Bei irreführender marktwirtschaftlicher Werbung könne man sich an die Lauterkeitskommission wenden, es gebe aber keine solche Stelle, wenn bei Abstimmungskampagnen mit unlauteren Argumenten argumentiert werde, leitete Balthasar Glättli (gp, ZH) sein Votum für seine parlamentarische Initiative in der Sommersession 2024 ein. Freilich brauche es in der Politik «Übertreibung» und «Zuspitzung»; aber: «Es kann doch nicht sein, dass man über bezahlte Werbung objektive Falschaussagen in die politische Debatte hineinbringt!» Mit seiner Initiative fordere er keine Zensur, sondern ein Gremium, an das man mit Beschwerden zu irreführender bezahlter Werbung für Abstimmungskampagnen gelangen könne. Glättli verwies auf eine ähnlich gerichtete parlamentarische Initiative von Judith Stamm (cvp, LU; Pa.Iv. 99.427), der bereits kurz nach der Jahrtausendwende Folge gegeben, die aber schliesslich nicht weiterverfolgt worden sei. Das Problem sei noch immer aktuell. Auf die Zwischenfrage von Rémy Wyssmann (svp, SO), wie denn ein solches Gremium zusammengesetzt sein solle, antwortete Glättli, dass er sich eine Art «Ältestenrat» vorstellen könne, der aus ehemaligen Parteipräsidentinnen und -präsidenten bestünde, «die wissen, dass es nicht eine Wissenschaft und schwarz-weiss ist, die aber gleichzeitig auch wissen, dass es Fakten und Lügen gibt».
Die Vorprüfungsdebatte war nötig geworden, weil sich die SPK-NR mit 16 zu 8 Stimmen gegen Folgegeben ausgesprochen hatte. Die starke Minderheit wurde vertreten durch Delphine Klopfenstein Broggini (gp, GE), die argumentierte, dass das vorgesehene Lauterbarkeitsgremium keine politischen Urteile zu fällen hätte, sondern lediglich offensichtliche Falschaussagen korrigieren müsste. Dies werde zunehmend wichtiger, weil Stimmbürgerinnen und Stimmbürger durch immer mehr Fake News verunsichert würden. Für die Kommissionsmehrheit ergriff zum Schluss Benjamin Fischer (svp, ZH) das Wort. Auch er verwies auf die Diskussionen von vor 20 Jahren. Damals sei der Nationalrat nicht auf die Vorlage eingetreten, weil sie als nicht praktikabel beurteilt worden sei. Eine Korrektur müsste seriös argumentiert, aber trotzdem sehr schnell angebracht werden – dies gelte heute mit sozialen Medien noch mehr als bei der Initiative von Judith Stamm. Dies sei aber kaum zu leisten. Die Beurteilung des Wahrheitsgehaltes einer politischen Werbung sei zudem nicht einfach und würde Ermessensfrage bleiben oder so offensichtlich sein, dass es ein entsprechendes Gremium kaum brauche. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass eine falsche Aussage durch eine öffentlich diskutierte Korrektur nur noch mehr Gewicht erhält. Schliesslich dürfe man auf die Vernunft der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger vertrauen, die sich nicht einfach so in die Irre führen liessen, so Fischer abschliessend.
In der Abstimmung widerspiegelten sich schliesslich die Verhältnisse in der Kommission: Mit 126 zu 60 Stimmen wurde die Idee verworfen. Folge gegeben hätten die geschlossenen stimmenden SP- und GP-Fraktionen.