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Zusammenfassung
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Dossier: Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler
Zwischen 1848 und 2023 standen der Bundeskanzlei insgesamt zwölf Männer und zwei Frauen vor. Die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler werden vom Parlament gewählt und müssen alle vier Jahre bestätigt werden. Sie werden mitunter als «achte Bundesrätin bzw. achter Bundesrat» bezeichnet. Auch wenn die Gestaltungs- und Beratungskompetenzen des Amtes gross sind und die Bundeskanzlerin und der Bundeskanzler rechtlich als «Magistratspersonen» und damit als Teil der Regierung gelten, sind sie als «oberste Beamte», wie sich der derzeitige Bundeskanzler, Walter Thurnherr, in der Regel beschrieb, Teil der Verwaltung.
Eigentlich wurde die Bundeskanzlei bereits 1803 von Napoleon mittels Mediationsakte eingesetzt, verlor dann aber mit der Gründung des Bundesstaates 1848 an Bedeutung. Bis in die 1960er Jahre war die Geschäftsstelle des Bundesrates und des Parlaments verantwortlich für die Sitzungsprotokolle, die Veröffentlichung der Gesetzestexte im Bundesblatt sowie die Organisation der Volksabstimmungen und des Bundesarchivs. 1968 wurde die Bundeskanzlei zur Stabsstelle aufgewertet und mit der Aufgabe der Unterstützung der Regierung betraut. Die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler hat seither ein Antragsrecht im Bundesrat und steht der Sektion «Politische Rechte» vor. Zwei Vizekanzlerinnen oder Vizekanzler, die für den Bereich «Kommunikation und Strategie» (verantwortlich für Kommunikations- und strategische Führungsunterstützung sowie für den Präsidialdienst) bzw. «Bundesrat» (Bundesratsgeschäfte, Amtliche Veröffentlichungen und Sprachdienste) zuständig sind, sind der Bundeskanzlerin bzw. dem Bundeskanzler unterstellt. Zur Geschäftsleitung der Bundeskanzlei gehören zudem Verantwortliche in den Bereichen «Ressourcen» (z.B. Sicherheit, Digitale Dienste, Personal) und «Digitale Transformation und IKT-Lenkung». In der Bundeskanzlei arbeiteten im Jahr 2023 rund 350 Mitarbeitende.
Bisher waren die Wahlen an die Spitze der Bundeskanzlei meistens umstritten; die Mehrheit der bisher 13 Ersatzwahlen waren Kampfwahlen. Häufig ging es dabei auch um Kompensationsgeschäfte: So erhoben etwa die Katholisch Konservativen, also die spätere CVP, Anfang der 1930er Jahre Anspruch auf den Posten des Bundeskanzlers, weil sie sich mit zwei Sitzen gegenüber der FDP untervertreten fühlten – gewählt wurde freilich der FDP-Vertreter George Bovet. Die Konservative Volkspartei, wie die spätere CVP in der Zwischenzeit hiess, erhielt bei der nächsten Vakanz 1943 den Bundeskanzlerposten (Oskar Leimgruber), weil die FDP freiwillig darauf verzichtete, um nach dem Wahlerfolg der SP die Unterstützung der Konservativen und die Wiederwahl ihres Bundesrates zu sichern. Die Nichtwahl des von den Konservativen 1951 vorgeschlagenen Kandidierenden Josef Plattner – gewählt wurde stattdessen der damalige Vizekanzler Charles Oser von der FDP – führte letztlich zur Zauberformel: Der Ärger der Konservativen war mitverantwortlich dafür, dass sie der SP auf Kosten der FDP einen zweiten Bundesratssitz verschafften.
Seit Gründung des Bundesstaates gehörten neun Bundeskanzlerinnen oder Bundeskanzler der FDP an, vier der Mitte (bzw. der CVP / den Katholisch-Konservativen) und einer der SP. Die SVP versuchte bisher bei drei Wahlen erfolglos, eigene Kandidierende an die Spitze der Bundeskanzlei zu setzen (1981; 1991 und 2007); keine andere Partei trat bisher zu Bundeskanzlerinnen- und Bundeskanzlerwahlen an.
Chronologie - Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler
Schiess, Johann Ulrich (fdp, AR; 1813-1883); im Amt von 1848 bis 1881 (bisher längste Amtsdauer mit 33 Jahren)
Ringier, Gottlieb (fdp, BE; 1837-1929); im Amt von 1881 bis 1909
Schatzmann, Hans (fdp, AG; 1848-1923); im Amt von 1909 bis 1918
von Steiger, Adolf (fdp, BE; 1859-1925); im Amt von 1918 bis 1925 (im Amt verstorben)
Käslin, Robert (fdp, NW; 1871-1934); im Amt von 1925 bis 1934
Bovet, George (fdp, NE; 1874-1946); im Amt von 1934 bis 1943 (erster französischsprachiger Bundeskanzler)
Leimgruber, Oskar (cvp, FR; 1886-1976); im Amt von 1943 bis 1951 (erster Bundeskanzler der CVP; damals noch Katholisch-Konservative)
Oser, Charles (fdp, VD; 1902-1994); im Amt von 1951 bis 1967
Huber, Karl (cvp, SG; 1915-2002); im Amt von 1967 bis 1981
Buser, Walter (sp, BL; 1926-2019); im Amt von 1981 bis 1991 (erster Bundeskanzler der SP)
Couchepin, François (fdp, VS; 1935-2023); im Amt von 1991 bis 1999 (erst im sechsten Wahlgang gewählt)
Huber-Hotz, Annemarie (fdp, ZG; 1948-2019); im Amt von 1999 bis 2007 (erste Bundeskanzlerin)
Casanova, Corina (cvp, GR; 1956); im Amt von 2007 bis 2015 (zweite Bundeskanzlerin)
Thurnherr, Walter (cvp, AG; 1963); im Amt von 2015 bis 2023 (bestätigt am 11.12.2019)
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