechten Papiere warten kann, bis sich die Märkte wieder erholt haben, sind diese Anlagen für sie ein deutlich geringeres Risiko als für die UBS. Die Finanzierung und die Gründung einer Zweckgesellschaft fällt in die Kompetenz der SNB und benötigt keine Zustimmung der politischen Behörden. Die UBS selbst muss sich an dieser Gesellschaft mit einem Eigenkapital von 6 Mia Fr. beteiligen. Damit sie dies ohne Gefährdung ihrer Eigenkapitalbasis tun kann, soll der Bund den Betrag mit einem verzinsbaren Darlehen vorschiessen.
Dieses Darlehen gewährt die Eidgenossenschaft in Form einer Pflichtwandelanleihe im Umfang von 6 Mia Fr. mit einem Jahreszins von 12,5% und einer Laufzeit von 30 Monaten. Das Konstrukt der Pflichtwandelanleihe – also einer Optionsanleihe, die zwingend in Aktien umgewandelt werden muss – erlaubt es der UBS, das Darlehen von Anfang an in der Bilanz als Eigenkapital zu bewerten. Der Bund kann diese Anleihe bis zum Ende der Laufzeit halten und sie dann in Aktien umwandeln. Er kann sie aber auch nach einer Sperrfrist von sechs Monaten bis zum Ende der Laufzeit in eine fixierte Anzahl Aktien umwandeln und beim Weiterverkauf von einem Kursanstieg profitieren. Schliesslich ist es auch möglich, die gesamte Wandelanleihe oder Teile davon (die Stückelung beträgt 100 Mio Fr.) nach der Sperrfrist an einen Dritten zu verkaufen. Mit dieser Pflichtwandelanleihe konnte vermieden werden, dass sich der Bund selbst als Aktionär (der Darlehensbetrag entsprach ca. 10% des Aktienkapitals) an der UBS beteiligen musste. Eine direkte längerfristige Beteiligung würde nicht nur eine Privilegierung der UBS gegenüber anderen Firmen bedeuten, sondern den Bund in seiner Funktion als Überwacher des Finanzmarktes in Interessenkonflikte bringen. Gemäss den Ausführungen des Bundesrates ist es nicht seine Absicht, längerfristig in die Sanierung der Bank involviert zu bleiben. Er sieht vielmehr vor, dass er sich unter Wahrung seiner wirtschaftlichen Interessen bereits vor dem Ende der Laufzeit zurückziehen will. Solange der Staat aber sein Engagement aufrecht erhält, wird er gemäss Bundesrat auf die Geschäftspolitik der UBS Einfluss nehmen. Dies wird zum Beispiel über regelmässige Kontakte mit der Bankleitung geschehen, aber auch über Richtlinien für die Entschädigung von Spitzenmanagern [11].
Die rechtliche Grundlage für diese aussergewöhnliche Stützungsaktion waren Verordnungen, welche die Regierung gestützt auf die Verfassungsartikel über Notrecht zur Abwehr unmittelbarer Gefahr für das Land erlassen kann. Der erforderliche Kredit war als Nachtragskredit zum Budget 2008 von der Finanzdelegation des Parlaments noch vor dem definitiven Regierungsbeschluss bewilligt worden; die Bundesversammlung hat ihn in der Wintersession nachträglich genehmigt.
