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Sozialpolitik
Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
Beide Kammern waren sich einig, die Kontrolle von Herstellung und Handel mit Blutprodukten ausschliesslich dem Bund zu übertragen, konnten sich aber in Detailfragen noch nicht einigen. - Das Parlament verabschiedete oppositionslos eine Ausdehnung der Bundesleistungen für jene Personen, die sich durch Bluttransfusionen mit dem Aids-Virus angesteckt haben. - Der Bundesrat will den beiden drogenpolitischen Volksinitiativen keinen Gegenvorschlag entgegensetzen, da er dadurch den drogenpolitischen Konsens gefährdet sähe. - Die Versuche mit der medizinisch kontrollierten Abgabe illegaler Drogen zeitigten erste positive Ergebnisse. - Die Zahl der Sozialhilfebezüger nahm weiterhin zu, weshalb ein koordinierteres Vorgehen gefordert wurde. - Die Kandidatur des Wallis für die Durchführung der Olympischen Winterspiele 2001 blieb erfolglos.
Gesundheitspolitik
Mit dem Ziel einer Verbesserung der Volksgesundheit ersuchte Nationalrätin Grossenbacher (cvp, SO) in einem überwiesenen Postulat den Bundesrat, Möglichkeiten zu prüfen, um durch eine verstärkte Information und Aufklärung vor allem der Jugendlichen ein bewussteres und gesünderes Konsum- und Ernährungsverhalten der Bevölkerung zu erreichen [1].
Nationalrätin von Felten (sp, BS) verlangte in einer parlamentarischen Initiative den Erlass eines Gesetzes über das Massen-Screening, das unter anderem gewährleisten sollte, dass die Durchführung anonymer Studien und die Weiterleitung der erhobenen Daten nur mit der Einwilligung der Betroffenen erfolgen darf, dass Screening-Programme auf behandelbare Krankheiten beschränkt werden und den Patientenorganisationen ein Mitspracherecht zugestanden wird. Die vorberatende Kommission empfahl, der Initiative keine Folge zu geben, da sie in ihrem Wortlaut zu vage sei und die beiden Schritte der Datenbeschaffung und der Datenweitergabe vermenge. Die Frage der Rechtmässigkeit von anonymen Tests werde in der bereits eingeleiteten Revision des Epidemiengesetzes angegangen, weshalb es nicht zweckmässig sei, dafür ein eigenes Gesetz zu schaffen. Das Plenum folgte dieser Argumentation und verwarf die Initiative mit 66 zu 40 Stimmen.
Mit einer Motion forderte von Felten, im Rahmen des Vormundschaftsrechts Bestimmungen zum Schutz der Rechte der psychisch Kranken zu erlassen, damit insbesondere für unfreiwillig in eine Klinik eingewiesene Personen die Einhaltung des Grundsatzes, wonach jede medizinische Behandlung der Einwilligung des Patienten bedarf, gesichert sei. Der Bundesrat verwies darauf, dass auch die von einem fürsorgerischen Freiheitsentzug betroffenen Personen aufgrund der heutigen Gesetzeslage nicht völlig rechtlos sind. Die Frage werde zudem in der anstehenden Gesamtrevision des Familienrechts sowie in der zur Diskussion stehenden Revision des Betäubungsmittelgesetzes angegangen. Auf seinen Antrag wurde der Vorstoss als Postulat verabschiedet [3].
Für die Revision der Medizinalprüfungsverordnung bzw. der eidgenössischen Bestimmungen für die ärztliche Ausbildung siehe unten, Teil I, 8a (Hautes Ecoles).
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Die Kosten des schweizerischen Gesundheitswesens haben sich innert zehn Jahren fast verdoppelt und erreichten 1995 rund 35,6 Mia Fr. Ihr Anteil am Bruttoinlandprodukt stieg in diesem Zeitraum von 8,1% auf 9,9% [4].
Gemäss der Studie einer Treuhand-Firma, für welche sich 70 Experten mit der aktuellen Situation und mit möglichen Reformen auseinandersetzten, wird das Schweizer Gesundheitswesen in den nächsten zehn Jahren einige Änderungen erfahren. Die Experten rechnen mit einem gedrosselten Kostenanstieg, einer geringeren Zahl von Krankenhäusern und -kassen sowie mit mehr Wettbewerb unter den Spitälern und Versicherungen [5].
Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, wird in Fachkreisen immer intensiver über eine Rationierung im Gesundheitswesen diskutiert. Nach dem Vorbild des USA-Bundesstaates Oregon sollen ärztliche Leistungen an gewisse Prioritäten gebunden werden. Ohne Einschränkungen werden dort nur noch lebensgefährliche, heilbare Krankheiten behandelt, die junge Leute betreffen. Bei allen anderen Massnahmen wird hingegen, ausgehend von Parametern wie Alter, Heilungschancen und möglichem Selbstverschulden von Fall zu Fall entschieden, ob und wie eine Behandlung noch erfolgen soll [6].
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Gemäss einer vom Bundesamt für Statistik (BFS) vorgenommenen Auswertung der Volkszählung von 1990 hat sich in der Schweiz die Zahl der in den medizinischen Berufen Beschäftigten innerhalb von 20 Jahren mehr als verdoppelt, wobei sich der Andrang in die paramedizinischen Berufe als überproportional erwies. 1990 waren laut BFS 191 224 Personen im Gesundheitsbereich tätig, 118% mehr als 1970, obgleich die Wohnbevölkerung im gleichen Zeitraum lediglich um 9,6% zugenommen hatte. Die Aufschlüsselung nach einzelnen Berufen zeigte, dass der Anstieg bei den Ärzten mit 95,8% leicht unterdurchschnittlich war, während die Krankenschwestern und -pfleger mit rund 160% und die Physiotherapeutinnen und -therapeuten mit rund 250% überdurchschnittlich zunahmen. Das stärkste Wachstum wurde jedoch bei den Heilpraktikern verzeichnet, deren Zahl sich innerhalb von 20 Jahren verneunfacht hat. Deutlich unter dem Durchschnitt lag der Zuwachs bei den Drogisten, den Zahntechnikern und den Dentalhygienikerinnen [7].
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Im Zuge von Strukturbereinigungen schlossen sich die Vereinigungen der Gemeindekranken- und Gesundheitspflegeorganisationen sowie der Hauspflegeorganisationen zum Spitex-Verband Schweiz zusammen. Dieser setzt sich zum Ziel, koordinierend auf die Entwicklung und Förderung optimaler Spitex-Dienste Einfluss zu nehmen, damit die verschiedenen beteiligten Berufsgruppen und Anbieter auf Gemeindeebene zu integrierten Spitex-Diensten zusammenwachsen [8].
Für die Stellung der Spitex im neuen KVG siehe unten, Teil I, 7c (Krankenversicherung).
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Seit Mitte des Berichtsjahres existiert an der Universität Bern eine "Kollegiale Instanz für Komplementärmedizin" (Kikom). Die Schaffung dieser Stelle geht auf eine im Herbst 1992 eingereichte kantonale Volksinitiative zurück, die einen Lehrstuhl für Naturheilverfahren gefordert hatte. Die Initiative wurde nach Gesprächen zwischen dem Kanton, den Initianten und der Medizinischen Fakultät zurückgezogen, nachdem der Regierungsrat Ende 1993 als gleichwertigen Ersatz für den geforderten Lehrstuhl die Schaffung der "Kikom" genehmigt hatte. Diese umfasst eine Dozentin und drei Dozenten, die alle eine Grundausbildung in Schulmedizin haben, sich aber zusätzlich in den Fachgebieten traditionelle chinesische Medizin, Neuraltherapie, anthroposophische Medizin sowie Homöopathie spezialisiert haben. Bern ist nach Zürich die zweite Medizinische Fakultät der Schweiz, welche Komplementärmedizin in der Grundausbildung anbietet [9].
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Das EDI setzte eine Expertenkommission ein, welche einen Entwurf für ein Bundesgesetz über die Kontrolle der Heilmittel ausarbeiten soll. Das neue Gesetz wird die Heilmittelkontrolle erstmals eidgenössisch regeln. Eine selbständige Anstalt des Bundes soll die Aufgaben übernehmen, die heute von der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) und der Abteilung Pharmazie des Bundesamtes für Gesundheitswesen (BAG) wahrgenommen werden. Der Zweck des künftigen Bundesgesetzes ist die Versorgung der Bevölkerung mit sicheren und wirksamen Heilmitteln guter Qualität. Erfasst werden alle Sparten der Arzneimittel und der immunbiologischen Erzeugnisse für Mensch und Tier (Medikamente, Blutpräparate und Medizinprodukte) [10].
