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Infrastruktur und Lebensraum
Erhaltung der Umwelt
Introduction d'une loi fédérale sur la protection de la nature et du patrimoine national — Efforts en vue d'élargir les compétences de la Confédération en matière de protection des eaux — Travaux préparatoires à une loi fédérale sur les émanations nocives — Rapport réservé du Conseil fédéral sur la lutte contre le bruit.
 
Mit dem Wachstum der Bevölkerung, der Entwicklung der Wirtschaft und der Ausbreitung technischer Anlagen in allen Teilen des Landes stellt sich immer dringlicher das Problem der Erhaltung der natürlichen Lebensbedingungen. Die fortschreitende Veränderung der Landschaft, die Verschmutzung von Wasser und Luft, die Zunahme von Verkehrs- und Industrielärm geben Anlass zu Gegenbewegungen, die in einzelnen Gebieten die Form erregter Reaktionen annehmen. Die Problematik äussert sich in Widerständen gegen den Bau von Kraftwerken, Ölraffinerien, Bergbahnen, Schiffahrtswegen oder Flugplätzen oder in Forderungen nach Schutz für Naturlandschaften und Baudenkmäler sowie nach Schaffung von Ruhezonen [1]. Neben Einzelreaktionen sind aber auch Bestrebungen zu verzeichnen, die durch umfassendere gesetzgeberische Massnahmen ein gewisses Gleichgewicht zwischen Technik und Natur zu sichern versuchen. Die Erhaltung der natürlichen Lebensbedingungen in einem mit den Erfordernissen der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung vereinbaren Mass ist nicht zuletzt eine Hauptaufgabe der Landesplanung.
Natur- und Heimatschutz
Der Natur- und Heimatschutz ist — auch nach dem 1962 in die Bundesverfassung aufgenommenen Art. 24 sexles — Sache der Kantone. Der erwähnte Artikel hat aber auf Wunsch der Natur- und Heimatschutzkreise dem Bund gewisse Aufgaben und Kompetenzen übertragen. Deren Präzisierung erfolgte nun in einem Bundesgesetz über Natur- und Heimatschutz, zu dem der Bundesrat im November 1965 einen Entwurf vorgelegt hatte [2]. Dieser stellte zunächst die Pflicht des Bundes zur Schonung von schutzwürdigen Objekten bei der Erfüllung seiner eigenen Aufgaben (Bau eigener Anlagen, Konzessionen, Subventionen) fest. Ein amtliches Inventar soll diese Objekte erfassen; die Kantone werden dadurch freilich nicht verpflichtet. Die Eidg. Natur- und Heimatschutzkommission sowie die Eidg. Kommission für Denkmalpflege erhielten Begutachtungsbefugnisse, die gesamtschweizerischen Natur- und Heimatschutzvereinigungen ein Beschwerderecht. Sodann sah der Gesetzesentwurf die Subventionierung, den Erwerb und ausnahmsweise die Enteignung von schützenswerten Objekten durch den Bund vor, für Notfälle auch die Anordnung befristeter Sicherungsmassnahmen. Subventionen sollten nur bei kantonaler Beteiligung und höchstens im Umfang von 50 % der Erhaltungskosten ausgerichtet werden. Endlich erteilte die Vorlage den Bundesbehörden gewisse Kompetenzen zum Schutz von Pflanzen und Tieren. Die eidg. Räte hiessen das neue Gesetz gut, wobei der Ständerat eine Verstärkung des Einflusses der Kantone, der Nationalrat ein Beschwerderecht auch für die Gemeinden durchsetzte. Eine Erhöhung des maximalen Subventionsanteils auf 60 % der Erhaltungskosten wurde angesichts der primär kantonalen Zuständigkeit von der Nationalratskommission erfolglos vertreten. Ständerat Choisy (lib., GE) versäumte nicht, auf die Erschwerung der Flussschiffahrt durch den bereits vorliegenden Entwurf für ein Naturschutzinventar hinzuweisen [3]. Das Gesetz wurde mit einer zugehörigen Vollzugsverordnung auf den 1. Januar 1967 in Kraft gesetzt [4]. Im Sinne einer vermehrten Förderung des Naturschutzes durch den Bund beschloss der Bundesrat im Januar 1966, sich an einer Stiftung für die Errichtung eines Nationalparkzentrums zu beteiligen, das einerseits der Information der Besucher, anderseits der wissenschaftlichen Forschung dienen soll [5].
