Totalrevision des Parlamentsgesetzes (Pa.Iv. 01.401)

Dossier: Parlamentsgesetzesrevision 2002
Dossier: Pensionskasse des Bundes: PUK-Bericht und dessen Auswirkungen

Die SPK-NR beantragte mittels einer parlamentarischen Initiative ein neues Parlamentsgesetz, welches das bisherige Geschäftsverkehrsgesetz ablösen soll. Die Fragen der Ausstattung der Parlamentarier mit Infrastrukturen und der Entschädigungen für ihre Arbeit wurden aus dieser Reform ausgeklammert. Angestrebt wird mit dem neuen Gesetz eine systematischere Ordnung der Regeln sowie die Erhebung gewisser Bestimmungen von Reglements- auf Gesetzesstufe (z.B. das Verfahren bei der Bundesratswahl). Zum zweiten geht es um eine Anpassung an die durch die neue Bundesverfassung geschaffenen besseren Kontroll- und Mitwirkungsrechte des Parlaments. Dabei stehen erweiterte und rechtlich abgesicherte Informationsansprüche der parlamentarischen Kommissionen gegenüber der Verwaltung im Vordergrund. Neu soll zudem das Parlament dem Bundesrat auch in dem an ihn delegierten Rechtsetzungsbereich mit Motionen verbindliche Aufträge erteilen dürfen (bisher sogenannte unechte Motionen im Nationalrat resp. Empfehlungen im Ständerat). Das dritte Kernelement betrifft die parlamentarischen Instrumente. Vorgeschlagen wurde, die Kommissionsmotion aufzuwerten und die Bedingungen für die Weiterbearbeitung einer parlamentarischen Initiative zu verschärfen. Bei den Kommissionsmotionen soll dies durch eine prioritäre Traktandierung geschehen, bei der parlamentarischen Initiative dadurch, dass ihr nicht nur eine, sondern beide Ratskammern Folge geben müssen, um eine Weiterbearbeitung durch eine Kommission auszulösen. Der Nationalrat hatte im Vorjahr mit einem Postulat (99.3565) strengere Bestimmungen für die parl. Initiativen gefordert. Das Einreichen von offensichtlich nicht mehrheitsfähigen Motionen soll zudem dadurch weniger attraktiv werden, dass die Überweisung einer Motion als Postulat nicht mehr möglich sein soll.

In seiner Stellungnahme zu diesen Reformvorschlägen meldete der Bundesrat bei den neuen Informations- und Mitwirkungsrechten des Parlaments erhebliche Einwände an. Er wehrte sich insbesondere dagegen, dass auch die Delegation der Geschäftsprüfungskommission und nicht nur wie bisher die Delegationen der Finanzkommission und einer PUK Einblick in Unterlagen erhalten soll, welche der Regierung zur unmittelbaren Entscheidfindung dienen. Ebenfalls nicht einverstanden war er mit dem Antrag, dass bei Uneinigkeit zwischen einem Parlamentsmitglied resp. einer Kommission und dem Bundesrat über den Umfang der offenzulegenden Information der endgültige Entscheid nicht mehr von der Regierung, sondern vom Ratspräsidium gefällt wird.

