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Allgemeine Chronik
Öffentliche Finanzen
Die Räte verabschiedeten kurz vor den Wahlen ein Sofortprogramm zur Entlastung von Ehepaaren und Familien, das dem Bund jährliche Mindereinnahmen in der Höhe von 365 Mio Fr. bringt. – Als Ersatz für die von Wirtschaftskreisen bekämpfte Warenumsatzsteuer auf Investitionsgütern und Betriebsmitteln schlug Bundesrat Stich eine zehnprozentige Energieabgabe vor. Ein wissenschaftliches Gutachten ergab allerdings, dass die "taxe occulte" zwar systemwidrig sei, jedoch nicht wettbewerbsverzerrend wirke. – Die Staatsrechnung für das Jahr 1987 schloss mit einem Einnahmenüberschuss von einer Milliarde Franken ab.
Finanzordnung
Das herausragende finanzpolitische Ereignis des Jahres 1987 war die Steuerentlastung für Familien, die von den Räten auf bürgerliche Initiative hin kurz vor den Wahlen beschlossen wurde. Diese Massnahme war allerdings nicht in die Bemühungen um die anstehende dauerhafte Gestaltung der Bundesfinanzordnung eingebettet und überschattete, gerade weil sie nur punktuell angelegt war, die Grundsatzdiskussionen. Bei diesen standen marktwirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund, wobei neben dem Einbezug von konjunkturellen Zielen vermehrt auch umweltpolitische Anliegen, die via Lenkungsabgaben verwirklicht werden können, in die Diskussion Eingang fanden.
Der Vorsteher des EFD, O. Stich, konkretisierte im Laufe des Jahres mehrmals seine Vorstellungen einer künftigen Finanzordnung. Um seinen Willen zu unterstreichen, den Haushalt langfristig auszugleichen und die Staatsquote (Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandprodukt) zu stabilisieren, präsentierte er auf informellem Wege den Wortlaut eines möglichen Verfassungsartikels, der die Bundeseinnahmen auf 10%, in Ausnahmefällen auf 12% des Bruttoinlandproduktes (BIP) beschränken würde. Indem die Einnahmen an die Entwicklung des BIP geknüpft würden, könnte eine strukturelle Schwäche der Einnahmenordnung behoben werden: Ein guter Teil der Einkünfte, darunter namentlich die Zölle, werden nicht auf nominalen Werten, sondern auf Gewichten erhoben und unterliegen deshalb in Zeiten einer allgemeinen Teuerung einem Erosionsprozess. Dieser führte allein zwischen 1977 und 1986 dazu, dass der Anteil dieser Finanzquelle von rund 40% auf ungefähr 30% der Bundeseinnahmen sank.
Ein dauerndes Problem bildet nach wie vor auch die auf Investitionsgütern und Betriebsmitteln erhobene Warenumsatzsteuer (WUSt), die sich als Schattensteuer oder "taxe occulte" auf die Preise der produzierten Güter niederschlägt und deshalb als wettbewerbsverzerrend vor allem von wirtschaftsnahen Kreisen bekämpft wird. Sie macht mit rund 1,5 Milliarden Franken jährlich ungefähr einen Achtel der vom Bund erhobenen indirekten Steuern und Abgaben aus und kann deshalb, nach allgemeinem Konsens, nicht ohne Kompensation abgeschafft werden. Als möglichen Ersatz fasste Bundesrat Stich nun eine zehnprozentige Energieabgabe ins Auge, welche gleichzeitig auch als Lenkungssteuer bremsende Auswirkungen auf den Energieverbrauch zeitigen könnte. Die zehnprozentige Abgabe wurde auch in einem vom EFD in Auftrag gegebenen, von G. Bombach verfassten Gutachten als tauglich eingestuft, die Einnahmenausfälle zu kompensieren und die systemwidrige "taxe occulte" auszuschalten. Da infolge des erwähnten Steuerabbaus bei der direkten Bundessteuer bereits für das Jahr 1990 wieder ein Defizit zu erwarten sei, forderte der Finanzminister zur langfristigen Konsolidierung des Bundeshaushalts zudem die Ausdehnung der WUSt auf Dienstleistungen. Vereinfachungen bei der Administration und eine geringere Abhängigkeit von der Teuerung erhoffte sich Stich sodann von einem Ubergang zur einjährigen Gegenwartsbesteuerung [1].