Der Bundesrat verabschiedete die revidierte Arzneimittelverordnung, mit welcher aufgrund einer Verkürzung der Preisschutzfrist ältere Originalmedikamente billiger, neue hingegen durch die Einführung eines Innovationszuschlages etwas teurer werden. Nach der geänderten Verordnung ist bei der Preisbestimmung auch der Verkaufspreis im Ausland ausschlaggebend. Diese neuen Bestimmungen betreffen aber nur die Präparate auf der Spezialitätenliste mit vereinbarten und von den Krankenkassen akzeptierten Preisen, also nur rund ein Viertel der in der Schweiz angebotenen Medikamente [11].
Auf Druck der Pharma-Industrie lockerte die IKS die Vorschriften für die Werbung für nicht rezeptpflichtige Heilmittel, welche nur in Apotheken angeboten werden. Abweichend von ihrem Entscheid von 1994, wonach die Werbung für Heilmittel mit Sucht- oder Missbrauchspotential grundsätzlich verboten bleiben sollte, stimmte sie einer Regelung zu, wonach es an der IKS ist, im Einzelfall zu belegen, dass ein Produkt abhängig machen oder missbräuchlich verwendet werden kann. Gegen diese Schleusenöffnung wehrten sich die Ärzte und Apotheker, das BAG sowie weitere gesundheitspolitisch engagierte Kreise. Um deren Bedenken entgegenzukommen, beschloss die IKS, die Medikamentenwerbung in den elektronischen Medien einer Vorkontrolle zu unterstellen; diese soll auch in den Printmedien für die als "sensibel" eingeschätzte Arzneimittelgruppe der Analgetika, Schlafmittel, Sedativa und Schlankheitsmittel gelten. Neu eingeführt wurde auch ein Beanstandungsrecht für Privatpersonen und Organisationen [12].
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Wie schon der Ständerat überwies auch der Nationalrat oppositionslos zwei Motionen Onken (sp, TG) und Huber (cvp, AG), welche eine rasche Gesetzgebung im Bereich der Organspenden und der Transplantationsmedizin verlangen [13].
In beiden Kammern und über alle Parteigrenzen hinweg war unbestritten, dass sich die Vorkommnisse der achtziger Jahre, wo unter anderem eine unklare Verantwortlichkeitsregelung die tragischen Ereignisse mit den durch HI-Viren verseuchten Blutkonserven und -präparaten mitverursacht hatte, nicht mehr wiederholen dürfen. Sowohl Stände- wie Nationalrat waren praktisch einstimmig damit einverstanden, die Kompetenzen für die Kontrolle von Herstellung und Handel mit Blutprodukten bis zum Vorliegen des neuen Heilmittelgesetzes in einem dringlichen Bundesbeschluss ausschliesslich dem BAG zu übertragen.
Während aber der Ständerat in den wesentlichen Punkten der bundesrätlichen Vorlage folgte, fügte der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission mit 61 zu 46 Stimmen einen Artikel ein, wonach es für alle Transplantate einer schriftlichen Zustimmung des Spenders bedarf. Vergeblich machten der Bundesrat und die Gegner dieses Zusatzes geltend, es handle sich hier nur um eine Übergangsregelung, die in erster Linie auf den Schutz vor Infektionen angelegt ist, weshalb es wenig sinnvoll sei, ohne vertiefte Diskussion die ethisch überaus heikle Frage des Umgangs mit Transplantaten bereits einzubeziehen. Widerstandslos passierte hingegen die ebenfalls von der Kommission eingebrachte Bestimmung, wonach es verboten ist, mit menschlichen Transplantaten Handel zu betreiben. Keine Chance hatten ein Minderheitsantrag zum Verbot von Transplantaten, die von gentechnisch veränderten Tieren stammen, sowie die Forderung nach beratenden Fachkommissionen, welche den Vollzug des Bundesbeschlusses mitgestalten sollten [14].
In der Differenzbereinigung übernahm der Ständerat den Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Spenden diskussionslos, machte aber das Erfordernis der schriftlichen Zustimmung wieder rückgängig, da dies eine zu restriktive und pauschal geratene Verschärfung bedeute, welche sich kontraproduktiv auf den Spenderwillen der Bevölkerung auswirken und damit möglicherweise sogar dem illegalen Organhandel Vorschub leisten könnte.
Die "Swisstransplant", die nationale Stiftung für Organspende und Transplantation, konnte ihr zehnjähriges Bestehen feiern. Aus diesem Anlass wies sie darauf hin, dass die Zahl der Patientinnen und Patienten, die auf lebensrettende Organe warten, ständig wächst, während die Liste der potentiellen Organspender - rund 7% der Bevölkerung mit Spenderausweis - stagniert oder sogar zurückgeht. Dies steht im Gegensatz zur Entwicklung im Ausland, wo die Zahl der Spender laufend zunimmt. "Swisstransplant" koordiniert alle anstehenden Operationen in den Transplantationszentren von Bern, Zürich, Lausanne und Genf und sichert den Kontakt zu den ausländischen Spenderdatenbanken. Zudem wacht die Organisation darüber, dass - ausser für Entnahme- und Transportkosten - nichts für Organspenden bezahlt werden muss und die Spender keine Entschädigung bekommen. Damit soll dem vor allem in der Dritten Welt grassierenden Organhandel entgegengewirkt werden [16].
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Oppositionslos stimmte der Ständerat einer parlamentarischen Initiative der grossen Kammer zu, welche darauf abzielt, die 1990 beschlossenen Leistungen für Personen, die durch verseuchte Blutpräparate mit dem HI-Virus infiziert wurden, nicht nur auf deren kontaminierte Ehegatten, sondern auch auf allenfalls angesteckte Kinder auszudehnen. Zudem wurden auf Antrag der Kommission die Leistungen des Bundes von 50 000 Fr. auf 100 000 Fr. pro infizierte Person angehoben. Die Kommission begründete diese Erhöhung einerseits mit der seit 1990 noch deutlicher gewordenen Mitverantwortung des Bundes und andererseits mit einem internationalen Quervergleich, aus welchem hervorgeht, dass sich die bisherigen Leistungen der Schweiz im unteren Bereich der Skala bewegen. Der Bundesrat war mit der Ausdehnung des Kreises der Anspruchsberechtigten einverstanden, bekämpfte aber den Ausbau der Leistungen. In diesem Punkt unterlag er bei der Differenzbereinigung auch im Nationalrat, der den Beschluss des Ständerates diskussionslos bestätigte [17].
Die "Aids-Hilfe Schweiz" (AHS), deren erster Präsident - der populäre und inzwischen verstorbene TV-Mann André Ratti - mit seinem öffentlichen Bekenntnis, er sei homosexuell und aidskrank, der Diskussion um die Immunschwächekrankheit in der Schweiz eine emotionale Komponente verliehen und sie damit erst eigentlich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht hatte, konnte im Berichtsjahr auf ihr zehnjähriges Bestehen zurückblicken. Die AHS ist heute eine breit verankerte Gesundheitsorganisation mit über 100 Mitarbeitern, deren jährliches Betriebsbudget zu über 80% vom BAG finanziert wird. Die AHS, die sich stark gegen die gesellschaftliche Ausgrenzung der Aidskranken zur Wehr setzt, prägte die 1987 lancierten und bis heute weitergeführten "Stop Aids"-Kampagnen des Bundes, welche die WHO als "weltweit einmalig" bezeichnete, ganz wesentlich mit [18].
Nach Abschluss einer einjährigen Pilotphase mit der Abgabe von sauberen Spritzen in der Frauen-Strafvollzugsanstalt Hindelbank (BE) wurde ein positives Fazit der Aktion gezogen. In der Versuchsperiode stieg der - in Gefängnissen zwar grundsätzlich verbotene, in Wirklichkeit aber nie auszumerzende - Drogenkonsum nicht an, es gab keine neuen Heroinkonsumentinnen, und keine Frau steckte sich neu mit dem HI- oder einem Hepatitis-Virus an. Die Polizeidirektion des Kantons Bern beschloss deshalb, das Pilotprojekt in Form eines Anschlussprogramms fortzusetzen [19].
