Schwierigere Hürden für die parlamentarische Initiative (99.3565)

Die parlamentarische Initiative erfreute sich in den letzten Jahren einer zunehmenden Beliebtheit. Neben der Möglichkeit, die Gesetzgebung unter Umgehung der Regierung zu initiieren, bietet sie auch den Vorteil, dass sie diesen Prozess bereits auslöst, wenn eine der beiden Ratskammern ihr Folge gegeben hat (die angestrebte definitive Rechtsänderung bedarf dann natürlich der Zustimmung beider Räte). Der Nationalrat überwies nun in Postulatsform eine Motion Hess (cvp, ZG), welche verlangt, dass beide Räte über die Weiterbearbeitung einer parlamentarischen Initiative entscheiden müssen. Mit der knappen Überweisung eines Postulats Theiler (fdp, LU) (99.3283) beauftragte er seine SPK zudem, Massnahmen zu Reduktion der Anzahl der parlamentarischen Vorstösse insgesamt vorzuschlagen. Im Postulat waren namentlich die Abschreibung aller am Ende einer Legislatur nicht behandelten Vorstösse und eine fraktionsweise Rationierung empfohlen worden.

Totalrevision des Parlamentsgesetzes (Pa.Iv. 01.401)

Dossier: Öffentliche Abstimmungen im Ständerat
Dossier: Pensionskasse des Bundes: PUK-Bericht und dessen Auswirkungen

Die SPK-NR beantragte mittels einer parlamentarischen Initiative ein neues Parlamentsgesetz, welches das bisherige Geschäftsverkehrsgesetz ablösen soll. Die Fragen der Ausstattung der Parlamentarier mit Infrastrukturen und der Entschädigungen für ihre Arbeit wurden aus dieser Reform ausgeklammert. Angestrebt wird mit dem neuen Gesetz eine systematischere Ordnung der Regeln sowie die Erhebung gewisser Bestimmungen von Reglements- auf Gesetzesstufe (z.B. das Verfahren bei der Bundesratswahl). Zum zweiten geht es um eine Anpassung an die durch die neue Bundesverfassung geschaffenen besseren Kontroll- und Mitwirkungsrechte des Parlaments. Dabei stehen erweiterte und rechtlich abgesicherte Informationsansprüche der parlamentarischen Kommissionen gegenüber der Verwaltung im Vordergrund. Neu soll zudem das Parlament dem Bundesrat auch in dem an ihn delegierten Rechtsetzungsbereich mit Motionen verbindliche Aufträge erteilen dürfen (bisher sogenannte unechte Motionen im Nationalrat resp. Empfehlungen im Ständerat). Das dritte Kernelement betrifft die parlamentarischen Instrumente. Vorgeschlagen wurde, die Kommissionsmotion aufzuwerten und die Bedingungen für die Weiterbearbeitung einer parlamentarischen Initiative zu verschärfen. Bei den Kommissionsmotionen soll dies durch eine prioritäre Traktandierung geschehen, bei der parlamentarischen Initiative dadurch, dass ihr nicht nur eine, sondern beide Ratskammern Folge geben müssen, um eine Weiterbearbeitung durch eine Kommission auszulösen. Der Nationalrat hatte im Vorjahr mit einem Postulat (99.3565) strengere Bestimmungen für die parl. Initiativen gefordert. Das Einreichen von offensichtlich nicht mehrheitsfähigen Motionen soll zudem dadurch weniger attraktiv werden, dass die Überweisung einer Motion als Postulat nicht mehr möglich sein soll.

In seiner Stellungnahme zu diesen Reformvorschlägen meldete der Bundesrat bei den neuen Informations- und Mitwirkungsrechten des Parlaments erhebliche Einwände an. Er wehrte sich insbesondere dagegen, dass auch die Delegation der Geschäftsprüfungskommission und nicht nur wie bisher die Delegationen der Finanzkommission und einer PUK Einblick in Unterlagen erhalten soll, welche der Regierung zur unmittelbaren Entscheidfindung dienen. Ebenfalls nicht einverstanden war er mit dem Antrag, dass bei Uneinigkeit zwischen einem Parlamentsmitglied resp. einer Kommission und dem Bundesrat über den Umfang der offenzulegenden Information der endgültige Entscheid nicht mehr von der Regierung, sondern vom Ratspräsidium gefällt wird.

