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Grundlagen der Staatsordnung
Föderativer Aufbau
Die 26 Kantone eröffneten in Bern ihr neues Haus der Kantone. – Die Assemblée interjurassienne (AIJ) publizierte Zwischenberichte über die Vereinigung der drei bernjurassischen Bezirke mit dem Kanton Jura und Alternativen dazu.
Beziehungen zwischen Bund und Kantonen
In Bern eröffneten die 26 Kantone am 18. August ihr neues Haus der Kantone. Dieses beherbergt neben der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) auch alle grösseren Fachministerkonferenzen wie die EdK oder die Gesundheitsdirektorenkonferenz sowie weitere interkantonale Institutionen. Einige davon, zum Beispiel die KdK, waren bereits bisher in der Bundesstadt angesiedelt gewesen. Andere zogen neu zu und werden in Zukunft nicht nur von den Synergieeffekten gemeinsamer Infrastrukturen, sondern auch von den besseren Kontakten untereinander und von der Nähe zu den Entscheidungsträgern des Bundes und der nationalen Interessenorganisationen und Parteien profitieren. Der Einzug in das renovierte repräsentative Bürogebäude in der Berner Innenstadt wurde auch als Ausdruck des gewachsenen Selbstbewusstseins der Kantone gegenüber dem Bund gewertet [1].
Nach dem Ständerat beschloss auch der Nationalrat, der Standesinitiative des Kantons Zug für die Festlegung von Obergrenzen für die Belastung der finanzkräftigen Kantone durch den eidgenössischen Finanzausgleich keine Folge zu geben [2].
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Auf einstimmigen Antrag seiner Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie stimmte auch der Ständerat der vom Nationalrat im Vorjahr überwiesenen Motion für eine urbane Regionalpolitik zu. Bundesrat Leuenberger begrüsste den Vorstoss und betonte, dass vor allem die Zusammenarbeit der Gemeinden in den Agglomerationen beispielsweise bei der Planung von Verkehrsinfrastrukturen vorgeschrieben und gefördert werden soll [3].
Die Glarner Landsgemeinde stimmte dem weiteren Vorgehen bei der Fusion der bisherigen 25 Gemeinden zu drei neuen Gemeinden zu. Sie genehmigte dazu ein neues Gemeindegesetz, das den neuen Kommunen weitestgehende Autonomie beim Entscheid über ihre inneren Strukturen gewährt [4].
Im Kanton Neuenburg stimmten die verbliebenen neun Gemeinden des Fusionsprojekts im Val-de-Travers noch einmal über einen Zusammenschluss ab. Wie bereits im Vorjahr hiessen sie das Projekt gut und bilden damit von 2009 an eine fast das ganze Tal umfassende Grossgemeinde mit rund 11 000 Einwohnern [5].
Nach langen Vorarbeiten stimmten die Stadt Freiburg und neun Vorortsgemeinden über den Zusammenschluss in einen Agglomerationsverband ab. Dieser ist an sich etwas Ähnliches wie ein herkömmlicher Gemeindezweckverband mit Koordinations- und Realisierungsaufgaben namentlich im Bereich von Infrastrukturen. Er ist aber demokratischer organisiert, weil das Volk ein Parlament wählt und über Initiativ- und Referendumsrechte verfügt. Die Bürgerinnen und Bürger der Agglomeration Freiburg hiessen das Projekt mit einem Ja-Stimmenanteil von 72% gut. Die einzige daran beteiligte deutschsprachige Gemeinde, Düdingen, lehnte jedoch deutlich ab; sie muss bei der neuen Institution aber trotzdem mitmachen [6].
