Auswirkungen eines Beitritts der Schweiz zum Kernwaffenverbotsvertrags auf die Aussen- und Sicherheitspolitik der Schweiz (Po. 22.3800)

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Ständerat Josef Dittli (fdp, UR) forderte den Bundesrat im Juni 2022 in einem Postulat dazu auf, die Auswirkungen eines Beitritts der Schweiz zum Kernwaffenverbotsvertrag auf die Aussen- und Sicherheitspolitik der Schweiz zu prüfen. Er interessierte sich insbesondere dafür, wie sich der Konflikt in der Ukraine auf die Ausgangslage eines Beitritts der Schweiz zum Kernwaffenverbotsvertrag ausgewirkt hatte. Darüber hinaus solle aufgeführt werden, welche Konsequenzen der Beitritt für die Sicherheitsarchitektur Europas und der Schweiz sowie für die Beziehungen der Schweiz zur NATO haben könnte. Basierend darauf solle der Bundesrat eine Auslegeordnung des weiteren Vorgehens präsentieren, forderte der Postulant. Der Bundesrat habe eine solche für die Zeit nach der Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrags von Kernwaffen im August 2022 in New York versprochen. Der Krieg in der Ukraine habe aber neue Voraussetzungen geschaffen, die eine «ganzheitliche und zukunftsorientierte Betrachtung» einer möglichen Vertragsratifizierung nötig machten. Dittli wünschte sich in diesem Rahmen auch eine Stellungnahme des Bundesrats zur Motion Sommaruga (sp, GE; Mo. 17.4241), mit der dieser die Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags gefordert hatte und die von beiden Räten 2018 angenommen worden war. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulats.

In der Ständeratsdebatte während der Herbstsession 2022 setzte sich Carlo Sommaruga für die Ablehnung des Postulats ein. Er bezeichnete Dittlis Vorstoss als «parfaitement inutile», da der Bundesrat mehrfach bestätigt habe – zuletzt bei der Beratung des Postulats der SiK-NR (Po. 21.3960) im Herbst 2021 –, dass ein Evaluierungsbericht zum Vertrag vorgelegt werde. Er kritisierte zudem den Bundesrat dafür, dass sich dieser trotz der Annahme seiner Motion von 2017 noch immer vor der Unterzeichnung und Ratifikation des Vertrags ziere. Schliesslich habe die Unterzeichnung des Kernwaffenverbotsvertrags bei anderen neutralen europäischen Staaten wie Österreich und Irland keine negativen Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit der NATO gehabt. Für eine objektive Analyse des Vertrags und von dessen effektiven Konsequenzen im Fall der Schweiz sei aber die Einsetzung einer Expertengruppe nötig. Auch Charles Juillard (mitte, JU) empfand die lange Verzögerung vonseiten des Bundesrats als befremdlich, schliesslich sei der Vertrag 2017 unter anderem auf Anregung der Schweiz ausgearbeitet worden. Ein zusätzlicher Bericht habe daher keinen Mehrwert für die Entscheidungsfindung. Trotz ihrer Kritik verzichteten Sommaruga und Juillard aber darauf, das Postulat zu bekämpfen.
Bundesrat Cassis erklärte dem versammelten Ständerat, dass der Vertrag nicht nur von Kernwaffenbesitzenden, sondern auch von ihren Verbündeten abgelehnt werde. Die Schweiz werde aufgrund der besagten Motion Sommaruga die Frage eines Beitritts zum Vertrag erneut prüfen, zuvor habe man jedoch die Überprüfungskonferenz des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrags abwarten wollen. Er beantragte die Annahme des Postulats, dessen Anliegen durch eine bereits eingesetzte interdepartementale Arbeitsgruppe aufgenommen werden könnte. Der Ständerat nahm das Postulat in der Folge stillschweigend an.

Im März 2024 veröffentlichte der Bundesrat den Bericht «Auswirkungen eines Beitritts der Schweiz zum Kernwaffenverbotsvertrag TPNW auf die Aussen- und Sicherheitspolitik der Schweiz» in Erfüllung des gleichnamigen Postulats von Josef Dittli (fdp, UR). Im Bericht wurde erläutert, dass sich die Sicherheitslage auf dem europäischen Kontinent, aber auch darüber hinaus in den letzten Jahren insbesondere aufgrund des Krieges in der Ukraine massiv verschlechtert habe. Vor diesem Hintergrund ging der Bundesrat sodann auf die Chancen und Risiken eines Schweizer Beitritts zum TPNW ein: Der Bundesrat ordnete den Beitritt einerseits als logische Weiterführung der humanitären Tradition und des Engagements der Schweiz für die Einhaltung des Völkerrechts und den Kampf gegen Massenvernichtungswaffen ein. Er gab andererseits aber zu bedenken, dass mit dem Beitritt ein gewisses Risiko einhergehe, die Kooperation im sicherheitspolitischen Bereich – namentlich mit dem «Nuklearbündnis» NATO – zu beeinträchtigen, da ein Schweizer Beitritt bei manchen Mitgliedstaaten auf Unverständnis stossen könne und als mangelndes Bewusstsein für die Notwendigkeit eines vertieften Zusammenhalts unter den Sicherheitspartnern aufgefasst werden könne. Nach der Abwägung der Vor- und Nachteile kam der Bericht zum Schluss, dass ein Beitritt der Schweiz zum Kernwaffenverbotsvertrag derzeit nicht angezeigt sei. Die Schweiz könne auch ohne diesen Vertrag ihr Engagement für die Abrüstung von Atomwaffen und weiteren Massenvernichtungswaffen vorantreiben, beispielsweise in Form der Teilnahme an den TPNW-Vertragsstaatenkonferenzen als Nicht-Mitglied des Vertrags.