Infrastruktur und Lebensraum
Erhaltung der Umwelt
La conception d'une politique active dans le domaine de l'environnement se heurte à de nouvelles oppositions — Un nombre important de rapports se consacre à l'analyse des menaces qui pèsent actuellement sur l'environnement — La détérioration des forêts s'accentue — Le Conseil fédéral édicte un programme d'urgence pour lutter contre le dépérissement des forêts. Celui-ci concerne avant tout les transports et les chauffages — Les organisations écologistes manifestent à Berne et revendiquent un renforcement des mesures en faveur des forèts — Lancement d'une initiative «Lutte contre le dépérissement des forêts» — La nouvelle loi sur l'environnement entre en vigueur; de nombreuses ordonnances seront toutefois nécessaires à son application effective — La pollution de l'air s'aggrave; à certains endroits elle franchit même le seuil de tolérance — Le Conseil fédéral se prononce pour une révision de la loi sur la protection des eaux — L 'utilisation des additifs de phosphate dans les produits de nettoyage sera désormais interdite — Les organisations de protection de l'environnement critiquent l'insuffisance des dispositions pour combattre le bruit — Les controverses au sujet du stockage des déchets se déplacent au niveau politique — Le Conseil des Etats n'adopte qu'une loi minimale en faveur du développement des sentiers pédestres.
Umweltpolitik
Obwohl das Berichtsjahr als «Jahr der Berichte» zur Umweltbedrohung, insbesondere zum Waldsterben, charakterisiert werden kann, wurde sichtbar, dass Informationen allein nicht genügen, um die gegenwärtige Situation zu ändern. Ihnen werden in naher Zukunft vielmehr auch Taten folgen müssen. Diese könnten in ihren Auswirkungen so umfassend werden, dass der Umweltbereich ähnlich der Raumplanung in den 70er Jahren zu einer neu integrierenden Politikdomäne würde. 1984 bereits feststellbar waren die Folgen für die Energie-, Verkehrs- und Forstpolitik
[1].
Bei der Formulierung politischer Konzepte gingen die Umweltorganisationen im Verbund mit Teilen der Wissenschaft voraus, die Parteien und die Massenmedien übernahmen die Aufgabe, artikulierte Interessen zusammenzufassen und je nach Standort zu bewerten. Der Bundesrat verabschiedete erste Massnahmenpakete zur Bekämpfung der als zentral erachteten Luftverschmutzung. Skepsis machte sich jeweils in den Reaktionen der Wirtschaftsverbände und wichtiger Interessenorganisationen des Automobilverkehrs bemerkbar, die ihrerseits versuchten, gemeinsam mit einzelnen wissenschaftlichen Experten und der Boulevardpresse hemmend auf die Entstehung einer neuen Umweltpolitik einzuwirken.
Sowohl bei der Luftverschmutzung als auch bei der Lärmbekämpfung und der Abfallbewirtschaftung wurde deutlicher als zuvor die Frage aufgeworfen, ob die eher auf Symptombekämpfung ausgerichtete Umweltpolitik genüge, oder ob es nötig sein werde, eine Politik zu betreiben, welche an den Ursachen der Umweltbedrohung ansetzt. Dabei vertrauten die Befürworter einer Wende vor allem auf regulative Massnahmen, die sie durch eine konsequente Durchsetzung des
Verursacherprinzips ergänzt sehen möchten. Skeptiker gingen jeweils vom Gegensatz zwischen Ökonomie und Ökologie aus, sahen in der lancierten Umweltpolitik eine neue Bürokratisierung der Wirtschaft und propagierten die vermehrte Berücksichtigung des Marktes. Im Berichtsjahr blieb noch unklar, wieweit Einstellungsänderungen auch ein neues Verhalten zur Folge haben. Zwar kündigen sich neue Entwicklungen an, doch machten sich auch Verhärtungen und neue Konfliktlinien bemerkbar, die zwischen den negativ Betroffenen von ökologisch inspirierten Lebensregeln und den Benachteiligten durch das bisherige Verhalten verliefen
[2].