Stichs Vorstellungen fanden im November anlässlich der traditionellen "Von-Wattenwyl-Gespräche" der Bundesratsparteien wenig Zustimmung, doch konnten ihnen noch keine konkreten Alternativen entgegengestellt werden. Einig waren sich die Teilnehmenden nur darin, dass in der neuen Legislaturperiode ein Konsens über die Ausgestaltung der Finanzordnung gefunden werden müsse. Insbesondere die zehnprozentige Energiesteuer wurde aber von den Bürgerlichen abgelehnt. Daneben wurden auch die Fragen gestellt, ob die Einführung einer Energieabgabe allenfalls mit einem neuen Energieartikel gekoppelt werden solle und ob die Finanzierung der AHV losgelöst von einer Energielenkungsabgabe sichergestellt werden könne. Sogar ein erneuter Versuch, eine Mehrwertsteuer-Vorlage zu lancieren, wurde wieder erwogen. Erste Antworten auf diese Fragen wollte man aber erst bei den nächsten Gesprächen geben [2].
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Die Bemühungen, dem Bundesrat die Kompetenz zur Aufnahme von Anleihen dauerhaft, statt jede Legislaturperiode befristet, zu übertragen, scheiterten. Im Vorjahr hatte der Ständerat eine entsprechende Gesetzesvorlage gutgeheissen, doch gelangte nun die Nationalratskommission zur Ansicht, eine solche dauerhafte Kompetenzübertragung sei verfassungswidrig. Eine darauf in Auftrag gegebene Expertise bestritt diese Verfassungswidrigkeit, falls dem Parlament eine Restkompetenz bleibe. Genau dies hatte die ständerätliche Vorlage vorgesehen, indem die Kompetenzdelegation durch einfachen Bundesbeschluss hätte zurückgenommen werden können. Trotzdem beschloss der Nationalrat, die Gesetzesänderung abzulehnen und überweis eine von der Kommission vorgeschlagene Motion, die eine entsprechende Verfassungsänderung anstrebte. Der Ständerat erachtete es darauf aber nach wie vor als besser, wenn die Vollmacht jederzeit und nicht erst am Ende einer Legislaturperiode zurückgenommen werden könne; er fand es ausserdem übertrieben, wegen einer solchen Bagatelle das Volk an die Urnen zu bemühen und blieb deshalb bei seiner Gesetzesvorlage ohne die Motion zu überweisen. Der Nationalrat liess sich nicht umstimmen, das Geschäft war somit erledigt. Einstimmig, doch nur mit 16 Stimmen, folgte der Ständerat danach dem Nationalrat und erteilte dem Bundesrat die Vollmacht, Anleihen aufzunehmen, für weitere vier Jahre [3].
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Auch die mittelfristige Finanzplanung des Bundesrates wurde von den beiden Zielen bestimmt, das Haushaltsgleichgewicht zu wahren und die Bundesstaatsquote auf dem Niveau der letzten Jahre, also bei rund 10%, zu halten. Beide Ziele können gemäss der Planung bis 1991 erreicht werden, dies allerdings nur wegen des für das Jahr 1988 erwarteten Überschusses von 1,3 Milliarden Franken. Diesem wird nämlich im Jahr 1991 ein Milliardenverlust entgegenstehen, da die erwarteten Einnahmen lediglich um gut drei, die Ausgaben jedoch um rund fünf Prozent wachsen werden. Das geringere Wachstum der Einnahmen ist nach Ansicht des EFD auf mehrere Ursachen zurückzuführen. Bei der direkten Bundessteuer (DBSt) ist, auf Grund des vom Parlament beschlossenen Sofortprogramms zur steuerlichen Entlastung der Ehepaare, mit jährlichen Einnahmenausfällen von rund 365 Mio Fr. zu rechnen. Auf die Höhe der DBSt werden sich sodann ab 1989 auch der Ausgleich der kalten Progression und die auf der beruflichen Altersvorsorge gewährten Abzüge auswirken; daneben wird aber auch die Erosion der indirekten Steuern zu Buche schlagen, die bei den Zöllen teuerungsbedingt ist und bei der WUSt durch das überproportionale Wachstum des der Umsatzsteuer nicht unterstellten Dienstleistungssektors hervorgerufen wird [4].
