Année politique Suisse 2008 : Grundlagen der Staatsordnung
Institutionen und Volksrechte
Die Vereinigte Bundesversammlung wählte Ueli Maurer von der SVP als Nachfolger von Samuel Schmid in den Bundesrat. – Die Gewerkschaften kritisierten den Vorentwurf für eine Teilrevision des Bundespersonalgesetzes heftig. – Das Parlament beschloss eine Vorzugsbehandlung von Motionen und Postulaten. – Der Ständerat stimmte der Schaffung eines eidgenössischen Patentgerichtes zu. – Volk und Stände lehnten die Initiative für eine starke Einschränkung der Auftritte des Bundesrats in Abstimmungskampagnen klar ab.
Regierung
Im Berichtsjahr kam es zu einer Ersatzwahl für den Bundesrat. Der Vorsteher des VBS,
Samuel Schmid, erklärte am 12. November seinen
Rücktritt auf den 31. Dezember nach acht Jahren Regierungstätigkeit. Er gab für diesen Entscheid „persönliche, gesundheitliche, aber auch politische Gründe“ an. Seine Amtsmüdigkeit stand in direktem Zusammenhang mit der Kritik an seiner Departementsführung, die sich im Berichtsjahr wesentlich verstärkt hatte
[1]. Anlässe zu diesen Vorwürfen boten verschiedene Vorkommnisse in der Armee, namentlich Unfälle mit tödlichem Ausgang, und die Umstände der im Vorjahr erfolgten Wahl des Armeechefs Roland Nef. Besonders intensiv wurde Schmid von seiner früheren Partei, der SVP, während des ganzen Jahres aufs Korn genommen. Diese Angriffe hatte es im Zusammenhang mit der von der SVP grundsätzlich bekämpften Armeereform schon immer gegeben, sie hatten sich aber nach der gescheiterten Wiederwahl ihres Bundesrats Christoph Blocher im Dezember 2007 intensiviert. Nationalrat Bortoluzzi (svp, ZH) hatte Schmid gleich zu Jahresbeginn angedroht, dass er weg müsse, wenn es ihm nicht rasch gelinge, „die Armee zu stärken“. Sekundiert wurden diese Angriffe und Nadelstiche von der armeekritischen Linken, welche gemeinsam mit der SVP einmal mehr das Rüstungsprogramm im Nationalrat zu Fall brachte, und von der vor allem an den personellen Aspekten der Politik interessierten Sonntagspresse. Die Attacken waren im Sommer nach dem Übertritt Schmids in die von der SVP abgespaltene Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) noch heftiger geworden. Im Zusammenhang mit der Affäre Nef häuften sich im Juli in einigen Medien die Aufforderungen an Schmid, von seinem Amt zurückzutreten; diese Forderung wurde auch von der GP und der SVP übernommen und von ihnen in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats erfolglos beantragt
[2].
Die
Gründung der BDP im Frühsommer stellte eine Reaktion von dissidenten SVP-Mitgliedern, namentlich aus den Kantonen Bern und Graubünden, auf den Ausschluss der mit Bundesrätin
Eveline Widmer-Schlumpf solidarischen bündnerischen SVP aus der nationalen Partei dar. Zuvor hatte die SVP Widmer-Schlumpf, die 2007 Christoph Blocher aus der Landesregierung verdrängt hatte, ultimativ, aber vergeblich aufgefordert, entweder aus dem Bundesrat oder aus der SVP auszutreten. Als Protest dagegen folgten am 11. April rund 10 000 Personen einem Aufruf diverser Frauenorganisationen und manifestierten an einer Kundgebung auf dem Bundesplatz in Bern ihre Unterstützung für Bundesrätin Widmer-Schlumpf
[3].
Dass der Nachfolger Schmids nicht aus der mit Eveline Widmer-Schlumpf bereits in der Regierung vertretenen kleinen BDP kommen würde, war klar. An sich sprach für die Vertreter von SP, FDP und CVP nichts dagegen, die SVP als stärkste Partei wieder in den Bundesrat aufzunehmen. Noch bevor Schmid seinen Rücktritt bekannt gab, machte sich allerdings der SVP-Präsident Brunner (SG) bereits für eine Kandidatur von alt Bundesrat Christoph Blocher stark. Nur dieser sei fähig, das VBS wieder in „Ordnung“ zu bringen. Der Plan der SVP-Parteileitung, Blocher als einzigen Kandidaten
zu nominieren, stiess aber in der dafür zuständigen SVP-Fraktion auf Widerstand. Diese sprach sich zwar für eine Rückkehr in die Regierung aus, lehnte es aber knapp ab, sich auf Blocher als einzigen Kandidaten festzulegen. Die Medien waren sich einig, dass Blocher im Parlament keine echten Wahlchancen hatte und bezeichneten die SVP-Nationalräte Amstutz (BE), Baader (BL), Maurer (ZH) und Zuppiger (ZH) als aussichtsreichste Kandidaten. Obwohl FDP, CVP und SP mehrfach erklärt hatten, dass ihre Parlamentarier Blocher nicht wählen würden, nominierte ihn der Vorstand der SVP des Kantons Zürich mit 47 zu 1 Stimme zuhanden der Fraktion als Kandidat. Die Delegiertenversammlung der Zürcher SVP bestätigte diesen Beschluss mit einem weniger deutlichen Stimmenverhältnis (264 zu 45). Weitere von ihren Kantonalparteien an die Fraktion gemeldete Kandidaten waren die Nationalräte Amstutz und Aebi (beide BE), Schwander (SZ), Hurter (SH) und Baader (BL), Ständerat Germann (SH) und Regierungsrat Mermoud (VD); zudem nominierten die SVP-Frauen die Zürcher Regierungsrätin Fuhrer und die SVP-Bezirkspartei Hinwil (ZH) Nationalrat Zuppiger (ZH). Der Bauernverbandspräsident und Nationalrat Hansjörg Walter (TG), der dem gemässigten Flügel der SVP angehört, war ebenfalls im Gespräch gewesen, wurde aber von seiner Kantonalpartei nicht als Kandidat ins Rennen geschickt.
