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Parteien, Verbände und Interessengruppen
Verbände und übrige Interessenorganisationen
La croissance économique contribue à amoindrir les divergences entre les partenaires sociaux—Le patronat se plaint des coûts et des charges administratives engendrés par les assurances sociales — Les revendications de l'Association suisse des banquiers concernant des allégements fiscaux sont soutenues par un bon nombre de parlementaires — L'USAM s'engage à fond dans les campagnes contre la garantie des risques à l'innovation et le nouveau droit matrimonial — L'Union suisse des paysans se voit contrainte à défendre la politique agricole officielle face à certaines critiques — La VKMB dépose son initiative populaire «pour une protection des exploitations paysannes et contre les fabriques d'animaux» — La Confédération des syndicats chrétiens rejoint la stratégie de l'USS consistant à combattre le chômage par une forte réduction du temps de travail — La conseillère nationale Monika Weber est élue secrétaire générale de la Société suisse des employés de commerce.
 
Auch 1985 waren es oft die Verbände und nicht die Parteien, die bei politischen Entscheiden und insbesondere bei Volksabstimmungen als führende Kräfte auftraten. Eine ökonometrisch angelegte Untersuchung versuchte den Einfluss der Spitzenverbände auf den Gang der Wirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte in Zahlen zu fassen. Nach den Ergebnissen dieser empirischen Studie kommen den Parolen des Bauernverbandes und des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes namentlich bei Volksabstimmungen grosse Bedeutung zu. Die Auswirkungen der Aktivitäten des Gewerbeverbands und des Vororts lassen sich demgegenüber statistisch eher im Bereich der parlamentarischen und vorparlamentarischen Gestaltung der Ausgabeninstrumente nachweisen [1].
Es ist sicher zu einem guten Teil der günstigen Wirtschaftslage zu verdanken, dass trotz des oft einschneidenden Strukturwandels die Beziehungen der Sozialpartner auch 1985 mehrheitlich freundlich blieben. Zu Arbeitskämpfen kam es gemäss offizieller Statistik des BIGA lediglich in drei Fällen mit insgesamt 366 beteiligten Arbeitnehmern. Für mehrere Branchen und Berufsgruppen konnten neue Gesamtarbeitsverträge mit zum Teil verkürzten Arbeitszeiten ausgehandelt werden.
Die Politik diverser Firmen, ihre Aktionäre an den verbesserten Geschäftsergebnissen unter anderem in Form von Dividendenerhöhungen partizipieren zu lassen, stiess auf Kritik von seiten der Gewerkschaften. Diese vertraten den Standpunkt, dass sich im Lohnbereich ein Nachholbedarf aufgestaut habe. Die erhöhten Gewinne sollten ihrer Meinung nach, wenn sie schon nicht zugunsten substantieller materieller Verbesserungen für die Arbeitnehmer eingesetzt würden, zumindest reinvestiert werden. Die Unternehmer setzten sich gegen den Vorwurf einer übermässig grosszügigen Dividendenausschüttung zur Wehr und wiesen darauf hin, dass sich gemäss nationaler Buchhaltung der Anteil der Arbeitnehmereinkommen am Volkseinkommen seit 1980 zwar geringfügig reduziert hat, dass aber der Anteilsverlust bei den Geschäftseinkommen der Selbständigerwerbenden noch grösser ausgefallen ist. Die Anteile sowohl der Dividenden als auch der unverteilten Gewinne lagen gemäss diesen Statistiken 1983 unter den Werten von 1970 [2].
