Aufhebung der Goldbindung des Schweizer Frankens & neuer Währungsartikel in der Bundesverfassung (BRG 98.032)

Als PDF speichern

Die Nationalbank (SNB) hatte sich zuvor ebenfalls dafür ausgesprochen, die Verfassungsvorschrift der Goldbindung des Frankens zu streichen (die Pflicht, Franken gegen Gold einzutauschen, war bereits 1953 aufgehoben worden). Diese Reform würde es der SNB zum Beispiel erlauben, einen Teil ihrer Goldreserven zu verkaufen und den Ertrag gewinnbringend anzulegen. Im Entwurf für eine neue Bundesverfassung (BV) wurde diesem Anliegen Rechnung getragen. Anstelle der Verpflichtung, dass der Notenumlauf durch Gold- und Devisenbestände gedeckt sein muss, soll die Vorschrift treten, dass die Notenbank zur Bildung ausreichender Devisenreserven verpflichtet ist.

Dossier: Verwendung der nicht mehr benötigten Goldreserven der SNB

Die Experten schlugen ebenfalls in Bezug auf die Währungsreserven eine vollständige Anpassung an die seit Jahrzehnten geübte Praxis vor, indem sie die Lösung der Goldbindung des Frankens postulierten. Dies würde der Nationalbank (SNB) eine profitablere Bewirtschaftung der Währungsreserven erlauben, indem ein Teil des Goldes durch zinstragende Anleihen ersetzt werden könnte. Die durch eine marktnähere Bewertung der Goldreserven erzielte Aufwertung der Währungsreserven würde es auch zulassen, mehr als die Hälfte der knapp 2'600 Tonnen umfassenden Goldbestände nicht mehr für die Geld- und Währungspolitik zu verwenden, sondern an andere Institutionen zur sukzessiven Umwandlung in zinstragende Anlagen und zur Nutzung dieser Erträge abzutreten.

Dossier: Verwendung der nicht mehr benötigten Goldreserven der SNB

Bundesrat Villiger sprach sich vor allem aus politischen Gründen, das heisst, um die nur mit einer Verfassungsrevision (BV) zu schaffende Finanzierungsgrundlage für die geplante Solidaritätsstiftung nicht zu gefährden, für eine offenere, das heisst weniger ausschliesslich auf die Wahrung der Preisstabilität ausgerichtete Zielformulierung aus. Nach einigem Zögern schloss sich ihm das SNB-Direktorium an. Zudem äusserte sich Villiger auch skeptisch zum Vorschlag, Goldbestände, welche für die Geldpolitik nicht mehr benötigt werden, an Dritte abzutreten. Seiner Ansicht nach soll die Nationalbank diese Bestände – mit Ausnahme der für die Solidaritätsstiftung vorgesehenen CHF sieben Mrd. – selbst bewirtschaften und den Bund und die Kantone im Rahmen der bisherigen Gewinnausschüttung von den erhöhten Erträgen profitieren lassen. Im Dezember kündigte der Bundesrat an, dass er anfangs 1998 einen Entwurf für einen Verfassungsartikel in die Vernehmlassung geben werde, welcher der Nationalbank vorschreibt, eine Geldpolitik im Dienste der Landesinteressen zu praktizieren, wobei die Priorität auf die Geldwertstabilität zu legen sei.