Der
Fraktionsvorstand der SVP empfahl ein Zweierticket mit Blocher, ohne einen zweiten Namen zu nennen. Die Fraktion selbst hielt sich an diesen Vorschlag und stellte neben Blocher den Zürcher Nationalrat Ueli Maurer auf, der bis Ende Februar Parteipräsident gewesen war. Im Vorfeld der Wahlen zeigte sich, dass nicht nur die Linke, sondern auch wichtige Exponenten der CVP und zudem einige Freisinnige sich ebenso wenig für Maurer erwärmen konnten wie für Blocher. SVP-Präsident Brunner rief ihnen – und auch den eigenen Parteiangehörigen – kurz vor der Wahl noch einmal in Erinnerung, dass gemäss den neuen SVP-Statuten jeder automatisch aus der Partei ausgeschlossen würde, der als nicht offizieller Kandidat die Wahl zum Bundesrat annehmen würde
[4].
Am
10. Dezember wählte die Vereinigte Bundesversammlung den Nachfolger von Samuel Schmid. Die SVP schlug Christoph Blocher und Ueli Maurer vor, die Fraktionen FDP/LP sowie CVP/EVP/GLP (letztere allerdings nur mit einer äusserst knappen Mehrheit) empfahlen Maurer. Die Grünen präsentierten mit Luc Recordon (VD) einen eigenen Kandidaten. Die SP erklärte, dass sie, wie auch die anderen Regierungsparteien für die Reintegration der SVP in den Bundesrat sei, aber nicht für Maurer stimmen würde. Noch vor dem ersten Wahlgang erklärte Nationalrat Hansjörg Walter (svp, TG), der wusste, dass er von der Linken und einem Teil der CVP viele Stimmen erhalten würde, dass er eine allfällige Wahl ablehnen würde. Trotzdem erhielt er im ersten Wahlgang mit 109 die weitaus höchste Stimmenzahl; Maurer kam auf 67, Blocher auf 54 Stimmen und weitere 11 entfielen auf diverse Kandidaten. Für den zweiten Wahlgang erklärte SVP-Fraktionschef Baader (BL) den Rückzug von Blocher zugunsten von Maurer. Mit 121 Stimmen blieb aber Walter an der Spitze vor Maurer mit 119 und verfehlte das absolute Mehr von 122 nur um eine einzige Stimme. Im dritten Wahlgang steigerte sich Maurer auf 122 Stimmen und erreichte damit genau das absolute Mehr; Walter blieb bei 121. Der 57-jährige
Ueli Maurer nahm die Wahl an und erklärte sich erleichtert, dass die SVP wieder in der Regierung vertreten sei. Er übernahm – da kein amtierender Bundesrat Veränderungswünsche hatte – auf den 1. Januar 2009 das VBS
[5].
Die
SVP war mit der Wahl ihres ehemaligen Parteipräsidenten in die Landesregierung sehr zufrieden. Sie betonte zwar, dass sie so rasch wie möglich auch den ihr – gemessen an ihrer Wählerstärke – zustehenden zweiten Sitz wieder zurückhaben wolle. Die
Konkordanz war aber in ihren Augen soweit
wieder hergestellt, dass sie ankündigte, an den zukünftigen Treffen zwischen den Spitzen der Bundesratsparteien und der Landesregierung (so genannte Von-Wattenwyl-Gespräche) wieder teilnehmen zu wollen
[6].
Der 65-jährige Bundesrat
Hans Rudolf Merz erlitt im September in seiner Appenzeller Heimat überraschend einen
Herz-Kreislauf-Stillstand. Dank der raschen Einlieferung in ein örtliches Spital und einer gelungenen Herzoperation am Berner Universitätsspital überstand er den Anfall und konnte anfangs Oktober mitteilen, dass er im Sinn habe, nach der vollständigen Genesung wieder auf seinen Posten zurück zu kehren. Anfangs November nahm er seine Arbeit in der Landesregierung wieder auf. Während seiner Absenz, in welche wichtige Entscheide wie die Rettungsaktion für die Grossbank UBS fielen, vertrat ihn EJPD-Chefin Widmer-Schlumpf als Vorsteherin des Finanzdepartements. Widmer-Schlumpf war die offizielle Stellvertreterin von Merz und als ehemalige Finanzdirektorin des Kantons Graubünden für die Aufgabe gut vorbereitet
[7].
Im Februar ernannte der Bundesrat den 46-jährigen freisinnigen Berner Juristen
Thomas Helbling zum neuen
Vizebundeskanzler. Er ersetzte die im Vorjahr von der Bundesversammlung zur Bundeskanzlerin gewählte Corina Casanova. Als Nachfolger für den Bundesratssprecher und
Vizekanzler Oswald Sigg (sp), der Ende März 2009 in den Ruhestand treten wird, wählte der Bundesrat den bisherigen Kommunikationschef von UVEK-Vorsteher Leuenberger,
André Simonazzi. Der vierzigjährige gebürtige Walliser mit französischer Muttersprache gehört keiner Partei an, steht aber der SP nahe
[8].
Im Rahmen einer parlamentarischen Initiative der SPK des Nationalrats zur Behandlung von parlamentarischen Vorstössen machte diese auch einen Vorschlag zur präzisen Regelung des Vorgehens bei einer
andauernden Amtsunfähigkeit eines Mitglieds des Bundesrates oder der Bundeskanzlerin im Parlamentsgesetz. Gemäss der SPK-NR soll im Fall einer durch schwere und andauernde gesundheitliche Probleme verursachten Amtsabwesenheit und Amtsunfähigkeit eines Regierungsmitglieds das Büro der Vereinigten Bundesversammlung oder der Bundesrat einen Antrag auf Amtsunfähigkeit stellen können. Vor diesem Antrag hätten diese Gremien eine angemessene Frist abzuwarten, um der betroffenen Person Zeit für eine eigene Rücktrittserklärung einzuräumen. Entscheiden über den Antrag auf Amtsunfähigkeit würde die Wahlbehörde, also die Vereinigte Bundesversammlung. Der Nationalrat sprach sich einstimmig für die neue Regelung aus. Das Anliegen des Bundesrates, dass nur er allein, und nicht auch das Ratsbüro über das Antragsrecht verfügen solle, fand im Plenum keinen Anklang. Auch der Ständerat war mit dieser Neuerung einverstanden. Das Parlament verabschiedete die neuen Bestimmungen bereits in der Herbstsession
[9].