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Gewässerschutz
Eine Verstärkung der Bundesintervention wurde auch für den Gewässerschutz verlangt, da die bisherigen Regelungen und Massnahmen das Fortschreiten der Gewässerverschmutzung nicht zu hindern vermochten. Ende 1966 standen in der ganzen Schweiz 208 Abwasserreinigungsanlagen im Betrieb, an die 27,1 % der Gesamtbevölkerung angeschlossen waren; 57 Anlagen für weitere 17,8 % der Bevölkerung befanden sich im Bau. Die Verteilung auf die Kantone war sehr ungleich: im Kanton Zürich wurde das Abwasser von 87,8 % der Einwohner bereits gereinigt, während in den Kantonen Obwalden, Glarus, Freiburg, Baselstadt und Appenzell Innerrhoden überhaupt noch keine Anlage den Betrieb aufgenommen hatte [6]. Trotz der Zunahme der Reinigungsanlagen gingen die Edelfischbestände weiter zurück, nahmen die Schwierigkeiten für die Trinkwasserversorgung zu, mehrte sich die Zahl der Badeverbote an Seen und Flüssen. Die mechanisch-biologischen Kläranlagen erwiesen sich vielfach als ungenügend; es wurde die Einführung einer dritten Reinigungsstufe zur Ausscheidung der Phosphate gefordert, durch die aber die Überdüngung der Gewässer noch nicht völlig zu beheben wäre [7].
Vorstösse zu einem verstärkten Eingreifen des Bundes erfolgten auf drei Ebenen. Bereits 1965 hatte der Kanton Neuenburg den Weg der Standesinitiative beschritten und dabei eine Revision des Gewässerschutzgesetzes von 1955 beantragt, welche die Gewährung niedrigverzinslicher Darlehen und höherer Subventionen sowie das Verbot der Verwendung nicht abbaubarer Reinigungsmittel ermöglichen sollte [8]. Im Bundesparlament hatte sodann der Ständerat im Dezember 1965 eine Motion Clerc (lib., NE) angenommen, in welcher der Bundesrat namentlich um die Förderung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Gewässerschutzes ersucht und gleichfalls die Frage einer Gesetzesrevision angeschnitten wurde [9]. Der Nationalrat schloss sich im März 1966 diesem Begehren an und überwies zugleich ein Postulat Akeret (BGB, ZH), das eine klarere Festlegung der Verbote und Verpflichtungen, eine Verschärfung der Aufsicht und der Strafbestimmungen, eine umfassende Planung sowie eine Förderung der Aufklärungs- und Erziehungsmassnahmen wünschte. Von verschiedener Seite wurde auch verlangt, dass die Bundessubventionen, deren Ausrichtung das Gesetz nur « ausnahmsweise » zulässt, reichlicher gespendet würden, um die Belastung für Gemeinden und Kantone nicht zu gross werden zu lassen [10]. Weitere parlamentarische Interventionen befürworteten eine zusätzliche Subventionierung der Bergkantone [11], die Unterbreitung eines umfassenden Berichts durch den Bundesrat [12] sowie die Bevorzugung interkommunaler und interkantonaler Abwasserreinigungsprojekte durch den Bund [13]. Endlich kam es zur Lancierung einer Volksinitiative zur Revision des Gewässerschutzartikels 24 quater der Bundesverfassung. Dieser erheblich radikalere Vorstoss ging von neuenburgischen Fischerkreisen aus und wurde vom Schmeizerischen Fischereiverband aufgenommen; er sah insbesondere ein direktes Einschreiten des Bundes gegen säumige Kantone sowie kräftige Bundessubventionen und — wie die neuenburgische Standesinitiative — niedrigverzinsliche Bundesdarlehen vor [14].
Bundesrat Tschudi zeigte sich einer Abänderung des Gewässerschutzgesetzes nicht abgeneigt, warnte aber das Parlament vor einer umfänglicheren Revision, um nicht durch die Eröffnung von Aussichten auf höhere Subventionen eine Verzögerung der eingeleiteten Arbeiten zu bewirken; er verwies auf die sehr weitherzige Interpretation des Ausdrucks « ausnahmsweise » durch die geltenden Ausführungsbestimmungen, die auch Gemeinden mit mittlerer Finanzkraft Bundesbeiträge zukommen lässt. Für finanzschwaclie Kantone sagte er eine Überprüfung der Subventionsbedingungen zu; den gewünschten Bericht stellte er in Aussicht [15]. An der Konferenz über Landesplanung vom Oktober unterstrich der Chef des EDI die Rolle der Planung im Gewässerschutz. Einerseits sprach er sich für einen einheitlichen, die ganze Schweiz umfassenden Gewässerschutzplan aus, anderseits erklärte er eine Regelung der Überbauung des offenen Landes zur Voraussetzung für eine finanziell tragbare Durchführung; zugleich betonte er aber, dass der Bau der erforderlichen Anlagen Sache der Gemeinden oder ihrer Verbände sei [16]. Das EDI beteiligte sich an der Aufgabe u. a. dadurch, dass es Richtlinien über die Beschaffenheit abzuleitender Abwässer veröffentlichte [17], gesetzliche Bestimmungen über synthetische Reinigungsmittel vorbereiten liess [18] und nach Konsultation der Kantonsbehörden die Ausarbeitung von Aufklärungsschriften für die Schulen veranlasste [19].