Dossier: Verwendung der nicht mehr benötigten Goldreserven der SNB

Wie im Vorjahr angekündigt, präsentierte der Bundesrat im Berichtsjahr seinen Entwurf für einen neuen Währungsartikel in der Bundesverfassung (BV). Dieser enthielt gegenüber dem Expertenbericht von 1997 keine Überraschungen. Er sieht vor, dass die rechtlich immer noch bestehende, faktisch aber seit längerer Zeit nicht mehr praktizierte Goldbindung des Schweizer Frankens aufgehoben wird. Der Erlös aus dem nicht mehr für währungspolitische Zwecke benötigten Gold – gemäss einem Gutachten rund die Hälfte des SNB-Bestandes, d.h. 1300 t zu einem heutigen Wert von CHF 18 Mrd. – soll nicht von der Nationalbank an Dritte veräussert werden, sondern in deren Besitz bleiben. Nach allfälligem Abzug der für die Solidaritätsstiftung vorgesehenen CHF 7 Mrd. sowie eventuellen weiteren Zuwendungen soll er aber extern und ertragsorientiert bewirtschaftet werden. Die Verwendung und den Verteilschlüssel der dabei erzielten Gewinne lässt der Verfassungsartikel offen. Die Erträge aus dem normalen Notenbankgeschäft, welche nicht für die Bildung von Währungsreserven und die Dividendenzahlung an die Kapitaleigentümer gebraucht werden, sollen wie bis anhin im Verhältnis zwei zu eins zwischen Kantonen und Bund verteilt werden; die SNB und das EFD gaben bekannt, dass die Ertragserwartungen der SNB erlauben würden, die Gewinnausschüttung an Bund und Kantone ab 1999 von CHF 600 Mio. auf CHF 1.5 Mrd. zu erhöhen. Die faktisch ebenfalls seit Jahrzehnten bestehende Unabhängigkeit der Nationalbank soll neu in der Verfassung explizit erwähnt werden. Die SNB wird aber verpflichtet, den Bundesbehörden und der Öffentlichkeit Rechenschaft über ihre Geld- und Währungspolitik abzulegen. Zudem soll der bisher recht breit formulierte Notenbankauftrag präzisiert werden, indem angegeben wird, dass ihre Politik dem Gesamtinteresse des Landes dienen soll, wobei primär das Ziel der Preisstabilität zu verfolgen sei. Zur Begründung dieser von der SP und den Gewerkschaften, welche auch die Ziele Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung erwähnt haben möchten, in der Vernehmlassung als schlechte monetaristische Geldpolitik kritisierte Vorzugsstellung der Preisstabilität führte der Bundesrat an, dass nach breitem Konsens unter den Wissenschaftern die Geldpolitik langfristig ohnehin nur diese Grösse wirkungsvoll beeinflussen könne.

Dossier: Verwendung der nicht mehr benötigten Goldreserven der SNB

Bereits vor der Parlamentsdebatte hatte SVP-Nationalrat Blocher (ZH) verkündet, dass er dafür kämpfen werde, den Erlös der nicht mehr benötigten Goldreserven der Nationalbank (SNB) – von ihm das «Volksvermögen» genannt – für die AHV und nicht für die Solidaritätsstiftung oder andere Zwecke einzusetzen. Ein Sonderparteitag der SVP beschloss im Juni, eine entsprechende Volksinitiative vorzubereiten.