Die Unternehmer ihrerseits rügten erneut die Versuche der Gewerkschaften, arbeitsmarktliche Regelungen nicht ausschliesslich im Rahmen von Gesamtarbeitsverträgen, sondern auch auf dem Weg über Verfassungsinitiativen zu erkämpfen. Damit sprachen sie insbesondere die im Verlauf des Berichtsjahres abgelehnte Ferieninitiative und die 1984 eingereichte Arbeitszeitinitiative des SGB, aber auch die 1985 vom Parlament behandelte Kündigungsschutzinitiative des Christlichnationalen Gewerkschaftbundes an. Die Tendenz zu gesetzlichen Normen anstelle von Verhandlungslösungen halten die Arbeitgeber nicht nur für gefährlich, weil sie den Aktivitätsbereich und den Spielraum der Sozialpartner einschränkt, sondern auch für gesamtwirtschaftlich unerwünscht, weil sie flexible, branchen- und betriebsgerechte Lösungen nicht zulasse. Alt-Bundesrat H. P. Tschudi plädierte in der Gewerkschaftspresse für eine ergänzende Funktion der beiden Instrumente Gesamtarbeitsvertrag und Gesetz. Dabei sollen seiner Meinung nach die gesetzlichen Regelungen in erster Linie Minimalbedingungen setzen, die er allein schon deshalb als notwendig erachtet, weil mit den Gesamtarbeitsverträgen bei weitem nicht alle Arbeitsverhältnisse erfasst sind [3].
Unternehmer
Die Vertreter der Spitzenorganisationen von Industrie und Handel drückten ihre Befriedigung über die wirtschaftliche und im grossen und ganzen auch über die politische Entwicklung aus. Der Schweizerische Handels- und Industrieverein / Vorort (SHIV) sah in der Tatsache, dass die Impulse für den weltwirtschaftlichen Aufschwung vor allem von den USA und Japan ausgegangen waren, eine Bestätigung seiner Grundsätze. Die von ihm auch für die Schweiz propagierte Verbesserung der angebotsseitigen Rahmenbedingungen, worunter insbesondere der Abbau staatlicher Vorschriften und Kontrollen sowie Erleichterungen im fiskalischen Bereich verstanden werden, habe namentlich in den USA, in beschränktem Rahmen allerdings auch in andern Industriestaaten, den Unternehmern neuen Mut gegeben, die Gewinnerwartungen verbessert und die Investitionsbereitschaft gekräftigt. Dass die Wachstumsimpulse ausgerechnet von Ländern mit relativ langen Jahresarbeitszeiten ausgegangen waren, nahmen die Vertreter des Vororts zum Anlass, die These der Gewerkschaften und der politischen Linken, welche besagt, dass die bestehenden Beschäftigungsprobleme nur mit Arbeitszeitverkürzungen gelöst werden können, unter Beschuss zu nehmen [4].
Dem Zentralverband schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen (ZSAO) bereitet, wie übrigens auch dem Schweizerischen Gewerbeverband, die Entwicklung der Sozialversicherungen grosse Sorge. Seiner Ansicht nach ist vor allem in diesem Bereich unbedingt ein Marschhalt und eine finanzielle Konsolidierung angezeigt. Neben der kostenmässigen Belastung durch die Sozialversicherungen bemängelte er auch den administrativen Aufwand, der dem Arbeitgeber aufgebürdet wird. Im Bereich der Tagespolitik konnte der. SHIV anlässlich der Volksabstimmung über die Innovationsrisikogarantie einen Erfolg verbuchen. Aus vorwiegend grundsätzlichen Überlegungen hatte er gemeinsam mit dem Gewerbeverband gegen diese Vorlage, die eine staatliche Hilfe bei der Aufnahme von Risikokapital für bestimmte zukunftsgerichtete Vorhaben einführen wollte, das Referendum ergriffen. Ebenfalls im Sinne der Unternehmerverbände fiel die Volksabstimmung über die gewerkschaftlich-sozialdemokratische Ferieninitiative aus. Auffallend war im Berichtsjahr im weitern die vielfach durchschlagskräftige Vertretung des Unternehmerstandpunkts durch Praktiker aus der Wirtschaft in den parlamentarischen Debatten. Besonders deutlich kam dies bei den Beratungen über die Revision des .Aktienrechts sowie des Gesetzes über steuerbegünstigte Arbeitsbeschaffungsreserven zum Ausdruck [5].