Im Nationalrat war Eintreten auf das neue Parlamentsgesetz nicht bestritten. Bei den wichtigen Streitpunkten zwischen Nationalratskommission und Bundesrat setzte sich durchwegs erstere deutlich durch. Die Neuregelung des Vorgehens bei der Behandlung von parlamentarischen Initiativen wurde hingegen etwas entschärft. Beschlossen wurde, dass nicht der Zweitrat, sondern bloss dessen zuständige Kommission einer Initiative ebenfalls Folge geben muss, damit sie weiter behandelt wird. Ein Antrag der Linken, auf das Mitbestimmungsrecht des Zweitrates in dieser ersten Phase wie bisher zu verzichten, fand keine Mehrheit. Auf Antrag von Sommaruga (sp, BE) beschloss der Nationalrat ferner, im Sinne von mehr Transparenz in Zukunft das Abstimmungsverhalten der einzelnen Parlamentsmitglieder nicht nur bei Schluss- und Gesamtabstimmungen und weiteren wichtigen Entscheidungen zu erfassen und zu publizieren, sondern bei jeder Abstimmung. Ebenfalls im Sinne von mehr Transparenz wurden die Vorschriften über die Offenlegung von Interessenbindungen verschärft. In Zukunft sollen die Parlamentarier nicht nur die bedeutenden Verwaltungsrats- und Beratermandate anzeigen müssen, sondern sämtliche. Bisher, d.h. seit 1985, galt die vom Ratsbüro aufgestellte Regel, dass nur Mandate für Firmen mit einem Aktienkapital von mindestens CHF 5 Mio. angegeben werden mussten. Diverse Anträge der Linken, welche Parlamentariern die Ausübung von Verwaltungsratsmandaten gänzlich verbieten wollten, blieben hingegen chancenlos. Auslöser für diese Verbesserung der Transparenz, welche die SPK kurz vor der Plenumsberatung in den Entwurf aufgenommen hatte, waren die Diskussionen um bisher nicht im Register der Interessenbindungen der Parlamentarier deklarierte Verwaltungsratsmandate des Zuger Nationalratspräsidenten und Wirtschaftsanwalts Peter Hess (cvp) gewesen. Die von einem Teil der Presse geäusserte Vermutung, dass eine der von ihm vertretenen Firmen (British American Tobacco, BAT) in Zigarettenschmuggel und andere Gesellschaften in Geldwäscherei verwickelt seien, liess sich nicht nachweisen. Immerhin war der politische Druck so gross, dass Hess für die Zeit seines Präsidialamtes von allen seinen 48 Verwaltungsratsmandaten zurücktrat.

Als Zweitrat befasste sich der Ständerat mit dem neuen Parlamentsgesetz, welches anstelle des bisherigen Geschäftsverkehrsgesetzes treten soll. Er beschloss eine ganze Reihe von Abweichungen von der nationalrätlichen Version, ohne allerdings die Grundsätze der Reform in Frage zu stellen. So verschärfte er unter anderem die vom Nationalrat festgelegten Unvereinbarkeitsregeln für ein Parlamentsmandat, welche neu nicht nur für den National-, sondern auch für den Ständerat gültig sind. Diese Unvereinbarkeit soll nicht nur für höhere Kader, sondern für alle Angestellten der zentralen und der dezentralen Bundesverwaltung und für Mitglieder von Leitungsgremien (Verwaltungs- und Stiftungsräte etc.) von bundesnahen Organisationen (SRG, Nationalbank, Pro Helvetia etc.) gelten. Die Betroffenen sind demnach zwar wählbar, müssen bei Annahme des Mandats aber auf die Anstellung oder das Mandat verzichten. Nicht einverstanden war die kleine Kammer auch mit dem Beschluss des Nationalrats, dass bei sämtlichen Abstimmungen das Votum der einzelnen Parlamentsmitglieder erfasst und veröffentlicht werden muss. Mit dem Argument, dazu müsste im Ständerat eine elektronische Abstimmungsanlage eingerichtet werden, lehnte die Ratsmehrheit dies ab und beschloss, dass jeder Rat in seinem eigenen Reglement über diese Frage entscheiden soll. Eine weitere Differenz ergab sich bei dem parlamentarischen Instrument der Empfehlung. Obwohl neu auch Motionen, welche den alleinigen Kompetenzbereich der Regierung betreffen, im Sinne von Richtlinien zugelassen sind, war der Ständerat nicht bereit, auf die bisher bei ihm diesem Zweck dienende „Empfehlung“ gänzlich zu verzichten. Da diese im Gegensatz zu einer Motion nur von einem Rat zu behandelnde Vorstossform die rasche Abgabe einer Stellungnahme an den Bundesrat erlaube, wollte er sie weiterhin zulassen. Dabei sollen die beiden Ratskammern frei sein, ob sie diese in ihren Reglementen aufführen wollen oder nicht. Der Ständerat wandte sich ferner gegen eine restriktivere Behandlung von Motionen. Er lehnte das vom Nationalrat eingeführte Verbot ab, eine vom Bundesrat abgelehnte Motion in ein Postulat umzuwandeln. Anschliessend verzichtete er auch auf die von seiner Kommissionsmehrheit beantragte Vorschrift, dass die zuständige Kommission des Erstrats eine Motion vorberaten müsse.