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Einnahmenordnung
1987 zeitigten die langjährigen Bemühungen der Bürgerlichen, bestimmte Kategorien von Steuerzahlern zu entlasten und gleichzeitig das Wachstum der Bundeseinnahmen zu beschneiden, einen konkreten Erfolg, indem ein diesbezüglicher befristeter Bundesbeschluss von beiden Räten verabschiedet wurde. Da sich das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer bei den Räten in Behandlung befindet und voraussichtlich nicht vor 1991 in Kraft gesetzt werden kann, erachteten es die Fraktionen der drei bürgerlichen Bundesratsparteien als opportun, die von ihnen als dringend angesehene steuerliche Entlastung von Familien ohne Kompensation der Einnahmenausfälle vorzuziehen. Alle drei Parteien hatten sich bereits vorher um das Anliegen gekümmert, die CVP und die SVP mit entsprechenden Motionen, die FDP mit einer Volksinitiative für einen familienfreundlichen Doppeltarif, die allerdings nur mit Mühe zustande gekommen und im Frühjahr 1987 eingereicht worden war. Begründet wurde die Eile mit der als stossend empfundenen Mehrbelastung von Doppelverdiener-Ehepaaren gegenüber von Konkubinatspaaren, die vom Bundesgericht 1984 in bezug auf kantonale Steuern gerügt worden war. Die opponierende Ratslinke sah diesem "Steuergeschenk", das in der letzten Session vor den Wahlen beschlossen wurde und das niemandem eine Mehrbelastung, gutgestellten Ehepaaren aber spürbare. Entlastungen bringt, eher wahltaktische Uberlegungen zugrunde liegen. Das hinderte sie jedoch nicht daran, ihrerseits das Ziel einer getrennten Ehepaarbesteuerung mit noch massiveren Steuerentlastungen zu verfolgen.
Zur Diskussion standen im Nationalrat drei Vorlagen für Sofortmassnahmen, jene der bürgerlichen Kommissionsmehrheit, jene der sozialdemokratischen Kommissionsminderheit sowie ein Gegenvorschlag des Bundesrates. Unbestritten war in allen Fraktionen die Notwendigkeit der steuerlichen Angleichung von Ehe- und Konkubinatspaaren. Die Kommissionsmehrheit beantragte die Schaffung eines Doppeltarifes für Alleinstehende und Verheiratete mit einer gleichzeitigen Verflachung der steilen Progression für Einkommen zwischen 50 000 und 100 000 Franken. Die Minderheit, unterstützt von der LdU/EVP- und der PdA/PSA/POCHFraktion, wollte beim Einfachtarif bleiben, dafür aber ein "Teilsplitting", das heisst eine getrennte Veranlagung für doppelverdienende Ehepaare bis zu einem Einkommen von 20 000 Franken einführen. Ausserdem sollten die von der Mehrheit vorgeschlagenen Kinderabzüge von 4000 Franken pro Kind auf 5000 erhöht werden. Beim ersten Vorschlag wurde mit jährlichen Einnahmenausfällen von rund 365 Mio Fr., beim zweiten gar mit solchen von rund 470 Mio Fr. gerechnet. Der Finanzminister erinnerte deshalb daran, dass die Eliminierung der kalten Progression im Jahr 1989 einen zusätzlichen Steuerausfall von 550 Mio Fr. bringen werde und setzte sich deshalb für die bundesrätliche Lösung ein. Diese wollte vor allem die Familien mit Einkommen von weniger als 50 000 Franken begünstigen, jene von über 100 000 Franken dagegen zusätzlich belasten. In der Schlussabstimmung wurde der Vorschlag der Kommissionsmehrheit bei etlichen sozialdemokratischen Enthaltungen mit 105:31 Stimmen angenommen.
Bereits zwei Wochen später wurde das Geschäft im Ständerat behandelt. O. Piller (sp, FR) machte hier erneut darauf aufmerksam, dass die Vorlage nicht mittlere, sondern hohe Einkommen am meisten begünstige, erzielten doch in seinem Kanton 92% der Steuerzahler Einkommen von weniger als 50 000 Franken und könnten so von einer Entlastung von lediglich 50 bis 80 Franken profitieren. Bundesrat Stich warnte nochmals vor der Gefährdung einer umfassenden Steuerreform durch das Herauslösen der Steuerentlastungen, doch die kleine Kammer folgte den Argumenten der Nationalratsmehrheit und verabschiedete den bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes über direkte Steuern, höchstens aber bis 1992 befristeten Bundesbeschluss mit 33:4 Stimmen [5].
