Revision des Scheidungsrechts (4. Etappe der Familienrechtsrevision; BRG 95.079)

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Im Rahmen der sich in Vorbereitung befindenden Revision des Scheidungsrechts wird die Scheidung aufgrund gegenseitiger Übereinstimmung nach einer bestimmten Trennungszeit, die gemeinsame Ausübung der elterlichen Gewalt bei Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil sowie die Berechnung der Alimente entsprechend dem Leistungsvermögen beider Elternteile diskutiert. Da in der Schweiz etwa jede dritte Ehe geschieden wird, dürfte die allfällige Ermöglichung der sogenannten Konventionalscheidung einem verbreiteten Bedürfnis entsprechen. Im Hinblick auf diese Revision lancierte eine «Interessengemeinschaft geschiedener und getrennt lebender Männer» eine nationale Petition, um eine Gleichstellung der Männer mit den Frauen im Scheidungsverfahren (Zuteilung der Kinder), eine Begrenzung der Pflicht zum Unterhalt der geschiedenen Frauen auf höchstens fünf Jahre sowie die Einführung eines vereinfachten und verkürzten Scheidungsprozesses zu erreichen. Die etwas weiter gediehene Revision des Sexualstrafrechts im Sinne einer gedämpften Liberalisierung ist an anderer Stelle behandelt worden. Überwiesen wurde auch ein Postulat Mascarin (poch, BS; Po. 83.346) über eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Gewalt.

Tandis que cette consultation populaire permettait de franchir la quatrième étape de la révision globale du droit de la famille, les premiers jalons en direction d'une modification des dispositions relatives au divorce étaient posés. D'ores et déjà programmée, cette révision sera pour le législateur l'occasion de réexaminer, entre autres questions, celle de l'attribution des enfants, ainsi que celle du rôle de la faute en matière de divorce. A cet égard, il convient de relever que le Conseil national a accepté sous forme de postulat une motion Fetz (poch, BS; Mo. 85.470), laquelle propose au gouvernement de simplifier la procédure de séparation et d'éliminer le principe de la faute lors de l'appréciation des demandes de divorce. La chambre du peuple a également transmis au Conseil fédéral une pétition du Mouvement de la condition paternelle (Pt. 85.254). Celui-ci s'élève en effet contre l'idée préconçue, dont s'inspire le droit en vigueur, selon laquelle le rôle de la femme est de rester à tout prix auprès de ses enfants. Pour éviter ses méfaits, le mouvement revendique l'adoption de mesures qui défendent plus équitablement les intérêts des pères lors de l'attribution de l'autorité parentale ou des droits de visite.

Das Eheschliessungs- und Scheidungsrecht aus dem Jahr 1907 soll den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen angepasst werden. Im April gab der Bundesrat einen entsprechenden Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung. Ziel des Revisionsentwurfes ist es, auf individuelle Bedürfnisse und Verhältnisse flexibel eingehen zu können. Eine wichtige Neuerung ist der Verzicht auf eine Schuldzuweisung bei Auflösung der Ehe; die Konventionalscheidung soll die Regel werden. Damit Ehen nicht übereilt geschieden werden, sind eine zweimalige Anhörung der Ehepartner durch den Richter sowie eine zweimonatige Bedenkzeit vorgesehen. Auch die finanziellen Regelungen gehen nicht mehr von einer Schuldzuweisung aus. Die Unterhaltsbeiträge bemessen sich aufgrund der Aufgabenteilung während der Ehe sowie nach Einkommen, Vermögen, Dauer der Ehe, Alter der Partner und Aussichten auf den beruflichen Wiedereinstieg. Ansprüche auf Pensionskassengelder, die während der Ehe erworben wurden, sollen hälftig geteilt werden. Das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder soll bei gegenseitigem Einverständnis der Eltern möglich werden.

Im Rahmen der Vernehmlassung verlangten die Homosexuellen Arbeitsgruppen der Schweiz (HACH) die Verankerung des Rechts auf Ehe für gleichgeschlechtliche Paare im Zivilgesetzbuch, da sonst homosexuelle Lebensgemeinschaften erbrechtlich sowie in anderen Fällen, in denen das Recht an den Status der Ehe anknüpft – beispielsweise bei fremdenpolizeilichen Bestimmungen –, gegenüber den heterosexuellen Paaren diskriminiert würden.