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Anfangs Juni gab das EJPD seinen Vorentwurf für ein neues Humanmedizingesetz in die Vernehmlassung. Dieser Gesetzesentwurf, der den Verfassungsauftrag von 1992 über Fortpflanzungs- und Gentechnologie umsetzen soll, will für die medizinisch unterstützte Fortpflanzung vor allem das Kindeswohl zur obersten Leitlinie des Handelns erklären, eine umfassende Aufklärung der Paare verlangen und schliesslich den Missbrauchsgefahren durch Bewilligungspflicht und dauernde Aufsicht begegnen. Die In-vitro-Fertilisation soll einzig und allein in den Dienst einer natürlichen Schwangerschaft gestellt werden, also nur dort zum Zuge kommen, wo die Unfruchtbarkeit eines Ehepaares im zeugungsfähigen Alter überwunden oder genetisch bedingte Erbkrankheiten vermieden werden können. Dem durch Spendersamen gezeugten Kind soll dabei der Zugang zu den Personalien seines "biologischen" Vaters garantiert sein, allerdings unter Ausschluss einer möglichen Vaterschaftsklage und ohne rechtlichen Anspruch auf eine emotionale Vater-Kind-Beziehung.
Die Konservierung überzähliger Embryonen zu Versuchszwecken wird nach den Vorstellungen des EJPD ebenso grundsätzlich verboten wie die Ei- und Embryonenspende oder die "Leihmutterschaft"; untersagt wären auch die Keimbahntherapie (sich weitervererbende Eingriffe ins Erbgut), das Klonen (künstliche Erzeugung genetisch gleicher Wesen), die Chimären- und die Hybridenbildung (Paarung von artfremden Eiern und Samen). Um künftigen Entwicklungen in diesem Gebiet gerecht werden zu können, möchte der Bundesrat eine nationale Ethikkommission einsetzen, die auch zu anderen Grenzfragen der Medizintechnologie Richtlinien erarbeiten und Empfehlungen abgeben kann [20].
Zu teilweise ganz anderen Vorschlägen kam eine 1993 von Bundesrätin Dreifuss eingesetzte Expertenkommission. Gegen den Widerstand einer Mehrheit ihrer weiblichen Mitglieder, die diese wissenschaftlichen Methoden als Entwürdigung des menschlichen Lebens ablehnte, sprach sie sich dafür aus, die Forschung an überzähligen Embryonen unter strengen Voraussetzungen grundsätzlich zu erlauben und die sogenannte Präimplantationsdiagnostik zuzulassen, bei welcher der Embryo bereits vor der Einpflanzung in den weiblichen Körper auf seine Qualität untersucht wird [21].
Aufgrund einer Bewilligung der interdisziplinären Schweizerischen Kommission für biologische Sicherheit in Forschung und Technik (SKBS) wurden an Spitälern in Bern, Genf, Lausanne und Zürich erste Versuche mit somatischer Gentherapie aufgenommen. Getestet wurden Einsätze bei vererbbarer Immunschwäche, Degeneration von Nervenzellen, vererbbarer Erkrankung der Atemwege sowie bei Oberflächen- und bösartigen Hirntumoren.
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Suchtmittel
Elf- bis sechzehnjährige Schweizer Schulkinder konsumieren deutlich mehr Alkohol, Tabak und Haschisch als vor acht Jahren. Dies ging aus einer breit angelegten Studie der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) hervor. Insgesamt sind es zwei Prozent der Jugendlichen - hochgerechnet rund 12 000 Schulkinder -, die jeden Tag zum Glas greifen. Sieben Prozent der erfassten Jugendlichen rauchen täglich, was gegenüber 1986 einem Anstieg um 75% entspricht. Fast verdoppelt hat sich auch der Prozentsatz jener (18,4% gegenüber 10%), welche mindestens einmal Cannabis konsumiert haben. 7,9% der Befragten hatten Erfahrung mit Aufputschmitteln, mehr als doppelt so viele wie 1986, wobei der Trend bei den männlichen Jugendlichen und in der Deutschschweiz besonders ausgeprägt ist. Die Modedroge Ecstasy wurde von 1,4% der Schülerinnen und Schüler eingenommen [23].
Abweichend vom Antrag seiner Kommission nahm der Ständerat mit Stichentscheid seines Präsidenten eine Motion des Nationalrates an, welche die Schaffung eines Suchtpräventionsgesetzes verlangt, das den Umgang sowohl mit den legalen wie mit den illegalen Drogen umfassend angeht. Die Gegner des Vorstosses argumentierten, die Überweisung in der bindenden Form würde dem Bundesrat bei der laufenden Definition seiner Drogenpolitik Fesseln anlegen und eine Weiterentwicklung dieser Politik behindern [24].
Bei der Revision des Arbeitsgesetzes (siehe oben, Teil I, 7a, Arbeitszeit) beantragte Nationalrätin Brunner (sp, GE) eine zusätzliche Bestimmung, wonach die Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit keinen Alkohol oder andere berauschende Mittel konsumieren müssen. Sie visierte damit vor allem Animierdamen und Tänzerinnen in Nachtlokalen an. Da der Bundesrat diesem Antrag sehr positiv gegenüberstand, wurde er praktisch diskussionslos aufgenommen [25].
Der Bundesrat beschloss, bis 1999 sein Engagement im Bereich der Nikotinprävention mit jährlich 2,5 Mio Fr. zu vervierfachen. Wie Bundesrätin Dreifuss ausführte, will sich der Bund vermehrt für eine kohärente Nichtraucher-Politik einsetzen, da die Schweiz in diesem Bereich im Vergleich zu den Nachbarländern im Rückstand sei. Das Programm des Bundesrates verfolgt drei Ziele: die Zahl neueinsteigender junger Raucherinnen und Raucher soll reduziert, der Schutz gegen Passivrauchen verstärkt und die Hilfe für Ausstiegswillige ausgebaut werden [26].
Mit einer Motion wollte Nationalrat Bischof (sd, ZH) den Bundesrat beauftragen, ein Datenerfassungssystem einzurichten, damit präzise diagnostische Kriterien für die Ermittlung einer Medikamentenabhängigkeit erarbeitet werden können. Da der Bundesrat ausführte, das BAG habe bereits die Absicht, eine entsprechende Studie in Auftrag zu geben, wurde auf seinen Antrag der Vorstoss lediglich als Postulat überwiesen [27].
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Zum zweitenmal nach 1991 lud das EDI Behördenmitglieder und Interessengruppen aller drei staatlicher Ebenen zu einer nationalen Drogenkonferenz nach Bern ein. Die Bundesräte Koller und Dreifuss riefen dazu auf, die drogenpolitische Debatte zu deblockieren. Polarisierte Meinungen prallten kaum aufeinander. CVP, FDP und SP bekräftigten schon vor der Tagung ihre Absicht, eine Teilrevision des Betäubungsmittelgesetzes anzustreben, um möglichst rasch die gesetzliche Grundlage für die ärztlichen Substitutionsprogramme mit Heroin zu schaffen. Derart konkrete Fragen behandelte die Konferenz allerdings nur am Rande. Generell herrschte Einigkeit darüber, dass in der Drogenpolitik differenziert und behutsam vorgegangen werden muss, wobei Kohärenz, Koordination und Kommunikation zwischen allen Beteiligten zu fördern und auszubauen seien [28].
Entgegen seiner Ende 1994 geäusserten Absicht will der Bundesrat den beiden drogenpolitischen Volksinitiativen keinen direkten Gegenvorschlag entgegensetzen. Diesen Rückzug begründete er mit der Feststellung, seine Vier-Säulen-Strategie (Prävention, Überlebenshilfe, Therapie und Repression) habe in der Vernehmlassung generell einen starken Rückhalt gefunden. Bei der Umsetzung gingen die Meinungen allerdings weit auseinander, weshalb es nicht ratsam wäre, den breiten Konsens wegen einer Formulierungsfrage aufs Spiel zu setzen. Die Landesregierung suche in erster Linie den pragmatischen Weg. Für die Ende 1994 initiierte Revision des Betäubungsmittelgesetzes sei die verfassungsmässige Grundlage bereits gegeben. FDP und SP begrüssten den Entscheid des Bundesrates. CVP und SVP kündigten hingegen an, sie würden sich im Parlament für die Erarbeitung eines Gegenvorschlages einsetzen, der die wesentlichen Elemente des ursprünglichen bundesrätlichen Vorschlags wieder aufnehmen soll [29].