Ende Mai gab der Bundesrat bekannt, dass er einstweilen darauf
verzichte, die Departemente umzubauen. Konkret war er in den letzten Jahren vom Parlament mehrmals aufgefordert worden, insbesondere die beim EDI und beim EVD angesiedelten Behörden, die sich mit Bildungs- und Forschungspolitik befassen, in einem neuen Bildungsdepartement zu vereinigen sowie aus Elementen des VBS und des EJPD ein Sicherheitsdepartement zu schaffen. Von der geplanten umfassenden Reform kam schlussendlich einzig die Zusammenfassung der mit der Nachrichtenbeschaffung befassten Stellen im VBS zustande
[10].
Das Parlament behandelte im Berichtsjahr die
Legislaturplanung des Bundesrates 2007–2011. Im Nationalrat kam es in der Sommersession zur Wiederholung der Situation vor vier Jahren, als die beiden grössten Parteien, die SVP und die SP, versuchten, anstelle der bundesrätlichen Zielsetzung die Hauptelemente ihrer eigenen Parteiprogramme zum Legislaturprogramm zu erklären. Sie reichten zu diesem Zweck je einen Rückweisungsantrag an den Bundesrat ein mit der Auflage, eine Liste mit 21 (SVP) resp. 16 (SP) zusätzlichen Zielen in die Legislaturplanung einzubauen. Das Plenum lehnte beide Anträge ab. In der anschliessenden Detailberatung stellten und begründeten die Vertreter der beiden Parteien ihre Anliegen noch einmal als Minderheitsanträge, was in der grossen Kammer zu einer sich über drei Tage hinwegziehenden Debatte führte. Dank dem im Vorjahr beschlossenen neuen Beratungsverfahren für die Legislaturplanung konnten die Differenzen zwischen National- und Ständerat rasch beigelegt werden. Gemäss dieser neuen Regelung gibt es bei diesem Geschäft keine Schlussabstimmung mehr und damit auch keine notwendige Einigung zwischen den beiden Räten. Es wird deshalb nach der ersten Lesung eine Einigungskonferenz über die strittigen Punkte durchgeführt, über deren Anträge dann in den beiden Kammern abgestimmt wird. Lehnt eine der beiden einen Antrag der Einigungskonferenz ab, so wird dieses Element aus dem Programm gestrichen
[11].
Die von der GPK-NR vorgeschlagene Notwendigkeit der persönlichen Anwesenheit der Departementsvorsteher bei der parlamentarischen Beratung ihrer Themen im
Geschäftsbericht des Bundesrates konnte sich nicht durchsetzen. Es wird weiterhin grundsätzlich der Bundespräsident die Regierung vertreten; allerdings können die Reglemente der beiden Räte etwas anderes vorschreiben. Dieser Kompromiss war zustande gekommen, nachdem die GPK des Ständerates sich gegen die Änderung ausgesprochen hatte. Der Nationalrat nutzte diese Neuerung sofort und entschied mit einer Revision seines Geschäftsreglementes, dass in seinen Debatten über den Geschäftsbericht in der Regel der zuständige Departementsvorsteher für den Bundesrat sprechen soll
[12].
Ohne grosse Diskussion gab der Nationalrat mit 152 zu 11 Stimmen einer parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion Folge, die ein
Veto des Parlaments gegen Verordnungen des Bundesrates einführen will. Konkret sieht der Text der Initiative vor, dass jeder Rat über ein Veto zu einer bundesrätlichen Verordnung abstimmt, wenn dies von einem Drittel seiner Mitglieder verlangt wird. Die SPK des Nationalrats unterstützte diesen Antrag, obwohl er von der Schwesterkommission des Ständerats aus Gründen der Gewaltenteilung abgelehnt worden war. Die Mehrheit der SPK-NR begründete ihre Unterstützung des SVP-Anliegens damit, dass in den letzten Jahren die Regierung oft Verordnungen zur Umsetzung von Gesetzen erlassen habe, welche nicht in allen Punkten den Intentionen des Gesetzgebers entsprochen hätten. Die Erfahrung im Kanton Solothurn, wo diese Regelung seit mehr als zwanzig Jahren besteht, hätte zudem die Praktikabilität dieses Instruments erwiesen
[13].
Zur Einschränkung der Informationstätigkeit der Regierung vor Volksabstimmungen siehe unten, Volksrechte.
Verwaltung
Zur Korruptionsbekämpfung (UNO-Konvention) siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht). Zur Zusammenfassung der Nachrichtendienste des Bundes in einem Departement siehe oben, Teil I, 1b (Staatsschutz).
Als Zweitrat stimmte der Nationalrat der
formellen Bereinigung des Bundesrechts ohne Gegenstimme zu. Im Anschluss daran hiess er auch die Motion von Ständerat Stähelin (cvp, TG) gut, welche zusätzlich eine materielle Überprüfung des gesamten Bundesrechts im Hinblick auf Effizienz, Praktikabilität und Notwendigkeit fordert
[14].
Auch der Ständerat stellte sich hinter die Motion Noser (fdp, ZH), die verlangt, dass sämtliche
zur Bundesverwaltung gehörenden IT-Dienstleistungsstellen beim Bundesamt für Informatik und Telekommunikation zusammengefasst werden
[15].
Der Ständerat überwies die Motion von Nationalrat Barthassat (cvp, GE) ebenfalls; sie verlangt, dass bis 2009 die Bürgerinnen und Bürger ihren
Verkehr mit der Bundesverwaltung vollständig auf elektronischem Weg abwickeln können. Er schwächte sie aber stark ab, da ihm die verlangte Umsetzung sowohl inhaltlich als auch zeitlich unmöglich erschien. Der Bund soll gemäss dem neuen Motionstext vor allem die häufig genutzten Behördenkontakte und -dienstleistungen möglichst bald und vollständig in elektronischer Form anbieten. Der Nationalrat schloss sich dieser realistischeren Version an
[16].