Mit einem relativ knappen Entscheid änderte der Ständerat das Wahlverfahren für die Bestätigungswahlen für den Bundesrat. Wieder antretende Regierungsmitglieder sollen nicht mehr einzeln in der Reihenfolge ihrer Amtsdauer zur Wahl antreten, sondern auf einer gemeinsamen Liste, wobei die Parlamentarier einzelne Namen streichen können. Wiedergewählt ist, wer im ersten oder einem allfällig erforderlichen zweiten Wahlgang das absolute Mehr erreicht. Kampfkandidaturen sind bei dieser Wiederwahl der Bisherigen noch nicht zugelassen, sondern erst bei einer Vakanz infolge einer Nichtwiederwahl oder eines Rücktritts. Der Nationalrat hatte 1996 eine Motion Weyeneth (svp, BE) (98.3349) für dieses Wahlsystem verabschiedet, welche dann aber im Ständerat keine Unterstützung fand. Wie im Vorjahr der Nationalrat (Motion Vallender, 01.3662) wollte auch die Mehrheit der SPK des Ständerats gewisse Schranken für vom Bundesrat im Dringlichkeitsverfahren beschlossene Nachtragskredite einführen. Für Ausgaben in der Höhe von mehr als 2% der Bundeseinnahmen sollte neu die Zustimmung des Parlaments erforderlich sein, welches nötigenfalls zu einer Sondersession einzuberufen wäre. Der Rat lehnte diese neue Bestimmung jedoch mit 24:15 Stimmen ab.

In der Differenzbereinigung schloss sich der Nationalrat bei der Unvereinbarkeitsvorschrift gegen den Widerstand der Linken dem Ständerat an. Für den Wunsch der kleinen Kammer, die Vorstossform der „Empfehlung“ beizubehalten, hatte er jedoch kein Verständnis. Er lehnte es auch ab, dass in Zukunft Kommissionsminderheiten keine prioritär zu behandelnde Motionen mehr einreichen können. Bei den Motionen, welche den an die Regierung delegierten Kompetenzbereich betreffen, hielt der Nationalrat an seiner verpflichtenderen Lösung fest. Diese seien nicht nur als Richtlinien zu betrachten, sondern der Bundesrat müsse, wenn er sie nicht umsetzen wolle, dem Parlament einen Entwurf für die Änderung der Zuständigkeitsordnung vorlegen. Der Nationalrat hielt im weiteren am Verbot fest, vom Bundesrat abgelehnte Motionen in Postulate umzuwandeln. Er begründete dies mit zwei Argumenten: erstens bedeute dies eine Aufwertung der Motion, da tendenziell nur noch mehrheitsfähige Vorstösse in dieser Form eingereicht würden; und zweitens könne neu eine Motion vom Zweitrat auch in dem Sinne abgeändert werden, dass nicht mehr eine Massnahme (z.B. eine Gesetzesrevision) verlangt würde, sondern bloss ein Prüfungsauftrag. Das vom Ständerat beschlossene neue Verfahren für die Wiederwahl der amtierenden Bundesräte wurde gegen den Widerstand der SVP mit 117:41 Stimmen abgelehnt. Nachdem der Nationalrat seinen Entscheid bestätigt hatte, dass in beiden Kammern bei sämtlichen Abstimmungen das Votum der einzelnen Parlamentsmitglieder erfasst und veröffentlicht werden muss, sprach sich der Ständerat mit 26:14 Stimmen zum zweiten Mal dagegen aus. Er führte dazu eine der in der kleinen Kammer sehr seltenen Abstimmungen unter Namensaufruf durch.

Da beide Kammern auch in der zweiten Runde der Differenzbereinigung nicht nachgaben, musste in dieser Frage der Transparenz über die Stimmabgabe die Einigungskonferenz entscheiden. Sie tat dies im Sinne der kleinen Kammer. Der Ständerat hielt auch bei den Motionen von Kommissionsminderheiten (Abschaffen), der Umwandlung von Motionen in Postulate (Beibehalten) sowie der Auswirkungen von Motionen im an den Bundesrat delegierten Kompetenzbereich (nur Richtlinie) an seinen Beschlüssen fest. Hingegen gab er beim Instrument der Empfehlung nach und schaffte es ab; er verzichtete ebenfalls auf das neue Wahlsystem für wiederkandidierende Bundesräte. Der Nationalrat hielt in der Folge nur noch an seiner Version der Rechtswirkung von Motionen im an den Bundesrat delegierten Kompetenzbereich (nicht nur Richtlinie, sondern Auftrag an den Bundesrat, sie umzusetzen oder eine Revision der Kompetenzordnung vorzuschlagen) und dem Verbot, vom Bundesrat abgelehnte Motionen in Postulatsform zu überweisen, fest. Nachdem der Ständerat weiterhin auf seinen Entscheidungen beharrt hatte, setzte sich in der Einigungskonferenz bei beiden Beschlüssen die Version des Nationalrats durch. Der Ständerat überwies eine Motion Galli (cvp, BE) aus dem Vorjahr (01.3321), welche verlangt, dass die Internet-Geschäftsdatenbank des Parlaments (curia vista) nicht nur deutsch und französisch, sondern auch italienisch geführt wird.