Im Nationalrat war Eintreten auf das neue Parlamentsgesetz nicht bestritten. Bei den wichtigen Streitpunkten zwischen Nationalratskommission und Bundesrat setzte sich durchwegs erstere deutlich durch. Die Neuregelung des Vorgehens bei der Behandlung von parlamentarischen Initiativen wurde hingegen etwas entschärft. Beschlossen wurde, dass nicht der Zweitrat, sondern bloss dessen zuständige Kommission einer Initiative ebenfalls Folge geben muss, damit sie weiter behandelt wird. Ein Antrag der Linken, auf das Mitbestimmungsrecht des Zweitrates in dieser ersten Phase wie bisher zu verzichten, fand keine Mehrheit. Auf Antrag von Sommaruga (sp, BE) beschloss der Nationalrat ferner, im Sinne von mehr Transparenz in Zukunft das Abstimmungsverhalten der einzelnen Parlamentsmitglieder nicht nur bei Schluss- und Gesamtabstimmungen und weiteren wichtigen Entscheidungen zu erfassen und zu publizieren, sondern bei jeder Abstimmung. Ebenfalls im Sinne von mehr Transparenz wurden die Vorschriften über die Offenlegung von Interessenbindungen verschärft. In Zukunft sollen die Parlamentarier nicht nur die bedeutenden Verwaltungsrats- und Beratermandate anzeigen müssen, sondern sämtliche. Bisher, d.h. seit 1985, galt die vom Ratsbüro aufgestellte Regel, dass nur Mandate für Firmen mit einem Aktienkapital von mindestens CHF 5 Mio. angegeben werden mussten. Diverse Anträge der Linken, welche Parlamentariern die Ausübung von Verwaltungsratsmandaten gänzlich verbieten wollten, blieben hingegen chancenlos. Auslöser für diese Verbesserung der Transparenz, welche die SPK kurz vor der Plenumsberatung in den Entwurf aufgenommen hatte, waren die Diskussionen um bisher nicht im Register der Interessenbindungen der Parlamentarier deklarierte Verwaltungsratsmandate des Zuger Nationalratspräsidenten und Wirtschaftsanwalts Peter Hess (cvp) gewesen. Die von einem Teil der Presse geäusserte Vermutung, dass eine der von ihm vertretenen Firmen (British American Tobacco, BAT) in Zigarettenschmuggel und andere Gesellschaften in Geldwäscherei verwickelt seien, liess sich nicht nachweisen. Immerhin war der politische Druck so gross, dass Hess für die Zeit seines Präsidialamtes von allen seinen 48 Verwaltungsratsmandaten zurücktrat.

Als Zweitrat befasste sich der Ständerat mit dem neuen Parlamentsgesetz, welches anstelle des bisherigen Geschäftsverkehrsgesetzes treten soll. Er beschloss eine ganze Reihe von Abweichungen von der nationalrätlichen Version, ohne allerdings die Grundsätze der Reform in Frage zu stellen. So verschärfte er unter anderem die vom Nationalrat festgelegten Unvereinbarkeitsregeln für ein Parlamentsmandat, welche neu nicht nur für den National-, sondern auch für den Ständerat gültig sind. Diese Unvereinbarkeit soll nicht nur für höhere Kader, sondern für alle Angestellten der zentralen und der dezentralen Bundesverwaltung und für Mitglieder von Leitungsgremien (Verwaltungs- und Stiftungsräte etc.) von bundesnahen Organisationen (SRG, Nationalbank, Pro Helvetia etc.) gelten. Die Betroffenen sind demnach zwar wählbar, müssen bei Annahme des Mandats aber auf die Anstellung oder das Mandat verzichten. Nicht einverstanden war die kleine Kammer auch mit dem Beschluss des Nationalrats, dass bei sämtlichen Abstimmungen das Votum der einzelnen Parlamentsmitglieder erfasst und veröffentlicht werden muss. Mit dem Argument, dazu müsste im Ständerat eine elektronische Abstimmungsanlage eingerichtet werden, lehnte die Ratsmehrheit dies ab und beschloss, dass jeder Rat in seinem eigenen Reglement über diese Frage entscheiden soll. Eine weitere Differenz ergab sich bei dem parlamentarischen Instrument der Empfehlung. Obwohl neu auch Motionen, welche den alleinigen Kompetenzbereich der Regierung betreffen, im Sinne von Richtlinien zugelassen sind, war der Ständerat nicht bereit, auf die bisher bei ihm diesem Zweck dienende „Empfehlung“ gänzlich zu verzichten. Da diese im Gegensatz zu einer Motion nur von einem Rat zu behandelnde Vorstossform die rasche Abgabe einer Stellungnahme an den Bundesrat erlaube, wollte er sie weiterhin zulassen. Dabei sollen die beiden Ratskammern frei sein, ob sie diese in ihren Reglementen aufführen wollen oder nicht. Der Ständerat wandte sich ferner gegen eine restriktivere Behandlung von Motionen. Er lehnte das vom Nationalrat eingeführte Verbot ab, eine vom Bundesrat abgelehnte Motion in ein Postulat umzuwandeln. Anschliessend verzichtete er auch auf die von seiner Kommissionsmehrheit beantragte Vorschrift, dass die zuständige Kommission des Erstrats eine Motion vorberaten müsse.