Der Nationalrat behandelte das Massnahmenpaket und den Nachtragskredit als erster. Sämtliche Fraktionen erklärten, dass sie damit einverstanden seien, dass der Bund aktiv werde, nicht alle hiessen aber die ergriffenen Massnahmen gut. Einig war man sich aber von links bis rechts in der Kritik am Verhalten der UBS und ihres Managements. Die Linke bemängelte, dass der Bundesrat nicht die Gelegenheit ergriffen habe, mit dem Geldeinsatz auch Einfluss auf die Unternehmensstrategie der Grossbanken zu nehmen und ihnen enge Leitplanken in Bezug auf Managerentschädigungen zu setzen. Nichteintretens- resp. Rückweisungsanträge der Grünen fanden über ihre eigenen Reihen hinaus nur Unterstützung bei vereinzelten SP- und SVP-Abgeordneten. Mit 157 zu 10 Stimmen lehnte der Rat auch einen Antrag Zisyadis (pda, VD) ab, die UBS zu verstaatlichen. Obwohl die Leitung der SP bei Bekanntgabe der Massnahmen im Oktober eine Teilverstaatlichung gefordert hatte, unterstützten nur einige wenige ihrer Parlamentsabgeordneten diesen Vorstoss. In der Detailberatung lehnte die bürgerliche Ratsmehrheit alle Anträge der SP und der GP ab, während der Dauer des Bundesengagements grundlegend in die Geschäftspolitik der UBS einzugreifen (z.B. durch eine Limitierung der Managerentschädigungen auf 800 000 Fr. pro Jahr oder ein Verbot der Dividendenzahlungen). Für die Linke bot das Debakel der UBS nicht nur eine gute Gelegenheit, um gegen das liberale Wirtschaftssystem an sich vom Leder zu ziehen, sie nahm es auch zum Anlass für direkte Angriffe auf die bürgerlichen Regierungsparteien. Sie beantragte erfolglos, dass SVP, FDP und CVP in Zukunft auf Parteispenden der UBS verzichten sollten. In der Gesamtabstimmung, welche mit 116 zu 55 ausging, lehnten die SP und die GP das Massnahmenpaket ab, weil keiner ihrer Ergänzungsvorschläge eine Mehrheit gefunden hatte.
Auch der Ständerat führte eine sehr ausgedehnte Diskussion zu den Massnahmen und zum Finanzmarkt- und Bankensystem im Allgemeinen durch. Wie in der grossen Kammer scheiterte auch hier die Linke mit ihrem Ruf nach einer Lohnbegrenzung für das UBS-Management und für ein Verbot der finanziellen Unterstützung von politischen Parteien durch die UBS. Hingegen hatte sie – dank dem Stichentscheid des Präsidenten – zuerst Erfolg mit ihrer Forderung, dass der Bundesrat auf die UBS einwirken soll, damit diese ihre bisherigen Manager dazu bewegt, ungerechtfertigt bezogene Erfolgsprämien zurück zu zahlen. Der Nationalrat lehnte eine derartige primär deklamatorische Bestimmung ab und setzte sich damit im Differenzbereinigungsverfahren durch [12].
Da die grossen Verluste der Banken vor allem im Bereich des Investmentbankings entstanden waren, wurde von verschiedener Seite die Trennung in den stark risikobehafteten Investmentbereich und in die weniger riskante Sparte Vermögensverwaltung und Kreditgewährung verlangt. In den USA hatte bis 1997 eine derartige Trennung bestanden. Der Nationalrat lehnte zwei Motionen der SP und der GP für die Einführung einer obligatorischen Aufspaltung der Geschäftsbereiche für die Schweiz ab [13].
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Eine weitere Sofortmassnahme zur Stabilisierung des Bankensystems bestand in der massiven Verbesserung des Einlegerschutzes. Nachdem der Bundesrat bis anfangs Oktober eine Erhöhung der geschützten Einlagen nach dem Vorbild der meisten anderen europäischen Industriestaaten abgelehnt hatte, schlug er in seiner am 5. November verabschiedeten Botschaft für die Unterstützung für die UBS vor, sie von 30 000 auf 100 000 Fr. anzuheben. Die dafür von der Gesamtheit der Banken garantierte Summe soll gleichzeitig von maximal 4 auf 6 Mia Fr. erhöht werden. Die Banken sollen zudem verpflichtet werden, genügend inländisch gedeckte Aktiven zur Absicherung des Einlegerschutzes zu halten. Das neue Regime soll nach der Verabschiedung durch das Parlament sofort in Kraft treten und bis Ende 2010 gelten. Bis zu diesem Zeitpunkt möchte die Regierung eine Revision der heutigen Bestimmungen auf dem ordentlichen Weg durchführen. Dabei gelte es insbesondere zu überprüfen, wie der Einlegerschutz nachhaltig auch für grosse Finanzkrisen ausgestaltet werden kann. Dabei müsse insbesondere vermieden werden, dass beim Zusammenbruch einer Bank die anderen in die Pflicht genommenen Banken ebenfalls in Schwierigkeiten geraten [14].