Geschiedene Frauen sind auch in der beruflichen Vorsorge schlecht gestellt. Von den Beiträgen, die der Mann während der Ehe einbezahlt hat, steht den Frauen nichts zu. Nach heutigem Recht können diese Beträge bei der Scheidung nicht berücksichtigt werden, weil sie lediglich eine Anwartschaft auf eine spätere Leistung darstellen. Nach dem Willen des Bundesrates soll sich dies nun ändern. Im Vorentwurf für ein neues Scheidungsrecht, den die Regierung im Berichtsjahr in die Vernehmlassung gab, befindet sich unter anderem die Bestimmung, dass beide Ehegatten grundsätzlich Anspruch auf die Hälfte der im Lauf der Ehe geäufneten Pensionskassenguthaben haben. Als Berechnungsgrundlage soll die im Zeitpunkt der Scheidung geltende Freizügigkeitsleistung dienen. Da das revidierte Scheidungsrecht wohl kaum vor dem Jahr 2000 in Kraft treten wird, enthält das neue Freizügigkeitsgesetz eine Übergangsregelung, welche die Freizügigkeitsleistung bei Scheidung für übertragbar erklärt. Anhand der Berechnung der zu erwartenden Austrittsleistung haben die Gerichte zu bestimmen, was den beiden Partnern zusteht. Die Pensionskassen werden verpflichtet, den betreffenden Versicherten ein verzinsliches Darlehen zu gewähren, welches ihnen erlaubt, sich wieder in die vollen reglementarischen Leistungen einzukaufen.


Im Herbst leitete der Bundesrat dem Parlament seinen Entwurf zur Revision des Ehescheidungsrechts zu. Für das federführende EJPD galt es, den entsprechenden, noch aus dem Jahr 1907 stammenden Teil des Zivilgesetzbuches den heutigen gesellschaftlichen Gegebenheiten anzupassen. Zentraler Punkt ist der konsequente Verzicht auf die Verschuldensfrage. Die Konventionalscheidung soll in Zukunft die Regel werden. Aber nicht nur für die Scheidung selbst, auch bei der Festlegung des Unterhalts sollen inskünftig nur noch objektive Kriterien massgebend sein. Unabhängig vom Güterstand werden bei einer Scheidung in Zukunft die Ersparnisse der zweiten Säule (Pensionskasse) hälftig geteilt. Diese Regelung soll zu materiell ausgewogeneren Folgen für die Scheidungsbeteiligten führen und die wirtschaftliche Selbständigkeit der Ehegatten nach der Scheidung fördern.

Als weiteren Pfeiler der Revision bezeichnete Bundesrat Koller die Verbesserung der Stellung der Kinder während und nach dem Scheidungsverfahren. So erhalten die Kinder neu ein Mitwirkungsrecht im Scheidungsprozess. Vorgesehen ist, dass Kinder mit Rücksicht auf ihr Alter und ihre Entwicklung in "geeigneter Weise" angehört werden, beispielsweise in der Frage, bei welchem Elternteil sie inskünftig mehrheitlich leben werden. Neu können die Eltern auch nach der Scheidung das elterliche Sorgerecht gemeinsam wahrnehmen, wenn sie sich in diesem Punkt einigen können und weitere Voraussetzungen erfüllt sind. Das Besuchsrecht wird als gegenseitiges Recht von Eltern und Kindern ausgestaltet. Damit werden die Eltern grundsätzlich zur Ausübung des Besuchsrechts verpflichtet. Das EJPD räumte ein, dass die zwangsweise Durchsetzung dieses Rechtes gegen den Willen der Eltern in der Praxis kaum realisierbar sei, erhofft sich davon aber eine psychologische Wirkung.