Namentliche Resultate im Ständerat dank elektronischer Abstimmungsanlage (Mo. 05.3698)

Die Forderung, mit einer elektronischen Abstimmungsanlage mehr Transparenz über das Abstimmungsverhalten im Ständerat zu schaffen, scheiterte erneut. Der Rat lehnte eine entsprechende Motion Sommaruga (sp, BE) mit 26 zu 13 Stimmen ab. Die Mehrheit führte nicht nur die hohen Kosten ins Feld, sondern hatte auch Bedenken, dass die volle Transparenz über das Stimmverhalten bei Gesamt- und Schlussabstimmung der Diskussions- und Entscheidfindungskultur der kleinen Kammer nicht gerecht würde. Dabei wurden in der Diskussion insbesondere die so genannten Parlamentarier-Ratings (Einstufung auf einer Links/Rechts-Skala aufgrund des Abstimmungsverhaltens) kritisiert, welche von Politologen seit einigen Jahren ermittelt werden. Eine elektronische Abstimmungsanlage war bereits 2002 im Rahmen der Revision des Parlamentsgesetzes gescheitert. Das Mass der gewünschten Transparenz ist aber auch in der grossen Kammer nicht unbestritten. Zwar sind alle elektronisch durchgeführten Abstimmungen einsehbar, nur die als namentlich bezeichneten werden aber automatisch publiziert, für die anderen muss auf umständliche Weise ein Gesuch um Einsicht gestellt werden. Der Nationalrat lehnte eine Motion Vollmer (sp, BE) (05.3398) ab, welche alle Abstimmungsresultate veröffentlichen wollte. Das Gegenargument des Ratsbüros war, dass bei den Abstimmungen zu einzelnen Anträgen oft auch taktische Erwägungen eine Rolle spielten. Wenn dies bei einer Publikation nicht berücksichtigt und erläutert würde, wären die Angaben über das Abstimmungsverhalten der Parlamentarier irreführend.

Elektronische Abstimmungsanlage auch für den Ständerat (Pa.Iv. 11.490; Pa.Iv 11.406; Pa.Iv. 11.410)

