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Grundlagen der Staatsordnung
Politische Grundfragen und Nationalbewusstsein
In Zukunft soll zu Beginn einer Legislaturperiode im Parlament die Nationalhymne gespielt werden.  – Die grössten Sorgen in der Bevölkerung sind die Angst vor Arbeitslosigkeit und vor dem Klimawandel.  – Der Schweizer Pavillon an der Weltausstellung lockte zahlreiche Besucher an.
Grundsatzfragen
Die 2009 angenommene Minarett-Initiative, die im Berichtsjahr angenommene Ausschaffungsinitiative und die lancierte, aber wieder zurückgezogene Initiative zur Einführung der Todesstrafe lieferten Nahrung für die Diskussion um die Einführung eines Verfassungsgerichts auf Bundesebene. Die Verfassungsgerichtsbarkeit war allerdings nur einer aus einer Reihe von Vorschlägen aus allen politischen Lagern mit dem Ziel, Rechtsstaatlichkeit und direkte Demokratie besser aufeinander abzustimmen (vgl. dazu unten Teil I, 1c, Volksrechte) [1].
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Der Ständerat nahm als Zweitrat in der Herbstsession eine Motion Marra (sp, VD) an, welche die instrumentale Darbietung der Nationalhymne zu Beginn einer neuen Legislaturperiode fordert. Es wurde allerdings darauf hingewiesen, dass der Ständerat keine Legislatur kenne. Die Regel soll deshalb für beide Kammern für die erste Sitzung nach den Gesamterneuerungswahlen gelten. Der Nationalrat hatte sich bereits 2009 für diese Motion ausgesprochen [2].
Der Bund koordinierte die Nutzung und Verwaltung der Rütliwiese in einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung mit der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG). Geregelt wird insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Bund als Besitzerin und SGG als Verwalterin der Wiese. Es wird auch festgehalten, dass die Zentralschweizer Kantone zusammen die Sicherheit und den Zugang zur Wiese zu gewährleisten haben. Am 1. August stand nicht nur der Nationalfeiertag, sondern auch der Kauf des Rütli vor 150 Jahren durch die SGG sowie das 200-Jahr-Jubiläum der SGG im Vordergrund. Wie 2009 wurden lediglich Besucher mit einem gültigen Ticket zur Feier zugelassen [3].
Aufgrund der vorjährigen Störungen durch Rechtsradikale plante die Luzerner Regierung im Berichtsjahr anstelle eines Umzugs zum Gedenken an die Schlacht von Sempach die Durchführung eines Gottesdienstes. Die SVP Luzern sammelte daraufhin Unterschriften für eine Petition, die ein Beibehalten der bisherigen Feierlichkeiten forderte. Diese wurde auch von Bundesrat Maurer unterschrieben, was einigen Wirbel verursachte. Maurer wurde vorgeworfen, sich in kantonale Belange einzumischen und Rechtsextremismus zu unterstützen. Dieser rechtfertigte seine Unterschrift mit dem Hinweis, dass die Petition lediglich eine würdevolle Feier, also eine Feier ohne politischen Extremismus fordere. Die Luzerner Regierung schlug ein Konzept vor, das anstelle von Schlachtfolklore zukünftig ein Volksfest vorsieht, mit dem der Dialog gefördert und die zunehmende Politisierung des Anlasses verhindert werden soll [4].
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Gemäss einer Studie des Lausanner IDHEAP hat das Image der Schweiz in den USA nicht unter der UBS-Affäre gelitten. Beliebter als die Schweiz ist laut der Studie bei den Amerikanern nur noch Grossbritannien [5].
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Das vom Finanzunternehmen Aduno Gruppe finanzierte und von der GfS-Zürich durchgeführte Angstbarometer zeigt, dass sich die Schweizer Bevölkerung insbesondere vor der Klimaveränderung, vor dem Egoismus der Menschen und vor Kriminalität fürchtet. Auffallend sind laut der Studie die zurückgehenden Ängste hinsichtlich Überfremdung, Kriminalität und Sittenzerfall.
Das Sorgenbarometer, eine jährlich von der GfS-Bern im Auftrag der Crédit Suisse bei rund 1000 Befragten durchgeführte Umfrage zu den Sorgen der Bevölkerung wies noch immer – wie bereits 2009 – die Arbeitslosigkeit als Hauptsorge aus. Obwohl die Arbeitslosigkeit im Berichtsjahr zurückging, hatten mehr als drei Viertel der Befragten Angst vor Stellenverlust. Aus dem Katalog von 35 Sorgen mussten die Befragten die fünf drängendsten auswählen. Ebenfalls häufig genannt wurde die Sorge um die Altersvorsorge und um das Gesundheitswesen. Relativ stark zugenommen hat die Sorge um die Zukunft der Beziehungen der Schweiz mit der EU (von Rang 14 auf Rang 7). Deutlich abgenommen hat hingegen die Sorge um die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise (Ränge 13 und 14).
Auch die von Isopublic im Auftrag des Sonntagsblick bei 1000 Personen durchgeführte Befragung zur Lebenszufriedenheit weist auf eine eher optimistische Grundstimmung in der Bevölkerung hin. 78% der Befragten gaben auf einer Skala von 1 (sehr unzufrieden) bis 10 (sehr zufrieden) den Wert 8, 9, oder 10 an. Auch im internationalen Vergleich gilt die Schweizer Bevölkerung damit als überdurchschnittlich zufrieden [6].
