Bei den Sozialzielen in Art. 41, der in einem eigenen Kapitel Grundsätze bündelt, die in der bisherigen Verfassung an verschiedener Stelle standen oder in internationalen Verträgen stipuliert sind, schlug der Bundesrat vor, in Abs. 1 das Subsidiaritätsprinzip, wonach sich Bund und Kantone «in Ergänzung zu privater Initiative und Verantwortung» im Rahmen ihrer verfassungsmässigen Zuständigkeiten und ihrer verfügbaren Mittel dafür einsetzen, dass jede Person an der sozialen Sicherheit teilhat und besonders gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Mutterschaft, Verwaisung oder Verwitwung gesichert ist, ausdrücklich zu erwähnen. Beide Kammern ergänzten auf Antrag ihrer jeweiligen Kommission den Begriff der Verantwortung mit dem Adjektiv der «persönlichen» Verantwortung. Im Nationalrat versuchte die Linke mit zwei Minderheitsanträgen vergeblich, sowohl das Subsidiaritätsprinzip wie den Hinweis auf die verfügbaren Mittel zu streichen. Sie argumentierte, Sozialziele gehörten als eigenständiger – und nicht im gleichen Atemzug wieder einzuschränkender – Grundpfeiler in die Verfassung. Die bürgerliche Mehrheit machte deutlich, dass die Erwähnung dieser Elemente sowie der individuellen Verantwortung für sie der Preis dafür sei, dass dieses – in der Vernehmlassung durchaus nicht unbestrittene – Kapitel in dieser Form überhaupt in der nachgeführten Verfassung verbleibe, und sie setzte sich mit 117 zu 62 resp. 116 zu 62 Stimmen klar durch.
Streichen wollte die linke Minderheit auch den zweiten Absatz des Artikels, wonach aus den Sozialzielen keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden können. Sie erklärte, es gehe nicht an, Sozialziele gleich zweimal zu relativieren. Obgleich es sich eindeutig nicht um Sozialrechte handle, sollten sie doch für alle Behörden als Richtlinien gelten. Die bürgerlichen Parteien erhoben die Beibehaltung dieses Absatzes erneut zur Schicksalsfrage für den ganzen Artikel. Der Streichungsantrag unterlag denn auch in ähnlicher Deutlichkeit wie jener zu Abs. 1, nämlich mit 117 zu 61 Stimmen. Damit waren die inhaltlichen Leitlinien dieses Artikels bereits in erster Lesung bereinigt.
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)