Anders als der Nationalrat kennt der Ständerat keine Legislaturperiode. Amtsdauer und Wahltermin richten sich nach kantonalem Recht und auch wenn – mit Ausnahme des Kantons Appenzell Innerrhoden – in der Regel in einem Kanton gleichzeitig National- und Ständeratswahlen durchgeführt werden, gibt es in der kleinen Kammer anders als in der grossen keine Gesamterneuerung und auch keine Konstituierung. Nach eidgenössischen Wahlen muss der Ständerat lediglich von den Mitteilungen der Kantone zu den Wahlen (PAG 23.221) und vom Bericht zur Feststellung von Unvereinbarkeiten (PAG 23.068) Kenntnis nehmen und schliesslich, wie in jeder Wintersession, die Wahl des Büros vornehmen.
In der den eidgenössischen Wahlen folgenden Wintersession 2023 begrüsste die amtierende Ständeratspräsidentin Brigitte Häberli-Koller (mitte, TG) – und eben nicht wie im Nationalrat ein Alterspräsident oder eine Alterspräsidentin – die Anwesenden nicht zur neuen Legislatur sondern einfach zu ersten Sitzung der Wintersession. In ihrer Abschiedsrede (23.9002) lobte die scheidende Präsidentin die Zusammenarbeit in der kleinen Kammer. Es sei aufgrund der vielen «Herausforderungen und Krisenmomenten» in den letzten Jahren nicht selbstverständlich, dass es in der kleinen Kammer «ohne Spektakel [...] ruhig und respektvoll» zu und hergehe, und dass trotz der von sozialen Medien angetriebenen «rasanten Geschwindigkeit» der Informationsverbreitung die «Debattenkultur» im Ständerat hochgehalten werde. Am eindrücklichsten finde sie aber, dass der Rat «beinahe ohne Vorschriften und Regeln» funktioniere. Diese Freiheit funktioniere nur, weil Respekt im Umgang herrsche, weil einander zugehört werde, weil nicht die Macht des Stärkeren ausgespielt werde. Zu dieser «Kultur der Selbstverantwortung» habe sie in ihrem Präsidialjahr gerne ihren Beitrag geliefert.
Nach der Mitteilungen der Kantone, in denen die rechtskräftige Wahl der Anwesenden vermerkt war, schritt die scheidende Präsidentin zur Vereidigung der 13 neu gewählten Ständerätinnen und Ständeräte. Petra Gössi (fdp, SZ), Marianne Binder-Keller (mitte, AG), Pascal Broulis (fdp, VD), Mauro Poggia (mcg, GE), Benjamin Mühlemann (fdp, GL), Fabio Regazzi (mitte, TI) und Pirmin Schwander (svp, SZ) legten den Eid ab und Flavia Wasserfallen (sp, BE) Franziska Roth (sp, SO), Tiana Angelina Moser (glp, ZH), Baptiste Hurni (sp, NE), Pierre-Yves Maillard (sp, VD) und Simon Stocker (sp, SH) legten das Gelübde ab.
Anschliessend nahm der Ständerat den von Stefan Engler (mitte, GR) zusammengefassten Bericht des Büros zur Kenntnis, in dem mögliche Unvereinbarkeiten festgestellt werden. Solche würden vorliegen, wenn eine Ständerätin oder ein Ständerat Mitglied in einer Organisation wäre, die mit Verwaltungsaufgaben betraut ist oder bei der der Bund eine beherrschende Stellung innehat. Dies war für niemandem im Rat der Fall. Ebenfalls nicht möglich ist eine gleichzeitige Einsitznahme im National- und im Ständerat. Da sich die elf neuen Ständeratsmitglieder, die gleichzeitig auch in den Nationalrat gewählt worden waren (Gössi, Hurni, Maillard, Salzmann, Wasserfallen, Broulis, Poggia, Regazzi, Roth, Moser und Binder) allesamt für das Mandat in der kleinen Kammer entschieden hatten, lag auch hier keine Unvereinbarkeit vor.
