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Grundlagen der Staatsordnung
Wahlen
L'avance de l'Alliance des Indépendants provoque des changements dans plusieurs parlements cantonaux — A l'exception de Neuchâtel, les élections des autorités exécutives laissent inchangé le rapport des forces entre les partis — Elections communales dans le canton de Vaud.
Kantonale Parlamentswahlen
In sechs Kantonen fand eine Neuwahl der Legislative statt. Während die Erneuerung der Parlamente zweier Gebirgskantone keine bedeutsameren Veränderungen ergab, standen die Wahlen in vier Industriekantonen stark im Zeichen der fortgesetzten Offensive des Landesrings. In den deutschsprachigen Kantonen Solothurn und Aargau schlug sich diese Offensive in beträchtlichen Mandatgewinnen nieder.
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In Solothurn beteiligten sich die Unabhängigen seit mehr als zwei Jahrzehnten zum erstenmal wieder an der Kantonsratswahl; sie eroberten mit etwa 6% der Stimmen 6 von den 144 Sitzen, wobei alle drei historischen Parteien Verluste erlitten, am meisten die Sozialdemokraten [1].
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Im Aargau erfolgte der Vorstoss von einer bereits bestehenden Basis aus; mit der Verdoppelung der Sitzzahl von 6 auf 12 (von 200) erreichte der Landesring aber die stärkste je gewonnene Position; auch hier waren die Sozialdemokraten die Hauptverlierer. Nennenswerte Einbussen erlitten in den aargauischen Grossratswahlen ferner die Freisinnigen, wohl namentlich infolge des Auftretens der Gruppe Team 67, die 1967 bei der Neuwahl des Nationalrates erstmals in die Arena gestiegen war [2].
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Einem Einbruch des Landesrings in die Parlamente der welschen Industriekantone Genf und Neuenburg standen besondere Wahlgesetze im Wege, die eine Mandatzuteilung von einem bestimmten Wähleranteil (Quorum: 7% in Genf, 10% in den neuenburgischen Wahlbezirken) abhängig machen. Da die Unabhängigen in beiden Kantonen nur etwa 6% der Stimmen erhielten und auch keine Listenverbindungen vereinbarten, gingen sie leer aus; ihre Konkurrenz beeinflusste jedoch das Kräfteverhältnis zwischen den übrigen Parteien und trug wohl auch zur Erhöhung der Stimmbeteiligung bei. In Genf bewirkte dies das Absinken der 1965 aufgeschossenen Gruppe der Vigilants unter die Quorumsschwelle, woraus alle traditionellen Parteien Nutzen zogen, Radikale und Sozialisten freilich schwächer als Christlichsoziale, Liberale und Kommunisten. Die Stimmenzahl des Landesrings war aber weit grösser als der Stimmenverlust der Vigilants; dieser wurde auf eine wenig konstruktive Politik der jungen Gruppe zurückgeführt. Da der Erfolg der Vigilants von 1965 ganz auf Kosten der bürgerlichen Parteien gegangen war, standen nun die Linksparteien — mindestens mandatmässig — als die Gewinner der Entwicklung da [3].
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In Neuenburg hatte das Auftreten des Landesrings dagegen die Wirkung, dass der Stimmenanteil der Sozialisten deutlich abnahm, während derjenige der übrigen Parteien nur geringe Veränderungen erfuhr. Dadurch wurde die bürgerliche Parteiengruppe gegenüber der Linken gestärkt, was in der Sitzverteilung infolge von Listenverbindungen noch betont zum Ausdruck kam. Die bürgerliche Schlappe von 1965 war wettgemacht [4].
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Im Wallis blieben die Verhältnisse stabil; geringfügige Verluste der Konservativ-Christlichsozialen ergaben sich fast nur infolge des Auftretens einer dissidenten « Demokratischen Bewegung » in Sitten. Es wurde immerhin festgestellt, dass dadurch im französischen Kantonsteil die absolute Mehrheit der dominierenden Partei verloren gegangen sei; im deutschsprachigen Oberwallis dagegen, wo Konservative und Christlichsoziale getrennt vorzugehen pflegen, beherrschen sie zusammen das Feld weiterhin fast ausschliesslich [5].
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In Graubünden verloren die Konservativ-Christlichsozialen gleichfalls einige Mandate, doch ist dieses Ergebnis für die parteipolitische Entwicklung der Wählerschaft nicht signifikant, da die bündnerischen Grossratswahlen nach Majorz und vielfach noch in offener Kreisversammlung stattfinden, so dass persönliche und regionale Faktoren den Ausgang stark mitbestimmen [6].