Diskussionslos und mit deutlicher Mehrheit verwarf der Nationalrat eine an die Volksinitiative "Jugend ohne Drogen" angelehnte parlamentarische Initiative Bischof (sd, ZH), welche das Rauschgiftproblem mit einer restriktiven und direkt auf Abstinenz ausgerichteten Politik bekämpfen wollte. Das Plenum folgte dabei den Ausführungen der Kommission, welche repressive Methoden als untaugliches Mittel zur Bekämpfung der Drogensucht bezeichnete und den Bundesrat in seiner Politik der aufbauenden Überlebenshilfe unterstützte [30].
Mit einer Motion verlangte Ständerat Morniroli (lega, TI) vom Bundesrat die Ausarbeitung eines Drogenkonzepts. Der Bundesrat verwies auf die bereits in Angriff genommenen Arbeiten und empfahl der Kammer die Umwandlung in ein Postulat. Unterstützt von Ständerat Danioth (cvp, UR) beantragte der Motionär, zumindest zwei Punkte seines Vorstosses in der verbindlichen Form anzunehmen, nämlich die Auflistung von differenzierten Massnahmen, die der Gefährlichkeit der einzelnen Drogen Rechnung tragen, sowie eine Verbesserung der Ausgangsbedingungen für die Therapie von Drogensüchtigen durch deren Einweisung in Spezialkliniken. Der Rat folgte der Argumentation von Bundesrätin Dreifuss, welche im letzteren Punkt die Gefahr von Zwangstherapien sah, und verwarf diesen. Der Hinweis von Danioth, dass mit einer Differenzierung auch erfolgreicher gegen neue Modedrogen wie etwa Ecstasy angegangen werden könnte, verfehlte seine Wirkung hingegen nicht, weshalb dieser Punkt als Motion überwiesen wurde [31].
Die Stimmberechtigten des Kantons Zug lehnten eine von der SVP lancierte Initiative "für eine abstinenzorientierte Drogenpolitik" mit rund zwei Dritteln der Stimmen ab. Das Begehren wurde in allen elf Zuger Gemeinden verworfen. Eine Annahme der Initiative hätte eine Kehrtwende für die Zuger Drogenpolitik bedeutet und sie zur wohl restriktivsten der Schweiz gemacht. Ziel des Volksbegehrens war, die Heroinabgabe zu verunmöglichen und die Methadondispensation auf Notfälle zu beschränken. Auch hätten keine Spritzen zur Aids-Bekämpfung mehr abgegeben werden dürfen. Regierung und Kantonsparlament hatten sich deutlich gegen die Initiative ausgesprochen. Ausser der SVP und einem Bürgerkomitee unter Vorsitz von alt Ständerat Kündig (cvp) empfahlen im Abstimmungskampf alle Parteien und Gruppierungen die Ablehnung des Volksbegehrens [32].
Gestützt auf die Empfehlungen der Praktiker beschloss der Bundesrat Ende Januar, die Versuchsprogramme mit der medizinisch kontrollierten Drogenabgabe deutlich umzugewichten. Wegen der relativ schlechten Akzeptanz der intravenösen Verabreichung von Morphin und Methadon wurden diese Versuchsplätze von je 225 auf 100 reduziert, die Zahl der Patientinnen und Patienten, die Heroin erhalten, dagegen gesamtschweizerisch auf 500 erhöht. Die weitgehende Konzentration auf Heroinprogramme war im Vorjahr vom Bundesrat bereits angekündigt und von der Überregionalen Ethikkommission der Akademie der Medizinischen Wissenschaften bejaht worden. Obgleich das International Narcotic Control Board der UNO (INCB) die Versuche mit der kontrollierten Abgabe weiterhin argwöhnisch beobachtete, stimmte es doch indirekt der Umwandlung der Projektanlage zu und gestattete der Schweiz eine Erhöhung der jährlichen Importmenge an Heroin von 117 auf 200 Kilo. Sowohl auf Druck von Kantonen und Gemeinden als auch aus wissenschaftlichen Gründen (breiteres Datenmaterial) erhöhte der Bundesrat im Mai die Anzahl der Heroinplätze um weitere 300 auf 800. Neu bewilligt wurden insbesondere Programme im Grossraum Zürich und in den Städten Biel, Genf, Luzern, St. Gallen und Solothurn sowie in einer Strafanstalt im Kanton Solothurn (siehe unten). Da das Gesamtprojekt Ende 1996 abgeschlossen sein muss, erklärte der Bundesrat gleichzeitig, dass es sich dabei um die letzte Ausdehnung der Heroinplätze im Rahmen dieser Versuchsreihe handelt. Die von der UNO anfangs März bewilligten Heroinimporte genügen für die Belieferung der zusätzlichen Therapieplätze, weshalb die Bundesbehörden für diesen Schritt nicht der Zustimmung des INCB bedurften [33].
Diese Ausweitung der Drogenversuche - und, wie Beobachter argwöhnten, wohl auch die anstehenden eidgenössischen Wahlen - brachten den Konsens der drei grossen Bundesratsparteien im Bereich der Drogenpolitik, welcher durch das im letzten Jahr veröffentlichte gemeinsame Grundsatzpapier politisch abgesichert schien, im Laufe des Sommers wieder ins Wanken. Im Nationalrat wurde bei der Behandlung des Nachtrags I zum Voranschlag 1995 mit mehreren Anträgen aus FDP- und CVP-Kreisen versucht, einen Zusatzkredit von 7,5 Mio Fr. zu Fall zu bringen, welchen der Bundesrat für die Ausweitung der Versuche beantragt hatte. Der Kredit passierte nur relativ knapp mit 77:64 Stimmen. In der kleinen Kammer war zuvor ein analoger Antrag Morniroli (lega, TI) mit 17:15 Stimmen ebenfalls nur knapp abgelehnt worden [34]. Ständerat und CVP-Parteipräsident Cottier (FR) ritt kurz darauf in einer dringlichen Interpellation eine scharfe Attacke gegen die zusätzlichen Heroinplätze. Er bemühte sich dabei, seine Partei nur als sehr zurückhaltende Befürworterin dieser Versuche zu präsentieren und unterstellte all jenen, welche die Ausweitung ermöglicht hatten oder diese unterstützten, mittelfristig die völlige Drogenfreigabe anzupeilen. Die von Cottier offensichtlich gewünschte grosse Drogendebatte kam aber nicht zustande. Auf Antrag Schiesser (fdp, GL) wurde die Diskussion verschoben und fand erst in der ersten Session der neuen Legislatur - und in entspannterer Atmosphäre - statt [35].
Rund 100 führende Wirtschaftsvertreter sprachen sich im Herbst in einem gemeinsam veröffentlichten Grundsatzpapier für eine ausgeweitete kontrollierte Drogenabgabe an Süchtige, die Eliminierung sämtlicher offener Drogenszenen, eine Entkriminalisierung des Drogenkonsums sowie für verstärkte Präventionsmassnahmen im Bereich der Jugend- und Familienpolitik aus. Sie begründeten ihr Engagement mit menschlicher Betroffenheit, aber auch mit der Ineffizienz der heute noch stark auf Repression ausgerichteten Drogenpolitik, welche den Steuerzahler - und damit auch die Wirtschaft - stark belastet, sowie mit Image-Problemen des Wirtschaftsstandortes Schweiz [36].
