Genf und Waadt: Kantonale Volksinitiative "Oui à la région" für eine Fusion der beiden Kantone

Als PDF speichern

In der französischsprachigen Schweiz machten prominente Politiker mit Vorschlägen über Kantonsfusionen resp. neue, zwischen die Kantone und den Bund eingeschobene Strukturen von sich reden. Der Waadtländer Nationalrat Pidoux (fdp) lancierte die Idee einer Fusion der Kantone Genf und Waadt. Sein Vorschlag stiess aber gerade beim Waadtländer Grossen Rat auf wenig Gegenliebe, wurde doch betont, dass eine enge Zusammenarbeit nicht nur mit Genf, sondern auch mit den Nachbarkantonen im Osten und Norden gepflegt werden müsse. In einer gemeinsamen Erklärung sprachen sich die Regierungen der beiden Kantone gegen eine Fusion aus. Kurz nach Pidoux' Vorstoss schlug der Genfer Regierungsrat Segond (fdp) vor, die sechs mehrheitlich französischsprachigen Kantone ein gemeinsames Parlament und eine Regierung wählen zu lassen, welche die Kompetenz hätten, über grosse Infrastrukturprojekte und überregionale Aufgaben (z.B. Wirtschaftsförderung) zu entscheiden. Einige Kritiker warnten, dass von Segonds Plänen das Aufkommen eines Sprachnationalismus begünstigt würde, welcher sich für den Fortbestand der Schweiz verheerend auswirken könnte. Sie schlugen deshalb den Einbezug des historisch und wirtschaftlich eng mit der übrigen Westschweiz verbundenen Kantons Bern vor.

In der französischsprachigen Schweiz traten prominente Politiker, darunter die zwei ehemaligen Regierungsräte Philippe Pidoux (fdp, VD) und Bernard Ziegler (sp, GE), mit Vorschlägen für eine Fusion der Kantone Genf und Waadt an die Öffentlichkeit. Sie kündigten an, in beiden Kantonen zu diesem Zweck Volksinitiativen lancieren zu wollen, welche die Wahl eines paritätisch zusammengesetzten Verfassungsrats verlangen.

Die kantonale Volksinitiative für eine Fusion der Kantone Genf und Waadt konnte auch in Genf eingereicht werden; rund 14'000 Stimmberechtigte hatten das Begehren unterzeichnet. Gegen Jahresende beantragten die Regierungen der beiden Kantone ihren Parlamenten in praktisch gleichlautenden Botschaften, die Initiativen zur Ablehnung zu empfehlen. Eine Fusion der beiden grössten Westschweizer Kantone würde ihrer Ansicht nach das Gleichgewicht in der Romandie, aber auch in der gesamten Schweiz empfindlich stören. Zudem seien die beiden Kantone von ihrer Identität und Struktur her zu unterschiedlich, als dass eine Fusion Sinn machen würde. Effizienzgewinne seien mit einem weiteren Ausbau der Zusammenarbeit eher erreichbar. Die Volksabstimmungen wollen die beiden Kantonsregierungen am gleichen Tag (voraussichtlich im Jahr 2002) durchführen. In der Kampagne für die Genfer Unterschriftensammlung hatten die Promotoren weniger das konkrete Fusionsprojekt in den Vordergrund gestellt, als vielmehr die Idee einer Neugliederung der Schweiz in sechs bis zehn Grossregionen anstelle der bisherigen Kantone, wie sie auch die Grünen im Nationalrat vertreten hatten. Zusammen mit einigen vorwiegend aus der französischen Schweiz stammenden Politikern präsentierten sich die Genfer Initianten denn auch Mitte Juni in Bern als „Plattform für eine Schweiz der Regionen“. Als Ziel gab diese Bewegung die Eröffnung einer nationalen Diskussion über eine grundlegende territoriale Reform der Schweiz an, welche schliesslich in die Lancierung einer Volksinitiative münden solle.

In den Kantonen Genf und Waadt entschieden die Stimmberechtigten am 2. Juni über die Volksinitiativen für einen Zusammenschluss der beiden Kantone. Zuvor hatten die kantonalen Parlamente auf Antrag ihrer Regierungen mit grosser Mehrheit eine Ablehnung der Volksbegehren empfohlen. Als einzige Partei unterstützten die Genfer Freisinnigen das Fusionsbegehren; die Waadtländer PdA gab die Stimme frei. Nach einer Kampagne, welche keine grossen Wellen zu werfen vermochte, wurden die Initiativen mit 80% (GE) resp. 77% (VD) Neinstimmen deutlich abgelehnt. Die Opposition gegen eine Fusion war zwar in den nach Genf ausgerichteten westlichen Waadtländer Gebieten etwas weniger deutlich, aber weder im Kanton Waadt noch im Kanton Genf stimmte auch nur eine einzige Gemeinde dem Zusammenschluss zu.