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Die Behandlung des Bundesgesetzes über direkte Steuern (DBG) beschäftigte den Nationalrat als Zweitrat in der Wintersession, wobei die Beratungen nicht sehr weit gediehen. Ein zu Beginn gestellter Rückweisungsantrag einer SP-Vertreterin, die eine getrennte Besteuerung von Ehegatten verlangte, wurde als familienpolitisch unerwünscht zurückgewiesen. In zahlreichen Punkten folgte sodann der Rat den Vorgaben des Ständerates. So wandten sich auch die Volksvertreter gegen die Besteuerung von Beteiligungsgewinnen und von Gratisaktien und bekräftigten die Solidarhaftung der Ehepartner als Entsprechung der gemeinsamen Besteuerung.
Wie in der kleinen Kammer im Vorjahr wurde auch hier ein von sozialdemokratischer Seite lancierter Vorstoss abgewiesen, der einen Abzug eines Teils der Wohnungsmietkosten verlangte. Das Anliegen schien umso berechtigter, als der Rat zuvor die sehr eigentümerfreundliche Haltung des Ständerates in bezug auf die Besteuerung des Eigenmietwertes nur geringfügig abgeschwächt hatte. Nach seinem Willen sollen Wohneigentümer künftig einen Eigenmietwert abziehen können, der unter Berücksichtigung der ortsüblichen Verhältnisse und der Nutzung festgesetzt wird. Mit einer Vereinfachung der Administration und mit Anliegen des Umweltschutzes begründete Bundesrat Stich anschliessend die von der Kommission vorgesehene Pauschalierung der Berufsauslagen, welche insbesondere der Begünstigung von Autopendlern ein Ende gesetzt hätte. Da diese Änderung eine Mehrbelastung der Erwerbstätigen von insgesamt 80 Mio Fr. bedeutet und abgelegen Wohnende benachteiligt hätte, folgte die bürgerliche Mehrheit auch hier wieder dem Ständerat und beschloss, bei der individuellen Berechnung der Berufsauslagen zu bleiben. Zu einer nach Ansicht der Mehrheit unzulässigen Benachteiligung der Selbständigerwerbenden hätte sodann ein sozialdemokratischer Antrag geführt, der auch die Abzüge für die gebundene berufliche Altersvorsorge pauschalieren wollte.
Der wichtige Entscheid betreffend eines Übergangs zur einjährigen Gegenwartsveranlagung, vom Ständerat abgelehnt, von der Nationalratskommission befürwortet, von den bürgerlichen Fraktionen dann aber wiederum verworfen, wurde bei Abbruch der Verhandlungen an die Kommission zurückgewiesen [6].
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Bei den indirekten Steuern setzte sich Bundesrat Stich, wie oben vermerkt, für die Kompensation der "taxe occulte", (Warenumsatzsteuer auf Investitionsgütern und Betriebsmitteln) durch eine zehnprozentige Energiesteuer ein. Ende des Jahres bekam diese Idee auch Unterstützung durch eine im Auftrag des EFD erstellte Studie über die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Beseitigung der "taxe occulte" und einer Besteuerung der Energieträger. Die Verfasser, der Basler Professor G. Bombach und die "Basler Arbeitsgruppe für Konjunkturforschung", stellten darin einerseits zwar fest, dass diese Schattensteuer im Vergleich zu Wechselkursschwankungen, Subventionierungen und administrativen Handelshemmnissen nur geringe Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Produkte habe. Sie betonten andererseits aber doch die Systemwidrigkeit der auf Investitionsgütern erhobenen WUSt und unterstrichen, dass ihre Abschaffung das Kapital relativ zur Arbeit verbilligen und somit zu Investitionsanreizen und zu einer höheren Arbeitsproduktivität führen würde.
Als Kompensation der Einnahmenausfälle rechneten sie drei mögliche Varianten durch. Die (von der FDP begünstigte) Ausdehnung der WUSt auf die Energieträger kam dabei am schlechtesten weg, da sie zuwenig einbrächte und zudem vor allem die Haushalte treffen würde, könnten doch Gewerbe und Industrie die für die Produktion benötigte Energie steuerfrei beziehen und hätten also keine Anreize zum Energiesparen. Eine Energieabgabe von 4%, dies die zweite Variante, würde zwar alle gleichermassen treffen, wäre aber zu gering, um lenkend wirksam zu sein und die "taxe occulte" auszugleichen. Dies könnte dagegen mit der dritten Variante, eben mit der zehnprozentigen Energieabgabe, erreicht werden, die ausserdem zu Substitutionsprozessen und in der Folge zu positiven konjunkturellen Wirkungen führen würde. Mit einer Energieabgabe wäre zwar das Problem der Schattensteuer nicht ganz aus der Welt geschafft, doch würden nach Bombach die meisten Exportprodukte so gleichmässig damit belastet, dass keine Wettbewerbsverzerrungen mehr entstünden. Von solchen wären höchstens energieintensive Produktionen (zum Beispiel Aluminium) betroffen, so dass sich die Wirtschaft allenfalls einem gewissen Strukturwandel unterziehen müsste.