Sodann schritt der Rat schliesslich zur Wahl des Büros 2023/2024. Gewählt wurde die amtierende zweite Vizepräsidentin, Eva Herzog (sp, BS). Auf 44 der 46 eingelangten Wahlzettel stand der Name der Baslerin; 2 Wahlzettel waren leer eingelegt worden. Eva Herzog ist die sechste Frau, die den Ständerat präsidiert (gegenüber 195 Männern) und die erste Frau auf diesem Posten, die der SP angehört – die SP besetzte (seit 1919) insgesamt 10 mal das Präsidium der kleinen Kammer (FDP/Liberale: 46 Mal; CVP/Mitte: 45 Mal, SVP/BGB: 7 Mal). Eva Herzog war mit 61 Jahren älter als die bisherigen Präsidentinnen und Präsidenten im Durchschnitt (54 Jahre) und ihre bisher vierjährige Erfahrung im Rat war vergleichsweise kurz, gemessen an der mittleren Amtsdauer der bisherigen Ständerätinnen und Ständeräte bis zu deren Wahl ins Präsidium (11.5 Jahre). Die 44 Stimmen dürfen im Vergleich (seit 1972 durchschnittlich 42.1 Stimmen) aber als Beweis dafür gelten, dass ihr die Kompetenz für das Amt von ihren Ratskolleginnen und -kollegen zugeschrieben wurde. Zum 9. Mal sass ein Kantonsvertreter bzw. eine Kantonsvertreterin aus Basel-Stadt an der Spitze der kleinen Kammer (VD: 17 Mal; BE: 15 Mal; TG: 13 Mal; noch nie: NW).
Eigentlich wäre das Amt turnusgemäss der ersten Vizepräsidentin, Lisa Mazzone (gp, GE), zugestanden. Da die Genferin aber nicht wieder in den Ständerat gewählt worden war, kam Eva Herzog, die selber erst Ende 2022 als Ersatz für die damalige erste Vizepräsidentin und zur Bundesrätin gewählte Elisabeth Baume-Schneider ins Ständeratspräsidium gewählt worden war, zum Zug. Es wird damit voraussichtlich eine Weile dauern, bis sich erneut eine Chance auf ein erstes Ständeratspräsidium für eine Nicht-Bundesratspartei ergibt.
Nachdem die scheidende Präsidentin Brigitte Häberli-Koller den Präsidentinnensessel geräumt hatte, bedankte sich die neue Präsidentin bei der alten. Die Bevölkerung erwarte, dass das Parlament alle Menschen repräsentiere und zwar «unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Alter, Sprache, sozialer Stellung; unabhängig von der Lebensform, von religiöser, weltanschaulicher oder politischer Überzeugung; unabhängig von der geistigen und körperlichen Verfassung». Um diese Erwartung zu erfüllen, müssten die demokratischen Werte hochgehalten und gegen die zunehmenden autokratischen Tendenzen weltweit verteidigt werden, so Herzog in ihrer Antrittsrede. Dabei müssten auch die Schweizer Neutralität neu gedacht und die erodierenden Beziehungen zur EU auf eine neue Basis gestellt werden. Einen Stadtkanton vertretend wolle sie zwar die städtischen Anliegen vertreten, aber dennoch mithelfen, den Stadt-Land-Graben zuzuschütten.
Nach einem musikalischen Intermezzo wurden Andrea Caroni (fdp, AR) mit 42 von 46 eingelangten Stimmen (4 Wahlzettel blieben leer) zum ersten Vizepräsidenten und Stefan Engler (mitte, GR) mit 44 von 46 eingelangten Stimmen (2 Wahlzettel blieben leer) zum zweiten Vizepräsidenten gewählt. Das Büro komplettierten Werner Salzmann (svp, BE) als Stimmenzähler (43 von 46 eingelangten Wahlzetteln, 3 leer) und Mathilde Crevoisier Crelier (sp, JU; 40 von 46 eingelangten Wahlzetteln, 6 leer).