Am umfassendsten angesetzt wurde in der Information über die gegenwärtige und zukünftige Umweltbedrohung bei der Beantwortung eines Postulats von Nationalrat R. Bäumlin (sp, BE), das nach den schweizerischen Konsequenzen aus der amerikanischen Studie «Global 2000» gefragt hatte. Exekutive und Verwaltung legten einen breit gefächerten Bericht vor, in dem die weltweiten Bevölkerungs- und Ressourcenprobleme und deren Auswirkungen auf die Ökosphäre zur Sprache kamen. Positiv überrascht zeigte sich der Postulant, weil im Bericht die anstehenden Fragen beim Namen genannt würden ; dagegen übte er Kritik an der bundesrätlichen Stellungnahme, weil sie über allgemeine Betrachtungen hinaus kaum Konsequenzen und Handlungsperspektiven aufzeige. Nationalrätin E. Kopp (fdp, ZH) regte in diesem Zusammenhang an, umfassend über den gegenwärtigen Stand der Umweltschäden in der Schweiz zu berichten. Weiter verlangte sie vom Bundesrat konkrete Vorschläge, wie die «sozialen Kosten» der Umweltbelastung vermehrt internalisiert werden könnten
[3].
Der von drei Umweltorganisationen herausgegebene «
Biozid-Report» legte mit der «Chemisierung der Umwelt» sein Hauptgewicht auf einen spezielleren, aber nicht weniger bedeutsamen Aspekt. Gefordert wurden konkrete Zielformulierungen über die Umweltqualität, die mindestens auf Gesetzesstufe verankert werden sollten. Von einer nationalen Umweltpolitik, welche diesen Namen verdient, möchten die Verfasser erst sprechen, wenn die Rate der Schadstoff-Freisetzung drastisch reduziert wird; zu diesem Zweck regten sie ein gänzliches Verbot von Chemikalien an, welche die Umwelt erheblich belasten. Ferner wurden eine Materialrückfiihrung in geschlossene Kreisläufe und eine umfassende Kontrolle durch Umweltbilanzen verlangt
[4].
Am deutlichsten sichtbar wurde die Umweltbedrohung bei der Entwicklung des
Waldsterbens. Waren es 1983 14% des Waldes, die als angeschlagen betrachtet werden mussten, so stieg der Anteil der geschädigten Bäume 1984 auf 34% an. Stark kranke oder abgestorbene Bäume machten 8% (1983: 4%) des Bestandes aus. Die Untersuchungen liessen je nach Baumsorte darauf schliessen, dass sich die Zahl der geschädigten Bäume innert Jahresfrist verdoppelt bis verdreifacht hat. Am stärksten betroffen waren die Weisstannen, bei denen schon mehr als die Hälfte krank sind. Wie das 1984 im Rahmen der «Sanasilva»-Untersuchung erstmals erstellte Waldschadeninventar ergab, kennen alle Regionen der Schweiz Waldschäden. Am schlechtesten ist der Zustand in den inneralpinen Zonen der Kantone Wallis und Graubünden. Auf der Alpennordseite nehmen die Schäden von West nach Ost spürbar zu. Zu den wichtigsten Auswirkungen des Waldsterbens wurden die rasche Vermehrung von Parasiten, negative Einflüsse auf den Holzmarkt und ein abnehmender Schutz gegen Wind und Lawinen gezählt. Obwohl in der Ursachenanalyse Fortschritte verzeichnet wurden, herrschte im Berichtsjahr nur über den primären Faktor weitgehende Einigkeit: Wissenschaftliche Untersuchungen, aber auch der Bundesrat hoben die Bedeutung der Luftverschmutzung hervor; noch nicht schlüssig bekannt scheint dagegen die genaue Wirkungsweise zu sein
[5].