Nach der 1984 erfolgten Ablehnung der sozialdemokratischen Volksinitiative standen die Banken wieder etwas weniger im Zentrum des politischen Geschehens. Mit den politischen Entscheiden während des Berichtsjahres durfte die Schweizerische Bankiervereinigung recht zufrieden sein. So strich das Parlament gegen den Antrag der Regierung die Zinskontrolle aus dem Anwendungsbereich des neuen Gesetzes über die Preisüberwachung. Die von den Banken als dringlich erachtete Schaffung einer Rechtsnorm zur Bekämpfung sogenannter Insiderdelikte an den Börsen kam zügig voran. Der im Mai vom Bundesrat dem Parlament unterbreitete Gesetzesentwurf deckt sich weitgehend mit den Vorstellungen der Banken. Weil verschiedene Staaten dank Liberalisierungsmassnahmen und fiskalischen Entlastungen als Standort für Bankgeschäfte attraktiver geworden sind, schwindet der traditionelle Konkurrenzvorsprung des Finanzplatzes Schweiz. Die Interessenorganisation der Bankiers setzte deshalb trotz guter Geschäftsergebnisse den Kampf für die Verbesserung namentlich der fiskalischen Rahmenbedingungen fort. Sie fand für ihre Anliegen, von denen der Bundesrat massive Einnahmeneinbussen befürchtet, parlamentarische Unterstützung. Die Volkskammer überwies eine Motion Feigenwinter (cvp, BL), welche einige der Forderungen des Bankengewerbes enthält. Praktisch der ganze Forderungskatalog der Bankiervereinigung in bezug auf steuerliche Entlastung der Bankgeschäfte findet sich in zwei noch nicht behandelten identischen Motionen, welche freisinnige Abgeordnete in beiden Kammern eingereicht haben [6]
Im personellen Bereich zeichnete sich in der Bankiervereinigung eine Wachablösung ab. A. Sarasin kündigte an, dass er im Herbst 1986 nach zwanzigjähriger Amtsdatier als Präsident zurückzutreten gedenke. Als Nachfolger wurde vom Verwaltungsrat der Genfer Privatbankier Claude de Saussure bestimmt. Im Blick auf dessen fortgeschrittenen Alters darf seine Wahl eher als Interregnum betrachtet werden, das Zeit einräumt für grundsätzliche Überlegungen zum Thema Amtszeitbeschränkung und zum ungeschriebenen Gesetz, welches den Vorsitz Privatbankiers vorbehält [7].
Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV), in dem unter anderem mehr als 200 Berufsorganisationen aus dem Gewerbe, aber auch aus Handel und Verkehr zusammengeschlossen sind, hielt am 15. Oktober in Bern seinen Kongress ab. An dieser im Dreijahresturnus stattfindenden Veranstaltung wurde im Sinne einer Standortbestimmung die Verbandspolitik der letzten Jahre bestätigt. Präsident Kündig stellte dabei namentlich fest, dass sich die vom Staat gesetzten Rahmenbedingungen weiter verschlechtert hätten und dass in der Sozialpolitik das Mass des finanziell Tragbaren überschritten sei [8]. Besonders gross war das Engagement des SGV bei zwei Vorlagen, welche das Parlament 1984 verabschiedet hatte. Sowohl im Fall der Schaffung einer Innovationsrisikogarantie (IRG) durch den Bund als auch bei der Revision des Eherechts trug der Gewerbeverband kräftig zum Zustandekommen des Referendums bei. Während sich die Ablehnung der IRG als Form staatlicher Hilfe für Unternehmer nahtlos in sein wirtschaftspolitisches Credo einordnen liess, gründete die Gegnerschaft des SGV zur Eherechtsreform nicht allein auf wirtschaftlichen Motiven. Seine Kritik beschränkte sich keineswegs auf Einwände in bezug auf erbrechtliche Folgen für Familienbetriebe und ähnliche gewerbespezifische Belange. Mit aller Deutlichkeit lehnte er im Verlauf der Abstimmungskampagne auch die der Reform zugrundeliegende Idee ab, welche von partnerschaftlichen Beziehungen in der Ehe ausgeht. Bei der IRG befand sich der SGV auf der Seite der Sieger, in der Frage der Modernisierung des Eherechts blieb er hingegen mit seine Ansichten in der Minderheit [9].