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Kantonale Exekutivwahlen
Mit Ausnahme von Graubünden führten die erwähnten Kantone auch Wahlen zur Gesamterneuerung ihrer Exekutiven durch. In vier Kantonen kam es dabei zu Kampfwahlen, aber nur in Neuenburg gelang eine Veränderung der parteipolitischen Zusammensetzung, indem die Nationalprogressisten dank einer gemeinsamen Liste mit den Liberalen den 1965 an die Sozialisten verlorenen Sitz auf Kosten der Radikalen zurückgewannen; ein kommunistischer Vorstoss verlief erfolglos [7]. In den Kantonen Aargau, Wallis und Genf verteidigten die Regierungsparteien mit Erfolg ihren Sitzbestand. Im Aargau scheiterte ein freisinniger Versuch, dén 1965 eingebüssten zweiten Sitz den Sozialdemokraten wieder zu entreissen, und ein Vertreter des Team 67 erzielte nur einen Achtungserfolg [8]. Im Wallis blieb eine sozialistische Kandidatur weit unter dem absoluten Mehr, und eine wilde Liste mit bürgerlichen Gegenkandidaten, die namentlich von Nationalrat Dellberg (soz.) unterstützt wurde, fiel wegen der Weigerung der Nominierten als ungültig ausser Betracht [9]. In Genf wurde die bisherige Zusammensetzung einerseits von der Partei der Arbeit angefochten, anderseits von den Liberalen, die im Alleingang ihren 1965 an die Radikalen verlorenen zweiten Sitz zurückerobern wollten; die beiden opponierenden Gruppen brachten jedoch keinen ihrer Kandidaten im ersten Wahlgang durch, worauf ein Verzicht des Kommunisten den Status quo sanktionierte [10]. Im Kanton Solothurn wurde kein Kampfkandidat aufgestellt, doch empfahlen oppositionelle Gruppen — allerdings ohne Erfolg — Streichungen, um einen zweiten Urnengang mit zusätzlichen Kandidaten zu veranlassen [11].
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In verschiedenen Kantonen kam es zu Ersatzwahlen, die zum Teil umkämpft waren, aber nirgends die parteipolitische Struktur der Regierung veränderten. In St. Gallen versuchte der Landesring mit konservativ-christlichsozialer Unterstützung, sich auf Kosten des Freisinns den Eintritt in die Exekutive zu erzwingen [12], in Graubünden erstrebten die Demokraten die Rückgewinnung des 1962 eingebüssten zweiten Sitzes im Kleinen Rat durch Ausschluss der Freisinnigen [13], und in der Waadt erfolgte ein liberaler Vorstoss zur Wiederherstellung der Lage vor 1958, als die Sozialisten nur einen Staatsrat gestellt hatten, die Liberalen dagegen deren zwei [14]. Im Kanton Bern entsprach die BGB beim Rücktritt eines ihrer Regierungsräte dem Wunsch nach einer Doppelkandidatur, die jedoch die Wahlbeteiligung nicht wesentlich zu erhöhen vermochte, zumal alle grösseren Parteien die Stimme frei gaben [15].
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Kommunale Wahlen
Die einzige Grossstadt, in welcher die Gemeindebehörden neu bestellt wurden, war Lausanne. Die Wahlen ergaben hauptsächlich Gewinne der Radikalen und Verluste der Liberalen, was dem durchschnittlichen Trend entsprach, der gleichzeitig in den anderen grösseren Gemeinden der Waadt festzustellen war [16].
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[1] Ergebnisse der solothurnischen Kantonsratswahlen vom 4.5.1969 (in Klammern Sitzverteilung von 1965): Freisinnige 66 (68), Konservativ-Christlichsoziale 36 (37), Sozialdemokraten 36 (39), Landesring 6 (0). Vgl. NZZ. 271, 5.5.69; 311, 23.5.69; 313, 27.5.69; ferner BN, 173, 28.4.69.
[2] Ergebnisse der aargauischen Grossratswahlen vom 9.3.1969: Konservativ-Christlichsoziale 47 (1965: 46), BGB 30 (30), Freisinnige 40 (43), Sozialdemokraten 57 (62), Landesring 12 (6), Team 67 3 (0), Evangelische Volkspartei 4 (5), Freie Stimmberechtigte (Stimmzwanggegner) 6 (5), Freie Wähler für Bildung und Fortschritt 1 (2). Vgl. NZZ, 151, 10.3.69; 161, 13.3.69; NZ, 114, 11.3.69; Vat., 59, 12.3.69; 60, 13.3.69; NZN, 60, 13.3.69; ferner BN, 91, 3.3.69; NZ, 109, 7.3.69; Tat, 57, 8.3.69.
