Die Hisbollah verbieten (Mo. 24.4263, 24.4255)

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Die beiden sicherheitspolitischen Kommissionen reichten im Oktober 2024 je eine Motion ein, mit welcher sie den Bundesrat beauftragen wollten, die Hisbollah zu verbieten (SiK-NR: Mo. 24.4263, SiK-SR: Mo. 24.4255). Während die nationalrätliche Kommission in ihrer Begründung auf die Gefährlichkeit der Hisbollah und ihre Rolle im Nahost-Konflikt einging, insistierte ihr ständerätliches Pendant darauf, dass der Bundesrat für die Umsetzung dieser Motion einen separaten Weg einschlägt, und nicht denjenigen über die Ausweitung des Verbots der Hamas auf die Hisbollah. Ansonsten werde der laufende Gesetzgebungsprozess zum Hamas-Verbot womöglich verlangsamt.

Dossier: Hamas/Gaza/UNRWA

Der Bundesrat beantragte im November 2024, die Motionen der beiden sicherheitspolitischen Kommissionen betreffend ein Verbot der Hisbollah abzulehnen (Mo. 24.4255 und Mo. 24.4263). Er begründete dies mit dem Umstand, dass die Bedingungen für ein Verbot nach Artikel 74 NDG nicht gegeben seien, da insbesondere kein Verbots- oder Sanktionsbeschluss der UNO vorliege. Daher käme nur eine Spezialgesetzgebung wie bei der Hamas in Frage. Dagegen spreche jedoch der Umstand, dass die Schweiz die Praxis verfolge, Organisationen nur aufgrund äusserst gravierender Gründe zu verbieten. Der Bundesrat erachte es daher derzeit nicht als angezeigt, mit einem Spezialgesetz die Hisbollah zu verbieten.
Die beiden Räte befassten sich in der Wintersession 2024 mit dem Geschäft. Dem Ständerat lag bei der Beratung ein Antrag von Franziska Roth (sp, SO) auf Rückweisung des Geschäftes an die Kommission vor. Diese solle vor der Beratung im Rat einen Mitbericht der APK-SR einholen. Roth begründete den Antrag mit Blick auf die neue Lage in Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes. In solch unübersichtlichen Situationen könne ein Verbot der Hisbollah dazu führen, dass die humanitäre Hilfe nicht mehr alle Bedürftigen erreiche und dass nicht alle wichtigen Stakeholder an den Verhandlungen teilnehmen würden. Da das Geschäft also nebst einer sicherheitspolitischen auch eine wichtige aussenpolitische Komponente aufweise, solle auch die APK zum Geschäft Stellung nehmen können. Dieses Vorgehen befürwortete auch Justizminister Beat Jans seitens des Bundesrates. Der Rückweisungsantrag Roth wurde jedoch mit 16 zu 25 Stimmen abgelehnt. Zustimmung fand der Antrag insbesondere bei rot-grün, jedoch auch bei einzelnen Mitgliedern der Mitte, sowie des MCG und der GLP. Zum Inhalt der Motion führte Kommissionssprecherin Marianne Binder-Keller (mitte, AG) aus, dass die SiK-SR-Mehrheit die Auffassung vertrete, dass die Hisbollah eine rechtsstaatsfeindliche und terroristische Gruppierung sei. Die Schweiz solle ihr kein «Gastrecht» gewähren; sie laufe dadurch Gefahr, zur Drehscheibe für Aktivitäten und Finanztransaktionen der Hisbollah zu werden. Ein Verbot sei daher angezeigt und sinnvoll. Dem gegenüber vertraten die beiden Genfer Ständeräte Carlo Sommaruga (sp) und Mauro Poggia (mcg) die Ansicht, dass die Schweiz aufgrund des Verbots der Hisbollah von anderen Staaten dazu gedrängt werden könnte, weitere Organisationen zu verbieten. Zudem solle es die Schweiz vermeiden, Akteure zu einem willkürlich gewählten Zeitpunkt in gut und böse zu unterteilen und sich dadurch eventuell als zukünftige Friedensvermittlerin aus dem Spiel zu nehmen. Bundesrat Jans hob schliesslich hervor, dass die Schweiz keine Abkehr von den bisherigen Grundsätzen der Aussenpolitik anstrebe; die Schweiz setze auf Dialog und Vermittlung und nicht auf Verbote. Der Bundesrat zweifle nicht daran, dass die Hisbollah eine «hochproblematische, gewalttätige Organisation» sei und auch nicht vor Terrorismus zurückschrecke, ein Verbot sei aber nur in sehr schwerwiegenden Fällen angebracht. Ansonsten stelle sich bald unweigerlich die Frage, wo die Grenze gezogen werden solle. Anschliessend sprach sich der Ständerat mit 31 zu 1 Stimme und 10 Enthaltungen für die Annahme der Motion und somit für die Erarbeitung eines Verbotsgesetzes aus. Die ablehnende Stimme stammte von einem Mitglied der SP, die Enthaltungen stammten von Mitgliedern der SP, der Grünen, der GLP des MCG und der Mitte.

Dossier: Hamas/Gaza/UNRWA

Auch der Nationalrat befasste sich in der Wintersession 2024 mit dem Verbot der Hisbollah, welches durch zwei Motionen der beiden sicherheitspolitischen Kommissionen gefordert worden war (Mo. 24.4263 und Mo. 24.4255). Der grossen Kammer lag dabei ein Ordnungsantrag auf Vorprüfung der Motion durch die APK-NR vor; dieser Antrag Molina (sp, ZH) fand jedoch auch in diesem Rat über das rot-grüne Lager hinaus keine Zustimmung. Die SiK-NR-Mitglieder David Zuberbühler (svp, AR) und Jacqueline de Quattro (fdp, VD) stellten anschliessend die Motion und deren Hintergründe vor: Die Hisbollah destabilisiere durch ihre Taten demokratische Strukturen, entfache religiöse und ethnische Konflikte und bringe teils ganze Staaten wie den Jemen an den Abgrund. Als klares Zeichen gegen den Terrorismus sei ein Verbot dieser Gruppierung unerlässlich. Zudem unterhalte die Miliz gemäss NDB auch in der Schweiz ein Netzwerk mit mehreren Dutzend Unterstützern, wobei angenommen werde, dass einige auch eine terroristische Aktion in der Schweiz durchführen könnten. An diese Voten schlossen sich einige kritische Rückfragen aus dem rot-grünen Lager an. Diese zeigten, dass dieses Lager eine andere Auffassung der Rolle der Hisbollah vertrat: So hob etwa Nicolas Walder (gp, GE) hervor, dass die Hisbollah mehrere Minister in der libanesischen Regierung stelle und ein wichtiger Akteur bei jeglichen politischen Diskussion sei. Die Schweiz schliesse sich durch dieses Verbot als Vermittlerin selber aus. Ausserdem helfe ein Verbot nicht gegen die terroristische Gefahr in der Schweiz, betonte Laurence Fehlmann Rielle (sp, GE).
Nachdem Justizminister Jans auch im Nationalrat die Argumente des Bundesrates dargelegt hatte, schritt die grosse Kammer zur Abstimmung. Sie nahm die Motion mit 126 Stimmen zu 20 Stimmen und 41 Enthaltungen an. Während die Ablehnungen allesamt von Mitgliedern der Grünen-Fraktion stammten, kamen die Enthaltungen vor allem von der grossen Mehrheit der SP-Fraktion.

Dossier: Hamas/Gaza/UNRWA