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Landwirtschaft
Der Schweizerische Bauernverband (SBV) als Spitzenorganisation der Landwirtschaft konstatierte mit Genugtuung, dass die offiziellen Leitlinien der Agrarpolitik, wie sie im 1985 vom Parlament genehmigten 6. Landwirtschaftsbericht des Bundesrates festgehalten sind, weitgehend mit seinen eigenen Vorstellungen übereinstimmen. Er warnte jedoch vor der auch in diesem Bericht erkennbaren Tendenz, den Massstab des Paritätslohns als Berechnungsgrundlage für die Einkommenspolitik in Frage zu stellen. Mit Nachdruck verteidigte der SBV die Landwirtschaftspolitik gegen grundsätzliche Kritik, wie sie im Berichtsjahr praktisch zum ersten Mal auch von prominenter Seite vorgebracht wurde. So hatte Bundesrat Stich die Frage aufgeworfen, ob sich die grossen Kosten der Stützungsund Förderungsmassnahmen angesichts der zahlenmässig geringen Bedeutung des primären Sektors überhaupt rechtfertigen lassen. Von seiten der Industrie wurde zusätzlich auch noch auf die Problematik der protektionistischen Agrarhandelspolitik hingewiesen, die sich mit den von der Schweiz hochgehaltenen Grundsätzen nur schlecht vertrage. Weil das Prinzip der Einkommenssicherung über die Preise in vielen Sektoren zu Überproduktion führe, sollte nach Ansicht des SHIV vermehrt zum Mittel der produktionsunabhängigen Ausgleichszahlungen gegriffen werden. Anlässlich der Delegiertenversammlung des SBV am 19. November in Bern sprach sich Direktor Juri entschieden gegen einen Systemwechsel und insbesondere gegen eine Aufwertung der Direktzahlungen aus. Seiner Meinung nach ist nicht erwiesen, dass mit solchen Änderungen eine günstigere Mengensteuerung erreicht würde. In bezug auf die Kostenfrage hielt er fest, dass die Ausgaben für die öffentliche Hand tragbar seien und sie im internationalen Vergleich bescheiden ausfallen würden. Zudem dürfe man in Anbetracht der hohen Löhne den schweizerischen Konsumenten durchaus Preise zumuten, die über dem Weltmarktniveau liegen [10].
In seinen Stellungnahmen zu nichtlandwirtschaftlichen Problemen erwies sich der SBV einmal mehr recht gouvernemental. Er lehnte einerseits die gewerkschaftliche Ferieninitiative und die von Tierschützern lancierte Initiative für ein Verbot der Vivisektion ab; anderseits unterstützte er die vom Parlament verabschiedete Reform des Eherechts gegen die Opposition des Gewerbeverbandes. Bei der Abstimmung über das Eherecht trat allerdings auch ein starkes bäuerliches Gegen-Komitee in Erscheinung. Zu der von Wirtschaftskreisen als Grundsatzfrage für das ökonomische System erklärten Schaffung einer Innovationsrisikogarantie nahm er ebensowenig Stellung wie zur Vereinheitlichung des Schuljahrbeginns [11].
