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Grundlagen der Staatsordnung
Wahlen
A Zoug, les élections au Conseil des Etats rompent le monopole de la représentation conservatrice — Tendances disparates dans les élections législatives cantonales — Glaris excepté, les élections exécutives cantonales n 'apportent aucune modification du rapport des forces entre partis — Des femmes sont élues aux exécutifs municipaux de Zurich et de Berne — Pour la première fois, un communiste entre à l'exécutif de la ville de Genève.
Ständeratswahl
Der Tod G. Odermatts (k.-chr., 0W) und der Rücktritt A. Lussers (k.-chr., ZG) erforderten die Wahl neuer Ständeräte in zwei Kantonen. In Obwalden stimmte die Landsgemeinde ohne ernsthafte Opposition für den Präsidenten der konservativen Mehrheitspartei, J. Dillier [1]. In Zug dagegen, wo die ganze Standesvertretung neu zu wählen war, kam es zu einem Kampf um den freigewordenen Sitz, den der Freisinnige O. Andermatt vor dem konservativ-christlichsozialen und dem sozialdemokratischen Mitbewerber knapp gewann [2]. Damit wurde erstmals seit 1872 die konservative Alleinvertretung des Kantons in der Ständekammer gebrochen, wodurch sich der Vorsprung der konservativ-christlichsozialen Gruppe vor der radikaldemokratischen auf 2 Mandate (17 gegenüber 15) verringerte. In Nidwalden wurde der konservativ-christlichsoziale Amtsträger von der Landsgemeinde oppositionslos bestätigt [3].
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Kantonale Parlamentswahlen
In fünf Kantonen war die Legislative zu erneuern. Dabei kam in drei innerschweizerischen Kantonen eine leichte Bewegung nach rechts, in der Waadt dagegen eine solche nach links zum Ausdruck; in Bern zeigte sich ein Zug von den grössten Parteien weg zu den kleineren. In Obwalden und Nidwalden, wo noch überall nach dem Majorzverfahren gewählt wird, konnten die Konservativen ihre absolute Vormachtstellung verstärken [4].
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In Zug, wo ein neues Wahlgesetz die Proporzgerechtigkeit verfeinert hatte, standen die Konservativ-Christlichsozialen wie bei den gleichzeitigen Ständeratswahlen unter starkem Beschuss. Die absolute Mehrheit blieb ihnen knapp erhalten, Hauptgewinner waren aber nicht die Freisinnigen, sondern die Nationale Aktion für Volk und Heimat, die damit in ein zweites Kantonsparlament einzog. Die Sozialdemokraten büssten Mandate ein [5].
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In der Waadt setzte sich — mindestens bei den grösseren Parteien — der seit der Einführung des Frauenstimmrechts zu beobachtende Trend fort: Einbussen der bürgerlichen Parteien, Wachstum der Sozialisten. Die kleineren Parteien, auch das kommunistische POP, blieben dagegen stationär. Die Stimmbeteiligung nahm gegenüber 1966 von 40,6 auf 42,5 % zu, was der erstmaligen Zustellung aller Parteilisten und einer Orientierungsbroschüre durch den Staat zugeschrieben wurde. Die Zahl der weiblichen Abgeordneten stieg von 14 auf 22 [6].
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1m Kanton Bern bröckelte die Position der beiden stärksten Parteien leicht ab; bei der BGB hielt sich die Veränderung im Rahmen einer geringfügigen Pendelbewegung von Wahl zu Wahl, bei den Sozialdemokraten setzte sich der frühere Rückgang fort. Die Freisinnigen machten die 1966 hauptsächlich durch Proporzpech erlittenen Verluste teilweise wett. Dem Landesring gelang auf bernischem Boden der einzige kantonale Wahlerfolg des Jahres. Die PdA, die sich seit 1954 nicht mehr an bernischen Grossratswahlen beteiligt hatte, versuchte es im Amt Delsberg in Listenverbindung mit den Sozialisten, jedoch ohne Erfolg; es ging hier sogar den sozialistischen Partnern, die von der kantonalen Parteileitung desavouiert worden waren, ein Mandat verloren. Der im allgemeinen flaue Wahlkampf wurde in der Stadt Bern durch die Aufstellung von Wandzeitungen belebt; in dieser wie auch in andern Werbeformen kam eine vermehrte Aktivität selbständiger oder parteigebundener Jugendgruppen zum Ausdruck. Während die, in der Hauptstadt mit einer eigenen Liste vorgehenden Jungfreisinnigen einen Sitz eroberten, verlor das Junge Bern, dessen populärster Vertreter, K. Schädelin, nicht mehr kandidierte, die Hälfte seiner Mandate. Die Stimmbeteiligung sank im Kanton von 66,7 % im Jahre 1966 auf 63,3 % [7].