Neben diesem Hauptteil der Studie wurden von den Experten auch noch zwei Vorschläge zur langfristigen Finanzierung der AHV unterbreitet und gegeneinander abgewogen. Der eine sieht eine Erhöhung der Lohnprozente um 0,8% vor, was angesichts hoher Lohnnebenkosten als nachteilig betrachtet wird, beim anderen geht es um eine Erhöhung der WUSt auf 7,2%, wodurch der in der Schweiz sehr niedrige Anteil der indirekten Steuern etwas dem internationalen Niveau angepasst würde. Gerade die grösstmögliche Anpassung des schweizerischen Abgabesystems an die in der Europäischen Gemeinschaft erhobenen indirekten Steuern wurde auch andernorts als dringend eingestuft, um der Öffnung des europäischen Binnenmarktes im Jahre 1992 begegnen zu können. Als hinderlich für eine systemgerechte Ausgestaltung der WUSt wurde dagegen von Bundesrat Stich die Motion Schmid (cvp, AI) gewertet, die im Frühjahr vom Ständerat überwiesen worden war und die die Abschaffung der WUSt auf energiesparenden Investionen verlangt [7].
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Ausgabenordnung
Nachdem der Bundesrat 1986 dem Parlament den Entwurf eines Subventionsgesetzes (Bundesgesetz über Finanzhilfen und Abgeltungen) unterbreitet hatte, begann die vorberatende Nationalratskommission dessen Detailberatung im Herbst 1987.
Mehr Aufmerksamkeit zogen aber die mehrheitlich negativ ausgefallenen Vernehmlassungsantworten auf den Entwurf für einen Bundesbeschluss über eine Ausgabenbremse auf sich. Eine Mehrheit der Kantone, die SPS, die CVP und die grossen Verbände der Arbeitnehmer und der Bauern wandten sich gegen das Vorhaben, obwohl ihre Vertreter 1983 die auslösende Motion zum Teil noch unterstützt hatten. Insbesondere die CVP brachte nun Bedenken staatspolitischer Art vor, indem sie befürchtete, Bundesrat und Bundesverwaltung bekämen zuviel Macht, wenn das Parlament eine Erhöhung ihrer Ausgabenanträge nur noch mit einem qualifizierten Mehr bewilligen könnte. Dass diese Ausgabenbremse vor allem die wirtschaftlich Schwächeren treffen würde, befürchteten andere Gegner der Vorlage. Daneben wurde noch bemängelt, dass neue Aufgaben im Vergleich zu bestehenden einer strengeren Selektion unterworfen wären, und dass der gesetzgeberische Aufwand im Vergleich zum Nutzen viel zu gross wäre, da die notwendige Änderung der Bundesverfassung nur jenen Viertel der Ausgaben überhaupt betreffen könne, deren Höhe nicht bereits durch Erlasse gebunden ist.
Auf der anderen Seite standen die FDP, die SVP, die Wirtschaftsverbände und die finanzstärkeren Kantone. Diese sahen in den vorgeschlagenen Massnahmen ein taugliches Mittel, den Bundeshaushalt ins Gleichgewicht zu bringen. Gemäss dem Zürcher "Tages-Anzeiger" schimmerte in vielen der zustimmenden Stellungnahmen die Überzeugung durch, dass dem Staat mit seinem "Hang zum Aktivismus und Interventionismus" nur über den Geldhahn beizukommen sei. Da die meisten Vernehmlassungsantworten negativ ausgefallen waren, beschloss der Bundesrat in der Folge, dem Parlament die Abschreibung der Motionen zu beantragen [8].