Die Hauptverantwortung für den Gewässerschutz tragen somit weiterhin Kantone und Gemeinden, wobei die Bildung von Gemeindeverbänden von besonderer Bedeutung ist. Als führend erweist sich bis jetzt der Kanton Zürich, wo nicht nur der Bau von Abwasserreinigungsanlagen am weitesten gediehen ist, sondern die Regierung auch eine Gesetzesrevision eingeleitet hat, die noch wirksamere Gewässerschutzmassnahmen vorsieht, namentlich die Bewilligungspflicht für alle die Wasserreinheit gefährdenden Vorkehren, ein Interventionsrecht der Behörden gegenüber Privaten und Gemeinden, eine Verschärfung der Strafbestimmungen sowie zusätzliche Subventionsmöglichkeiten [20]. Neben der behördlichen Tätigkeit sind auch private Unternehmungen zu erwähnen, so etwa die Errichtung eines Beobachtungsdienstes zum Schutze von Wasser und Luft, der in der Nordwestschweiz ein Netz von rund 80 Beobachtungsstationen unterhält und die Behörden über auftretende Verunreinigungen informiert [21], oder die Gründung eines Interkantonalen Vereins Bodensee-Uferreinigung, der sich um die Reinhaltung des Ufergeländes bemüht [22].
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Luftreinhaltung
Auf dem Gebiet der Lufthygiene hatte 1964 ein Expertenbericht vermehrte Bundeskompetenzen verlangt, die in einer Ergänzung des Art. 24 quater der Bundesverfassung verankert werden sollten [23]. 1965 hatten sodann beide eidgenössischen Räte eine Motion angenommen, die den Bundesrat aufforderte, über die verschiedenen Immissionen in Form von Rauch, Abgasen, Lärm und Erschütterungen Bericht zu erstatten und Anträge für einen verfassungsmässigen und gesetzlichen Immissionsschutz zu unterbreiten [24]. Im Herbst 1966 forderte nun der Bundesrat die Kantone, die Parteien und die interessierten Verbände zur Einreichung von Vorschlägen für gesetzgeberische Massnahmen auf, wobei er selber das Bestehen von Lücken in bezug auf die Hausfeuerung, den Schallschutz in Wohnbauten und den Lärm von Rasenmähern feststellte [25]. Bekannt wurden die Stellungnahmen der Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände und der Demokratischen Partei, die sich für einen allgemeinen Immissionsschutzartikel aussprachen, sowie diejenige der Freisinnig-demokratischen Partei, die nur für den Schutz der Luftreinheit, nicht aber für die Lärmbekämpfung eine neue verfassungsmässige Grundlage befürwortete [26].
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Lärm
Über die Lärmbekämpfung erstattete der Bundesrat im April einen besonderen Bericht, wobei er parlamentarischen Vorstössen aus dem Jahre 1956 entsprach [27]. Dem Bericht wurde die 1963 veröffentlichte Expertise einer vom Bundesrat bestellten Kommission zugrunde gelegt [28]. ln Übereinstimmung mit dieser Expertise wurden eine Revision des Luftfahrtgesetzes sowie neue Gesetze über die Typenprüfung von Bau- und Landwirtschaftsmaschinen in Aussicht gestellt; weitere Vorschläge der Experten wurden als entbehrlich bezeichnet. Für die vorgesehenen legislativen und administrativen Massnahmen erklärte der Bundesrat mit den Experten die bestehende Verfassungsgrundlage als genügend; immerhin liess er die Frage einer Verfassungsrevision im Zusammenhang mit der Prüfung der neuen Immissionsschutzmotion noch offen [29]. Er wies ausserdem auf die Notwendigkeit hin, gewisse Probleme der Lärmbekämpfung auf internationaler Ebene zu lösen, und erwähnte entsprechende Studien und Verhandlungen. Während der Ständerat vom ganzen Bericht zustimmend Kenntnis nahm [30], griff der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission den Expertenvorschlag für eine besondere Bundeszentralstelle für Lärmbekämpfung wieder auf und überwies ein dahingehendes Postulat [31].
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[1] S. oben S. 70 f., 75 f., 88 ff. ; ferner NZZ, 2348, 27.5.66; 3337, 6.8.66 (Opposition gegen Bergbahnprojekte).
[2] BBl, 1965, II, S. 89 ff.