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Kantonale Exekutivwahlen
In sieben Kantonen fanden Gesamterneuerungswahlen für die Exekutive statt: gleichzeitig mit den Parlamentswahlen in der Waadt, in Bern und in Zug sowie ausserdem in Ob- und Nidwalden und in beiden Appenzell, wo die Landsgemeinde als Wahlorgan fungiert. Die parteipolitische Zusammensetzung der Regierung blieb bei allen diesen Neubestellungen stabil.
Umkämpft waren die Staatsratswahlen in der Waadt, wo der zum Bundesrat aufgestiegene Sozialist P. Graber ersetzt werden musste. Zwar beanspruchte diesmal keine bürgerliche Partei einen weiteren Sitz, doch portierte das nicht in der Regierung vertretene POP Nationalrat Forel. Im ersten Wahlgang waren die fünf bürgerlichen Kandidaten erfolgreich, die beiden Sozialisten blieben dagegen unter dem absoluten Mehr, allerdings mit deutlichem Abstand vor Forel. Dieser konnte immerhin gegenüber früheren Anläufen einen erheblichen Stimmenzuwachs verbuchen; er überliess jedoch den Sozialisten ohne zweiten Wahlgang das Feld [8].
Die Regierungswahlen in Bern und Zug waren unbestritten, wenn man von der Stimmenthaltungsparole der jurassischen Separatisten absieht [9].
In Obwalden versuchte der Christliche Jungbürgerverband erfolglos, einen jüngeren Konservativen gegen die offiziellen Kandidaten der Parteien durchzubringen. Die Landsgemeinde von Appenzell Innerrhoden machte vom Amtszwang Gebrauch, indem sie dem Regierenden Landammann Mittelholzer den Rücktritt aus der Exekutive verweigerte. Praktisch kampflos verliefen die Erneuerungswahlen in Appenzell Ausserrhoden und Nidwalden [10].
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In einigen weiteren Kantonen waren infolge von Rücktritten Ersatzwahlen in die Regierung durchzuführen. In zwei Fällen wurde der Partei des Demissionärs der vakante Sitz streitig gemacht.
In Glarus geschah dies mit Erfolg: hier kämpften drei Parteien um die Nachfolge eines Demokraten; dabei siegte der freisinnige Kandidat über einen demokratischen und einen sozialdemokratischen Mitbewerber und verschaffte damit seiner Partei eine Vorrangstellung im Exekutivkollegium. Es war dies die letzte glarnerische Regierungsratswahl mit offenem Handmehr, denn die Landsgemeinde stimmte gleichzeitig einem freisinnigen Antrag zu, der für die Bestellung der Regierungsräte die Urnenwahl verlangte [11].
In Zürich versuchten die Sozialdemokraten vergeblich, den durch die Wahl E. Bruggers in den Bundesrat freigewordenen Sitz den Freisinnigen abzunehmen und ihre 1963 verlorene Zweiervertretung wiederherzustellen; ihr Kandidat, Nationalrat Renschler, vermochte sich gegen den von allen bürgerlichen Parteien unterstützten Operations Research-Spezialisten Prof. H. Künzi nicht durchzusetzen [12].
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Kommunale Wahlen
Unter den grossen Stadtgemeinden hatten Zürich und Winterthur ihre Legislativ- und Exekutivbehörden neu zu bestellen.
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In Zürich konnten sich zum erstenmal die Frauen daran beteiligen. Im Gemeinderat (Legislative) traten Verschiebungen zugunsten des Landesrings und der Evangelischen Volkspartei ein, während BGB und Christlichsoziale Mandate verloren und die PdA überhaupt keine Vertretung mehr erhielt. Auch im Stadtrat (Exekutive) verschob sich das Parteienverhältnis: der Landesring errang einen zweiten Sitz und verdrängte den Vertreter der Christlichsozialen. Als erste Frau zog die Sozialdemokratin Emilie Lieberherr in die Stadtexekutive ein; in der Legislative gewannen die Frauen nur 8 von 125 Mandaten. Die Stimmbeteiligung sank gegenüber den letzten Männerwahlen von 68,5 auf 57,5 % [13].
