Verschuldete Personen nicht noch stärker unter Druck setzen (Pa.Iv. 12.405)

Verschuldete Personen sollen weniger stark unter Druck gesetzt werden, indem die effektiv überwiesenen monatlichen Beträge für die Ratenzahlung von Steuern in die Berechnung des Existenzminimums einbezogen werden, so die Forderung einer parlamentarischen Initiative Golay (mcg, GE). Der Initiant knüpfte damit an eine 2013 abgelehnte parlamentarische Initiative Poggia (mcg, GE; Pa.Iv. 12.405) an, welche das gleiche Ziel verfolgt hatte. Doch auch drei Jahre später stiess das Anliegen im Nationalrat mehrheitlich auf taube Ohren. Die grosse Kammer folgte dem Antrag ihrer Kommissionsmehrheit und gab der Initiative keine Folge, da man Forderungen des Gemeinwesens nicht gegenüber Forderungen anderer Gläubiger bevorzugen wolle.

Einbezug der Steuern in die Berechnung des Existenzminimums prüfen (Po. 18.4263)

Gemäss geltendem Recht werden Steuerforderungen bei der Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nicht berücksichtigt. Die Thurgauer SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr stellte fest, dass Personen mit einer Lohnpfändung kaum in der Lage seien, die Steuerforderungen zu begleichen. Folglich würden immer neue Zahlungsbefehle ausgestellt, die Betreibung fortgesetzt und letztlich der Abbau der ausstehenden Schulden praktisch verunmöglicht. Mit einer Motion (Mo. 18.3872) wollte sie dies ändern und forderte, dass die Steuern in die Berechnung des Existenzminimums miteinbezogen werden. In seiner Stellungnahme äusserte der Bundesrat Verständnis für das Anliegen der Motionärin, gab aber zu Bedenken, die Umsetzung sei aufgrund der komplexen Zusammenhänge nicht einfach. Eine Erhöhung des Existenzminimums, wie in der Motion gefordert, hätte beispielsweise zur Folge, dass die Gerichte bei Bestehen unterhaltsrechtlicher Verpflichtungen weniger hohe Unterhaltszahlungen festlegen könnten, wodurch Mankofälle (wo nach der Trennung das totale Einkommen nicht mehr ausreicht, um die Bedürfnisse der Elternteile und der Kinder zu decken) häufiger würden. Die Problematik solle zuerst genauer untersucht und Lösungsansätze evaluiert werden, erklärte der Bundesrat, weshalb er die Motion zur Ablehnung beantragte.
Noch bevor der Erstrat über die Motion befinden konnte, überwies der Nationalrat im Frühling 2019 ein entsprechendes Postulat Gutjahr (Po. 18.4263) und beauftragte den Bundesrat damit, Möglichkeiten zum Einbezug der Steuern in die Berechnung des Existenzminimums zu prüfen und Lösungswege aufzuzeigen.

In seinem Bericht vom 1. November 2023 drückte der Bundesrat Verständnis für das Anliegen des Postulats Gutjahr (svp, TG) aus, dass die laufenden Steuern künftig in die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums einbezogen werden sollen. Dass die Steuern heute bei der Berechnung des Existenzminimus nicht berücksichtigt werden, fördere die Überschuldung betroffener Personen, da durch eine Pfändung zwar alte Schulden abgebaut, mitunter aber neue Steuerschulden geschaffen würden. Dies sei für die Betroffenen unbefriedigend und psychisch belastend. Die Regierung zeigte im Bericht verschiedene Wege zur Umsetzung auf. Dass diese alle mit einem Zusatzaufwand für die Behörden verbunden wären, sollte einer sinnvollen Lösung jedoch nicht im Weg stehen, befand der Bundesrat. Wichtig sei, dass eine Anpassung bei der Berechnung des Existenzminimums aber nicht dazu führe, dass familienrechtliche Unterhaltsforderungen gestrichen werden, weshalb es hierfür eine Sonderregelung brauche. Alles in allem zeigte sich der Bundesrat offen für eine entsprechende Gesetzesänderung, sollte er vom Parlament den Auftrag dazu erhalten.

In seinem Bericht zu den parlamentarischen Vorstössen im Jahre 2023 beantragte der Bundesrat die Abschreibung des Postulats Gutjahr (svp, TG), da er mit der Veröffentlichung seines Berichts zum Einbezug der laufenden Steuern in die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums im November 2023 das Anliegen als erfüllt erachtete. Der Nationalrat folgte ihm in der Sommersession 2024 und schrieb das Postulat stillschweigend ab.