[3] Beratung im StR am 9. u. 14.3. und am 20.6.1966 (Sten. Bull. StR, 1966, S. 5. ff., 14 ff., 177 f.), im NR am 8.6.66 (Sten. Bull. NR, 1966, S. 318 ff.). Vgl. ferner Schweizer Naturschutz, 32/1966, S. 12 f.; Tat, 72, 25.3.66; TdG, 93, 22.4.66 (Verhältnis zur Flussschiffahrt); Bund, 187,14./15.5.66; NZZ, 2494, 6.6.66. Endgültiger Gesetzestext in AS, 1966, S. 1637 ff.
[4] NZZ, 5599, 27.12.66. Gleichzeitig wurde die Eidg. Natur- und Heimatschutzkommission erweitert (NZZ, 5603, 28.12.66).
[5] NZZ, 339, 26.1.66.
[6] Angaben des Eidg. Amtes für Gewässerschutz. Ende 1965 betrug die Zahl der im Betrieb stehenden Anlagen 178 und 63 Anlagen waren im Bau; angeschlossen waren 23,9 bzw. 19,0 % der Bevölkerung. Die Berechnung der Bevölkerungsanteile beruht auf der Volkszahlung von 1960.
[7] NZZ, 265, 21.1.66; 4825, 9.11.66.
[8] Einreichung am 15.6.1965 durch den neuenburgischen Staatsrat (Übersicht über die Verhandlungen der Bundesversammlung. 1965, Il, S. 6) nach einem Grossratsbeschluss vom 14.6.1965 (TdL, 166, 15.6.65).
[9] NZZ, 5265, 7.12.65. Clercs Intervention stand im Zusammenhang mit der Initiative seines Kantons (GdL, 136, 15.6.65).
[10] NZZ, 1040, 10.3.66. Vgl. auch Interpellation Tschäppät (soz., bE) in derselben NR-Sitzung.
[11] Postulat Gasser (k.-chr., 0W), vom NR angenommen (NZZ, 4123, 30.9.66).
[12] Postulat Keller (rad., TG), vom NR angenommen (NZZ, 4123, 30.9.66).
[13] Postulat Hürlimann (k.-chr., ZG). Im NR eingereicht am 20.12.66 (Übersicht über die Verhandlungen der Bundesversammlung, 1966, IV, S. 24).
[14] NZ. 73, 13.2.67: NZZ, 2632, 15.6.66.
[15] NZZ, 1040, 10.3.66; 4123, 30.9.66.
[16] « Unbewältigte Gegenwart», Zürich 1966, S. 10 ff. S. auch oben S. 92.
[17] BBI, 1966, II. S. 346 ff.
[18] NZZ, 1570, 12.4.66. Die vom EDI dazu bestellte Kommission erklärte eine von der schweizerischen Seifen- und Waschmittelindustrie getroffene freiwillige Vereinbarung als ungenügend.
[19] NZZ. 828, 25.2.66.
[20] Revision des Wasserbaugesetzes und des Gesetzes über Wasserversorgungs- und Abwasseranlagen, vgl. NZZ, 3383, 10.8.66.
[21] NZZ, 4066, 26.9.66.
[22] NZZ, 3155, 20.7.66.
[23] Bund, 402, 15./16.10.66.
[24] Motion Binder (k.-chr., AG) im NR (Vat., 133, 11.6.65); Annahme durch den StR in NZZ, 4254, 12.10.65. Bundesrat von Moos empfahl Ablehnung der Motion.
[25] Bund, 402, 15./16.10.66.
[26] NZZ, 4289, 10.10.66 (Demokratische Partei); 5232, 2.12.66 u. 5246, 3.12.66 (Freisinnig-demokratische Partei); 5258, 4.12.66 (Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände).
[27] BBl, 1966, I, S. 621 f.
[28] Lärmbekämpfung in der Schweiz, Bericht der Eidg. Expertenkommission an den Bundesrat, Bern 1963.
[29] Dabei wurde speziell eine neue Verfassungsgrundlage für den Schallschutz in Wohnbauten in Betracht gezogen; dem Bedürfnis nach einem solchen Schutz soll einstweilen durch entsprechende Bedingungen für die Wohnbausubventionen Rechnung getragen werden (BBl, 1966, I, S. 624 u. 633).
[30] NZZ, 3964, 20.9.66.
[31] NZZ, 5418, 13.12.66. NR Dürrenmatt (lib., BS) beklagte, dass mangelnde Energie der Kantone bei der Durchführung einer ihnen obliegenden Aufgabe dazu Anlass gebe, nach einem eidgenössischen «Antilärm-Vogt» zu rufen (BN, 493, 19./20.11.66).
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