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In Winterthur, wo die Frauen noch nicht mitwirken durften, waren im Gemeinderat die Jungen Löwen die Hauptgewinner; empfindliche Verluste erlitten die hier noch selbständig vorgehenden Demokraten; im Stadtrat gelang es den Sozialdemokraten, den erst 1968 gewählten Landesring-Vertreter Ketterer zu sprengen [14].
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In drei Grossstädten waren Ersatzwahlen in die Exekutive umstritten. In Zürich kostete der Rücktritt des Finanzvorstandes Bieri, der vier Monate nach seiner glänzenden Wiederwahl den Übertritt in die Leitung einer Bank ankündigte, die Freisinnigen ihren zweiten Stadtratssitz. Die freisinnige Kandidatin Martha Ribi erreichte zwar im ersten Wahlgang einen Vorsprung vor dem in den Gesamterneuerungswahlen unterlegenen christlichsozialen Staatsanwalt M. Koller; dieser siegte jedoch in der zweiten Runde, da sich die meisten übrigen Parteien neutral verhielten. An den Wahlkämpfen beteiligten sich auch Aussenseiter, so ein Vertreter der Nationalen Aktion gegen die Überfremdung und ein anarchistischer Jugendlicher, der im gleichzeitig laufenden Globuskrawall-Prozess dem christlich-sozialen Kandidaten als Angeklagter gegenüberstand [15]. Wenn somit in Zürich der Versuch einer Frau, durch eine Ersatzwahl in die Stadtexekutive zu gelangen, fehlschlug, hatte in Bern eine ähnliche Kampagne Erfolg. Hier handelte es sich freilich um eine Doppelkandidatur einer einzelnen Partei, deren Anspruch auf den vakanten Sitz unangefochten blieb; als Vertreterin der Bürgerpartei (BGB) setzte sich Ruth Geiser gegenüber ihrem männlichen Konkurrenten durch [16]. Zu einer Veränderung von grösserer Tragweite kam es in Genf, wo ein 1969 in den Staatsrat gewählter Liberaler zu ersetzen war. Bei einer Stimmbeteiligung von 24,3 % siegte der von den Sozialisten unterstützte PdA-Nationalrat Dafflon über den von den Radikalen und den Vigilants, nicht aber von den Christlichsozialen empfohlenen liberalen Kandidaten [17]. Damit erhielt erstmals ein Kommunist Eintritt in die Genfer Stadtregierung, was in bürgerlichen Kreisen einiges Unbehagen verursachte; der Gewählte betonte demgegenüber, dass er sich auf seine Verwaltungsaufgabe konzentrieren wolle [18].
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[1] NZZ, 187, 24.4.70; 192, 27.4.70; NZ, 190, 27.4.70.
[2] NZZ, 481, 16.10.70; 536, 17.11.70; 553, 27.11.70; Vat., 272, 23.11.70.
[3] NZ, 190, 27.4.70.
[4] Ergebnisse der Kantonsratswahlen in Obwalden vom 10./24.5.70: Konservative 30 (1966: 26), Christlichsoziale 6 (3), Liberale (FDPS) 8 (7), Parteilose 1 (2). Die Gesamtzahl der Mandate wurde von 38 auf 45 erhöht. Vgl. Vat., 107, 11.5.70; 118,.25.5.70; NZZ (sda) 235, 25.5.70. — Ergebnisse der Landratswahlen in Nidwalden vom Mai 1970: Konservativ-Christlichsoziale 41 (1966: 36), Liberale (FDPS) 18 (20), Sozialdemokraten 1 (1), Parteilose 0 (3). Vgl. Statistisches Jahrbuch der Schweiz, 1970, S. 546 f.; NZZ (sda), 246, 1.6.70; SPJ, 1966, S. 21.
[5] Ergebnisse der zugerischen Kantonsratswahlen vom 22.11.70: Nationale Aktion 3 (1966: —), Konservativ-Christlichsoziale 41 (44), Freisinnige 25 (23), Landesring 1 (1), Sozialdemokraten 8 (10). Vgl. Vat., 272, 23.11.70; 274, 25.11.70; NZ, 541, 23.11.70; SPJ, 1966, S. 21. — Die Nationale Aktion hatte bereits am 8.11 drei von den 40 Sitzen im Grossen Gemeinderat von Zug erobert (NZ, 517, 9.11.70; Vat., 261, 10.11.70). Zu ihrem ersten kantonalen Erfolg in Baselstadt vgl. SPJ, 1968, S. 29.