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Voranschlag 1988
Im Voranschlag der Eidgenossenschaft für das Jahr 1988 rechnete der Bundesrat weiterhin mit einem Anhalten der seit 1986 geschriebenen Einnahmenüberschüsse. Die gute Ertragslage ist jedoch zu einem grossen Teil durch das Steuersystem bedingt, welches in "geraden" Jahren relativ höhere Erträge bringt als in "ungeraden". Ausserdem wurde das Budget vor dem Ende Oktober erfolgten Kurseinbruch im Börsenhandel vorgestellt, so dass danach insbesondere die prognostizierte Höhe der Stempelabgaben in Zweifel gezogen wurde. Die Räte sahen sich Ende Jahr trotzdem nicht veranlasst, die Einnahmenseite des Voranschlags zu korrigieren. Die günstige Ertragslage wurde daneben aber auch auf die guten konjunkturellen Aussichten zurückgeführt. Bundesrat Stich warnte jedoch bei der Vorstellung des Budgets vor der Erosion der Bundeseinnahmen, die ohne Finanzreform schon im Jahr 1990 wieder zu einem Milliardenverlust führen würde.
Auch auf der Ausgabenseite wurde gegenüber dem Vorjahr mit einem Wachstum gerechnet, das über der Teuerung liegt. Da jedoch zahlreiche Aufwendungen im Zweijahresrhythmus auszurichten sind und in "geraden" Jahren jeweils höher liegen, wurde mit einer stabilen Staatsquote gerechnet. So verzeichneten die Finanzausgaben mit einem Zuwachs von 16% gegenüber dem Vorjahresbudget das grösste Wachstum. Dieses ist allerdings durch die Zunahme der Kantonsanteile verursacht, die sich als feste Prozentsätze der direkten Bundessteuer und der Verrechnungssteuer parallel zu den entsprechenden Steuererträgen entwickeln. Mit einem überproportionalen Anstieg der Aufwendungen wurde sodann für den Bereich Verkehr und Energie gerechnet, da einerseits das alternde Nationalstrassennetz Sanierungsaufwendungen verursacht und andererseits der neue Leistungsauftrag der SBB eine Zunahme der Bundesleistungen nach sich zieht.
Im Parlament wurden zahlreiche Änderungsanträge abgelehnt; einzig die Streichung von 5 Mio Fr. für die Verwertung des überschüssigen Weines und erhöhte Budgetkredite für Waldsanierungen im Berggebiet wurden bewilligt. Der definitive Voranschlag wurde in der Folge mit Ausgaben von 26 Mia Fr. und einem Einnahmenüberschuss von 1,219 Mia Fr. genehmigt [9].
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Staatsrechnung 1987
Zum zweiten Mal nach fünfzehn defizitären Jahren konnte 1987 ein massiver Einnahmenüberschuss verbucht werden. Er lag mit 1'056 Mio Fr. wiederum erheblich über dem Voranschlag von 181 Mio Fr., doch wesentlich unter dem Ertragsüberschuss des Vorjahres (1'968 Mio Fr.). Das positive Ergebnis wurde auf die gute Konjunkturlage, die geringe Teuerung, den Zerfall des Dollarkurses und auf die konsequente Ausgabendisziplin des Bundes zurückgeführt. Gerade letztere führte zu einem – gemessen am Bruttoinlandprodukt – unterdurchschnittlichen Wachstum der Ausgaben, so dass erneut ein Absinken der Staatsquote (auf 9,35%) zu verzeichnen war. Die Gesamtrechnung schloss mit einem Reinertrag von 344 Mio Fr. Die grosse Differenz zur Finanzrechnung ist vor allem auf die Leistungen des Bundes an die eidgenössische Versicherungskasse sowie auf Abschreibungen zurückzuführen. Die Gesamtschulden des Bundes konnten um 527 Mio Fr. auf den immer noch stolzen Betrag von 27'671 Mio Fr. vermindert werden [10].
Da es dem Bundesrat verwehrt ist, Mittel, die durch Unterschreiten der Kredite des Voranschlags frei werden, für andere Zwecke einzusetzen, muss er dem Parlament dafür Nachtragskreditbegehren stellen. Nur ungern bewilligten die Räte dieses Jahr die Nachtragskredite von insgesamt 356 Mio Fr., da sich darunter neben zusätzlichen Auslagen für die soziale Sicherheit und für die Entwicklungszusammenarbeit auch solche für zusätzliche Etatstellen befanden. Nach Ansicht der Votanten in den Räten sind Aufstockungen des Personals nicht unvorhersehbar und müssten deshalb im ordentlichen Voranschlag berücksichtigt sein [11].