Bei der Auflösung einer Ehe soll es künftig keine Schuldigen mehr geben. Diese Stossrichtung des neuen Scheidungsrechts, welches das geltende Gesetz aus dem Jahr 1907 ablösen soll, fand im Ständerat breite Zustimmung. In der Detailberatung nahm der Ständerat nur geringfügige Änderungen am Vorschlag des Bundesrates vor. Gegen den Willen der Landesregierung strich er die Verpflichtung für die Kantone, den scheidenden Ehepartnern Mediationsstellen zur Verfügung zu stellen. Die Bedeutung solcher Vermittlungsstellen im Scheidungsverfahren wurde zwar nicht bezweifelt, doch wollten die Standesvertreter den Kantonen keine neuen Pflichten aufbürden. Abweichend von Bundesrat und Kommission beantragte Forster (fdp, SG), die zweite Anhörung der Scheidungswilligen nach einer Bedenkfrist von zwei Monaten ersatzlos aufzuheben. Mit 26 zu 6 Stimmen nahm der Rat in diesem Punkt aber den Kompromissvorschlag seiner Kommission an, wonach die Ehegatten ihre Scheidungsabsicht zwei Monate nach der ersten Anhörung durch den Richter noch einmal bestätigen müssen, allerdings nur in schriftlicher Form. In der Gesamtabstimung wurde das neue Scheidungsrecht einstimmig angenommen.

Im Zuge dieser Revision wurden auch die Bestimmungen über die Eheschliessung im Zivilgesetzbuch (Art. 90 ff. ZGB) angepasst. Dabei machten sich Brunner (sp, GE) und Schmid (cvp, AI) in einer ungewohnten Allianz dafür stark, das Verbot einer religiösen Eheschliessung vor der Ziviltrauung abzuschaffen. Sie argumentierten, dieses Verbot sei ein Relikt aus der Zeit des Kulturkampfes. Bundesrat Koller bestritt diesen Zusammenhang nicht, wollte aber dennoch daran festhalten, da insbesondere Ausländerinnen und Ausländer oft dem Irrtum erlägen, sie seien nach einer religiösen Trauung mit allen Rechten und Pflichten verheiratet, was besonders beim Tod eines Partners schwerwiegende Folgen haben könne. Der Rat gab aber der Überwindung des Kulturkampfes den Vorrang und beschloss mit 21 zu 10 Stimmen die Aufhebung des Verbots. Gleichzeitig wurde auch das obligatorische Eheverkündigungsverfahren abgeschafft und durch ein einfacheres Vorbereitungsverfahren ersetzt.

Der Nationalrat behandelte in seiner Wintersession in einer Monsterdebatte mit rund 40 Kommissionsanträgen und 45 Minderheitsanträgen die Vorlage. Dabei schuf er rund 30 Differenzen unterschiedlichen Gewichts zu den Beratungen im Ständerat. In den grossen Linien - Abkehr vom Verschuldensprinzip, Förderung einvernehmlicher Lösungen, bestmögliche Wahrung der Kinderinteressen und eine gerechte Regelung der wirtschaftlichen Folgen - übernahm er die Vorschläge des Bundesrates und die Beschlüsse des Ständerates. Gegen den Bundesrat folgte er aber auf Antrag einer Kommissionsminderheit dem Ständerat beim Verzicht auf eine zweite richterliche Anhörung der Scheidungswilligen nach der Bedenkzeit von zwei Monaten. Ganz auf die Bedenkfrist verzichten, wie dies Vallender (fdp, AR) anregte, wollte er aber auch nicht. Umgekehrt stimmte er dem Bundesrat beim Verbot der kirchlichen vor der zivilrechtlichen Trauung zu; dabei liess er sich von Argumenten der Rechtssicherheit und des Sozialschutzes leiten. Sowohl gegen Bundesrat wie Ständerat befand die grosse Kammer, drei Jahre Wartefrist für eine Scheidung, welche nur einer der Ehegatten wolle, sei genug. Der ursprüngliche, vom Ständerat genehmigte Vorschlag sah noch fünf Jahre vor.