Die Verbesserung des Einlegerschutzes fand im Parlament Zustimmung. Der Ständerat wünschte aber mehr Transparenz über die Sicherheit dieser Einlagesicherung bei jeder einzelnen Bank. Im Nationalrat versuchte die SP erfolglos, die Verbesserung des Anlegerschutzes mit einer Konjunkturvorlage zu verbinden. Ihr Antrag, zur Stützung der Kaufkraft der Bevölkerung die Familienzulagen zu erhöhen, unterlag mit 113 zu 57 Stimmen. Die von der kleinen Kammer eingeführte detaillierte Deklarationspflicht für die Sicherheit der Rückstellungen lehnt er als nicht praktikabel ab. In der Differenzbereinigung beharrten zuerst beide Kammern auf ihrer Version bezüglich der Transparenz der Rückstellungen, dann gab der Ständerat nach. In der Gesamtabstimmung nahmen beide Kammern die Teilrevision des Bankengesetzes einstimmig an. Sie wurde gestützt auf Art. 165 Abs.1 BV für dringlich erklärt und auf den 20. Dezember, befristet bis Ende 2010 in Kraft gesetzt [15].
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Die sich häufende Kritik von ausländischen Regierungen an der fehlenden Auskunftspflicht der Banken gewisser Staaten, und darunter vor allem der Schweiz, bei Steuerhinterziehung führte in der Schweiz zu Gegenreaktionen. Nachdem sich Geheimdienstorgane Deutschlands auf illegale Weise Kundenlisten einer liechtensteinischen Bank beschafft hatten, reichten die SVP und die CVP je eine Motion für die Verschärfung der Strafbestimmungen bei Verletzung des schweizerischen Bankgeheimnisses ein. Auf Empfehlung des Bundesrates lehnte der Nationalrat diese Vorstösse mit 117 zu 56 resp. 95 zu 88 Stimmen ab. Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel und ihr Finanzminister Steinbrück kündigten an, dass Deutschland das Ziel verfolge, bei Steuerhinterziehung von der Schweiz und anderen Staaten resp. ihren Banken volle Informationen einzufordern. An einem Kongress von Finanzministern aus einem Teil der OECD-Staaten wiederholte Steinbrück seine Angriffe auf die Schweiz als „Steuerparadies“ und „Hort für Steuerhinterziehung“ [16].
Unter besonderen Druck geriet die schweizerische Grossbank UBS in den USA. Dort hatte Ende 2007 ein Immobilienmakler im Rahmen einer Untersuchung der US-Steuerbehörde IRS zugegeben, mit Hilfe von Angestellten der UBS Hunderte von Millionen Dollar vor den Steuerbehörden versteckt zu haben. Im Rahmen der Abklärungen gegen die UBS verhafteten die amerikanischen Behörden einen aktuellen und einen früheren UBS-Mitarbeiter. Letzterer trat als Kronzeuge auf und gab den Behörden ausführlich Auskunft über die Mittel, mit welchen UBS-Angestellte amerikanische Kunden bei der Steuerhinterziehung und -umgehung unterstützt hatten. Nach diplomatischen Bemühungen der Schweiz, welche befürchtete, dass die UBS unter dem Druck einer Lizenzverweigerung die Kundenbeziehungen offen legen könnte und damit gegen schweizerisches Recht verstossen würde, reichten die US-Behörden bei der Schweiz ein ordentliches Rechtshilfegesuch ein. Das Tempo, das die Schweiz bei der Behandlung dieses Gesuchs anschlug, erschien den Amerikanern jedoch als zu zögerlich. Ende 2008 verlangten sie ultimativ den Abschluss dieses Rechtshilfeverfahrens bis Anfang 2009 [17].
Das als Alternative zum Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden geschaffene Zinsbesteuerungsabkommen der Schweiz mit der EU gilt noch bis 2011. Da es einige Schlupflöcher und Umgehungsmöglichkeiten aufweist, meldete der EU-Steuerkommissar Leo Kovacs an, dass er bereits 2009 Verhandlungen innerhalb der EU, aber auch mit der Schweiz über eine Verschärfung aufnehmen möchte [18].
Zu den Diskussionen über die Rückerstattung blockierter Gelder auf Schweizer Bankkonten ehemaliger ausländischer Staatschefs siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht, Internationale Rechtshilfe).