Dossier: Verwendung der nicht mehr benötigten Goldreserven der SNB

Analog zum Beschluss anlässlich der Totalrevision der Bundesverfassung (BV) schrieb der Nationalrat gegen den Widerstand der SP der Nationalbank (SNB) vor, dass sie einen, allerdings nicht näher spezifizierten Teil ihrer Reserven in Gold halten müsse. Eine ganze Reihe von Minderheitsanträgen lag zur Frage der Verwendung derjenigen Mittel (sowie deren Erträge) vor, die nach der Aufhebung der Goldbindung nicht mehr für die Reservenbildung benötigt werden. Hier spielte insbesondere auch das im Frühjahr 1997 vom Bundesrat vorgestellte Projekt einer Solidaritätsstiftung hinein, die ja aus einem Teil dieser nicht mehr benötigten Mittel gespiesen werden soll. Klar gegen diese Stiftung richtete sich ein Antrag Baumann (svp, TG), der verlangte, dass diese Gelder vollumfänglich von der Nationalbank in den AHV-Fonds zu überweisen seien. Die SP unterstützte einen Antrag Jans (sp, ZG), der auf Verfassungsstufe festhalten wollte, dass die Erträge dieser Mittel hauptsächlich für die Sozialversicherungen zu verwenden seien; die Zuweisung eines Teils davon an die Solidaritätsstiftung wäre aber nicht ausgeschlossen. Etwas weniger weit ging ein Antrag Rychen (svp, BE), der lediglich festhalten wollte, dass ein Teil der Erträge für die Fort- und Weiterbildung zu verwenden sei, sonst aber dem Gesetzgeber freie Hand lassen wollte. Durchgesetzt hat sich letztlich der von der FDP und der CVP unterstützte Antrag der Kommissionsmehrheit, der den Entscheid über die Frage der Verteilung der Erträge bzw. der Ausgliederung der nicht mehr benötigten Reserven offenliess und ihn der Gesetzgebung zuwies. In der Gesamtabstimmung wurde der neue Währungsartikel mit 95 zu 57 angenommen; die Opposition kam von der SP und der GP, welche damit noch einmal gegen die Zielsetzung der Geld- und Währungspolitik protestierten.

Dossier: Verwendung der nicht mehr benötigten Goldreserven der SNB

Der Nationalrat befasste sich in der Dezembersession mit der Vorlage. Dabei ergab sich die einigermassen paradoxe Situation, dass das Parlament praktisch gleichzeitig auch den neuen Währungsartikel in der totalrevidierten Bundesverfassung zu verabschieden hatte (Art. 99 BV). Dieser hebt die faktisch ohnehin nicht mehr bestehende Goldbindung des Schweizerfrankens auf. Auf Antrag der Kommission des Ständerates (WAK-SR) hiessen allerdings beide Räte die Bestimmung gut, dass die Nationalbank einen Teil ihrer Währungsreserven weiterhin in Gold halten muss. Der neue Artikel verankert zudem die Unabhängigkeit der Nationalbank auf Verfassungsebene, er schreibt dieser jedoch – in Übereinstimmung mit dem Nachführungsauftrag der Verfassungstotalrevision – nur allgemein vor, dass ihre Politik den Gesamtinteressen des Landes zu dienen haben.

Dossier: Verwendung der nicht mehr benötigten Goldreserven der SNB

Die Kommissionsmehrheit beantragte, auf die vom Bundesrat vorgeschlagene Revision dieses eben erst in der Verfassungsreform (BV) verabschiedeten neuen Artikel einzutreten, da sie notwendige Ergänzungen über die Verwendung der nicht mehr benötigten Währungsreserven enthalte und zudem das Ziel der Geld- und Währungspolitik präzisiere. Genau diese Präzisierung lehnte hingegen die SP weiterhin ab. Sie verlangte Rückweisung an den Bundesrat mit der Auflage, die Zielsetzung der Notenbankpolitik in ihrem Sinne zu erweitern. Ihr Antrag wurde von der Fraktion der Grünen unterstützt, unterlag aber mit 114 zu 61 Stimmen. In der Detailberatung lagen zum Zielartikel nicht weniger als vier Anträge von Kommissionsminderheiten vor: einer, der das von der SP gewünschte Zielbündel (Vollbeschäftigung, Wachstum und Preisstabilität) aufnehmen wollte, sowie zwei Kompromissanträge von bürgerlicher und einer von linker Seite, welche in mehr oder weniger verbindlicher Weise forderten, dass die Nationalbank bei der Verfolgung des Preisstabilitätsziels die konjunkturelle Lage berücksichtigen müsse. Alle wurden zugunsten der Version des Bundesrates abgelehnt, der unter anderem auch ins Feld führen konnte, dass die von ihm gewählte Formulierung den Beschlüssen der Europäischen Union (EU) über die neue Europäische Zentralbank (EZB) entspreche. Bei der Berichterstattungspflicht der Nationalbank (SNB) gegenüber dem Bund und der Öffentlichkeit präzisierte der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission (WAK-NR), dass mit dem Ausdruck Bund sowohl der Bundesrat als auch die Bundesversammlung gemeint sind.