Als Konsequenz aus dem Waldschadeninventar postulierte die Exekutive in ihrem ersten «
Waldbericht» den handlungsleitenden Grundsatz, die
Luftqualität müsse auf den Stand zwischen 1950 und 1960 zurückgeführt werden. In einem ersten Massnahmenpaket beschloss sie, vorwiegend Schritte zu realisieren, die den Verkehr und die Heizungen betreffen. Sofort eingeführt wurde eine befristete Senkung der Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen und Überlandstrassen. Weiter wurden ein Verbot von bleihaltigem Normalbenzin ab Mitte 1986 und die Zulassung von Katalysatorfahrzeugen beschlossen. Strengere Abgasnormen als die für 1986 vorgesehenen befürwortete der Bundesrat, doch sollten sie nach seiner Meinung erst eingeführt werden, wenn auch in den Nachbarstaaten ein genügendes Angebot an bleifreiem Benzin vorhanden ist. Im Bereich der Heizungen verordnete die Landesregierung die obligatorische Typenprüfung der Heizkessel und Brenner sowie die lückenlose Nachkontrolle der Ölfeuerungen. Ferner legte sie den Schwefelgehalt bei «extra leichtem» Heizöl auf 0,3% fest
[6].
Weitergehende Forderungen erhoben insbesondere die Umweltorganisationen. Zur Popularisierung ihrer Ideen veranstalteten sie am 5. Mai in Bern eine
Demonstration zugunsten des Waldes, an der rund 30 000 Personen teilnahmen. Propagiert wurden unter anderem, mittels einer Rationierung den Treibstoffverbrauch um die Hälfte zu senken, sowie den Nationalstrassenbau zu stoppen und die frei werdenden Gelder in den öffentlichen Verkehr umzulenken
[7]. Bei der Debatte über die Regierungsrichtlinien 1983-87 versuchte die SP-Fraktion der Bundesversammlung erfolglos, einen Teil dieser Forderungen mit einer Motion zum Notprogramm zu erklären und damit den Bundesrat zu rascherem Handeln zu zwingen
[8]. Dagegen vereinbarten die Spitzen der vier Regierungsparteien, ein gemeinsames Programm zur Rettung des Waldes vorzubereiten. In ihren Empfehlungen, die sie kurz vor Jahresende veröffentlichten, wünschten sie von der Exekutive eine schrittweise Verschärfung und Erweiterung der ergriffenen Massnahmen in den Bereichen Verkehr und Energie: Im wesentlichen wurde vorgeschlagen, bleifreies Benzin durch eine Differenzierung des Treibstoffzolls zu begünstigen, die amerikanischen Abgasnormen ab Modelljahr 1988 obligatorisch zu erklären und bis dahin Fahrzeuge, welche diese bereits erfüllen, steuerlich zu bevorteilen; das gleiche solle mit Fahrzeugen geschehen, die mit Katalysatoren ausgerüstet seien. Bei der Heizkostenabrechnung wurde ein Obligatorium für eine verbrauchsabhängige Ausgestaltung grundsätzlich unterstützt; sodann fanden strengere Werte für den zulässigen Schwefelgehalt aller Heizölsorten Eingang in das «10-Punkte-Programm» der Regierungsparteien
[9].
Ohne einzelne Massnahmen aufzulisten, lancierte der Umweltschützer F. Weber eine
Volksinitiative «Kampf dem Waldsterben». Damit will er dem Bundesrat ausserordentliche Vollmachten geben und den von der Exekutive erhobenen Grundsatz, die Luftverschmutzung sei auf den Stand Mitte der 50er Jahre zu senken, in der Verfassung verankern. Schutzmassnahmen zugunsten der gesamten Umwelt, die sich aus den bisherigen Verfassungsbestimmungen genügend ableiten liessen, sollten ausschliesslich auf dem Verordnungswege realisiert werden. Damit würde nach Ansicht des Initianten die nötige Zeit gewonnen, um ergriffene Massnahmen rechtzeitig wirksam werden zu lassen
[10].
Nachdem die Referendumsfrist unbenutzt verstrichen war, konnte der Bundesrat das neue Umweltschutzgesetz auf 1985 in Kraft setzen. Da es sich weitgehend um ein Rahmengesetz handelt, wird es erst mit den entsprechenden Verordnungsbestimmungen griffig werden; eine Anzahl davon wurde im Berichtsjahr vorbereitet respektive in die Vernehmlassung gegeben
[11]. Um einem der umstrittensten Punkte des neuen Gesetzes — der Umweltverträglichkeitsprüfung ortsfester Anlagen — Gewicht zu verleihen, richtete die Schweizerische Gesellschaft für Umweltschutz (SGU) eine Beschwerdestelle ein
[12].