Das BAG und die Wissenschafter, welche die Versuche mit der kontrollierten Drogenabgabe im Auftrag des Bundes begleiten und evaluieren, zogen Ende Jahr eine mehrheitlich positive Zwischenbilanz. Nach ihren Erkenntnissen verbessert die ärztliche Verschreibung von Betäubungsmitteln die gesundheitliche und psychosoziale Situation schwerstabhängiger Patientinnen und Patienten erheblich. 82% der Probanden blieben mindestens sechs Monate in Behandlung, was gegenüber den traditionellen Therapieformen (Entzug oder Methadon) eine sehr hohe "Haltequote" bedeutet. Als akzeptierteste Therapieform erwies sich dabei die Abgabe von oralem Methadon mit einer täglichen Heroininjektion. Auch die Lebensumstände der Betroffenen verbesserten sich wesentlich. Während des ersten halben Jahres ihrer Teilnahme an den Versuchen stabilisierte sich bei 89% die Wohnsituation; die Obdachlosigkeit ging von 15% auf 3% zurück. Statt 18% gingen nach sechs Monaten 46% der Versuchsteilnehmer einer einigermassen geregelten Erwerbstätigkeit nach. Die Kriminalität ging rapide zurück, und der Gesundheitszustand machte markante Fortschritte. Nach Meinung der Experten wäre deshalb eine dauerhafte Abgabe von Heroin durchaus geeignet, jene stark marginalisierte Gruppe von langjährigen Heroinabhängigen zu erreichen, die in allen anderen Behandlungsformen gescheitert sind. Problematisch wurde allerdings von allen Beteiligten der Ausschluss von Kokain aus dem Therapieangebot erachtet, da dieses von den Süchtigen häufig in Ergänzung zu Heroin konsumiert wird [37].
Als erster welscher Kanton will sich auch Genf an den Versuchen mit der medizinisch kontrollierten Heroinabgabe beteiligen. Der Genfer Grosser Rat nahm eine entsprechende - von allen Parteien mit Ausnahme der LP unterstützte - Motion ohne grosse Diskussionen an. Der Staatsrat stimmte ebenfalls zu, worauf Genf in die Liste der Teilnehmer an den ausgeweiteten Heroinprogrammen aufgenommen wurde. Aber auch in den anderen Westschweizer Kantonen weichten sich die starren Fronten - zumindest was die Methadon- und Spritzenabgabe anbelangt - allmählich auf [38].
Die Kantone Basel-Stadt und Solothurn beantragten beim BAG, versuchsweise in ausgewählten Strafanstalten Heroin an Häftlinge abgeben zu dürfen. Das BAG erteilte dem weltweit einmaligen Projekt grünes Licht, und auch Bundesrätin Dreifuss stellte sich ausdrücklich hinter das brisante Vorhaben. Ab Mitte Jahr wurden daraufhin in der solothurnischen Strafanstalt Oberschöngrün Heroinprogrammplätze geschaffen, wobei die Bedingungen zur Teilnahme gleich definiert wurden wie in den Drogenversuchen des Bundes. Auch dieses Projekt wird wissenschaftlich begleitet und ausgewertet [39].
Nach einer ersten konsequenten "Ausdünnung" der offenen Drogenszene am Zürcher Letten wurde das Areal Mitte Februar polizeilich geräumt. Die aufgegriffenen Drogensüchtigen wurden an ihre Wohngemeinden oder -kantone überstellt. Anfänglich dominierte der Eindruck, dass diese Auflösung besser koordiniert und deshalb erfolgreicher sei als jene des Platzsspitzes 1993. Nach einigen Monaten zeigte sich jedoch, dass wieder eine Verlagerung zu schwer kontrollierbaren "Kleinszenen" in den angrenzenden Stadtkreisen erfolgt war [40].
Um dem Wildwuchs im Drogenentzugsbereich Einhalt zu gebieten, schufen der Bund und die kantonale Fürsorgedirektorenkonferenz eine zentrale Koordinationsstelle, welche sämtliche überkantonalen Aufgaben im Zusammenhang mit stationären Therapieangeboten im Drogenbereich bearbeitet [41]. Nach dem Nationalrat nahm auch der Ständerat oppositionslos eine Motion Sieber (evp, ZH) an, welche den Bundesrat beauftragt, geeignete Schritte zu unternehmen, um in Zusammenarbeit mit den Kantonen den Aufbau eines "Selbsthilfedorfes" für ausstiegswillige Süchtige zu fördern [42].
Die grosse Kammer folgte der kleinen und stimmte der Ratifizierung von zwei UNO-Konventionen zum Umgang mit illegalen Drogen (Übereinkommen von 1971 über die psychotropen Substanzen und Zusatzprotokoll von 1972 zum Einheitsübereinkommen von 1961) zu, allerdings erst nach einer längeren Grundsatzdebatte. Eine Kommissionsminderheit um den Zürcher CVP-Abgeordneten Seiler plädierte für Nichteintreten, da nur etwa 20 Staaten - und nicht die wichtigsten - die Abkommen auch in die nationale Gesetzgebung überführt hätten, weshalb die Schweiz auch bei einer Nichtratifizierung kein Aussenseiter wäre. Streng genommen würde die Anwendung der Konventionen dazu führen, neu auch den nicht ärztlich verordneten Konsum von Schlaf- und Beruhigungsmitteln zu kriminalisieren. Eine Minderheit Rechsteiner (sp, SG) beantragte Rückweisung an den Bundesrat, damit noch genauer abgeklärt werden könne, ob die Konventionen nicht doch den drogenpolitischen Handlungsspielraum der Schweiz entscheidend einengen würden. Als Vertreter einer auf Abstinenz ausgerichteten Drogenpolitik wollte SD-Vertreter Keller (BL) die Vorlage ebenfalls an die Regierung zurückweisen, allerdings verbunden mit dem Auftrag, auch das ungleich repressivere Wiener Übereinkommen von 1988 den Räten umgehend zur Ratifikation zu unterbreiten.
Bundesrätin Dreifuss betonte, mit den Übereinkommen werde eine eigenständige Drogenpolitik der Schweiz nicht beeinträchtigt. Es gehe allein darum, internationale Solidarität zu üben. Von einer Kriminalisierung des Medikamentenkonsums könne keine Rede sein, da sich die Konventionen lediglich gegen den Schwarzmarkt richten. Der Nichteintretensantrag und die beiden Rückweisungsanträge wurden daraufhin deutlich verworfen. In der Gesamtabstimmung passierte das Übereinkommen über psychotrope Substanzen mit 108:42 Stimmen und das Zusatzprotokoll mit 107:42 Stimmen.
Bei den durch die Überführung der Abkommen in nationales Recht notwendig werdenden Anpassungen des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) beantragten mehrere Abgeordnete, Art. 8 BetmG, welcher Heroin und Cannabis als total verbotene Stoffe aufführt, die nicht einmal vom Arzt verordnet werden dürfen, ersatzlos zu streichen oder zumindest derart abzuschwächen, dass die Versuche mit der medizinisch indizierten Abgabe von Heroin erlaubt werden. Bundesrätin Dreifuss wies darauf hin, dass bereits eine Expertengruppe am Werk ist, um notfalls dringende Änderungen des BetmG vorzulegen, weshalb eine Gesetzgebung im Schnellzugsverfahren nicht angezeigt sei. Die Antragsteller beugten sich dieser Argumentation und zogen ihre Vorstösse zurück. Keinen Erfolg hatte auch ein weiterer Antrag Rechsteiner, zumindest jetzt schon auf die Bestrafung des Konsums zu verzichten. In der Gesamtabstimmung wurde das geänderte BetmG mit 108 gegen 22 Stimmen deutlich angenommen [43].
Ende Jahr veröffentlichte der Bundesrat auch seine Botschaft zum wesentlich umstritteneren Wiener Übereinkommen von 1988. Diese Konvention verpflichtet die Mitgliedstaaten, den unerlaubten Verkehr mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen zu bekämpfen. Die wichtigsten Ziele sind dabei die Ahndung der Geldwäscherei, die Kontrolle des Handels mit Chemikalien zur Drogenherstellung (sog. Vorläufersubstanzen) sowie die Optimierung der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit im Bereich der Drogenkriminalität. Da das Übereinkommen aber auch eine generelle Pflicht zur Bestrafung der Vorbereitungshandlungen, wie Anbau, Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum vorsieht, möchte der Bundesrat der Konvention nur mit einem entsprechenden Vorbehalt beitreten, um so den heutigen innerstaatlichen Handlungsspielraum bei der Gestaltung der Drogenpolitik zu bewahren. Damit keine Präjudizien für die Abstimmungen über die beiden hängigen Volksinitiativen geschaffen werden, beabsichtigt der Bundesrat, das 88er Abkommen erst nach diesen Urnengängen ratifizieren zu lassen [44].