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Finanzhaushalt der Kantone und Gemeinden
An den Gesamtausgaben der öffentlichen Hand sind, nach Abzug der gegenseitigen Übertragungen, der Bund und die Kantone mit je rund 35%, die Gemeinden mit rund 30% beteiligt. Während der Lastenausgleich unter diesen institutionalisiert ist, bestehen bei den direkten Steuern noch grosse, störende Unterschiede. Unter den Kantonen bilden hier Zug und Jura die Extreme: Im Kanton Jura ist die Steuerbelastung für bestimmte Einkommenskategorien mehr als doppelt so hoch als im Kanton Zug. Diese Unterschiede sollen mit einem in Beratung stehenden Gesetz über die Steuerharmonisierung in den Kantonen und Gemeinden etwas ausgeglichen werden. Da die Räte jedoch mit der Beratung des damit verbundenen Gesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) in Verzug geraten waren, hatte der Ständerat die beiden Gesetze im letzten Jahr entkoppelt. 1987 wurden nun lediglich die Beratungen über das DBG fortgeführt.
Auf Grund des Volkseinkommens, der Steuerkraft und -belastung sowie des Anteils an Berggebiet legte der Bundesrat Ende 1987 die Finanzkraft der Kantone für die Jahre 1988 und 1989 neu fest. Änderungen ergaben sich dabei vor allem für die Kantone Zug, Thurgau und Freiburg, für die der Finanzkraftindex deutlich erhöht wurde, und für den Kanton Nidwalden, für den er merklich gesenkt wurde.
Die gute Wirtschaftslage und die eringe Teuerung wirkten sich natürlich auch auf die Rechnungsabschlüsse der Kantone aus, die im Jahr 1986 bei gestiegenen Gesamteinnahmen von 31,8 Mia Fr. einen Einnahmenüberschuss von insgesamt 388 Mio Fr. erzielten. Nur drei Kantone (BE, LU, NE) schlossen dabei mit Aufwandüberschüssen ab. Die Voranschläge und Schätzungen der Kantone für die Jahre 1987 und 1988 rechneten aber wiederum mit Fehlbeträgen von 1,3 beziehungsweise 1,4 Mia Fr. Noch acht Kantone erwarteten für das Jahr 1988 Einnahmenüberschüsse.
Auch die Gemeinden schlossen 1986 bei Ausgaben von 23,5 Mia Fr. mit Einnahmenüberschüssen von insgesamt 313 Mio Fr. ab, doch erwarteten auch sie negative Ergebnisse von je 400 Mio Fr. für die beiden folgenden Jahre [12].
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Weiterführende Literatur
Über die Möglichkeiten der Verknüpfung von Aufgaben- und Ressourcenplanungen fand ein Seminar der Schweiz. Gesellschaft für Verwaltungswissenschaften statt. Die Referate und Diskussionen sind enthalten in: H. Werder (Hrsg.), Regierungsrichtlinien und Finanzplanung – eine kritische Bilanz, Schriftenreihe der SGVW, Band 5, Bern 1987.
Aus der Verwaltung selbst stammen die folgenden Schriften:
O. Stich, "Bundesfinanzpolitik unter neuen Vorzeichen", in Documenta, 1987, H. 4, S. 13 ff.
U. Gygi, "Gedanken zur künftigen Finanzordnung des Bundes", in Verwaltung und Organisation, 41/1987, S. 312 ff. öffentliche Finanzen der Schweiz, bearb. von der Eidg. Finanzverwaltung, Bern, Bundesamt für Statistik, 1987.
M. Galliker, "Begriffe, Daten und Gedanken zur Staatsquote", in Die Volkswirtschaft, 60/1987, S. 101 ff.
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Zahlen zur Erosion der Bundeseinnahmen und deren Einfluss auf den Bundeshaushalt bietet: Ph. Jeanneret, "Die Erosion der Bundeseinnahmen", in Mitteilungsblatt für Konjunkturfragen, 43/1987, S. 42 ff.
Zur gegenseitigen Abhängigkeit von Wirtschaft und Steuersystem: "Steuerreform – Schlagwort oder Wundermittel?" in Mitteilungsblatt für Konjunkturfragen, 43/1987, S. 73 ff.
W. Jucker, "Besteuerung und private Investitionen in der Schweiz", in Informationsbulletin der Programmleitung NFP 9, Mechanismen und Entwicklung der schweizerischen Wirtschaft, Nr. 11, Bern 1987, S. 78 ff.