Luft
Die Luftverschmutzung in der Schweiz ist unverändert hoch und muss weiterhin als «hausgemacht» betrachtet werden. Sie liegt insbesondere in den Stadtzentren über den als unbedenklich geltenden Immissionsgrenzwerten. Zu diesen Feststellungen gelangte ein Bericht, den das Bundesamt für Umweltschutz mit
neuesten Messdaten aus der nationalen Luftbeobachtung erstellt hatte. Nach den wichtigsten Schadstoffen gegliedert, präsentiert sich die gegenwärtige Situation wie folgt: Schwefeldioxid, das vor allem bei der Verbrennung fossiler Materialien entsteht, und diverse vom Motorfahrzeugverkehr produzierte Stickstoffoxide kommen in den Stadtzentren und Agglomerationsgebieten der Schweiz in zu hohen Konzentrationen vor; dabei werden die vom BUS empfohlenen Grenzwerte bis zu zweieinhalb Mal überschritten. Kohlenmonoxid, das ebenfalls vorwiegend durch den Strassenverkehr in die Luft gelangt, erreicht nur an exponierten Stellen unzulässige Konzentrationen. Angestiegen ist schliesslich die grossräumige Belastung durch Ozon, das im Hinblick auf das Waldsterben von Bedeutung erscheint
[13].
Um den Erkenntnissen Taten folgen zu lassen, wurde im Berichtsjahr die
Luftreinhalteverordnung, die sich auf das Umweltschutzgesetz stützt, mit erster Priorität ausgearbeitet und in die Vernehmlassung geschickt. Sie legt die Immissionsgrenzwerte für eine Zahl wichtiger Schadstoffe verbindlich fest. Für verschmutzende Anlagen werden dem Stand der Technik entsprechende Emissionsgrenzwerte definiert, wobei Altanlagen Sanierungsfristen von zwei bis zehn Jahren erhalten sollen
[14].
Gewässerschutz
Die 1983 lancierte «
Initiative zur Rettung unserer Gewässer» wurde mit 176 484 Unterschriften eingereicht. Sie verlangt im wesentlichen, Gewässer samt ihren Uferbereichen vor weiteren wirtschaftlich motivierten Eingriffen zu bewahren und die Sanierung belasteter Flüsse und Seen zu beschleunigen
[15]. Politisch wird das Volksbegehren zu einer Orientierungsgrösse für die vom Bundesrat beschlossene Gesetzesrevision im Bereich des Gewässerschutzes werden. Die Landesregierung beabsichtigt damit unter anderem einen «differenzierten Gewässerschutz» einzuführen, wonach auf Bundesebene Minimalvorschriften erlassen würden, die von den Kantonen nach eigenem Ermessen strenger gestaltet werden könnten. So überlässt der Vorentwurf bei der
Restwassermenge, welche den Grad der wirtschaftlichen Nutzung von Fliessgewässern regelt, einen Interpretationsspielraum, der im Einzelfall einen besseren Schutz der Gewässer erlaubt. Im Sinne einer Aufgabenneuverteilung zwischen Bund und Kantonen sieht der Vorentwurf für ein neues Gewässerschutzgesetz ferner vor, die Subventionen des Bundes zu reduzieren; bei der Kostendeckung sollte schliesslich das Verursacherprinzip vermehrt berücksichtigt werden
[16].