Sehr kontrovers diskutiert wurde das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder nach einer Scheidung. Bundesrat, Ständerat und eine bürgerliche Kommissionsminderheit vertraten die Auffassung, dass, wenn beide Eltern dies wollen und sie sich über die Betreuung und die finanzielle Unterstützung einigen können, sie das auch so sollen regeln können. Eine Kommissionsmehrheit wollte das gemeinsame Sorgerecht von der Bedingung abhängig machen, dass sich die Eltern schon vor der Scheidung in die Betreuung der Kinder teilten. Eine zweite Minderheit - in der sich so unterschiedliche Geister wie der Thurgauer SVP-Mann Baumann und die Basler SP-Frau von Felten trafen - wollten gar kein gemeinsames Sorgerecht, weil damit nur die Streitigkeiten über die Ehe hinaus fortgeführt würden. Noch einmal ganz anders sah es der Aargauer CVP-Vertreter Bircher: Für ihn sollte das gemeinsame Sorgerecht die Regel sein. Der Rat stimmte hier schliesslich seiner Kommissionsminderheit zu, wonach sich die Eltern ins Sorgerecht teilen können, allerdings nur, wenn sie ihre Streitigkeiten nicht vor Gericht austragen und diese Lösung dem Wohl des Kindes dient.

Ein weiterer Diskussionspunkt war die finanzielle Abgeltung der Frauen. Der Grundsatz der hälftigen Teilung der Pensionskassengelder war unbestritten. Auseinandersetzungen gab es aber in der Frage, wie lange dies auch nach der Scheidung gelten solle. Zahlreiche Minderheitsanträge vor allem von SP-Frauenseite verlangten, dass die Frau auch nach der Scheidung noch Anrecht auf die Hälfte der Pensionskassenguthaben haben soll, wenn sie wegen der Kinder nicht arbeitet - im Maximum so lange, bis das jüngste Kind erwachsen ist. Der Rat mochte dieser Argumentation nicht folgen und bestimmte, dass nur das während der Ehe angesparte Pensionskassenguthaben hälftig aufzuteilen ist. Verdient ein ex-Mann plötzlich mehr als vor der Scheidung, während die ex-Frau mit den Alimenten nicht auskommt, so sollte sie nach Meinung von Bundes- und Ständerat mehr verlangen können, allerdings nur in den ersten fünf Jahren nach der Scheidung. Die Mehrheit der Kommission wollte diese Frist streichen. Eine Minderheit wollte noch weiter gehen: Frauen sollten auch dann mehr verlangen können, wenn es ihnen plötzlich finanziell schlechter geht, der Mann aber nicht mehr verdient. In diesem Punkt setzte sich die Auffassung von Bundesrat und Ständerat durch.

Ausgerechnet bei der Frage der Mediation gingen die Emotionen hoch. Nach dem Ständerat lehnte auch der Nationalrat die Pflicht der Kantone zur Schaffung von Vermittlungsstellen in Scheidungsangelegenheiten ab. Den Mediatorinnen und Mediatoren fehle es zumeist am notwendigen juristischen Wissen, was sich leicht zum Nachteil der Schwächeren - und meist seien dies die Frauen - auswirken könne, befand Nabholz (fdp, ZH). Ganz anderer Meinung war Dormann (cvp, LU). Für sie bedeutete die Mediation das zweite Standbein des neuen Scheidungsrechtes. Es sei ein Angebot gerade auch für Personen mit eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten. Zusammen mit Bundesrat Koller musste sie sich jedoch geschlagen geben.

Die kleine Kammer beharrte gegen den Willen von Bundesrat und Nationalrat bei den Bestimmungen über die Eheschliessung darauf, das bis anhin geltende Verbot der kirchlichen Trauung vor der zivilrechtlichen aus dem geltenden Recht zu kippen. Mit 20 zu 16 Stimmen setzte sich das von Rhinow (fdp, BL) und Schmid (cvp, AI) ins Feld geführte Argument durch, dass diese Bestimmung ein Relikt aus dem Kulturkampf sei und zudem Anwendungsprobleme in der Praxis stelle. Danioth (cvp, UR) und Koller plädierten vergeblich dafür, aus Gründen des Sozial- und Rechtsschutzes und angesichts der starken Unterstützung in der Vernehmlassung am Primat der Ziviltrauung festzuhalten.