Der Nationalrat hiess als Zweitrat die Neugestaltung der Regeln über die Einsetzung, Wahl und Arbeit der ausserparlamentarischen Kommissionen (so genannte
Expertenkommissionen) gut. In Abweichung von der kleinen Kammer beschloss er, dass für die Einsetzung von Kommissionen und die Wahl ihrer Mitglieder immer der Gesamtbundesrat zuständig ist und er diese Aufgabe nicht an die Departemente delegieren kann. Damit soll der Bundesrat in seiner Funktion als Führungsorgan gegenüber den einzelnen Departementen gestärkt werden. Der Ständerat übernahm in der Differenzbereinigung diese Version. Ein Antrag der Linken im Nationalrat, anstelle einer „ausgewogenen“ Vertretung der Geschlechter eine Mindestquote von 40% vorzuschreiben, scheiterte
[17].
Im Herbst gab der Bundesrat den Vorentwurf für eine
Teilrevision des Personalgesetzes in die Vernehmlassung. Hauptelement ist eine Angleichung des Kündigungsrechts an die Verhältnisse in der Privatwirtschaft. Neu sollen die Kündigungsfristen den Minimalvorschriften des Obligationenrechts entsprechen, d.h. einen Monat im ersten Dienstjahr, zwei Monate vom zweiten bis zum neunten Dienstjahr und drei Monate vom zehnten Jahr an betragen. Dies würde für das Personal eine massive Verschlechterung gegenüber heute bedeuten, wo bis zum fünften Dienstjahr drei Monate, vom sechsten bis zum zehnten vier und ab dem elften Dienstjahr sechs Monate gelten. Der Bund als Arbeitgeber soll ausserdem wesentlich mehr Kündigungsgründe geltend machen können. Die Beschwerdemöglichkeiten mit ihren aufschiebenden Wirkungen und die Weiterbeschäftigungsgarantie bei ungerechtfertigter Kündigung sollen zudem eingeschränkt werden. Die Personalverbände reagierten mit Empörung auf diese Liberalisierungspläne von Bundesrat Merz
[18].
Parlament
Auf Antrag seiner Staatspolitischen Kommission lehnte der Nationalrat mit 106 zu 56 Stimmen eine parlamentarische Initiative der SVP ab, welche die
Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle der vorberatenden Kommissionen verlangte. Während Mörgeli (svp, ZH) argumentierte, dass die Bürgerinnen und Bürger damit das Verhalten der von ihnen Gewählten besser kontrollieren könnten, befürchtete eine Mehrheit der SPK davon negative Auswirkungen auf die Parlamentsarbeit. Insbesondere würde damit der Spielraum der Parlamentsmitglieder eingeschränkt und die Suche nach mehrheitsfähigen Kompromissen erschwert
[19].
Ende November wurde die umfangreiche
Renovation des Bundeshauses mit einem Tag der offenen Türen feierlich abgeschlossen. Die Umbau- und Wiederinstandstellungsarbeiten des Parlamentsgebäudes hatten knapp drei Jahren gedauert und rund 100 Mio Fr. gekostet
[20].
Die SPK des Nationalrats legte eine parlamentarische Initiative vor, welche Anliegen aus verschiedenen in den letzten Jahren eingereichten Vorstössen von Ratsmitgliedern aufnahm. Das Hauptziel der Vorlage war eine
Aufwertung der Motion und des Postulats in den Verhandlungen des Nationalrats. Durch eine Ausdehnung der Sitzungsdauer und verkürzte Redezeiten in gewissen Eintretensdebatten soll genügend Zeit für die Behandlung von persönlichen Vorstössen gewonnen werden. Vorstösse, die als mehrheitsfähig erscheinen, weil sie bereits von der anderen Ratskammer oder einer Kommissionsmehrheit angenommen worden sind, sollen konsequent prioritär behandelt werden. Das bisherige Vorgehen, Vorstösse von der Traktandenliste zu streichen, wenn sie zwei Jahre nach ihrer Einreichung vom Rat noch nicht behandelt worden sind, soll aufgegeben werden. Über diese würde in Zukunft wieder abgestimmt, allerdings ohne vorangehende Diskussion. Während diese Neuerungen nur den Nationalrat betreffen, schlug die SPK-NR auch einige Änderungen für beide Räte vor. Um Zeit zu gewinnen, soll das Differenzbereinigungsverfahren bei der Vorberatung von parlamentarischen Initiativen durch die Ratskommissionen gestrafft, die Plenumsberatung über in beiden Räten eingereichte identische Kommissionsmotionen gekürzt und auf eine obligatorische Mitwirkung der Finanzkommissionen bei der Vorberatung ausgabenrelevanter Vorlagen verzichtet werden. In diese Sammelvorlage nahm die SPK auch noch die Umsetzung von zwei weiteren parlamentarischen Anliegen auf. Zum einen ging es um eine von Nationalrat Hochreutener (cvp, BE) 2005 eingereichte parlamentarische Initiative, welche eine präzise Regelung des Verfahrens im Falle der Amtsunfähigkeit eines Mitglieds des Bundesrates verlangt. Wir behandeln dieses Thema oben unter dem Titel Regierung. Zum anderen ging es um die Umsetzung der im Vorjahr vom Parlament überwiesenen Motion Markwalder (fdp, BE) für eine generationsverträgliche Politik. Der Bundesrat soll in Zukunft in seinen Botschaften auch ausführen, inwiefern seine Vorschläge mit den Interessen künftiger Generationen vereinbar sind
[21].
Das
Parlament verabschiedete diese neuen Bestimmungen bereits in der Herbstsession. Das Eintreten war im Nationalrat unbestritten und auch in der Detailberatung gab es nur wenige Änderungsanträge. Sehr umkämpft war allerdings die so genannte Guillotineklausel für Motionen und Postulate. Das Ratsbüro opponierte gegen den ursprünglichen Antrag der SPK. Sein Argument, ein Abstimmungsmarathon über alle nach zwei Jahren noch nicht erledigten Vorstösse am Sessionsende sei unzumutbar, überzeugte auch eine Mehrheit der SPK. Diese schlug deshalb in der Ratsdebatte die Beibehaltung des Status quo (automatische Abschreibung) vor und setzte sich damit gegen den Widerstand der SP und der GP durch. Der Ständerat war mit diesen Beschlüssen weitgehend einverstanden. Er lehnte aber die Neuerung ab, dass ein Vorstoss nicht nur von einer einzelnen Person eingereicht werden kann, sondern auch gemeinsam von zwei oder drei Ratsmitgliedern aus verschiedenen Fraktionen. Da diese Lösung, welche den parteiüberschreitenden Charakter einer Intervention hervorheben soll, für den Nationalrat von einer gewissen Bedeutung sein könne, solle er sie jedoch für sich in seinem Ratsreglement einführen dürfen. Nachdem die Parlamentsdienste auf die Kosten der dafür erforderlichen Anpassung der elektronischen Erfassungsformulare hingewiesen hatten, verzichtete auch der Nationalrat in der Differenzbereinigung auf diese Neuerung
[22].