Bekämpfung der Schuldenspirale. Berücksichtigung der Steuerlast des laufenden Jahres in den Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums. Anpassung der Bundesgesetzgebung (Kt.Iv. 23.303)

Mit einer Standesinitiative wollte der Kanton Genf dem Anliegen des Postulats Gutjahr (svp, TG; Po. 18.4263) zur Umsetzung verhelfen, sodass bei der Einkommenspfändung zur Schuldentilgung die laufende Steuerlast in die Berechnung des unpfändbaren Existenzminimums miteinbezogen wird. Die Nichtberücksichtigung der Steuern treibe verschuldete Privatpersonen in eine Schuldenspirale, in der die Schuld gegenüber den Gläubigern zwar abgebaut, gleichzeitig aber jährlich Steuerschulden gegenüber dem Staat angehäuft würden, so die Begründung. Im SchKG soll daher ein Absatz ergänzt werden, der die Beträge für Ratenzahlungen von Bundes-, Kantons- und Gemeindesteuern als unpfändbar erklärt, sofern der Schuldner oder die Schuldnerin diese nachweislich bezahlt.
Die RK-SR bejahte im Januar 2024 den dargelegten Handlungsbedarf, gab aber zu bedenken, dass die beste Lösung für das Problem noch nicht klar ersichtlich sei. Sie gab der Standesinitiative deshalb keine Folge und lancierte stattdessen eine Kommissionsmotion (Mo. 24.3000), die den Bundesrat beauftragt, eine vertiefte Evaluation möglicher Lösungsvarianten vorzunehmen und gestützt darauf eine entsprechende Änderung des SchKG vorzuschlagen.

Im März 2024 behandelte der Ständerat die Genfer Standesinitiative für die Bekämpfung der Schuldenspirale, der die RK-SR keine Folge gegeben hatte. Stattdessen hatte die Rechtskommission eine Motion (Mo. 24.3000) eingereicht, derzufolge der Bundesrat gestützt auf den Bericht zum Postulat Gutjahr (svp, TG) eine Revision des SchKG ausarbeiten soll, um das Anliegen der Standesinitiative anzugehen. Diese forderte, künftig die laufenden Steuern bei der Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums zu berücksichtigen, sodass keine unvermeidbare Steuerverschuldung durch eine laufende Pfändung entsteht. Wie Kommissionssprecherin Isabelle Chassot (mitte, FR) erklärte, ermögliche die Motion im Gegensatz zur Standesinitiative eine umfassende Evaluation zwischen der Bundesverwaltung, den Betreibungsämtern und den kantonalen Steuerbehörden. Der Ständerat folgte seiner Kommission und gab der Initiative zugunsten der Motion einstimmig keine Folge.

Einbezug der Steuern in die Berechnung des Existenzminimums (Mo. 24.3000)

Im März 2024 behandelte der Ständerat eine Motion seiner RK-SR für den Einbezug der Steuern in die Berechnung des Existenzminimums. Diese war von der Kommission als Reaktion auf die Genfer Standesinitiative zur Bekämpfung der Schuldenspirale (Kt. Iv. 23.303) eingereicht worden, welcher die Kommission keine Folge geben hatte wollen, da die beste Lösung für das Problem noch nicht klar ersichtlich sei. Gemäss der Motion soll der Bundesrat gestützt auf den Bericht zum Postulat Gutjahr (svp, TG) eine Revision des SchKG ausarbeiten, um das Anliegen umzusetzen. Wie Sprecherin Isabelle Chassot (mitte, FR) festhielt, ermögliche dieses Vorgehen im Gegensatz zur Standesinitiative eine umfassende Evaluation zwischen der Bundesverwaltung, den Betreibungsämtern und den kantonalen Steuerbehörden. Bundesrat Beat Jans verwies auf die im Bericht bereits vorliegenden Lösungsansätze und empfahl die Motion ebenfalls zur Annahme. Der Ständerat folgte der Regierung und seiner Kommission und hiess die Motion einstimmig gut. Der Standesinitiative gab er indes keine Folge.

Im Mai 2024 behandelte die Volkskammer eine Motion der RK-SR für den Einbezug der Steuern in die Berechnung des Existenzminimums, welche als Reaktion auf die Standesinitiative des Kantons Genfs (Kt. Iv. 23.303) eingereicht worden war. Gleich wie der Ständerat und die Regierung war der Nationalrat der Ansicht, dass mit der Motion – gegenüber der Standesinitiative – eine umfassendere Evaluation für die notwendigen Anpassungen des SchKG durch die Verwaltung möglich sei. Er hiess die Motion einstimmig gut und gab der Initiative keine Folge.