Angesichts der Entschlossenheit des Nationalrates beantragte die Kommission des Ständerates dem Plenum in beiden Punkten Zustimmung zur Volkskammer. Im Fall des Verbots der kirchlichen vor der zivilrechtlichen Trauung erfolgte dies diskussionslos. Bei der Trennungszeit setzte eine Minderheit mit 18 zu14 Stimmen durch, dass im Sinn eines Kompromisses eine vierjährige Frist festgeschrieben wurde. Unter Hinweis auf den knappen Entscheid in der grossen Kammer plädierte auch Bundesrat Koller für diesen, wie er meinte, vernünftigen Mittelweg. Der Nationalrat schloss sich mit 101 zu 32 Stimmen der vierjährigen Trennungszeit an.

Zum beinahen Stolperstein der Vorlage wurde schliesslich eine letzte Differenz bei einer Bestimmung, die in den Debatten an und für sich wenig zu reden gegeben hatte, die aber dennoch unbereinigt von einem Rat zum anderen geschoben worden war. Es ging um die Frage, ob die Konventionalscheidung ausgesprochen werden kann, wenn die Nebenfolgen noch nicht abschliessend geklärt sind. Der Ständerat wollte mit der möglichen zeitlichen Staffelung unsäglich langen Scheidungsverhandlungen den Wind aus den Segeln nehmen. Der Nationalrat beharrte darauf, dass zwischen Scheidung und Regelung der Nebenfolgen ein Junktim besteht. In dieser Frage kam die Einigungskonferenz zum Zuge, welche Zustimmung zum Nationalrat beantragte. Beide Kammern akzeptierten diesen Entscheid, worauf die Vorlage definitiv verabschiedet werden konnte.

In zweiter Lesung hielt der Nationalrat in diesen beiden zentralen Punkten ebenso hartnäckig fest wie vor ihm der Ständerat. Dem Verbot der kirchlichen vor der zivilen Trauung wurde diskussionslos zugestimmt. Bei der Dauer der Trennung, wenn eine einvernehmliche Scheidung nicht möglich ist, standen sich ein Mehrheitsantrag auf Festhalten und ein Minderheitsantrag Thanei (sp, ZH) auf Zustimmung zum Ständerat entgegen. Die Sprecherin der Kommission wies darauf hin, dass ein Drittel aller Ehescheidungsklagen nach einer sehr kurzen Ehedauer (zwischen null und fünf Jahren) eingereicht werde, weshalb bei einer strittigen Scheidung eine fünfjährige Trennungszeit als Voraussetzung unverhältnismässig lang erscheine; zudem sei anzunehmen, dass dort, wo kein Ehewille mehr bestehe, dieser sich auch nach längerer Trennungszeit nicht mehr einstelle. Dem hielt Thanei entgegen, dass sich in der Vernehmlassung sämtliche Frauenorganisationen für die fünfjährige Trennung ausgesprochen hätten. Als mögliche Gründe für die Verweigerung einer Scheidung und den nötigen Schutz dieser Haltung zumindest während einer gewissen Zeit erwähnte sie wirtschaftliche oder persönlich bedingte Zukunftsängste, religiöse oder fremdenpolizeiliche Bedenken. Die grosse Kammer beschloss mit 69 zu 62 Stimmen Festhalten an ihrem ersten Entscheid.

Gegen das revidierte Scheidungsrecht wurde das Referendum ergriffen. Das Komitee ”Pro Ehe und Familie”, dem vor allem Mitglieder der Katholischen Volkspartei Schweiz angehören, begründete seinen Schritt damit, dass das neue Gesetz einen Angriff auf den Kern von Familie und Ehe darstelle. Ihm schloss sich, wenn auch aus ganz anderen Gründen, eine ”Trägerschaft Scheidungsrecht nein” an, die sich vornehmlich aus der ”Interessengemeinschaft geschiedener und getrennter Männer” rekrutierte: diese Gruppierung hatte sich vehement dafür eingesetzt, dass das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder zur Regel werde und sah sich nun in ihren Erwartungen entäuscht. Trotz ihrer recht unterschiedlichen Standpunkte schlossen sich die beiden Trägerschaften Ende August zusammen; Rückhalt fanden sie bei der EDU und dem Neuen Rütlibund. Anfangs Oktober gab das Komitee die Unterschriftensammlung mangels Unterstützung auf. Da die Situation nun geklärt war, beschloss der Bundesrat, das neue Gesetz auf den 1.1.2000 in Kraft zu setzen.