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Sozialhilfe
Das Vormundschaftsrecht aus dem Jahr 1907 ist nicht mehr zeitgemäss und soll deshalb zu einem modernen Betreuungsrecht umgestaltet werden. Das EJPD bestellte dazu Vorschläge bei einer dreiköpfigen Expertengruppe, welche feststellte, dass das geltende Vormundschaftsrecht unnötig blossstellend wirkt. Ausgangspunkt der revidierten Gesetzgebung soll deshalb in erster Linie die Würde des einzelnen Menschen und sein Selbstbestimmungsrecht sein. Nach Ansicht der Experten erfordert die Menschenwürde aber unter Umständen für besonders hilfsbedürftige Personen - psychisch Kranke, geistig Behinderte, Betagte, Suchtkranke - eine teilweise Fremdbestimmung [45].
Gemäss Schätzungen haben im Berichtsjahr etwa 275 000 Personen oder Familien Leistungen der Sozialhilfe bezogen. Das sind rund 10% mehr als im Vorjahr. Damit ist die Zahl weiterhin angestiegen, allerdings weniger stark als im Schnitt der letzten Jahre. Für die unmittelbare Zukunft rechnen Sozialfachleute mit der gleichen Entwicklung, da ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Armut besteht. Von den ausgesteuerten Arbeitslosen melden sich im Durchschnitt rund ein Drittel innerhalb von drei oder vier Monaten beim Fürsorgeamt [46].
Angesichts der zunehmenden Armut und der finanziellen Engpässe der öffentlichen Hand sprachen sich die kantonalen Fürsorgedirektoren für ein koordinierteres Vorgehen aus. In einem Thesenpapier, das noch weiter diskutiert werden soll, schlugen sie die definitive verfassungsmässige Verankerung der Ergänzungsleistungen sowie normierte Bedarfsleistungen für Familien mit Kindern oder Alleinerziehende ohne existenzsicherndes Einkommen vor. Bei der Sozialhilfe möchten die Fürsorgedirektoren vermehrt auf "Massarbeit" setzen, also wirklich nur noch dort helfend eingreifen, wo die Bedürfnisse klar ausgewiesen sind und keine Aussicht auf Lösung durch Eigenverantwortung besteht. Fachleute warnten allerdings davor, diese "Massarbeit", die dann nur mehr die Ärmsten berücksichtigen würde, auf die Spitze zu treiben. Insbesondere seien die Folgekosten, die etwa aufgrund der ungenügenden Sozialisierung der Kinder Minderbemittelter zu erwarten wären, nicht abschätzbar und möglicherweise bedeutend höher als jene für die gesellschaftliche Stützung der Eltern. Um dem wachsenden sozialpolitischen Druck zu begegnen, schlossen sich die Sozialämter von 14 Städten zu einer Konferenz zusammen. Sie forderten eine Koordinationsstelle für Sozialpolitik auf Bundesebene, die Harmonisierung der materiellen Standards in der Sozialhilfe und ein Recht auf Existenzsicherung in der Bundesverfassung [47].
Eine Motion von Nationalrat Zisyadis (pda, VD) verlangte vom Bundesrat, in seine Botschaften ans Parlament einen Abschnitt mit dem Titel "Positive Auswirkungen für die Bedürftigen" aufzunehmen. Die Landesregierung verwies darauf, dass es bereits heute üblich sei, bei der Präsentation einer neuen Vorlage nicht nur die Konsequenzen für die Finanzen von Bund und Kantonen, sondern auch für andere Parameter (Gesellschaft, Umwelt etc.) einzubeziehen. Sie beantragte deshalb, die Motion in ein Postulat umzuwandeln und abzuschreiben. Zisyadis bestand auf Überweisung als Motion, worauf der Vorstoss recht deutlich abgelehnt wurde [48].
Für die Diskussionen über die Einführung eines verfassungsmässig garantierten Mindesteinkommens siehe unten, Teil I, 7c (Grundsatzfragen).
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Mit einer Motion wollte Nationalrätin Goll (frap, ZH) den Bundesrat verpflichten, das Opferhilfegesetz (OHG) zu revidieren und die zweijährige Verjährungsfrist für die Einreichung von Gesuchen zwecks Entschädigung und Genugtuung aufzuheben. Sie verwies dabei auf die Erfahrung, dass sexuell ausgebeutete Frauen und Kinder oft Jahre brauchen, bis sie ihr Schweigen brechen können. Der Bundesrat machte geltend, es sei grundsätzlich richtig, dass ein Entschädigungs- oder Genugtuungsgesuch möglichst rasch eingereicht werden solle, da es mit dem Zeitablauf zunehmend schwieriger werde, die massgeblichen Ereignisse festzustellen und zu überprüfen, ob und inwiefern diese den Schaden verursacht haben. Er anerkannte aber, dass es Situationen gibt, in denen Betroffene am rechtzeitigen Handeln gehindert sein könnten, so namentlich in Fällen, in denen eine materielle oder emotionale Abhängigkeit vom Täter oder der Täterin besteht (Kindsverhältnis, Ehe, Arbeitsverhältnis) oder in denen aus der Natur der Straftat starke psychische Hemmungen entstehen, die - wie eben bei sexuellen Handlungen - ein rasches Reagieren oft verunmöglichen. Hier könnte seiner Ansicht nach eine flexiblere Regelung der Verwirkungsfrist angezeigt sein. Es wäre aber auch denkbar, die Frist erst ab dem Zeitpunkt laufen zu lassen, in dem das Abhängigkeitsverhältnis beendet ist, wie dies etwa der Kanton Zürich in seinem Einführungsgesetz zum OHG vorgesehen hat. Da das OHG erst am 1. Januar 1993 in Kraft getreten ist, möchte der Bundesrat vorerst mit dem Gesetz Erfahrungen sammeln. Er beantragte deshalb erfolgreich Umwandlung in ein Postulat [49].
Im Herbst eröffnete in Bern das Therapiezentrum des Schweizerischen Roten Kreuzes für internationale Folteropfer seine Tore. Obgleich der Bedarf ausgewiesen ist und die Notwendigkeit sowohl vom Bund wie von Fachkreisen anerkannt wird, kämpft das Zentrum von Beginn an finanziell ums Überleben. Primär von privaten Spenden getragen, erhielt die Institution vom Bund eine Starthilfe von 300 000 Fr. und darf auch 1996 mit einem Zustupf von 150 000 Fr. rechnen. Gegenwärtig beruft sich der Bund für seine nicht eben grosszügige Hilfe noch auch fehlende rechtliche Grundlagen, will diese aber im Rahmen des revidierten Asylgesetzes schaffen. Dies ist umso dringender, als sich die Schweiz mit der Unterzeichnung der UNO-Konvention gegen Folter verpflichtet hat, den Folteropfern eine Rehabilitation anzubieten. Von den Kantonen beteiligten sich lediglich Bern als Standortkanton sowie die Kantone Appenzell Ausserrhoden, Neuenburg und Schwyz mit Beträgen zwischen 100 000 Fr. und 10 000 Fr. an den Kosten des Zentrums [50].
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Sport
Die Kandidatur Sions für die Durchführung der Olympischen Winterspiele 2002 kam zwar zusammen mit Östersund (Sd), Salt Lake City (USA) und Québec (Ka) in die engere Wahl, unterlag in der Endausscheidung jedoch klar Salt Lake City. Über die Unterstützung der Landesregierung konnten sich die Walliser nicht beklagen, reisten doch sowohl Bundesrätin Dreifuss wie Bundesrat Ogi an die entscheidende Sitzung des Internationalen Olympischen Komitees in Budapest, um den Willen der Schweiz zu bekunden, würdige und ökologisch vertretbare Spiele durchzuführen [51].
Für die Verfechter einer Walliser Kandidatur war rasch klar, dass sie trotz diesem Misserfolg die Bewerbung Sittens - allerdings neu für das Jahr 2006 - aufrechterhalten würden. Dabei wollen sie auch das Konzept überarbeiten. Die Austragungsorte für die Wettkämpfe sollen nicht mehr auf den ganzen Kanton verteilt, sondern auf einige wenige Orte konzentriert werden, weshalb die Organisatoren schon bald mit den Bauarbeiten für neue Infrastrukturanlagen beginnen möchten. Die Kosten für das neue Projekt wurden auf rund eine Milliarde Franken veranschlagt, 50% mehr als für die Kandidatur von 2002. Bei ihrem zweiten Anlauf wollen sich die Verantwortlichen nicht mehr mit einer einmaligen Leistung und Defizitgarantien der öffentlichen Hand begnügen, sondern auf längerfristige Subventionen setzen. Nachdem der Walliser Staatsrat seine moralische und finanzielle Unterstützung zugesagt hatte, beschloss der Gemeinderat von Sion einstimmig, für die Winterspiele 2006 zu kandidieren [52]. Das Exekutivkomitee des Schweizerischen Olympischen Komitees stellte sich hinter die Kandidatur Sittens und sprach sich damit gegen Interlaken (BE) und Raron (VS) aus, welche von privaten Trägerschaften ins Gespräch gebracht worden waren [53].