Zur Eindämmung der
Überdüngung von Seen und Flüssen schlug das EDI vor, ab 1986 Phosphatzusätze in Textilwaschmitteln völlig zu verbieten. Damit will es die 1977 eingeführte und seither zweimal verschärfte Einschränkung konsequent zu Ende führen. Weiterhin erlaubt sein sollen Ersatzwirkstoffe wie Zeolith und in begrenztem Masse NTA. Als flankierende Massnahme wurde vorgeschlagen, den landwirtschaftlichen Beratungsdienst zu verbessern, um eine striktere Einhaltung der Empfehlungen bezüglich des Phosphateinsatzes durch die Bauern zu erreichen. Ob die Verordnung im gewünschten Sinne in Kraft gesetzt wird, hängt noch vom laufenden Vemehmlassungsverfahren ab: Vor allem mit dem Hinweis, die Umweltverträglichkeit von NTA sei in der Schweiz noch zu wenig erforscht, lehnten die Hersteller von Waschmittelprodukten das angestrebte Phosphatverbot ab
[17].
Lärm
Gegen den Lärm veranstaltete die SGU eine nationale Kampagne. Dabei kritisierte sie das neue Umweltschutzgesetz als ungenügendes Instrument zur Lärmbekämpfung, weil die pragmatisch ermittelten Alarmwerte bestehende Lärmquellen kaum tangierten; die Massnahmen, die sich aus dem Gesetz ableiten lassen, könnten nur Symptome bekämpfen helfen. Untersuchungen der ETH hätten jedoch ergeben, dass im Kanton Zürich beispielsweise rund ein Viertel der Bewohner mit stetem Lärm lebten. Die Folgen seien Schlafstörungen, die zu Pillenkonsum und Gesundheitsschäden, aber auch zu verminderter Konzentrationsfähigkeit führten. Als vorrangige politische Ziele nannte die SGU die Verminderung von Lärmquellen, die auch bei Freizeitaktivitäten nicht Halt machen dürfe, sowie die Förderung der Lärmschutztechnik. Eine Beschränkung auf Lärmschutzwände entlang von Strassen wurde nur als Notlösung beurteilt
[18].
Opposition von seiten des Natur- und Heimatschutzes manifestierte sich gegen den in Bösingen (FR) vorgesehenen Bau eines eidgenössischen Typenprüfungszentrums für Fahrzeuge. Die geplante Lärmprüfstrecke wäre unmittelbar neben ein 1981 vom Schweizerischen Bund für Naturschutz mit der «Schoggitaler»-Aktion erworbenes Naturschutzreservat zu liegen gekommen. Die vorberatenden Kommissionen der eidgenössischen Räte zeigten sich bereit, die Behandlung der Vorlage aufzuschieben bis weitere Standorte geprüft seien
[19].
Abfall
Als Nachwirkung der 1983 abgeschlossenen gesamtschweizerischen Abfallerhebung kam vor allem in Expertengruppen eine
Diskussion über die Bewirtschaftung von Abfällen auf
[20]. Dabei stehen sich zwei Strategien als Alternativen zur dominierenden, jedoch zunehmend problematischeren Kehrichtverbrennung gegenüber. Einerseits brachten Befürworter einer Abfallverwertung die Kompostierung wieder ins Gespräch oder favorisierten ein wirtschaftlich orientiertes Recycling nicht nur von Glas und Altpapier, sondern auch von Kunststoffen und Altöl. Anderseits wurde angesichts der seit 1970 zweieinhalb Mal so grossen Kehrichtmenge pro Kopf der Bevölkerung eine grundsätzliche Wende angestrebt. Im Sinne einer Kausaltherapie soll Abfall überhaupt vermieden werden. Im Zentrum stehen dabei die Verpackungen sowie ein Verbot von Cadmium, Quecksilber in Batterien, PVC und PCB
[21].