In der Agrarpolitik lehnte der SBV namentlich auch Preisdifferenzierungen zugunsten kleinerer Produzenten ab. Genau dies ist jedoch ein wichtiges Postulat der Vereinigung zum Schutz der kleinen und mittleren Bauern (VKMB) und der Union des producteurs suisses (UPS). Die VKMB verlangte vom SBV, dem sie immer noch angehört, vergeblich die Aufnahme der Forderung nach Preisdifferenzierungen bei der Milch und bei Ackerbauprodukten in seine Politik. Sie kündigte ferner an, dass sie bei Nichterfüllung ihrer Forderung gegen den für 1987 vorgesehenen neuen Milchwirtschaftsbeschluss das Referendum ergreifen werde. Wichtigstes Ereignis für die VKMB war freilich die Einreichung der Volksinitiative «fir ein naturnahes Bauern — gegen Tierfabriken». Mit einer Starthilfe des Lebensmitteldiscounters Denner (50 000 Unterschriften) gelang es ihr, innert nützlicher Frist rund 130 000 Unterschriften für dieses Anliegen zu sammeln [12]. Die zum Bauernverband in Opposition stehende UPS. scheint ihre organisatorische und finanzielle Krise vorerst gemeistert zu haben. Auffallend war hingegen, dass sie einen gemässigteren Kurs eingeschlagen hatte und sich in ihren Angriffen auf den SBV und die offizielle Landwirtschaftspolitik sehr zurückhielt. Der VKMB versprach sie Unterstützung bei einem eventuellen Referendum gegen den Milchwirtschaftsbeschluss 1987, darüber hinaus wünschte sie ganz allgemein eine engere Zusammenarbeit zwischen den beiden Gruppierungen [13].
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Arbeitnehmer
Das Hauptthema der Organisationen der Arbeitnehmer bildete auch im Berichtsjahr die Arbeitszeitfrage. Nachdem innerhalb des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) die Reduktion der Arbeitszeit schon seit einigen Jahren als das probate Mittel galt, um den technologisch bedingten Strukturwandel der Wirtschaft ohne grosse Beschäftigungseinbrüche zu überstehen, bekannte sich nun auch der Christlichnationale Gewerkschaftsbund (CNG) zu dieser Strategie. An der Delegiertenkonferenz vom 5. Oktober in Sitten wurde der Vorstand, der seinerseits die Auffassung vertreten hatte, dass wirtschaftliches Wachstum der beste Garant für Vollbeschäftigung sei, verpflichtet, vermehrt auf die Karte Arbeitszeitverkürzung zu setzen. Der CNG hatte bereits im Frühjahr die vom Souverän abgelehnte Ferieninitiative des SGB unterstützt [14]. Flexiblere Formen der Arbeitszeitdauer und -einteilung werden heute einerseits vor allem von Frauen, die infolge ihrer Familienpflichten oft darauf angewiesen sind, und anderseits, im Zusammenhang mit dem Wunsch nach optimaler Ausnützung neuer, kapitalintensiver Technologien, zum Teil auch von Unternehmern gefordert. Die Gewerkschaften zeigten sich bisher skeptisch, da sie davon eine Individualisierung der Arbeitnehmer befürchten, die sie für gewerkschaftliche Organisation und Solidarität unempfänglich werden lasse. Die aktivere Rolle der Frauen im Gewerkschaftsleben ist sicher dafür mitverantwortlich, dass auch hier einiges in Bewegung gerät. Am Verbandstag des VPOD vom 30. Juni in Lugano blieb ein Antrag auf Bekämpfung aller Formen individueller Arbeitszeiteinteilung in der Minderheit. Einer der Schwerpunkte dieses Kongresses bildete die Diskussion über eine sogenannte Charta zur Lebensarbeitszeit. Mit diesem Projekt, das im Anschluss an den Kongress in eine verbandsinterne Vernehmlassung gegeben wurde, soll langfristig auf dem Weg über allgemeine Arbeitszeitverkürzungen, Ausdehnung der Ferien und früheres Pensionierungsalter die Lebensarbeitszeit praktisch halbiert werden [15].