Wie der Ständerat im Vorjahr genehmigte nun auch der Nationalrat die
Anpassung seiner Entschädigungen an die Teuerung und die Ausrichtung eines Betrags von 500 Fr. je Person für den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung. Er hiess die Vorlage gegen den Widerstand der SVP und einer starken Minderheit der FDP-Fraktion gut. Diese hatten mit einem Nichteintretensantrag die Vorlage grundsätzlich als Schritt hin zu einem Berufsparlament bekämpft. Der Nationalrat sprach sich jedoch gegen eine von der Linken unterstützte parlamentarische Initiative John-Calame (gp, NE) für eine Verbesserung der Sozialversicherungsleistungen für Abgeordnete, die ihr Mandat vollamtlich ausüben, aus
[23].
Wie im Vorjahr der Nationalrat lehnte nun auch der Ständerat das Gesuch um die Aufhebung der parlamentarischen
Immunität von Nationalrat Waber (edu, BE) ab
[24].
Zu grossen Auseinanderstzungen kam es im Nationalrat zwischen der SVP und den übrigen Parteien beim Antrag der Mehrheit der Rechtskommission, die
Immunität des SVP-Nationalrats Brunner (SG) aufzuheben. Gegen den SVP-Präsidenten bestand der Verdacht, als Mitglied der GPK das Amtsgeheimnis verletzt zu haben. Der ausserordentliche Staatsanwalt Pierre Cornu beantragte beim Parlament die Aufhebung der Immunität, um diese Verdachtsmomente abklären zu können. Konkret soll Brunner dem Generalsekretär des damals noch von Christoph Blocher (svp) geleiteten EJPD vorzeitig den Bericht der Subkommission der GPK über die Vorkommnisse beim Rücktritt von Bundesanwalt Roschacher übergeben haben. Gegen den heftigen Widerstand der SVP, welche von einer rein politisch motivierten Kampagne gegen ihren Präsidenten sprach, trat der Nationalrat auf das Geschäft ein und hob die parlamentarische Immunität von Brunner auf. Der Ständerat stellte sich auf Antrag seiner Rechtskommission gegen diesen Entscheid und hob die Immunität Brunners nicht auf. Die Kommission begründete ihren Antrag damit, dass das Verhalten Brunners – das Blocher und auch er selbst nicht abstritten – zwar nicht akzeptabel sei; es solle aber nicht strafrechtlich, sondern im Rahmen des parlamentarischen Disziplinarrechts geahndet werden. Berücksichtigt hat der Ständerat auch die Tatsache, dass die damalige Auseinandersetzung in einer emotional sehr aufgeladenen Atmosphäre stattfand und sich auch andere Kommissionsmitglieder nicht immer einwandfrei verhalten hätten
[25].
Gerichte
Als Erstrat beschäftigte sich der Ständerat mit der Schaffung eines
eidgenössischen Patentgerichtes. Die Notwendigkeit dieses neuen Gerichtes war unbestritten und die Anträge des Bundesrates wurden fast ausnahmslos übernommen. In Abweichung vom Bundesrat beschloss die kleine Kammer jedoch, dass auch die nebenamtlichen Richterinnen und Richter von der Vereinigten Bundesversammlung – und nicht von der Gerichtskommission des Parlaments – gewählt werden sollen. Eine knappe Mehrheit im Nationalrat war damit nicht einverstanden, da es sich hier um ein Fachgericht handle, bei dem es Sinn mache, zumindest die nebenamtlichen Richter nicht in einem politischen Prozess zu wählen, sondern durch ein Fachgremium zu bestimmen
[26].
Der Ständerat und nach ihm auch der Nationalrat stimmten dem Antrag des Bundesrates oppositionslos zu, den
Titel eines Patentanwalts rechtlich zu schützen. Da der Nationalrat aber bei der geforderten Ausbildungsdauer eine Anpassung an das eben revidierte EU-Recht vornahm, blieb Ende Jahr auch hier noch eine Differenz bestehen
[27].
Die SVP hatte ihren Ärger über die im Herbst 2007 veröffentlichten Berichte der GPK und einer von dieser gebildeten Subkommission über die Umstände der Demission von
Bundesanwalt Valentin Roschacher noch nicht überwunden. Die in diesen Texten und in mündlichen Äusserungen enthaltenen Verdächtigungen und Anschuldigungen gegenüber dem damaligen Vorsteher des EJPD, Bundesrat Blocher, und überhaupt das Vorgehen dieser Kommissionen, stellten nach den Worten des SVP-Fraktionschefs Baader (BL) einen „der grössten Skandale der Geschichte des Schweizer Parlamentes“ dar. Dieses Vorgehen müsse deshalb von einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) restlos aufgeklärt werden. Das Parlament lehnte die Einsetzung einer PUK mit 109 zu 51 Stimmen ab. Alt-Bundesrat Blocher reichte im September auch noch eine Strafklage gegen die beteiligten Angestellten der Bundesanwaltschaft und einzelne GPK-Mitglieder ein
[28].
Im September legte der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft über die Anpassung der Bestimmungen über die
Strafbehörden des Bundes an die neue schweizerische Strafprozessordnung vor. Die wichtigste Neuerung besteht darin, dass gemäss den Vorgaben der neuen Ordnung das eidgenössische Untersuchungsrichteramt aufgehoben wird und das Vorverfahren vollständig in den Händen der Bundesanwaltschaft liegt. Politisch am brisantesten war der Vorschlag des Bundesrates über die
Reorganisation der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft. Trotz der im Vorjahr von den Parteien in der Vernehmlassung vorgebrachten Einwände hielt er daran fest, dass der Bundesanwalt allein der Exekutive unterstellt sein soll. Diese soll nicht nur die Tätigkeit der Bundesanwaltschaft überwachen, sondern dieser auch allgemeine Weisungen über die Aufgabenerfüllung erteilen dürfen. Um die Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden zu garantieren sind hingegen konkrete Anweisungen in Einzelfällen explizit untersagt. Dieses Interventionsverbot betrifft sowohl die Einleitung, die Durchführung und den Abschluss eines Verfahrens als auch die Art und Weise der Vertretung der Anklage vor Gericht und das Ergreifen von Rechtsmitteln
[29].