Der vom Verein Solothurner Polittage jährlich vergebene "Wengistein", eine Auszeichnung für "exemplarische Zivilcourage" ging dieses Jahr an die Schweizer Fussballnationalmannschaft. Die Fussballer wurden dafür ausgezeichnet, dass sie die internationale Medienpräsenz eines Länderspiels gegen Schweden dafür nutzten, um gegen die vom neuen französischen Staatspräsidenten Chirac angeordnete Wiederaufnahme der unterirdischen Atomtests im Südpazifik zu demonstrieren [54].
Für die Bestrebungen der Sportvereine, von der Mehrwertsteuer ausgenommen zu werden, siehe oben, Teil I, 5 (Bundesfinanzordnung).
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Weiterführende Literatur
M. Borghi / D. Sprumont, La transplantation d'organes: repères pour une législation fédérale, Fribourg 1995.
M. Budowski / W. Schmied Mattanza, Kooperation und Rivalität in der spitalexternen Gesundheitsvorsorge, Zürich 1995.
Das schweizerische Gesundheitswesen im Jahr 2005, Muri (BE) 1995.
H.-P. Studer, Gesundheit in der Krise - Fakten und Visionen, Breganzona 1995.
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W. Oggier / B. J. Güntert (Hg.), Aids und Ökonomie, Muri (BE) 1995.
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BAG, Ärztliche Verschreibung von Betäubungsmitteln. Wissenschaftliche Grundlagen und praktische Erfahrungen, Bern 1996.
BAG, Frauen - Sucht - Perspektiven, Bern 1995.
J. Estermann, Die Kosten der Drogenrepression: Schätzungen für die Schweiz, Bern (BFS), 1995.
H. Fahrenkrug et al., Illegale Drogen in der Schweiz 1990-1993, Zürich (Schweiz. Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme) 1995.
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R. Bantli Keller / U. Weder / K. Meier, "Anwendungsprobleme des Opferhilfegesetzes", in Plädoyer, 1995, Nr. 5, S. 30 ff.
P. Coullery, "Diskussionsentwurf für ein eidgenössisches Sozialhilferahmengesetz", in Schweiz. Zeitschrift für Sozialversicherung und berufliche Vorsorge, 39/1995, S. 336 ff.
M. Hohl, Armut und garantiertes Grundeinkommen, Luzern (Caritas) 1995.
Neue Armut - Strategien und Massnahmen, (Edition Sozialpolitik, Bd. 1), Zürich (Sozialamt der Stadt Zürich) 1995.
U. Werner / J. Binder, Armut erforschen, Zürich 1995.
D. Zehntner, "Der Opferbegriff gemäss OHG", in Plädoyer, 1995, Nr. 2, S. 28 ff.
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[1] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 952 f. Zur Gesundheitspolitik generell siehe die Ausführungen des BR in Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2267 f.1
[3] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2184 f.3
[4] NZZ, 29.3.96.4
[5] Lit. Das schweizerische; NZZ, 23.6. und 8.9.95; Presse vom 17.8.95. Zur Kostenentwicklung im Gesundheitswesen im Vergleich zu den generellen Lebenshaltungskosten siehe LZ, 28.6. und 7.7.95.5
[6] TA, 27.3.95; BZ, 10.5.95; NZZ, 13.5. und 4.9.95; Facts, 31.8.95; Bund, 2.9.95; WoZ, 8.9.95; Ww, 16.11.95.6
[7] BaZ, 18.11.95.7
[8] CHSS, 1995, S. 58 und 101 f.; Lit. Budowski.8
[9] Bund, 29.12.95. Siehe SPJ 1992, S. 211.9
[10] NZZ, 27.2. und 18.4.95; TA, 25.8.95. Vgl. SPJ 1993, S. 203.10
[11] Presse vom 13.4.95; NZZ, 19.5.95; NQ, 25.7.95; LZ, 28.7.95. Siehe SPJ 1994, S. 206. Zur immer wieder aufkommenden Frage der Verwendung von Generica anstelle der Originalpräparate siehe I. Carlen, Kosten sparen mit Generica?, Muri (BE), 1995 sowie die Ausführungen des BR in Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2748.11
[12] NZZ, 3.11.95; TA, 18.11.95; LNN, 21.11.95; Presse vom 24.11.95. Siehe dazu auch die Ausführungen des BR in Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2264 ff. Vgl. SPJ 1994, S. 206.12
[13] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 887 ff. Vgl. SPJ 1994, S. 205.13
[14] BBl, 1995, II, S. 985 ff.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 546 ff.; Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1966 ff.; Presse vom 2.3.95. Als Folge der Fehler und Versäumnisse der 80er Jahre gab sich der Blutspendedienst des SRK neue Strukturen, die einen sichereren Umgang mit Blutprodukten garantieren sollen (Presse vom 20.1.95; NZZ, 12.5.95). Siehe SPJ 1994, S. 207 f.14
[16] BZ, 17.3.95; Presse vom 5.4. und 11.9.95. 1995 wurden nur noch 316 Organtransplantationen vorgenommen gegenüber 381 im Vorjahr. Rund 500 Personen warteten zu Jahresende auf ein lebensrettendes Organ, 39 starben im Berichtsjahr während der Wartefrist (Presse vom 19.1.96).16
[17] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 300 ff. und 796; Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1244 f. und 1689; AS, 1995, S. 4340 ff. Siehe SPJ 1994, S. 208. Die Zahl der Kinder, die für eine solche Entschädigung gemäss geändertem Bundesbeschluss in Frage kommen, wird auf höchstens fünf geschätzt. Wie der Blutspendedienst des SRK mitteilte, wurden 1994 und 1995 je eine Person bei einer Bluttransfusion mit dem HI-Virus infiziert. Dies geschah nicht aus Nachlässigkeit, sondern aufgrund des "immunologischen Fensters", welches bewirkt, dass eine Neuansteckung frühestens nach zwei bis drei Monaten im Blut nachweisbar ist, da sich erst nach diesem Zeitraum die Antikörper bilden. Das "Restrisiko", bei einer Fremdblutübertragung mit dem HIV infiziert zu werden, beträgt 1:600 000 (Presse vom 5.5. und 10.11.95).17
[18] Presse vom 23.6. und 24.6.95. Da die herkömmlichen Stop-Aids-Kampagnen die Frauen nur ungenügend ansprechen, stellte das BAG rund 1,8 Mio Fr. für ein spezifisches Frauenprogramm zur Verfügung, das sich über drei Jahre erstrecken soll (Presse vom 9.11.95).18
[19] Bund, 28.11.95.19
[20] Documenta, 1995, Nr. 2, S. 22 ff. (Ansprache BR Koller zu Gentechnologie und Gesetzgebung); Presse vom 3.6.95; NQ, 7.6.95. Durch die Beschränkung auf heterosexuelle Paare im fortpflanzungsfähigen Alter, die in einer dauerhaften Beziehung miteinander leben, würden Frauen jenseits der Wechseljahre, alleinstehende Frauen und Frauen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen von der medizinisch assistierten Fortpflanzung ausgenommen. Der Vorschlag des EJPD versteht sich auch als eine Art indirekten Gegenvorschlag gegen die im Vorjahr eingereichte Volksinitiative "zum Schutz des Menschen vor Manipulation in der Fortpflanzungstechnologie" (SPJ 1994, S. 208). In einem Grundsatzurteil entschied das Eidg. Versicherungsgericht, dass die homologe künstliche Befruchtung als Pflichtleistung der Krankenkassen zu gelten hat, da deren Wirksamkeit zur Umgehung der Sterilität einer Frau wissenschaftlich nachgewiesen und als wirtschaftlich vertretbare Massnahme einzustufen sei (Presse vom 22.12.95).20
[21] Presse vom 5.9.95; WoZ, 8.9.95.21
[23] Presse vom 24.5.95. Eine Studie im Kanton Zürich zeigte, dass Jugendliche trotz gesetzlichem Jugendschutz relativ leicht alkoholische Getränke konsumieren können. 68% der befragten Gastgewerbebetriebe und 90% der Verkaufsstellen gaben an, Jugendlichen alkoholische Getränke abzugeben (NZZ, 13.7.95).23