Das 1985 verzeichnete Beschäftigungswachstum schlug sich 1985 noch nicht positiv in den Mitgliederzahlen der Gewerkschaften nieder. Im Gegenteil, der Bestand der im SGB zusammengeschlossenen Verbände nahm um 7580 Personen (—1,7%) ab. Wachsende Mitgliederzahlen wiesen lediglich die PTT-Union, der Verband schweizerisches Zollpersonal und das Syndikat schweizerischer Medienschaffender auf. Am ausgeprägtesten fiel der Rückgang zu absoluten Zahlen beim Schweizerische Metall- und Uhrenarbeitnehmerverband, SMUV (—3463) und bei der Gewerkschaft Bau und Holz (—1728) aus. Beim SMUV, der seit 1975 25 891(18%) Mitglieder eingebüsst hat, jedoch auch bei den andern Gewerkschaften des Industriesektors wird angesichts des Strukturwandels einem weiteren Schrumpfen nur dann Einhalt geboten werden können, wenn es gelingt, organisatorisch vermehrt in die Angestelltenberufe vorzudringen [16]. Eine repräsentative Untersuchung ergab, dass bereits heute immerhin etwa jedes vierte SMUV-Mitglied Angestellter oder Kaderangehöriger ist. Die Studie stellte im weitern fest, dass zwar der Anteil der passiven oder nur schwach engagierten Mitglieder recht gross ist (rund zwei Drittel), dass aber nur eine kleine Minderheit (rund 12%) mit der Verbandsführung unzufrieden ist. Für den VPOD, dessen Mitglieder ebenfalls unter die Lupe der Meinungsforscher genommen wurden, ergaben sich in bezug auf Zufriedenheit ähnliche Resultate; der Anteil der passiven Mitläufer ist hingegen bei den gewerkschaftlich organisierten Staatsangestellten weniger gross.
Die erwähnte Umfrage erkundigte sich auch nach den Parteisympathien. Je gut 10% der Mitglieder sowohl des SMUV als auch des VPOD stehen demnach entweder Gruppierungen der äusseren Linken und der Grünen oder aber bürgerlichen Parteien nahe. Die SP zählt bei den Gewerkschaftern mit rund 58% (VPOD) bzw. 42% (SMUV) nach wie vor am meisten Anhänger. Beim SMUV weisen allerdings mehr als ein Viertel der Befragten keine Parteipräferenzen aufs [17]. Wie früher in anderen Kantonen und Städten kam es im Berichtsjahr in St. Gallen zum offiziellen Bruch der partnerschaftlichen Beziehungen zwischen dem örtlichen Gewerkschaftsbund und der Sozialdemokratischen Partei. Anlass dazu bot die Nomination eines Kandidaten für den gesundheitshalber zurückgetretenen Regierungsrat Schlegel (sp). Zwar verzichteten die Gewerkschaften nach einigem Hin und Her darauf, den Bewerber der SP mit einer eigenen Kandidatur zu konkurrenzieren, zu einer Versöhnung zeigten sie sich jedoch nicht bereit [18].
Der Schweizerische Kaufmännische Verein (SKV) wählte anstelle des altershalber zurücktretenden A. Hubschmid die Zürcher Nationalrätin und Konsumentenschutzpolitikerin Monika Weber (ldu) zur neuen Generalsekretärin. Von diesem Wechsel erwarteten Beobachter eher Auswirkungen auf den Stil als auf den Inhalt der Politik des grössten Angestelltenverbandes. Immerhin beschloss der SKV an seiner Delegiertenversammlung vom 31. Mai/1. Juni in Basel, sich verstärkt in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen zu engagieren. Ein Antrag auf weitgehende Konzentration auf die berufliche Aus- und Weiterbildung wurde deutlich abgelehnt.
In der Gewerkschaft Druck und Papier konnte die 1983 eingeleitete Modernisierung der Verbandsstrukturen nur zum Teil vollzogen werden. An der Delegiertenversammlung vom 14.-16. Juni in Zürich scheiterte insbesondere der Vorschlag, die Rolle der hauptamtlichen Funktionäre auf Kosten der Verbandsleitung zu stärken und auf die Posten von Verbandspräsident und -vizepräsident zu verzichten, an der erforderlichen Zweidrittelsmehrheit. Verbandspräsident E. Gerster, der im Vorjahr aus Verärgerung über die Wahl F. Aeberlis zum Zentralsekretär seinen vorzeitigen Rücktritt erklärt hatte, stellte sich nochmals zur Verfügung und wurde in einer Kampfwahl gegen einen von der Sektion Genf portierten linken Kandidaten für eine weitere Amtsperiode von zwei Jahren bestätigt [19].