[3] Wahlen vom 19.10.1969 (JdG, 244, 20.10.69; 245, 21.10.69; TdG, 246-248, 21.-23.10.69; NZZ, 532, 20.10.69; Tat, 249, 22.10.69; PS, 90, 23.4.69).
[4] Ergebnisse der neuenburgischen Grossratswahlen vom 20.4.1969; Liberale 22 (1965: 22; 1961: 24), Radikale 35 (30; 34), Nationalprogressisten 11 (11; 11), Christlichsoziale 1 (0; 0), Sozialisten 38 (42; 40), Parti ouvrier et populaire 8 (10; 6). Vgl. PS, 88, 21.4.69; 89, 22.4.69; TLM, 111, 21.4.69; 112, 22.4.69; TdG, 93, 22.4.69; Bund, 92, 22.4.69; ferner SPJ, 1965, in SJPW, 6/1966, S. 147 ff.
[5] Ergebnisse der Walliser Grossratswahlen vom 2.3.1969: Konservativ-Christlichsoziale 84 (1965: 87), davon Unterwalliser Konservativ-Christlichsoziale 44, Oberwalliser Konservative 21, Oberwalliser Christlichsoziale 19; Radikale 26 (25), Sozialisten 13 (13), Mouvement social-indépendant (Sozialbauern) 4 (4), Mouvement démocrate des Bezirks Sitten 2 (0), Oberwalliser Unabhängige 1 (1). Vgl. TdG, 53, 4.3.69; GdL, 51, 4.3.69; TLM, 65, 6.3.69; 68, 9.3.69.
[6] Ergebnisse der Bündner Grossratswahlen vom 4./18.5.1969: Konservativ-Christlichsoziale 36 (1967: 40), Freisinnige 32 (29), Demokraten 37 (38), Sozialdemokraten 8 (6). Vgl. NBüZ, 126, 5.5.69; 127, 6.5.69; 141, 19.5.69; 143, 21.5.69; NZZ. 271, 5.5.69.
[7] Zusammensetzung des neuenburgischen Staatsrates nach den Wahlen vom 20.4.1969: 1 Liberaler, 1 Radikaler, 1 Nationalprogressist, 2 Sozialisten. Im 1. Wahlgang erhielt kein Kandidat das absolute Mehr; der Rückzug des neuportierten zweiten Radikalen und des Vertreters des Parti ouvrier et populaire liess aber den 2. Wahlgang dahinfallen (PS, 88, 21.4.69; TLM, 111, 21.4.69; VO, 91, 22.4.69; vgl. auch NZZ, 220, 11.4.69).
[8] Wahlen vom 26.1./16.2.1969. In einem 2. Wahlgang gewann der neue BGB-Kandidat den 5. Sitz gegen den Vertreter des Team 67 (NBZ, 21, 27.1.69; 39, 17.2.69; BN, 39, 27.1.69; NZZ, 93, 12.2.69).
[9] Wahlen vom 2.3.1969 (TLM, 57, 26.2.69; 62, 3.3.69; NZ, 97, 28.2.69; 101, 3.3.69; NZZ, 135, 3.3.69). Ein Rekurs gegen die Ungültigerklärung der Kandidaturen wider Willen wurde vom Bundesgericht abgeschlagen (TLM, 165, 14.6.69).
[10] Wahlen vom 16.11.1969 (VO, 266, 17.11.69; 272, 24.11.69; NZZ, 681, 18.11.69; JdG, 270, 19.11.69).
[11] Wahlen vom 4.5.1969. Die Streichungsparole wurde von der Aktion Jugend und Politik und vom «Jungen Solothurn» ausgegeben (NZZ, 253, 27.4.69; NBZ, 97, 28.4.69; NZ, 201, 5.5.69).
[12] Ostschw., 249, 27.10.69; 250, 28.10.69; vgl. ferner NZZ, 596, 29.9.69; 621, 14.10.69; Ostschw., 232, 6.10.69; BN, 440, 22.10.69.
[13] NBüZ, 59, 3.3.69; vgl. ferner NBüZ, 38, 10.2.69; Vat., 36, 13.2.69; NZZ, 128, 27.2.69.
[14] GdL, 21,27.1.69. Der sozialistische Kandidat wurde vom Parti ouvrier et populaire unterstützt (vgl. GdL, 294, 16.12.68; VO, 10, 14.1.69; PS, 10, 15.1.69).
[15] Bund, 103, 5.5.60 ; vgl. ferner NBZ, 78, 3.4.69; 82, 10.4.69; 92, 22.4.69; Bund, 83, 11.4.69. '
[16] TdG, 264, 11.11.69; NZZ, 669, 11.11.69; GdL, 264, 12.11.69.
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