Volksrechte
Im Berichtsjahr kam es zu 2 mit einem fakultativen Referendum verlangten Volksabstimmungen (Unternehmenssteuerreform und Betäubungsmittelgesetz). Das Volk stimmte dem Parlamentsbeschluss beide Male zu. Ausserdem lehnten Volk und Stände 6 Volksinitiativen ab und stimmten einer, der insgesamt sechzehnten, zu.
Im Jahr 2008 wurden 8 Volksinitiativen eingereicht (2007: 4). Das Volk entschied über 7 Volksbegehren; eines – die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten, welche an Kindern begangen wurden – fand Zustimmung. Drei Volksinitiativen wurden zurückgezogen; zwei davon aus dem Gesundheitsbereich, nachdem das Parlament befriedigende Gegenvorschläge beschlossen hatte. Die so genannte Waldinitiative wurde zurückgezogen, weil der Bundesrat auf eine angekündigte und mit dieser Volksinitiative präventiv bekämpfte Reform des Forstgesetzes verzichtet hatte. Damit sank Ende 2008 der Bestand der eingereichten, aber dem Volk noch nicht zum Entscheid vorgelegten Initiativen auf 13 (2007: 15). Neu lanciert wurden im Jahr 2008 4 Volksinitiativen (2007: 11).
Insgesamt kam es somit zu
10 Volksabstimmungen (7 Volksinitiativen, 1 obligatorisches und 2 fakultative Referenden). Bei acht von diesen zehn Entscheiden folgten die Stimmberechtigten dem Antrag von Regierung und Parlament (2007: zwei von zwei). Bei einer Volksinitiative (Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten) und dem obligatorischen Referendum (Verfassungsartikel über die Gesundheitspolitik) entschied das Volk anders als die Behörden
[30].
Zum Jugend- und Ausländerstimmrecht siehe oben, Teil I, 1b (Bürgerrecht und Stimmrecht).
Die AUNS lancierte im Februar ihre im Vorjahr angekündigte Volksinitiative «Für die Stärkung der Volksrechte in der Aussenpolitik (
Staatsverträge vors Volk!)». Diese verlangt, dass über bisher dem fakultativen Referendum untertstellte aussenpolitische Entscheidungen obligatorisch von Volk und Ständen abgestimmt werden soll. Neu sollen zudem auch internationale Verträge dem obligatorischen Referendum unterstellt sein, wenn sie neue einmalige Ausgaben von mehr als 1 Mia Fr. oder neue jährlich wiederkehrende Ausgaben von mehr als 100 Mio Fr. nach sich ziehen
[31].
Der Nationalrat hielt sich an den Antrag seiner SPK und beschloss mit 123 zu 60 Stimmen, der parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion für die Einführung des
Finanzreferendums keine Folge zu geben. Das Hauptargument der Gegner war, dass beim Bund – im Gegensatz zu den Kantonen, die ja alle das Finanzreferendum kennen – fast alle grossen Ausgabeposten auf Gesetzen beruhen, und diese ja bereits dem fakultativen Referendum unterstellt sind. Gleich anschliessend an diesen Entscheid beschloss der Nationalrat mit 120 zu 61 Stimmen, auch einer parlamentarischen Initiative der Grünen für die Einführung des fakultativen Referendums bei
Rüstungsausgaben keine Folge zu geben. Die SP, welche den SVP-Vorstoss bekämpft hatte, stimmte in diesem Fall für die Ausweitung der Volksrechte, die SVP dagegen
[32].
Nachdem sich in einer Vernehmlassung fast niemand für die konkrete Umsetzung der 2003 in die Verfassung aufgenommenen
allgemeinen Volksinitiative ausgesprochen hatte, beantragte die SPK des Nationalrats die Streichung dieser Verfassungsbestimmung. Der auch vom Bundesrat unterstützte Antrag hat die Rechtsform einer parlamentarischen Initiative und muss, da es sich um eine Verfassungsänderung handelt, sowohl vom Parlament als auch von Volk und Ständen genehmigt werden. Der Nationalrat stimmte dem Verzicht auf die allgemeinen Volksinitiative bei einer Gegenstimme (Lustenberger, cvp, LU) zu; der Ständerat bei einer Enthaltung
[33].
Die SPK des Nationalrates möchte, dass
Volksinitiativen, die ganz oder teilweise im Gegensatz zu Völker- oder Menschenrechtsbestimmungen stehen und sich deshalb nicht textgetreu umsetzen lassen, nicht mehr dem Volk zum Entscheid vorgelegt werden. Mit einer parlamentarischen Initiative beantragte sie deshalb, die Prüfungskriterien für die Gültigkeit von Volksinitiativen zu erweitern und auch das Bundesgericht in die Entscheidfindung einzubeziehen. Die SPK des Ständerats sprach sich gegen diesen Vorstoss aus
[34].
Am 1. Juni stimmte das Volk über die von rechtsbürgerlichen Kreisen eingereichte
Volksinitiative „
Volkssouveränität statt Behördenpropaganda“ ab. Das Begehren verlangte zur Hauptsache, dass sich die Landesregierung in Zukunft, abgesehen von einer kurzen Verlautbarung, nicht mehr im Vorfeld von Volksabstimmungen äussern darf. Die Kampagne war sehr lau. Ein aus Vertretern aller grossen Parteien ausser der SVP gebildetes Komitee trat als Gegner in Erscheinung. Für die Initiative setzten sich nur die SVP und die kleinen Rechtsaussenparteien EDU, SD und Lega ein. Dabei trat die SVP kaum in den Vordergrund und verwendete ihre Propagandamittel in erster Linie zugunsten der gleichzeitig zum Entscheid vorgelegten Einbürgerungsinitiative
[35].