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[1] F. Schneider, Der Einfluss von Interessengruppen auf die Wirtschaftspolitik, Bern 1985. Vgl. allgemein zu den Verbänden auch P. Farago / H.P. Kriesi (Hg.), Wirtschaftsverbände in der Schweiz, Grüsch 1986; W. Wittmann, «Macht und Verantwortung der Wirtschaftsverbände», in NZZ, 30.11.85 sowie SPJ, 1984, S. 220.
[2] Siehe dazu Zentralverband schweiz. Arbeitgeber-Organisationen (ZSAO), Jahresbericht, 78/1985, S. 7 und 51 ff. L. von Planta, Mehr Freiraum — weniger Zwänge, Zürich 1985, S. 4. Im Schreinergewerbe (20 000 Beschäftigte) konnte nach kurzer vertragsloser Zeit eine Einigung erzielt werden (TW, 12.3.85; NZZ, 15.3.85; 16.3.85). Vgl. im weitern oben, Teil I, 7 a (Conventions collectives de travail; Conflits collectifs de travail). Dividenden: SMUV-Zeitung, 9, 27.2.85; SGB, 17, 6.6.85; SAZ, 80/1985, S. 425 f. (Präsidialansprache von H. Letsch an der Delegiertenversammlung des ZSAO) und 875 f.
[3] SAZ, 80/1985, S. 187 und 795; B. Horber, «Untergraben die Entwicklungen in der Gesetzgebung den Sozialpartnergedanken?», in Gewerbliche Rundschau, Nr.2, 1985, Beilage zu SGZ, 16, 18.4.85, S. 2 ff. H.P. Tschudi in SMUV-Zeitung, 12, 20.3.85 und 23, 5.6.85. Siehe auch L. Parri, The Historical Development of State- Union Relations in Switzerland, Florence-Italy 1985 (Arbeitspapier für den 7. Kongress der Schweiz. Gesellschaft für Soziologie am 17.-19.10.1985 in Zürich). Vgl. im weitern oben, Teil I, 7a (Temps de travail ; Protection des travailleurs).
[4] ZSAO, Jahresbericht, 78/1985, S. 7 ff. SHIV/Vorort, Jahresbericht, 115/1984-85, S. 9 ff. In seiner Ansprache an der Delegiertenversammlung des SHIV vom 13.9.1985 relativierte der Präsident des Vororts allerdings die Vorbildlichkeit der amerikanischen Wirtschaftspolitik und wies auf die riesigen Budget- und Aussenhandelsdefizite hin. Gerade von letzterem drohe das Aufleben eines für die Schweiz gefährlichen Handelsprotektionismus (L. von Planta, Mehr Freiraum — weniger Zwänge, Zürich 1985, S. 4 ff.). Der SGB kritisierte die Interpretation des Wirtschaftsaufschwungs durch den Vorort (SGB, 25, 12.9.85).
[5] ZSAO, Jahresbericht, 78/1985, S. 8 f. und 63 ff. Vgl. oben, Teil I, 4a (Konjunkturpolitik; Strukturpolitik; Gesellschaftsrecht) und 7a (Temps de travail). Zu den Belastungen der Unternehmer durch die Sozialkosten vgl. SAZ, 80/1985, S. 205 f. Siehe ferner P. Spälti, «Unternehmer, Politik, Wirtschaft», in SAZ, 80/1985, S. 245 f.
[6] Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht, 73/1984-85. Zu den erwähnten Sachvorlagen siehe oben, Teil I, 4a (Wettbewerbspolitik) und 4 b (Banken).
[7] Ww, 39, 26.9.85; NZZ, 5.12.85.