In der Öffentlichkeit kam die Diskussion über Abfälle gesamtschweizerisch erst zaghaft auf. Die Kontroverse entzündete sich am Systemwechsel bei den
Filtern in Kehrichtverbrennungsanlagen, der mit dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen zum Umweltschutzgesetz voraussichtlich zwingend sein wird. Die Befürworter der neuen «Nassreinigung» von Rauchgas wiesen auf die Rückstände an Schwermetallen in der Kaminluft hin, die durch das bisherige Verfahren nicht verringert werden könnten. Ihnen stellten sich nicht nur diejenigen, welche die «Trockenreinigung» als unproblematisch ansahen gegenüber, sondern auch Kritiker, die angesichts der national zu erwartenden Investitionen von rund 500 Mio Fr. und des weiterhin ungelösten Problems der Lagerung der Schlacke in Sondermülldeponien eine Abfallsortierung für lohnender hielten
[22]. Zu diesem Zweck wurde in Leibstadt (AG) eine zentrale Versuchsanlage in Betrieb genommen. Auf eine Interpellation von Nationalrat W. Biel (ldu, ZH) hin, der das wirtschaftlich betriebene Recycling von Bundesseite her fördern wollte, äusserte sich der Bundesrat jedoch negativ; die sortierten Komponenten wie Kompost oder Brennstoffe enthielten vorläufig noch zuviele Schadstoffe, um eine Weiterverwendung zu verantworten. Abgewartet werden sollen auch die Ergebnisse eines Grossversuchs in Hinwil (ZH), bei dem Altpapier, Metall und Glas an der Quelle vom übrigen Abfall getrennt eingesammelt werden. In diesem Sinne nahm die Landesregierung auch eine Motion von Nationalrat S. Bircher (sp, AG) als Postulat entgegen
[23].
Spürbar nachgelassen hat die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gegenüber den
Dioxin-Fässern aus dem Seveso-Unfall, die in Basel gelagert wurden. Zwar wurde zu Jahresbeginn ein Zeitplan erstellt, wonach im Anschluss an eine Testphase zwischen Oktober und Dezember sämtliches Gift und die verwendeten Hilfsmittel verbrannt werden sollten. Bald schon zeigte sich aber, dass die Annahmen bezüglich der Kapazität und der Sicherheit des Verbrennungsofens nicht genügten, so dass 1984 noch keine Bewilligung für die Vernichtung des gesamten Inhalts der 41 Seveso-Fässer erteilt werden konnte
[24].
Natur- und Heimatschutz
Die Entwicklungen des Strassenbaus und der Luftverschmutzung waren dafür verantwortlich, dass sich die Exponenten des Natur- und Heimatschutzes verstärkt regten, bessere Kompetenzen und mehr Bundesmittel verlangten. In das seit 1977 bestehende «Bundesinventar für Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung» wurden in einer zweiten Serie 54 Objekte aufgenommen; damit werden gegenwärtig 13% des Bodens eine besondere Schutzwürdigkeit attestiert
[25].
Restriktiv legte der Ständerat den Auftrag aus, den das Parlament 1979 mit der Annahme eines Verfassungsartikels über
Fuss- und Wanderwege erhalten hatte. Die Kantonsvertreter zeigten sich lediglich bereit, ein minimales Rahmengesetz zu erlassen, das weniger weit geht als die Anträge des Bundesrates. Zuhanden der Volkskammer, deren Beratung noch aussteht, bekräftigten 23 einschlägige Interessenorganisationen insbesondere ihre Forderungen nach motorfahrzeugfreien Fuss- und nach ungeteerten Wanderwegen
[26].
[1] Vgl. dazu oben, Teil I, 5 (Forstpolitik); I, 6a (Politique énergétique) und I, 6b (Strassenverkehr). Für die kantonale Umweltpolitik vgl. unten, Teil II, 4 f. Im Rahmen der Bemühungen um eine Totalrevision der BV wurde diskutiert, ob das ökologische Denken als neue Basis dienen könnte (vgl. oben, Teil I, 1a, Totalrevision der Bundesverfassung). Stellenwert der Umweltforschung für die politische Praxis: D. Freiburghaus / W. Zimmermann, Der Fall Seesanierung, Lausanne 1984 sowie dies., Der Fall Ökologie im Berggebiet, Lausanne 1985.
[2] Vgl. exemplarisch : wf, Dok., 24, 12.6.84 und Bund, 5.12.84. Zur Vermittlung von Ökonomie und Ökologie siehe auch C. Binswanger u.a., Arbeit ohne Umweltzerstörung — Strategien einer neuen Wirtschaftspolitik, Frankfurt a.M. 1984 (vgl. auch Vr, 6.4.84); B.S. Frey, Umweltökonomie, Zürich 1985.