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Als Zweitrat hiess auch der Nationalrat die Teilrevision des Börsengesetzes mit dem Ziel, Insidergeschäfte weiter zu fassen, ohne Widerspruch gut. Er überwies ebenfalls die vom Ständerat im Vorjahr akzeptierte Motion Wicki (cvp, LU) für eine Totalrevision der Insiderartikel im Strafgesetzbuch [19].
Als Zweitrat hiess auch der Nationalrat das neue Bundesgesetz über Bucheffekten gut und genehmigte das Haager Wertpapierübereinkommen [20].
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Mit dem Ziel, allfällige Lücken in der Versicherungsdeckung bei Handänderungen zu vermeiden, hatten die Kommissionen beider Ratskammern einer 2006 eingereichten parlamentarischen Initiative Hegetschweiler (fdp, ZH) Folge gegeben. Diese Lücke kann sich vor allem bei Todesfällen ergeben, wenn die Erben nicht sofort neue Versicherungen abschliessen. Die WAK des Nationalrats legte nun den Entwurf für eine Teilrevision des Versicherungsvertragsgesetzes vor. Dieser sieht vor, dass bei einer Handänderung die das Objekt betreffenden Versicherungsverträge dreissig Tage weiter laufen und dann vom neuen Eigentümer gekündigt werden können. Eine analoge Regelung hatte bereits vor der 2004 verabschiedeten und 2006 in Kraft gesetzten Revision des Versicherungsvertragsgesetzes bestanden. Der Bundesrat war mit diesem Vorschlag einverstanden und das Parlament verabschiedete ihn oppositionslos [21].
Der Nationalrat und nach ihm auch der Ständerat überwiesen ohne Widerspruch und mit dem Einverständnis des Bundesrats eine Motion der Rechtskommission der grossen Kammer für die Verlängerung der Verjährungsfristen im Haftpflichtrecht. Gerade bei Schäden mit gesundheitlichen Spätfolgen, wie etwa bei den Asbestgeschädigten, sei die im OR festgeschriebene zehnjährige Frist zu kurz, da die Beeinträchtigung oft erst später erkennbar sei [22].
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Weiterführende Literatur
Baumann, Claude, Swiss Banking – wie weiter?: Aufstieg und Wandel der Schweizer Finanzbranche, Zürich 2008.
Caroni, Andrea Claudio, Finanzsanktionen der Schweiz im Staats- und Völkerrecht: dargestellt am Beispiel der Sperrung von Geldern, Zürich (Diss. jur.) 2008.
Eggli Shlain, Caroline, Régulation de la finance globale : la concurrence fiscale dommageable et le secret bancaire suisse, s.l.(thèse phil. I Zurich) 2007.
Roth, Monika / Erni, Mario, Regulation und Reputation: Der Finanzplatz Schweiz und die Compliance seiner Unternehmen, Zürich 2008.
Strebel-Aerni, Brigitte (Hg.), Standards für nachhaltige Finanzmärkte, Zürich 2008.
Zaki, Myret, UBS, les dessous d'un scandale : comment l'empire aux trois clés a perdu son pari, Lausanne 2008.
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[1] Bund, 20.6. und 12.12.08; TA, 7.11.08; Presse vom 21.11.08; Schweizerische Nationalbank, 101. Geschäftsbericht 2008, Bern 2009, S. 12 ff. und 30 ff.
[2] Schweizerische Nationalbank, 101. Geschäftsbericht 2008, Bern 2009, S. 30 ff.
[3] Schweizerische Nationalbank, 101. Geschäftsbericht 2008, Bern 2009, S. 30.
[4] AB NR, 2008, S. 231 ff. und 917 f.; AB SR, 2008, S. 337 f.; BBl, 2008, S. 5803. Siehe SPJ 2007, S. 119.
[5] BBl, 2009, S. 1 ff.
[6] AB NR, 2008, S. 1554 (SP); AB SR, 2008, S. 940 (Maury Pasquier).
[7] Bund, 31.1.08; Presse vom 15.2., 2.4. und 7.5.08. Die andere Grossbank, CS, schloss 2007 mit einem Konzerngewinn von 8,5 Mia Fr. ab, musste dann aber im Berichtsjahr auch erhebliche Wertberichtigungen vornehmen (Presse vom 13.2. und 25.4.08). Siehe SPJ 2007, S. 120.