[6] Wahlen vom 1.3.70 (GdL, 50, 2.3.70; 51, 3.3.70; NZ, 101, 3.3.70; NZZ, 102, 3.3.70; PS, 52, 5.3.70). Vgl. SPJ, 1966, S. 22.
[7] Ergebnisse der bemischen Grossratswahlen vom 3.5.70: BGB 80 (1966: 81; 1962: 78), Christlichsoziale 10 (11; 10), unabhängige Christlichsoziale 1 (1; 1), Freisinnige 36 (33; 39), Jungfreisinnige 1 (—; —), unabhängige Liberalradikale (separatistisch) 1 (1; —), Evangelische 1 (—; 1), Landesring 5 (3; 1), Junges Bern 2 (4; 2), Sozialdemokraten 63 (66; 68). Vgl. NZ, 182, 22.4.70; PS, 91, 23.4.70; Lb,.96, 28.4.70; NZZ, 198, 30.4.70; Tw, 102, 4.5.70; 103, 5.5.70; Bund, 103, 5.5.70; 121, 28.5.70; ferner SPJ, 1966, S. 21 f. Zu den Ergebnissen im Jura vgl. oben, S. 27. Anm. 134.
[8] Wahlen vom 1.3.70: Die bürgerlichen Kandidaten (1 Liberaler, 1 PAI, 3 Radikale) erzielten zwischen 68 039 und 70 101 Stimmen, die Sozialisten 41 525 und 43 806, Forel 30 444 (GdL, 44, 23.2.70; TLM, 61, 2.3.70; Bund, 51, 3.3.70; VO, 53, 6.3.70; PS, 54, 7.3.70; ferner SPJ, 1966, S. 22).
[9] Bern: Wahlen vom 3.5.70 (Bund, 102, 4.5.70; NBZ, 102, 4.5.70; vgl. auch oben, S. 27. — Zug: Wahlen vom 22.11.70 (Vat., 272, 23.11.70; NZZ, 553, 27.11.70).
[10] NZZ, 187 u. 188, 24.4.70; 191 u.192, 27.4.70; Ostschw., 96, 27.4.70.
[11] NZZ, 212 u. 213, 11.5.70. Zusammensetzung der Glarner Regierung nach der Landsgemeinde vom 10.5.70: 2 Konservativ-Christlichsoziale, 3 Freisinnige, 1 Demokrat, 1 Sozialdemokrat.
[12] NZZ, 52 u. 53, 2.2.70; AZ, 25, 2.2.70.
[13] Gemeindewahlen in Zürich vom 8.3.70: Gemeinderat: BGB 5 (1966: 11), Freisinnige und Demokraten 26 (24), Christlichsoziale 15 (18), Evangelische 12 (7), Landesring 26 (22), Sozialdemokraten 41 (41), PdA 0 (2); Stadtrat: BGB 1, Freisinnige 2, Landesring 2, Sozialdemokraten 4 (NZZ, 113, 9.3.70; 114, 10.3.70).
[14] Gemeindewahlen in Winterthur vom 8.3.70: Gemeinderat: BGB 5 (1966: 5), Freisinnige 8 (7), Demokraten 8 (11), Christlichsoziale 6 (7), Evangelische 2 (2), Landesring 8 (7), Junge Löwen 4 (2), Sozialdemokraten 19 (19); Stadtrat: BGB 1, Freisinnige 1, Demokraten 2, Christlichsoziale 1, Sozialdemokraten 2 (Lb, 55, 9.3.70; 56, 10.3.70).
[15] Zürcher Stadtratsersatzwahlen vom 15.11. und 13.12.70. (NZZ, 531, 14.11.70; 579, 12.12.70; AZ, 265, 14.11.70; 273, 24.11.70; NZN, 268, 16.11.70; 292, 14.12.70). Zum Rücktritt E. Bieris vgl. NZZ, 310, 8.7.70; 322, 15.7.70; zum Krawall-Prozess oben, S. 17.
[16] Berner Gemeinderatsersatzwahl vom 15.11.70 (NZ, 525, 13.11.70; NBZ, 267, 16.11.70).
[17] TdG, 38, 14./15.2.70; 39, 16.2.70; 40, 17.2.70. Nach der Ersatzwahl vom 15.2.70 setzte sich der Genfer Administrativrat aus 1 Liberalen, 1 Radikalen, 1 Christlichsozialen, 1 Sozialisten und 1 PdA-Vertreter zusammen.
[18] TLM, 47, 16.2.70; Bund, 38, 16.2.70; NZZ. 83, 19.2.70. Vgl. dagegen NZ, 168, 14.4.70.
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