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Gleich zwei Projekte für Landesausstellungen wurden im Berichtsjahr diskutiert. Die Kantone rund um den Gotthard (TI, UR, VS, GR) vertieften ihre Pläne für Gottardo 2020 und die Kantone der Bodenseeregion (TG, SH, SG, AI, AR) regten eine Expo Bodensee-Rhein frühestens im Jahr 2027 an. Die Gotthard-Kantone, die ihre Expo zur Neat-Eröffnung planten, haben im Berichtsjahr je 50 000 Franken für eine Machbarkeitsstudie gesprochen. Die laue Begeisterung, Streitigkeiten zwischen dem Projektleiter Marco Solari und dem Bündner Regierungsrat Stefan Engler (CVP), aber auch Termindruck liessen das Vorhaben jedoch sterben. Die Kantone einigten sich immerhin auf ein Programm, mit welchem die Region gestärkt werden soll. Mit dem Aus von Gottardo 2020 wurde die Diskussion für eine Landesausstellung in der Bodensee-Region, zu der sich die involvierten Kantone grundsätzlich positiv zeigten, wieder intensiviert [7].
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Der Schweizer Pavillon an der Weltausstellung vom 1. Mai bis 31. Oktober in Schanghai („Better City, Better Life“) sollte die Schweiz mit dem Thema „Interaktion zwischen Stadt und Land“ als innovative Nation präsentieren. Die nicht immer funktionstüchtige Seilbahn und die Bergwelt entpuppten sich als Hauptattraktionen. Auch die Städte Basel, Genf und Zürich präsentierten sich in Schanghai mit dem Motto „Better Water – Best Urban Life“. Insgesamt besuchten rund drei Mio Personen den Schweizer Pavillon, was als Erfolg verbucht wurde [8].
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Weiterführende Literatur
Elsässer, Jürgen e.a. (Hg.), Erfolgsmodell Schweiz : direkte Demokratie, selbstbestimmte Steuern, Neutralität, Berlin 2010.
Fagagnini, Hans Peter, Unser aller Sonderfall: in die Zukunft geschriebener Entwurf zur Lage der Schweiz, Zürich 2010.
Friedrich, Roger, Funktioniert das "Modell Schweiz"?: neun Essays über Vielfalt, Föderalismus und Demokratie, Berlin 2010.
Gabriel, Oscar / Plasser, Fritz (Hg.), Deutschland, Österreich und die Schweiz im neuen Europa, Baden-Baden 2010.
Gentinetta, Katja e.a. (Hg.), Souveränität im Härtetest : Selbstbestimmung unter neuen Vorzeichen, Zürich 2010.
Hug, Simon / Kriesi, Hanspeter (Hg.), Value change in Switzerland, Lanham, Md. 2010.
Kohler, Georg, Bürgertugend und Willensnation: über den Gemeinsinn und die Schweiz, Zürich 2010.
Levy, René, La structure sociale de la Suisse : radiographie d'une société, Lausanne 2010.
Möckli, Silvano, Das politische System der Schweiz verstehen, Altstätten 2009.
Moreira, Ana Maria e.a. (Hg.), Swiss democracy on the Web 2010: society and politics in a connected age, Chavannes-Lausanne 2010.
Pasquier, Martial / Weiss Richard, Mirja, „Das Image der Schweiz in den USA 2009. Ergebnisse der Länderstudie USA im Auftrag des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA)“, Präsenz Schweiz. IDHEAP, Lausanne, 2010.
Rom, Pierre, Die Schweiz - ein Sonderfall?: Gedanken über den Einfluss der Topographie auf die Entstehungsgeschichte, die Politik und die Zukunft der Schweiz sowie über ihre Stellung in Europa und der globalisierten Welt, Urtenen-Schönbühl 2010.
Somm, Markus, General Guisan – Widerstand nach Schweizerart. Zürich 2010.
Walter, François, Histoire de la Suisse. Tome 5: Certitudes et incertitudes du temps présent (de 1030 à nos jours), Neuchâtel 2010.
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Buser, Denise / Albrecht, Michael (Hg.), Die Entstehung der Baselstädtischen Verfassung vom 23. März 2005. Kommissionsberichte und Debatten des Verfassungsrats, Basel (Justiz und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt) 2010.
Richli, Paul e.a. (Hg.), Kommentar der Kantonsverfassung Luzern, Bern 2010.
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[1] Zur Diskussion der Verfassungsgerichtsbarkeit vgl. Presse vom 20.08. und 30.11.10; zur Ausschaffungsinitiative, vgl. unten Teil I, 7d (Ausländerpolitik); zur Initiative zur Wiedereinführung der Todesstrafe, vgl. Presse vom 20.08 bis 26.08.10.
[2] AB SR, 2010, S. 781. Siehe SPJ 2009, S. 14f.
[3] BBl, 2010, S. 1725 ff.; NLZ, 18.02.10; zur Feier: NLZ 21.05.10.
[4] TA, 27.03. und 23.07.10, NZZ, 15.07.10.
[5] Presse vom 27.03.10. Lit. Pasquier.
[6] Angstbarometer: SoZ 31.10.10; Sorgenbarometer: TA und NZZ 18.12.10; siehe SPJ 2009, S. 15; Zufriedenheit: SoBl, 26.12.10.
[7] Presse vom 23.01 und 28.12.10.
[8] Presse vom 28.04 und 02.11.10.
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