Dossier: Verwendung der nicht mehr benötigten Goldreserven der SNB

Mit der Annahme der neuen Bundesverfassung in der Volksabstimmung vom 18. April hiessen Volk und Stände auch den neuen Geld- und Währungsartikel (Art. 99 BV) gut. Die auf den Beginn des Jahres 2000 in Kraft gesetzte Bestimmung löst den Franken von seiner bisherigen verfassungsrechtlichen Bindung an das Gold und verankert die Unabhängigkeit der Nationalbank (SNB). Der Auftrag an die Notenbank verpflichtet diese wie bis anhin, dem Gesamtinteresse des Landes zu dienen. Aus der alten Verfassung übernommen wurde auch die Vorschrift, dass die Kantone zu zwei Dritteln am Reingewinn der Nationalbank partizipieren. Eine davon abweichende Regelung für die Verteilung der aus dem Verkauf nicht mehr benötigter Währungsreserven stammenden Gelder ist nicht vorgesehen. Um diese Lücke zu füllen und zudem den Notenbankauftrag zu präzisieren, hatte der Bundesrat im Vorjahr eine Revision dieses Artikels beantragt, welche vom Nationalrat gutgeheissen worden war.

Dossier: Verwendung der nicht mehr benötigten Goldreserven der SNB

Im Berichtsjahr stimmte der Ständerat dem neuen Währungsartikel in der Bundesverfassung (BV) ebenfalls zu. Mit 33 zu 3 Stimmen lehnte er einen Antrag Onken ab, auf die Erwähnung des prioritären Ziels der Preisstabilität zu verzichten. Die Regelung der Verwendung von nicht mehr benötigten Währungsreserven formulierte er statt im Artikel selbst in einer Übergangsbestimmung. Diese besagt, dass die Verwendung auf dem Gesetzesweg geregelt werden muss, und dass bei der Verteilung der jetzt aufgelaufenen nicht mehr benötigten Reserven – nicht aber in zukünftigen Fällen – vom Verteilungsschlüssel von zwei zu eins zwischen Kantonen und Bund abgewichen werden kann. Der Nationalrat übernahm diese Präzisierung, wobei ein von der SVP und der SP unterstützter Antrag, auch in Zukunft von diesem Verteilschlüssel abweichen zu können, nur ganz knapp unterlag. Die Haltung der SVP und der SP war motiviert von ihren Bestrebungen, auch in späteren Zeiten Mittel der Nationalbank (SNB) für die Finanzierung der Sozialwerke zu erschliessen; darüber hinaus wollten sie aber auch die Differenzbereinigung mit dem Ständerat torpedieren, um die ganze Vorlage zu verhindern. In der Schlussabstimmung gelang ihnen dies dann: Der neue Verfassungsartikel scheiterte am Veto des Nationalrats. Eine Allianz von SP, GP, FP und SVP brachte ihn mit 86 zu 83 Stimmen bei 9 Enthaltungen zu Fall. Die SP begründete ihre Ablehnung mit der ihrer Ansicht nach falschen prioritären Ausrichtung der Geldpolitik auf die Preisstabilität. Für die SVP war das Argument ausschlaggebend, dass mit der Delegation der Regelung der Verwendung der nicht mehr benötigten Goldreserven auf Gesetzesstufe verhindert werde, dass über die Einrichtung einer Solidaritätsstiftung eine obligatorische Volksabstimmung mit Volks- und Ständemehr durchgeführt werden muss. Im Ständerat, wo FDP und CVP über eine komfortable Mehrheit verfügen, war die Schlussabstimmung zuvor bei sechs Gegenstimmen positiv ausgefallen.

Dossier: Verwendung der nicht mehr benötigten Goldreserven der SNB