[3] Bundesamt für Umweltschutz (BUS), Globale Bevölkerungs-, Ressourcen- und Umweltprobleme und ihre Konsequenzen für die Schweiz, Bern 1984 (vgl. Presse vom 17.7.84; TA, 18.7.84 sowie NZZ, 7.11.84). Postulat Kopp: Amtl. Bull. NR, 1984, S. 1415 f. Soziale Kosten des Automobils: vgl. speziell Amtl. Bull. NR, 1984, S. 312 (Postulat Mascarin, poch, BS).
[4] Biozid-Report Schweiz. Schadstoffe in unserer Umwelt — Situationen und Lösungsansätze, Zürich 1984 (vgl. BaZ, 21.6.84; NZZ, 22.6.84). Umweltbilanzen: A. Braunschweig u.a., Ökologische Buchhaltung für eine Stadt, St. Gallen 1984 (vgl. Vr, 26.7.84) sowie NZZ, 7.11.84 und unten Anm. 21.
[5] Bundesamt fir Forstwesen, Ergebnisse der Sanasilva-Waldschadeninventur 1984, Bern 1984; P. Schmid-Haas, «Der Gesundheitszustand des Schweizer Waldes 1984 », in Zeitschrift für Forstwesen, 136/1985, S. 251 ff. ; vgl. auch Presse vom 12.11.84 sowie SPJ, 1983, S. 125 ff. Ursachenanalyse: EDI, Waldsterben und Luftverschmutzung. Bern 1984 sowie Biozid-Report Schweiz, Zürich 1984.
[6] EDI, Waldsterben und Luftverschmutzung, Bern 1984 (vgl. auch Presse vom 22.11.84). Sofortmassnahmen : BBl, 1984, I, S. 1093 ff.; III, S. 1129 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1984, S. 470 ff.; 572 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1984, S. 158 ff.; 204 ff.; AS, 1984, S. 1516 ff. ; vgl. auch Presse vom 3.5.84 ; 4.5.84. Für die Massnahmen gegen den Borkenkäfer vgl. auch oben, Teil I, 4c (Forstpolitik). Für die Entstehung der Diskussion über Massnahmen gegen das Waldsterben siehe auch SPJ, 1982, S. 115; 1983, S. 125 ff. sowie W. Schärer/W. Zimmermann, Politische und rechtliche Betrachtungen zum Thema Waldsterben in der Schweiz, Zürich 1984.
[7] Demonstration: Wochen-Zeitung, 18, 4.5.84; Presse vom 7.5.84; Massnahmenkatalog: vgl. exemplarisch SGU-Bulletin, Sondernummer Juni 1984. Für den Autobahnbaustopp vgl. oben, Teil I, 6b (Strassenverkehr).
[8] Amtl. Bull. NR, 1984, S. 738 ff.; 818 ff.; TW, 14.6.84; Presse vom 19.6.84. Vgl. auch oben, Teil I, 1c (Regierung).
[9] Presse vom 5.9.84; 14.11.84; NZZ, 15.11.84. Vgl. auch Amtl. Bull. NR, 1984, S. 973 (Postulat Iten, cvp, NW); S. 975 (Postulat LdU/EVP-Fraktion); S. 983 (Postulat Rebeaud, écologiste, GE).
[10] BBl, 1984, III, S. 355 f.; Presse vom 31.10.84.
[11] Inkraftsetzung: AS, 1984, S. 1122 ff. Vgl. SPJ, 1983, S. 127 ff. sowie M. Buser, «Umweltschutzgesetzgebung und Wirtschaftsverbände», in Wirtschaft und Recht, 36/1984, S. 245 ff. Vernehmlassung: wf, Dok., 37, 10.9.84; Presse vom 26.5.84; Bund, 29.9.84; NZZ, 29.11.84. Vollzug: BaZ, 20.1.84; BZ, 5.6.84; NZZ, 27.6.84. Einen Überblick dazu gibt Bund, 29.12.84. Vgl. auch grundsätzlich: M. Buser, Der Einfluss der Wirtschaftsverbände auf die Gesetzgebungsprozesse und das Vollzugswesen im Bereich des Umweltschutzes, Florenz 1984 (vgl. Vr, 24.8.84).