[8] SGV, Geschäftsbericht, 106/1985, S. 7 und 17 ff.; M. Kündig in SGZ, 49, 5.12.85. Vgl. zum Kongress auch SGZ, 41, 10.10.85; 43, 25.10.85; 45, 7.11.85. Allgemein zum SGV siehe die Selbstdarstellung in Gewerbliche Rundschau, Nr. 1, 1985, Beilage zu SGZ, 51, 20.12.84.
[9] Vgl. dazu oben, Teil I, 4a (Strukturpolitik), 7d (Politique familiale) sowie SPJ, 1984, S. 223. Speziell zum Eherecht siehe SGZ, 34, 22.8.85.
[10] SBV, Jahresbericht, 88/1985, S. 12 f.; LNN, 21.1.85; SHIV/Vorort, Jahresbericht, 115/1984-85, 5.117 ff.; wf, Dok., 11, 18.3.85; F. Leutwiler, «Wirtschaftspolitische Standortanalyse», in VSIG-Mitteilungen, 1985, Nr. 7/8, S. 4 ff. Vgl. auch oben. Teil I, 4c (Agrarpolitik).
[11] NZZ, 8.2.85 (Ferien); 5.9.85; LID, Pressedienst, 1401, 12.7.85 (Eherecht); 1403, 26.7.85 (IRG, Schulkoordination); 1419, 15.11.85 (Vivisektion).
[12] Preisdifferenzierung: Gnueg Heu dune!, 1985, Nr. 5; BZ, 4.2.85; LID, Pressedienst, 1420, 22.11.85. Initiative: BBl, 1985, I, S. 1245 ff.; Gnueg Heu dune!, 1985, Nr. 3 und 7. Vgl. auch oben, Teil I, 4c (Tierische Produktion) sowie SPJ, 1984, S. 93.
[13] Union, 3, 6.3.85; 4, 3.4.85; siehe auch SPJ, 1984, S. 224. Zur freundlicheren Haltung der UPS gegenüber dem SBV siehe Union, 6, 5.6.85.
[14] Vgl. dazu H. Baumann, «Neue Technik — neue Gewerkschaftspolitik», in Gewerkschaftliche Rundschau, 77/1985, S. 117 ff. sowie SPJ, 1984, S. 224 f. CNG: NZZ, 7.10.85; TA, 7.10.85. Zur Ferieninitiative verhielten sich der Landesverband freier Schweizer Arbeitnehmer (LFSA) negativ und die Vereinigung Schweiz. Angestelltenverbände neutral (Vat., 21.1.85; NZZ, 9.2.85 sowie oben, Teil I, 7a, Temps de travail).
[15] BZ, 29.6.85; Bund, 1.7.85; SP-VPOD, 28, 11.7.85.
[16] SBG, 12, 10.4.86; H. Anderegg, «Mitgliederentwicklung der schweizerischen Gewerkschaften im Jahr 1984» in Gewerkschaftliche Rundschau, 77/1985, 5.130 ff. Vgl. auch Bilanz, 1985, Nr. 5, S. 95 ff.
[17] Bund, 3.5.85 ; Bilanz, 1985, Nr.5, S. 107 ff. Zu einigen politischen Orientierungen der Gewerkschafter siehe auch Vox, Analyse der eidgenössischen Abstimmung vom 10. März 1985, Zürich 1985, S. 24 ff.
[18] SGT, 6.9.85; 7.9.85; 13.9.85; 21.9.85; 7.10.85; 22.10.85; 4.12.85.Vgl. auch oben, Teil I, 1 e (Kantonale Wahlen, St. Gallen) sowie Teil IIIa (Sozialdemokratische Partei).
[19] SKV: NZZ, 1.6.85; 3.6.85; TA, 3.6.85; TW, 3.6.85; SGB, 17, 6.6.85. GDP: Le Gutenberg, 25, 20.6.85; SGB, 19, 20.6.85; vgl. auch SPJ, 1984, S. 226.
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