[24] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 302 ff.24
[25] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 834 ff.25
[26] Presse vom 17.8.95. Siehe SPJ 1993, S. 211 f. Für die Haltung des BR zum Versicherungsmodell einer Krankenkasse, welche Nichtrauchern in der Zusatzversicherung Prämienermässigungen von über 20% anbietet, siehe Amtl. Bull. NR, 1995, S. 740.26
[27] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2183.27
[28] Documenta, 1995, Nr. 1, S. 22 ff. (Votum von BR Koller); NZZ, 17.1. und 18.1.95; Presse vom 20.2.95. Während sich die SVP Schweiz von den Bestrebungen der anderen BR-Parteien zur gesetzlichen Verankerung der kontrollierten Drogenabgabe distanzierte, befürwortete die SVP des Kantons Bern die laufenden Heroinabgabeversuche und die Einrichtung von Drogenanlaufstellen mit Fixerräumen (Presse vom 10.3.95).28
[29] BBl, 1995, III, S. 1245 ff.; Presse vom 30.3.95. Vgl. SPJ 1994, S. 210. In der Vernehmlassung hatte sich einzig die CVP für einen Gegenvorschlag ausgesprochen (Presse vom 1.2.95; NZZ, 2.2. und 9.8.95). Für den "Fahrplan" der Behandlung der beiden Initiativen siehe die Ausführungen des BR in Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2218 f.29
[30] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1564 f.30
[31] Amtl. Bull. StR, S. 305 ff. Zur Einschätzung der Gefahr und Verbreitung von Ecstasy siehe auch Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2748 f. In seiner Antwort auf eine Einfache Frage Sandoz (lp, VD) bestätigte der BR, dass von 1988 bis 1993 Ecstasy mit Bewilligung des Bundes zur Behandlung psychisch kranker Menschen eingesetzt worden ist. Das BAG habe von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, für verbotene Substanzen Ausnahmebewilligungen zu erteilen (Amtl. Bull. NR, 1995, 2745 f.).31
[32] Ww, 7.9.95; Presse vom 11.9.95.32
[33] Presse vom 31.1., 13.2., 28.2., 3.3., 26.5. und 27.6.95; TA, 14.2.95; BaZ, 15.2.95; Bund, 13.5.95; 24 Heures, 1.7.95. Siehe SPJ 1994, S. 209 f. Der Bieler Versuch wurde mit einer besonderen Auflage verbunden. Um zu prüfen, was beim Auslaufen der Versuche Ende 1996 mit den übrigen Probandinnen und Probanden getan werden kann, soll in Biel die Heroinabgabe bereits Mitte 1996 beendet werden (Presse vom 21.9.95). Das BAG war einem Wunsch des INCB bereits zuvorgekommen und hatte 1994 mit der Weltgesundheitsorganisation WHO vereinbart, dass diese die wissenschaftliche Evaluation der schweizerischen Versuche begutachten wird (NZZ, 17.2.95).33
[34] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1470 ff.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 523 ff.34
[35] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 763 ff. und 1168 ff.; Presse vom 23.6.95.35
[36] Presse vom 10.11.95.36
[37] Lit. BAG; Presse vom 13.11. und 24.11.95; BAG-Bulletin, Nr. 50, 25.12.95. Zu den laufenden Heroinversuchen siehe auch die Stellungnahme des BR in Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2744 f., 2747, 2749 ff. und 2754 f.37
[38] NQ, 21.4., 4.5. und 28.9.95; Presse vom 6.5.95; 24 Heures, 1.7.95.38
[39] NZZ, 4.1.95; SoZ, 14.5.95; LNN, 20.5.95; NQ, 12.6.95; SGT, 3.8.95. Siehe dazu auch die Ausführungen des BR in Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2211 f.39
[40] TA, 19.1., 24.1., 31.1., 6.2., 2.3., 16.3., 11.4., 26.5., 27.7., 9.8., 18.8. und 13.10.95; NZZ, 3.2., 4.2., 8.2., 16.2., 20.2., 4.5. und 1.7.95; WoZ, 20.1.95; Presse vom 8.2., 14.2., 15.2. und 20.9.95. Vgl. SPJ 1994, S. 212. Geschlossen wurden Ende Januar auch die offenen Szenen in Solothurn und Olten (TA, 27.1.95). Einzelne Kantone (insbesondere Genf) machten rechtsstaatliche Bedenken gegenüber den polizeilich durchgeführten Rückschaffungen der auswärtigen Drogenkonsumenten in ihre Wohngemeinden oder -kantone geltend, worauf dem freiwilligen und zivilen Charakter der Rückführungen mehr Rechnung getragen wurde (JdG, 17.2. und 18.2.95; TA, 18.2. und 2.3.95; LNN, 20.2.95; NZZ, 1.3.95).40
[41] Bund, 10.5.95.41
[42] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 9 ff. Siehe SPJ 1994, S. 211 f.42
[43] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 769 ff. und 1007 f.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 438 (Schlussabstimmung). Vgl. SPJ 1994, S. 210. Die FDP hatte in der Vernehmlassung die Ratifikation des Psychotropen-Abkommens noch abgelehnt (TA, 22.3.95; WoZ, 31.3.95).43
[44] BBl, 1996, I, S. 609 ff.; Presse vom 30.11. und 29.12.95. Siehe SPJ 1994, S. 210.44
[45] Presse vom 13.9.95; D. Freiburghaus, "Persönlich betreuen statt bevormunden", in Plädoyer, 1995, Nr. 6, S. 22 ff. (Zusammenfassung der Expertenvorschläge).45
[46] Presse vom 12.12.95. Die Sozialämter haben für die höchsten Risiken, von Sozialhilfe abhängig zu werden, den Begriff der "A-Bevölkerung" entwickelt: Arbeitslose, Alleinstehende, Alte, Auszubildende, Asylbewerber und Abhängige (TA, 24.11.95).46
[47] Presse vom 22.9.95. Städte: Presse vom 19.9.95. Für einen Bericht des BA für Sozialversicherung über die kantonalen Gesetzgebungen im Bereich Sozialhilfe siehe CHSS, 1995, S. 219 ff. Ende Jahr musste der Kanton Aargau, der als erster und einziger Kanton der Schweiz die Sozialhilfe nicht mehr nach den Richtlinien der Schweiz. Konferenz für öffentliche Fürsorge, sondern nach den Massstäben des betreibungsrechtlichen Minimums ausrichtet, eingestehen, dass mit der Anwendung der tieferen Ansätze kaum Einsparungen erzielt wurden (Presse vom 23.12.95).47
[48] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2122.48
[49] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 935 f.49
[50] Ww, 5.10.95; TA, 2.12.95; Bund, 2.12.95. Siehe SPJ 1994, S. 214.50
[51] Presse vom 25.1., 16.6. und 17.6.95. Anfangs Jahr schlossen die Promotoren der Spiele mit dem Kanton Wallis und vier Umweltschutzorganisationen den sogenannten "Natur-Vertrag", der garantieren sollte, dass den Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung Rechnung getragen wird (Presse vom 17.1.95). Für parlamentarische Vorstösse, welche noch im Vorfeld des IOC-Entscheides in den Kammern behandelt wurden, siehe Amtl. Bull. StR, 1995, S. 308 f. und Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1040. Vgl. auch SPJ 1994, S. 214 f.51
[52] Presse vom 17.6. und 21.9.95; NF, 23.11. und 24.11.95. Bereits eine Woche nach dem Entscheid von Budapest reichte NR Comby (fdp, VS) eine - diesmal allerdings nur von 56 Ratsmitgliedern mitunterzeichnete - Motion ein, welche den BR auffordert, die erneute Kandidatur technisch und finanziell zu unterstützen (Verhandl. B.vers., 1995, V, S. 76). Für eine weitere Motion Comby, welche den BR verpflichten wollte, die allenfalls im Wallis stattfindenden Skiweltmeisterschaften der Behinderten analog zu unterstützen, siehe Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2694 f.52
[53] NF, 21.11. und 14.12.95; Bund, 2.12.95; 24 Heures, 16.12.95.53
[54] Presse vom 8.9. und 18.9.95.54
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