[12] SGU-Bulletin, 1984, Nr. 4, S. 6 f.
[13] BUS, Luftbelastung 1983, Bern 1984; vgl. auch Bund, 16.4.84; NZZ, 5.9.84; 22.12.84 sowie SPJ, 1983, S. 128 f. Grundsätzliches: EDI, Waldsterben und Luftverschmutzung, Bern 1984 sowie BUS, Tempolimiten und Schadstoffausstoss, Bern 1984.
[14] Amtl. Bull. NR, 1984, S. 1593; NZZ, 26.5.84; 27.9.84; TA, 4.12.84 (vgl. auch oben, Anm. 6 und 1). Siehe auch oben, Teil I, 6a (Politique énergétique) und 6b (Strassenverkehr).
[15] BBl, 1984, I, S. 994 ff.; NZZ, 10.10.84; 14.11.84; 11.12.84; vgl. auch SPJ, 1983, S. 127.
[16] Gesetzesrevision: NZZ, 29.8.84; Presse vom 31.10.84; vgl. auch SPJ, 1983, S. 127 f. Grundsätzliches: Wasser. Eine Dokumentation über Wasser und Gewässerschutz, Dübendorf 1984.
[17] Phosphatgehalt: Presse vom 11.5.84; vgl. auch SPJ, 1983, S. 130; Vernehmlassung: NZZ, 2.6.84; 3.7.84; 26.7.84; 7.9.84; 22.9.84. Nitratgehalt: Amtl. Bull. NR, 1984, S. 1416 (Postulat Keller, cvp, AG); NZZ, 14.11.84.
[18] SGU-Bulletin, 1984, Nr. 3, S. 3 ff.; Presse vom 16.3.84; vgl. auch SPJ, 1983, S. 130.
[19] Lib., 17.8.84; TA, 17.8.84.
[20] BUS. Abfallerhebung, Bern 1984; vgl. auch SPJ, 1983, S. 131 sowie Bund, 31.1.84; BaZ, 21.4.84.
[21] Überblick: Bund, 23.10.84; NZZ, 14.11.84; TAM, 50, 22.12.84; SUG-Bulletin, 1985, Nr. 1, S. 3 ff. Abfallverwertung: BUS, Kompostierung, Bern 1984 (vgl. auch TA, 10.7.84; SGU-Bulletin, 1984, Nr. 1, S. 16 ff.) sowie Aktion Saubere Schweiz, Abfall und Recycling, Zürich 1984 (vgl. auch NZZ, 20.12.84) und wf, Dok., 4, 23.1.84. Abfallvermeidung: NZZ, 1.11.84; BUS, Cadmium in der Schweiz, Bern 1984 sowie BUS, Ökobilanzen von Packstoffen, Bern 1984 (Presse vom 25.4.84; TA, 24.5.84; 21.9.84).
[22] Zürich: TA, 1.3.84; 9.6.84; TAM, 50, 22.12.84. Bern: BZ, 24.9.84.
[23] NZZ, 1.3.84; 7.6.84; TAM, 50, 22.12.84; Amtl. Bull. NR, 1984, S. 996; S. 1401 ff. (vgl. auch Presse vom 6.11.84).
[24] BaZ, 24.2.84; 28.11.84; 24 Heures, 11.6.84; 18.11.84; vgl. auch SPJ, 1983, S. 130 f.
[25] Klagen: NZZ, 2.4.84; 17.8.84; Ww, 38, 20.9.84; vgl. auch Amtl. Bull. NR, 1984, S. 1415 f. (Postulat Kopp, fdp, ZH). Inventar: AS, 1983, S. 1942 ff. sowie Presse vom 25.5.84.
[26] Amtl. Bull. SIR, 1984, S. 89 ff.; Presse vom 15.3.84; vgl. auch SPJ, 1983, S. 116 f. NR-Kommission : NZZ, 15.10.84.