VI „Volkssouveränität statt Behördenpropaganda“
Abstimmung vom 1. Juni 2008
Beteiligung: 45,2%
Ja: 538 928 (24,8%) / 0 Stand
Nein: 1 634 196 (75,2%) / 20 6/2 Stände
Parolen:
– Ja: SVP (2)*, EDU (1)*, SD, Lega, FPS.
– Nein: FDP, CVP, SP, GP, GLP, EVP, LP, CSP, PdA; Economiesuisse, SGV, SGB, Travail.Suisse.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Die Initiative wurde
deutlich, mit mit 1 634 196 Nein gegen 538 928 Ja (75%) abgelehnt, kein einziger Kanton stimmte zu. Sogar der notorisch behördenkritische Kanton Schwyz verwarf sie mit 59% Nein-Stimmen. Überdurchschnittlich stark war die Ablehnung in den städtischen Agglomerationen und in der Westschweiz. In der französischsprachigen Schweiz sprachen sich weniger als 20% für das Volksbegehren aus. Mit der Ablehnung der Volksinitiative trat der im Vorjahr vom Parlament beschlossene
indirekte Gegenvorschlag in Kraft
[36].
Auf Antrag seiner SPK gab der Ständerat einer parlamentarischen Initiative Bonhôte (sp, NE) für die Festlegung einer
Obergrenze für die Werbeausgaben für die eidgenössischen Wahlen keine Folge. Unterstützung fand das Anliegen nur bei der Linken
[37].
In der Frühjahrssession lehnte der Nationalrat ein Postulat Waber (edu, BE) ab, das die Einführung
des Wahlsystems „Doppelter Pukelsheim“ ohne Mindestquorum verlangt hatte. Bei dieser zuerst im Kanton Zürich und anschliessend auch in einigen weiteren Kantonen eingeführten Methode wird für die Mandatszuteilung der im gesamten Wahlgebiet erzielte Stimmenanteil berücksichtigt. In einem zweiten Schritt werden die von einer Partei erhaltenen Sitze dann auf die Wahlkreise verteilt. Mit dieser Methode sinkt das „natürliche Quorum“, d.h. der für ein Vollmandat für eine Partei erforderliche Stimmenanteil auf einen sehr niedrigen Wert. Es würde für die Wahlen in den Nationalrat mit seinen 200 Sitzen knapp 0,5% betragen; Wabers EDU hätte mit diesem System 2007 mindestens zwei Sitze statt nur einen erhalten
[38].
Weiterführende Literatur
Altmann, David, „Collegiate executives and direct democracy in Switzerland and Uruguay : Similar institutions, opposite political goals, distinct results“, in Schweizerische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 2008, S. 483-520.
Ingold, Karin, Analyse des mécanismes de décision : Le cas de politique climatique suisse, Zurich 2008.
Kriesi, Hanspeter / Trechsel, Alexander, The politics of Switzerland : continuity and change in a consensus democracy, Cambridge (Cambridge University Press) 2008.
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[1] Presse vom 13.11.08. Zur Rücktrittserklärung siehe auch
AB NR, 2008, S. 1994 ff.
[2] SVP und Bortoluzzi:
AZ, 14.1.08. Sonntagszeitungen: u.a.
So-Blick, 29.6.08. Kritik an Schmids Verhalten und Informationspolitik im Fall Nef und Rücktrittsforderungen: Presse vom 16.-26.7.08; Presse vom 5.9. und 6.9.08. Zum Rüstungsprogramm, zur Wahl von Nef und zur Kritik der SVP an der Armeereform siehe unten, Teil I, 3.
[3] Demonstration: Presse vom 12.4.08. Zur Parteispaltung siehe unten, Teil IIIa (SVP und BDP).
[4] Brunner:
NLZ, 31.7.08;
So-Blick, 16.11.08. SVP-ZH: Presse vom 18.11.08;
NZZ, 25.11.08. Andere SVP-Kantonalsektionen:
NZZ, 18.11. (BE und VD), 19.11. (SH und SZ) und 24.11.08 (BL). SVP-Frauen:
TA, 20.11.08. Hinwil:
TA, 26.11.08. SVP-Fraktion:
TA, 1.10.08; Presse vom 27.11. und 28.11.08. Andere Parteien:
AZ und
Lib., 14.11.08;
BaZ, 19.11.08. NR Walter:
SGT, 19.11.08;
TA, 6.12.08;
TG, 10.12.08. Ausschlussdrohung:
TA, 8.12.08.
[5]
AB NR, 2008, S. 1995 ff.; Presse vom 10.12. und 11.12.08;
NZZ, 13.12.08 (Departementsverteilung).
[6] Presse vom 11.12.08. Zur Nichtbeteiligung der SVP an diesen Gesprächen während des Jahres 2008 siehe
NZZ, 16.2.08. Zu den Diskussionen über das Prinzip der Konkordanz siehe oben, Teil I, 1a (Grundsatzfragen).
[7] Presse vom 22.9., 23.9. und 25.9. (Herzkrise und Operation), 3.10. und 18.10. (Rückkehrpläne) sowie 4.11.08 (Rückkehr). Zur Finanzkrise siehe unten, Teil I, 4b (Banken, Börsen und Versicherungen).
[8] Helbling:
NZZ, 21.2.08. Simonazzi:
LT, 13.11.08.
[9]
BBl, 2008, S. 1869 ff.;
AB NR, 2008, S. 866 und 975 ff.;
AB SR, 2008, S. 712 ff. (v.a. 719) und 830;
BBl, 2008, S. 8233 ff.;
Lib. und
NZZ, 26.9.08. Zu den übrigen Teilen der pa.Iv. der SPK-NR siehe unten, Parlament.
[10] Presse vom 22.5.08. Vgl. auch die Antwort des BR auf die Interpellation Leumann (fdp, LU) in
AB SR, 2008, Beilagen IV, S. 148 ff. Siehe
SPJ 2007, S. 33. Zu den Nachrichtendiensten siehe oben, Teil I, 1b (Staatsschutz).
[11]
BBl, 2008, S. 753 ff.;
AB SR, 2008, S. 245 ff. und 584 ff.;
AB NR, 2008, S. 706 ff., 752 ff., 883 f., 1155 ff.;
BBl, 2008, S. 8543 ff.;
NLZ, 30.5.08. Zum neuen Beratungsmodus siehe
SPJ 2007, S. 34.
