Verletzung der Lex Friedrich im Kanton Graubünden

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Grössere Schwierigkeiten brachte die Anwendung des Gesetzes (der heutigen «Lex Friedrich») durch den Kanton Graubünden. In einem Musterprozess hatte dieser die Immobilienfirma Sud Provizel SA in Celerina, welche Liegenschaften im Engadin an italienische Staatsbürger vermittelt hatte, aufgelöst und die Liegenschaften dem Kanton zugesprochen. Dieses Vorgehen fand im Januar vor Bundesgericht seine vorläufig letzte Bestätigung. Als Reaktion darauf kam im italienischen Parlament allerdings der Ruf nach Retorsionsmassnahmen gegenüber Schweizer Bürgern oder Firmen auf. Zudem hielt Rom der Schweiz einen Staatsvertrag aus dem Jahre 1868 entgegen, in welchem zwischen beiden Ländern «gegenseitige Niederlassungsfreiheit» festgeschrieben worden war. Der Tessiner CVP-Politiker Gianfranco Cotti nahm das wachsende Unbehagen gegenüber der wenig europafreundlichen «Lex Friedrich» auf, indem er in einem Postulat ihre Totalrevision verlangte. In seiner schriftlichen Erklärung zeigte sich der Bundesrat bereit, das Postulat anzunehmen. Bekämpft wurde es dagegen von Ruf (sd, BE); die Diskussion darüber wurde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

Dossier: Lex Friedrich

Die heutige Rechtsprechung führte dagegen dieses Jahr zum Ausbruch eines schwelenden Konflikts mit Italien. Seit Mai 1991 ist es Schweizern ohne dortigen Wohnsitz nämlich grundsätzlich verwehrt, Immobilien im südlichen Nachbarland zu erwerben. Diese Massnahme ist eine direkte Entgegnung Italiens auf die vom Bundesgericht befohlene Auflösung der italienisch beherrschten Immobilienfirma «Sud Provizel» in Celerina (GR). Allerdings einigten sich beide Staaten darauf, in Verhandlungen einzutreten, für deren Dauer die italienische Regierung der Schweiz eine Suspendierung der getroffenen Retorsionsmassnahmen zusicherte. Ihre Aufhebung konnte dagegen nicht erreicht werden.

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Im Falle der vom Kanton Graubünden wegen Verletzung der «Lex Friedrich» verklagten italienischen Immobilienfirmen intervenierte der Bundesrat zugunsten letzterer und legte dem Kanton Graubünden nahe, auf eine konsequente Durchsetzung des Gesetzes zu verzichten und die betreffenden Gesellschaften nicht zu liquidieren, obwohl ein solches Vorgehen zuletzt auch vom Bundesgericht gefordert worden war. Der Kanton kam der eidgenössischen Weisung nach, indem er den illegalen Grundstückserwerb nachträglich sanktionierte.

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Das Vorgehen von Bund und Kanton rief allgemeine Verwunderung hervor. Die Bündner CSP sprach in einer einstimmig verabschiedeten Resolution von einem «rechtsstaatlich skandalösen» Vorgehen. Im Kantonsparlament wie in den eidgenössischen Räten wurden in dieser Frage Dringliche Interpellationen eingereicht. In den Bundeskammern verlangten neben dem Bündner SVP-Ständerat Gadient (92.3172) auch Nationalrat Steffen (sd, ZH) (90.3175) sowie die sozialdemokratische Fraktion (92.3165) vom Bundesrat Auskunft über sein Eingreifen sowie die weitere Anwendung der „Lex Friedrich“.

Bundesrat Delamuraz gestand zwar «mangelnde Eleganz» in dem Vorgehen des Bundesrates ein, rechtfertigte dieses jedoch mit der Bemühung der Regierung, einem internationalen Schiedsgerichtsspruch zuvorzukommen. Ausserdem habe sich 1965, bei der Beratung über die damalige «Lex von Moos», der Vorläuferin der heutigen Gesetzgebung, nicht der Bundesrat, sondern das Parlament leichtfertig über etwaige Reibungspunkte mit dem internationalen Recht hinweggesetzt. Eine vollständige Abschaffung des Bundesgesetzes lehnte Delamuraz zwar ab, stellte jedoch im Falle der Ablehnung des Beitritts der Schweiz zum EWR Modifikationen in Aussicht, um ebendiesen stossenden Widerspruch zwischen schweizerischer Gesetzgebung und bilateralen Verträgen zu beseitigen.

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Die Erklärungen des Bundesrates genügten der sozialdemokratischen Fraktion nicht. Mittels einer Motion verlangte sie eine Anschlussgesetzgebung an die „Lex Friedrich“ mit gleich wirksamen Bestimmungen wie sie das bestehende Bundesgesetz enthält. Zur Abstimmung kam der Vorstoss jedoch nicht, da er von Leuba (lp, VD) bekämpft wurde.

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Auf rechtlicher Ebene wurde das vom Bundesrat empfohlene Vorgehen von der Bündner Gemeinde Pontresina mit einer Beschwerde beim kantonalen Verwaltungsgericht zunächst angefochten. Ende Jahr stimmte jedoch auch diese Gemeinde der vorgeschlagenen Vergleichslösung zu, so dass unter die Affäre der nach der «Lex Friedrich» illegal erworbenen Grundstükke juristisch ein Schlussstrich gezogen werden konnte.

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