W. Wittmann, "Mehr Markt statt Steuern", in D.-Ch. Dicke / Th. Fleiner-Gerster, Staat und Gesellschaft, Freiburg 1987, S. 169 ff.
Eine 15., vollständig überarbeitete Auflage des Schweizerischen Steuerlexikons gibt Auskunft über die rechtlichen und praktischen Aspekte des Steuersystems: Schweizerisches Steuerlexikon. Nachschlagewerk für eidgenössische und kantonale Steuern, Einschätzungs- und Steuerjustiz-Praxis, 3 Bände, Zürich 1987.
Mit der Frage der Besteuerung von Familien, Ehe- und Konkubinatspaaren befasst sich ein ganzes Heft der von der eidg. Kommission für Frauenfragen herausgegebenen Frauenfragen, 10/1987, H. 1.
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Steuerbelastung in der Schweiz. Kantonshauptorte, Kantonsziffern. Bern, Bundesamt für Statistik, 1987.
A. .Rey, Gefahr einer zweigeteilten Schweiz. Erklärung regionaler Steuerbelastungsunterschiede in der Schweiz, Zug 1987 (Finanz- und Steuerpolitische Mitteilungen, Nr. 54).
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[1] Zu den Vorstellungen Stichs: TW, 7.4.87; Presse vom 8.4. und 25.4.87; Bund und 24 Heures, 27.10.87; TA, 30.12.87; vgl. auch Lit. Stich. Zur Erosion der Bundeseinnahmen vgl. Lit. Jeanneret. Zum Gutachten Bombach siehe unten (Einnahmenordnung). Vgl. auch unten, Teil I, 6a (Politique énergétique) und SPJ, 1986, S. 86 ff.
[2] NZZ, 1.4. und 18.1 1.87.
[3] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 412 ff. und 814 f.; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 239 f. und 408 f.; BBl, 1987, S. 970.
[4] Gesch.ber., 1987, S. 276 f.
[5] CVP (Motion Meier, GL): vgl. SPJ, 1986, S. 90. Im Frühjahr überwies der StR eine Motion Gadient (svp, GR), die einen Steuerrabatt für Verheiratete verlangte (Amtl. Bull. StR, 1987, S. 45 ff.; Presse vom 6.3.87). Initiative der FDP: BBl, 1987, II, S. 354; Presse vom 28.2.87; NZZ, 10.4.87; vgl. SPJ, 1986, S. 90. Bundesbeschluss: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1115 ff. und 1519; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 522 ff. und 571; BBl, 1987, III, S. 256 ff.; Presse vom 24.9. und 8.10.87.
[6] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1707 ff., 1771 ff., 1795 ff. und 1835; Presse vom 15.-18.12.87; wf, Dok., 48, 30.11.87; vgl. auch SPJ, 1986, S. 90.
[7] Gutachten Bombach: Presse vom 13.11.87; SGT, 23.11.87. Motion Schmid: Amtl. Bull. StR, 1987, S. 96 f.; Presse vom 12.3.87; BaZ, 23.9.87; vgl. auch unten, Teil I, 6 a (Politique énergétique).
[8] NZZ, 22.8. (Subventionsgesetz) und 18.8.87; TA, 17.8.87; Presse vom 5.11.87; vgl. auch SPJ, 1986, S. 92.
[9] Botschaft des Bundesrates ... zum Voranschlag ... für das Jahr 1988; Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1641 und 1768; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 586 und 662; Presse vom 21.10.87; NZZ, 22.10., 4.11. und 25.11.87; TA, 28.10.87; Presse vom 2.12., 9.12., 11.12. und 17.12.87.
[10] Botschaft zur Staatsrechnung ... 1987.
[11] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 812 ff. und 1595 ff.; Amtl. Bull. StR, S. 330 f. und 661 f.; BBl, 1987, II, S. 968 und 1988, I, S. 81; NZZ, 7.5.87; Presse vom 16.6., 17.6. und 29.10.87.
[12] Steuerharmonisierung: Vgl. SPJ, 1986, S. 94 f.; Gesch.ber., 1987, S. 277 f., Presse vom 14.4.87; Bund, 26.11.87. Rechnungsabschlüsse und Budgets: Die Volkswirtschaft, 60/1987, S. 704 ff.; 61/1988, Heft 2, S. 20 ff. und Heft 8, S. 26 ff.
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