Mit einem relativ knappen Entscheid änderte der Ständerat das Wahlverfahren für die Bestätigungswahlen für den Bundesrat. Wieder antretende Regierungsmitglieder sollen nicht mehr einzeln in der Reihenfolge ihrer Amtsdauer zur Wahl antreten, sondern auf einer gemeinsamen Liste, wobei die Parlamentarier einzelne Namen streichen können. Wiedergewählt ist, wer im ersten oder einem allfällig erforderlichen zweiten Wahlgang das absolute Mehr erreicht. Kampfkandidaturen sind bei dieser Wiederwahl der Bisherigen noch nicht zugelassen, sondern erst bei einer Vakanz infolge einer Nichtwiederwahl oder eines Rücktritts. Der Nationalrat hatte 1996 eine Motion Weyeneth (svp, BE) (98.3349) für dieses Wahlsystem verabschiedet, welche dann aber im Ständerat keine Unterstützung fand. Wie im Vorjahr der Nationalrat (Motion Vallender, 01.3662) wollte auch die Mehrheit der SPK des Ständerats gewisse Schranken für vom Bundesrat im Dringlichkeitsverfahren beschlossene Nachtragskredite einführen. Für Ausgaben in der Höhe von mehr als 2% der Bundeseinnahmen sollte neu die Zustimmung des Parlaments erforderlich sein, welches nötigenfalls zu einer Sondersession einzuberufen wäre. Der Rat lehnte diese neue Bestimmung jedoch mit 24:15 Stimmen ab.

In der Differenzbereinigung schloss sich der Nationalrat bei der Unvereinbarkeitsvorschrift gegen den Widerstand der Linken dem Ständerat an. Für den Wunsch der kleinen Kammer, die Vorstossform der „Empfehlung“ beizubehalten, hatte er jedoch kein Verständnis. Er lehnte es auch ab, dass in Zukunft Kommissionsminderheiten keine prioritär zu behandelnde Motionen mehr einreichen können. Bei den Motionen, welche den an die Regierung delegierten Kompetenzbereich betreffen, hielt der Nationalrat an seiner verpflichtenderen Lösung fest. Diese seien nicht nur als Richtlinien zu betrachten, sondern der Bundesrat müsse, wenn er sie nicht umsetzen wolle, dem Parlament einen Entwurf für die Änderung der Zuständigkeitsordnung vorlegen. Der Nationalrat hielt im weiteren am Verbot fest, vom Bundesrat abgelehnte Motionen in Postulate umzuwandeln. Er begründete dies mit zwei Argumenten: erstens bedeute dies eine Aufwertung der Motion, da tendenziell nur noch mehrheitsfähige Vorstösse in dieser Form eingereicht würden; und zweitens könne neu eine Motion vom Zweitrat auch in dem Sinne abgeändert werden, dass nicht mehr eine Massnahme (z.B. eine Gesetzesrevision) verlangt würde, sondern bloss ein Prüfungsauftrag. Das vom Ständerat beschlossene neue Verfahren für die Wiederwahl der amtierenden Bundesräte wurde gegen den Widerstand der SVP mit 117:41 Stimmen abgelehnt. Nachdem der Nationalrat seinen Entscheid bestätigt hatte, dass in beiden Kammern bei sämtlichen Abstimmungen das Votum der einzelnen Parlamentsmitglieder erfasst und veröffentlicht werden muss, sprach sich der Ständerat mit 26:14 Stimmen zum zweiten Mal dagegen aus. Er führte dazu eine der in der kleinen Kammer sehr seltenen Abstimmungen unter Namensaufruf durch.

Da beide Kammern auch in der zweiten Runde der Differenzbereinigung nicht nachgaben, musste in dieser Frage der Transparenz über die Stimmabgabe die Einigungskonferenz entscheiden. Sie tat dies im Sinne der kleinen Kammer. Der Ständerat hielt auch bei den Motionen von Kommissionsminderheiten (Abschaffen), der Umwandlung von Motionen in Postulate (Beibehalten) sowie der Auswirkungen von Motionen im an den Bundesrat delegierten Kompetenzbereich (nur Richtlinie) an seinen Beschlüssen fest. Hingegen gab er beim Instrument der Empfehlung nach und schaffte es ab; er verzichtete ebenfalls auf das neue Wahlsystem für wiederkandidierende Bundesräte. Der Nationalrat hielt in der Folge nur noch an seiner Version der Rechtswirkung von Motionen im an den Bundesrat delegierten Kompetenzbereich (nicht nur Richtlinie, sondern Auftrag an den Bundesrat, sie umzusetzen oder eine Revision der Kompetenzordnung vorzuschlagen) und dem Verbot, vom Bundesrat abgelehnte Motionen in Postulatsform zu überweisen, fest. Nachdem der Ständerat weiterhin auf seinen Entscheidungen beharrt hatte, setzte sich in der Einigungskonferenz bei beiden Beschlüssen die Version des Nationalrats durch. Der Ständerat überwies eine Motion Galli (cvp, BE) aus dem Vorjahr (01.3321), welche verlangt, dass die Internet-Geschäftsdatenbank des Parlaments (curia vista) nicht nur deutsch und französisch, sondern auch italienisch geführt wird.