[8] BR: AB NR, 2008, S. 665 und 1195 (Antwort auf Fragen Stöckli, sp, BE und Leutenegger, sp, BL). SNB: TA, 11.1.08.
[9] Bund, 19.9., 3.10. und 8.10.08; TA, 19.9. und 7.10.08 (SP); Presse vom 8.10.08 (Einlegerschutz); NZZ, 3.10. (UBS-GV) und 10.10.08 (Leuthard).
[10] Presse vom 17.10. und 18.10. (Massnahmen) sowie 21.10.08 (SP). In einer Analyse nannte die UBS eigene Fehlleistungen wie mangelnde Risikokontrolle und interne Fehlanreize als Ursache der Probleme: Bund, 22.4.08. Vgl. auch Die Volkswirtschaft, 2008, Nr. 12, S. 3-41 (Monatsthema: Finanzkrise: Ursachen, Wirkungen und Lehren).
[11] BBl, 2008, S. 8943 ff. Die UBS verabschiedete noch vor den Parlamentsverhandlungen über das Hilfspaket ein neues Salärsystem für Manager. Dieses koppelt die Entschädigungen stärker an eine langfristig nachhaltige Geschäftsentwicklung als bisher. Einige frühere Spitzenmanager der UBS verzichteten unter dem Druck der Öffentlichkeit auf ihnen zugesicherte „Erfolgsprämien“ in Millionenhöhe (NZZ, 18.11. und 26.11.08). Zur allgemeinen Regulierung von Boni und Managerlöhnen in Aktiengesellschaften siehe oben, Teil I, 4a (Gesellschaftsrecht).
[12] AB NR, 2008, S. 1698 ff. und 1807 ff.; AB SR, 2008, S. 910 ff. und 996 f.; BBl, 2009, S. 439 (Nachtragskredit).
[13] AB NR, 2008, S. 1753.
[14] BBl, 2008, S. 8841 ff.; Presse vom 6.11.08; AB NR, 2008, S. 1196 (Antwort des BR auf die Frage Bischof, cvp, SO).
[15] AB SR, 2008, S. 841 ff., 939 f., 971 (Dringlichkeit) und 1061; AB NR, 2008, S. 1698 ff., 1745 ff., 1804 ff., 1874 (Dringlichkeit) und 1980; BBl, 2009, S. 243; AS, 2009, S. 55 f. Obwohl damit die Forderungen einer Motion Bischof (cvp, SO) und einer Motion Leutenegger (sp, BL) erfüllt waren, überwies der NR diese trotzdem (AB NR, 2008, S. 1751).
[16] AB NR, 2008, S. 1750 (SVP) und 1756 (CVP). Liechtenstein und Deutschland: TA, 22.2. und 25.2.08. OECD-Tagung: BüZ, 22.10.08; Bund, 23.10.08.
[17] 24h, 26.5.08; Ww, 29.5.08; TA, 20.6.08; NZZ, 21.6.08; Presse vom 3.7. und 18.7.08; BaZ, 14.11.08.
[18] TA, 14.11.08. Siehe SPJ 2005, S. 100.
[19] Gesetz: AB NR, 2008, S. 293 ff. und 484; AB SR, 2008, S. 208; BBl, 2008, S. 2329. Motion: AB NR, 2008, S. 297. Siehe SPJ 2007, S. 120. Eine 2006 eingereichte pa. Iv. Wicki war mit der Gesetzesrevision erfüllt; der SR gab ihr deshalb keine Folge (AB SR, 2008, S. 475).
[20] AB NR, 2008, S. 1340 ff. und 1573; AB SR, 2008, S. 764 f. und 828; BBl, 2008, S. 8321 ff. Siehe SPJ 2007, S. 121.
[21] BBl, 2008, S. 7693 ff. und 7703 ff. (BR); AB NR, 2008, S. 1346 und 1976; AB SR, 2008, S. 857 f. und 1059; BBl, 2009, S. 17 f.
[22] AB NR, 2008, S. 230 f.; AB SR, 2008, S. 365. Für einzelne Bereiche wie etwa Kernenergie oder Gentechnologie beträgt die Frist bereits heute 30 Jahre.
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