In der Nacht auf den 1. November kam es in einer Lagerhalle der Firma Sandoz zu einem Chemiegrossbrand, der katastrophale Auswirkungen auf das Ökosystem des Rheins hatte. Durch das mit grossen Mengen von Agrochemikalien angereicherte Löschwasser gelangten unter anderem giftige Insektizide und Quecksilberverbindungen in den Fluss und vernichteten den gesamten Bestand an Fischen und Mikrolebewesen bis weit über die Landesgrenzen hinaus. Die Wiederbelebung des Rheins wird nach Ansicht von Experten mindestens zehn Jahre dauern. Über Stunden war zudem unklar, ob der Brand, bei dem gegen 800 Tonnen Chemikalien in Flammen aufgingen, eine akute Gesundheitsgefährdung darstelle. Niemand wusste genau, welche Stoffe die stinkende Chemikalienwolke enthielt – nicht zuletzt deshalb, weil die Firma Sandoz keine genaue Inventarliste der gelagerten Stoffe vorlegen konnte. Zwar war noch in der Nacht Katastrophenalarm ausgelöst worden, doch funktionierte die Warnung und Information der Bevölkerung und namentlich auch der Rheinanliegerstaaten, die ihr Trinkwasser teilweise aus dem Fluss beziehen, nicht bzw. erfolgte zu spät. Die ungenügende Informationspolitik der Basler Behörden sowie der Sandoz löste Angst und Verunsicherung aus, war doch das reale Ausmass der Bedrohung während Stunden ungewiss. Dass Schweizerhalle kein Einzelfall war, zeigte eine ganze Reihe von weiteren, kleineren Chemieunfällen, die in der Folge öffentlich bekannt wurden. In mehreren Demonstrationen im In- und Ausland gaben die Betroffenen ihrem Unmut und ihrer Angst Ausdruck und forderten unter anderem ein Verbot von umwelt- und gesundheitsgefährdenden Produktionsverfahren. Nachdem die Sandoz die Katastrophe anfangs noch zu einem blossen Ereignis heruntergespielt hatte, entschuldigte sie sich später bei der Bevölkerung. Drei Wochen nach dem Unglück wandte sich erstmals Sandoz-Präsident Moret an die Öffentlichkeit und erklärte, dass sein Konzern für finanzielle Schäden aufkommen werde. Um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen, will die Sandoz ihre Informationspolitik verbessern sowie eine umweltschonendere Produktion anstreben.
- Schlagworte
- Datum
- 3. November 1986
- Prozesstyp
- Anderes
- Quellen
-
anzeigen
- BaZ, 12.11., 14.11., 21.11., 2.12. und 27.12.86; NZZ, 20.12.86. TA, 29.12.86; WoZ, 21.11. und 24.11.86; BZ, 23.12.86
- G. Bachmann / P. Burri / T. Maissen (Hg.), Das Ereignis. Chemiekatastrophe am Rhein, Basel 1986; M. Aeberli u.a. (Hg.). Kunst und Katastrophe: Zur Lage, Basel 1986
- Presse vom 3.11. bis 31.12.86
- SAZ, 51/52, 18.12.86; SGZ, 2, 8.1.87; Soziale Medizin, 14/1987, Nr. 1/2, S. 4 ff.; Rote Revue, 66/1987, Nr. 1.; Klartext, 1986, Nr. 6, S. 7 ff. und 10 ff.
von Katrin Holenstein
Aktualisiert am 25.07.2024
Aktualisiert am 25.07.2024