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Territorialfragen
Die Arbeit der Assemblée interjurassienne (AIJ) an einer Studie über einen gemeinsamen Kanton der drei bernischen und der drei jurassischen Bezirke oder andere Lösungen näherte sich ihrem Abschluss. Im Februar publizierte die AIJ einen Zwischenbericht, in dem sie die Variante einer Vereinigung des Kantons Jura mit dem bernjurassischen Gebiet konkretisierte. Die inneren Strukturen dieses neuen Kantons sollen dabei gemäss der AIJ radikal verändert werden, indem die 132 Gemeinden zu nur noch sechs (in den Grenzen der heutigen Bezirke) zusammengefasst würden. In Kommentaren wurde einerseits der Mut der AIJ gelobt, mit dem Vorschlag der Gemeindefusionen ein innovatorisches Element in die Debatte eingebracht zu haben. Andererseits wurde aber auch darauf hingewiesen, dass gerade im Kanton Jura die Pläne zur Vereinigung von Kleinstgemeinden in den letzten Jahren oft auf erbitterten Widerstand gestossen waren. Kurz darauf entschied die AIJ, dass bei der Option Vereinigung zu einem neuen Kanton die bernjurassische Gemeinde Moutier zum neuen Kantonshauptort und Sitz der Kantonsverwaltung würde. In weiteren Zwischenberichten konkretisierte die AIJ auch noch die Optionen eines Verzichts des Berner Juras auf einen Kantonswechsel, aber mit verstärkter Kooperation mit dem Kanton Jura resp. grösserer Autonomie im Kanton Bern. Im September gab die Kommission bekannt, dass sie die Evaluation der verschiedenen von ihr ausgearbeiteten Modelle in Angriff nehmen wolle. Im November teilte sie dann mit, dass sie den Schlussbericht doch nicht wie geplant in diesem Jahr, sondern voraussichtlich im Frühjahr 2009 veröffentlichen werde [7].
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Weiterführende Literatur
Affolter, Simon, La participation des conférences intercantonales au processus de décision sur le plan fédéral : l'exemple de la réforme de la péréquation financière et de la répartition des tâches entre la Confédération et les cantons (RPT), Chavannes-Lausanne 2008.
Benoit, Anne, Le partage vertical des compétences en tant que garant de l'autonomie des Etats fédérés en droit suisse et en droit américain, s.l. (thèse droit Neuchâtel) 2008.
Biaggini, Giovanni, „‘Vertragszwang‘ im kooperativen Föderalismus: Verfassungsrechtliche Richtpunkte für den Einsatz der in Art. 48a BV vorgesehenen Zwangsmittel“, in Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht, 2008, S. 345-77.
Kübler, Daniel e.a., Der Weg zu einer ganzheitlichen Agglomerationspolitik: Möglichkeiten und Grenzen kantonaler Agglomerationspolitik, Bern (Tripartite Agglomerationskonferenz / KdK) 2007.
Ladner, Andreas / Fiechter, Julien, L'etat des communes dans le canton de Vaud, Chavannes-Lausanne 2008.
Nationale Föderalismuskonferenz / Staatskanzlei Kanton Aargau, Der Schweizer Föderalismus unter Effizienzdruck: was sind die Perspektiven? – Le fédéralisme suisse sous pression à l’efficience : quelles sont les perspectives?, Zürich 2008.
Willimann, Ivo / Pfäffli, Stefan / Heike, Michael, Politische Führung von Gemeinden: eine Einführung in die Praxis, Chur 2008.
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Philippe, Vincet, Roland Béguelin, Plume-Epée, Vevey (Editions de l’Aire) 2008.
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[1] Bund, 24.7.08; NLZ, 11.8.08; NZZ, 14.8.08; Presse vom 19.8.08. Siehe SPJ 2005, S. 43.
[2] AB NR, 2008, S. 1546. Siehe SPJ 2007, S. 47.
[3] AB SR, 2008, S. 667 ff. Siehe SPJ 2007, S. 47. Zur Diskussion über Metropolitanräume in der Schweiz siehe unten, Teil I, 6c (Raumplanung).
[4] BüZ, 3.5.08. Siehe SPJ 2007, S. 47.
[5] Express, 15.2., 25.2. und 5.11.08. Siehe SPJ 2007, S. 47.
[6] Lib., 9.5., 2.6., 3.6. und 4.9.08; NZZ, 26.5.08. Siehe SPJ 1999, S. 55 und 2007, S. 47.
[7] Zwischenbericht: Presse vom 19.2.08; TA, 3.3.08. Moutier: LT, 14.3.08; Bund und QJ, 15.3.08. Zwischenbericht Status quo: BZ und QJ, 23.9.08. Ankündigung des Schlussberichts auf 2009: Bund, QJ und Express 23.9.07; QJ, 7.11.08. Vgl. auch die Antwort des BR auf eine Interpellation Graber (svp, BE) in AB NR, 2008, Beilagen V, S. 310 f. sowie Jean Moritz, „Quel(s) processus pour la mise en oevre de la proposition jurassienne?“, in QJ, 27.-29.8.08. Siehe SPJ 2007, S. 47.
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