[12]
AB NR, 2008, S. 998 ff., 1576, 1757 und 1978;
AB SR, 2008, S. 720 und 831;
BBl, 2008, S. 8241. Siehe
SPJ 2007, S. 34.
[13]
AB NR, 2008, S. 1923 f. In der Frühjahrssession hatte der NR eine pa.Iv. Kunz (svp, LU) für einen Parlamentsentscheid über sämtliche Verordnungen als nicht praktikabel abgelehnt (
AB NR, 2008, S. 145 f.).
[14]
AB NR, 2008, S. 18 ff. und 486 sowie 20 (Motion);
AB SR, 2008, S. 209;
BBl, 2008, S. 2287 ff. Siehe
SPJ 2007, S. 34 f.
[15]
AB SR, 2008, S. 63. Siehe
SPJ 2007, S. 35.
[16]
AB SR, 2008, S. 63 f.;
AB NR, 2008, S. 519. Siehe
SPJ 2007, S. 35.
[17]
AB NR, 2008, S. 20 ff. und 486;
AB SR, 2008, S. 78 f. und 209;
BBl, 2008, S. 2303 ff. Siehe
SPJ 2007, S. 35. Vgl. auch den Bericht des BR über die Besetzung der Expertenkommissionen für die Periode 2008-2011 in
BBl, 2008, S. 3345 ff.
[18]
Bund,
NZZ und
SN, 20.9.08.
[19]
AB NR, 2008, S. 1357 ff.
[20]
24h, 21.11.08;
TA, 22.11.08. Siehe
SPJ 2006, S. 34.
[21]
BBl, 2008, S. 1869 ff.;
NZZ, 5.2. und 27.2.08. Zum Verzicht auf die automatische Abschreibung von mehr als zwei Jahre alten Vorstössen im NR siehe
SPJ 2005, S. 35 (Motion Kunz, svp, LU) und
2007, S. 36. Die Priorität für Kommissionsvorstösse resp. die Abschaffung der Privilegien der Finanzkommission hatten die Nationalräte Hämmerle (sp, GR) und Abate (fdp, TI) mit 2006 eingereichten pa. Iv. gefordert. Zur Motion Markwalder siehe
SPJ 2007, S. 255 f.
[22]
AB NR, 2008, S. 855 ff., 975 ff., 1421 ff., 1483 ff. und 1575 f.;
AB SR, 2008, S. 712 ff. und 830;
BBl, 2008, S. 8233 ff. Die Motion de Bumann (cvp, FR), welche es ermöglichen sollte, dass Interpellationen und Anfragen jederzeit und nicht nur während den Sessionen eingereicht werden können, ist vom NR nicht, wie es hier im Vorjahr fälschlicherweise hiess, angenommen, sondern abgelehnt worden (
SPJ 2007, S. 36 f.).
[23]
AB NR, 2008, S. 25 ff. und 486 sowie 1324 ff. (John-Calame);
AB SR, 2008, S. 210;
BBl, 2008, S. 2267 f. Siehe
SPJ 2007, S. 37.
[24]
AB SR, 2008, S. 81. Siehe
SPJ 2007, S. 38.
[25]
AB NR, 2008, S. 1385 ff. und 1447 ff.;
AB SR, 2008, S. 944 ff.;
So-Blick, 1.6.08;
BüZ, 13.6.08; Presse vom 20.6.08. Zur GPK-Untersuchung siehe
SPJ 2007, S. 38 f. sowie unten, Gerichte.
[26]
AB SR, 2008, S. 731 f. und 736 ff.;
AB NR, 2008, S. 1934 ff. Siehe
SPJ 2007, S. 38.
[27]
AB SR, 2008, S. 731 ff.;
AB NR, 2008, S. 1930 ff. Siehe
SPJ 2007, S. 38.
[28]
AB NR, 2008, S. 1326 ff. Strafklage: Presse vom 6.9.08. Zur Zulässigkeit der Information der GPK durch die Bundesanwaltschaft siehe auch
NZZ, 4.7.08. Der GPK-NR-Bericht aus dem Vorjahr und die Stellungnahme des BR dazu wurden nun auch noch im Bundesblatt publiziert (
BBl, 2008, S. 1979 ff. resp. 2081 ff.). Siehe
SPJ 2007, S. 38 f.
[29]
BBl, 2008, S. 8125 ff.; Presse vom 11.9.08. Vgl.
SPJ 2007, S. 39 f. Zur 2007 verabschiedeten neuen Strafprozessordnung siehe
SPJ 2007, S. 24 f.
[30] Siehe dazu auch Andreas Gross, „Konjunkturen der direkten Demokratie“, in
NZZ, 31.12.08.
[31]
BBl, 2008, S. 1485 ff. Siehe
SPJ 2007, S. 42.
[32]
AB NR, 2008, S. 453 ff. (Finanzreferendum) und 457 ff. (Rüstungsreferendum);
NZZ, 22.5.08. Zum Finanzreferendum siehe auch
SPJ 2007, S. 40.
[33]
BBl, 2008, S. 2891 ff. und 2907 f. (BR);
AB NR, 2008, S. 1333 ff. und 1976;
AB SR, 2008, S. 838 f. und 1059;
BBl, 2009, S. 13 ff. Lustenberger begründete seine Opposition damit, dass er als damaliges SPK-Kommissionsmitglied an der Entstehung dieses Instruments beteiligt gewesen war und von ihm immer noch überzeugt sei (
AZ, 26.9.08). Siehe
SPJ 2007, S. 40 ff.
[34]
NZZ, 23.8., 16.11. und 22.11.08. Siehe dazu auch
Lit. Keller.
[35]
TA, 2.4.08;
NZZ, 10.4.08; Presse vom 15.4.-31.5.08. Siehe
SPJ 2007, S. 42.
[36]
BBl, 2008, S. 6161 ff.; Presse vom 2.6.08. Gegenvorschlag:
BBl, 2008, S. 6153 f. Siehe
SPJ 2007, S. 42.
[37]
AB SR, 2008, S. 185 ff.
[38]
AB NR, 2008, S. 470.
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