Gleich mit drei Vorstössen wollte die SVP ein transparenteres Abstimmungsverfahren im Ständerat durchsetzen. Während die parlamentarische Initiative Reimann (svp, SG) (11.406) eine Veröffentlichungspflicht für die Abstimmungsresultate in der kleinen Kammer forderte, wurde mit der parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion (11.410) die Einführung einer elektronischen Abstimmungsanlage wie sie der Nationalrat bereits seit längerer Zeit benutzt, auch im Ständerat gefordert, da diese 2011 ohnehin einer baulichen Revision unterzogen werde. Die Kommission des Nationalrates stellte sich gegen beide Vorstösse. Sie begründete dies damit, dass der Nationalrat dem Ständerat nicht vorschreiben dürfe, wie dessen Abstimmungsprozedere aussehen soll. Darüber hinaus stehe im Ständerat eine parlamentarische Initiative Jenny (svp, GL) (11.490) an, die dasselbe Ziel verfolge. Würde den beiden Initiativen Folge gegeben, sei dies im besten Fall überflüssig und im schlechtesten Fall kontraproduktiv. Die grosse Kammer hielt sich jedoch nicht an diese Begründung. Die Wählerschaft müsse die Möglichkeit haben, das Abstimmungsverhalten nicht nur der National- sondern auch der Ständeräte zu kennen. Mit 93 zu 70 Stimmen wollte die grosse Kammer dem Ständerat ein Signal setzen und gab beiden Initiativen Folge. Die Fraktionen waren dabei mit Ausnahme der geschlossen für Folge geben stimmenden SVP und GLP und der bei fünf Enthaltungen geschlossen dagegen stimmenden CVP gespalten. Die staatspolitische Kommission des Ständerates und die kleine Kammer äusserten sich zu den beiden Vorstössen im Berichtjahr noch nicht.
Behandelt wurde aber die angesprochene Parlamentarische Initiative Jenny (svp, GL). Diese verlangt die elektronische Erfassung und die Veröffentlichung von Namenslisten bei Schluss- und Gesamtabstimmungen in der kleinen Kammer. Die staatspolitische Kommission des Ständerates empfahl mit Stichentscheid ihres Präsidenten der Initiative keine Folge zu geben. Die Mehrheit argumentierte, dass Diskussion und Kompromissfindung als wichtige Grundlage in der kleinen Kammer eingeschränkt würden, weil aufgrund des öffentlichen Drucks bzw. der Erwartungen von Interessengruppen und Parteien die Bereitschaft des einzelnen Ratsmitglieds für Konzessionen eingeschränkt würde. Die Debattenkultur und differenzierte Argumentationsweise würde aufgrund tendenziös durch Ratings ausgewerteter Abstimmungslisten auf eine Schlussabstimmung reduziert. Die Minderheit argumentierte nicht nur mit mehr Transparenz, sondern auch mit einer geringeren Fehleranfälligkeit der elektronischen Stimmabgabe gegenüber der Auszählung von Hand. Im Ständerat entbrannte in der Sommersession eine lebendige Debatte, die schliesslich – unter Namensaufruf – knapp mit 22 zu 21 Stimmen und einer Enthaltung zugunsten der Initiative ausfiel. Bereits im Oktober legte die SPK-SR eine entsprechende Vorlage für die nötige Änderung des Geschäftsreglements des Ständerats vor. Darin wurde vorgeschlagen, alle Abstimmungen elektronisch durchzuführen und Gesamtabstimmungen, Schlussabstimmungen, Abstimmungen mit qualifiziertem Mehr und auf Verlangen von mindestens zehn Ratsmitgliedern in Form von Namenslisten zu veröffentlichen. Damit geht die Vorgabe weniger weit als das Prozedere im Nationalrat, wo alle Abstimmungen, insbesondere auch die Detailberatungen, veröffentlicht werden. Anders als noch im Juni folgte die kleine Kammer mit 25 zu 20 Stimmen dem Antrag der Minderheit und beschloss Anfang Wintersession Nichteintreten. Nachdem dann allerdings innert kurzer Zeit Fehler beim Auszählen von Hand passierten – die Internetplattform Politnetz filmte die Abstimmungen und konnte nachweisen, dass bei der Abstimmung über das Importverbot von Reptilienhäuten gleich zwei Mal falsch gezählt wurde – stellte Jenny (svp, GL) einen Rückkommensantrag, der nach nochmaliger Diskussion mit 23 zu 20 Stimmen angenommen wurde. Jenny wollte den Vorschlag noch einmal an die Kommission zurückgeben und der Rat beschloss mit 28 zu 10 Stimmen Eintreten. Die SPK-SR muss sich des Geschäfts 2013 also noch einmal annehmen.

Gleich drei parlamentarische Initiativen waren im Berichtjahr im Ständerat hängig, die ein transparenteres Abstimmungsverfahren im Ständerat verlangten: einer parlamentarischen Initiative Reimann (svp, SG) (11.406) sowie einer parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion (11.410), welche die Veröffentlichung der Abstimmungsresultate der kleinen Kammer und die Einführung einer elektronischen Abstimmungsanlage forderten, wurden 2012 im Nationalrat Folge gegeben. Nachdem Ende 2012 einige Fehler beim Auszählen von Hand passierten, welche durch die Videoaufzeichnungen der Internetplattform Politnetz an die Öffentlichkeit gelangt waren, hiess die kleine Kammer auch einen Rückkommensantrag auf eine parlamentarische Initiative Jenny (svp, GL) (11.490) gut, die kurz vor dem Bekanntwerden der Auszählfehler im Rat noch abgelehnt worden war. Diese dritte Initiative sah zwar die elektronische Durchführung aller Abstimmungen vor, wollte die Namenslisten aber nur bei Gesamtabstimmungen, Schlussabstimmungen, Abstimmungen mit qualifiziertem Mehr oder auf Verlangen von mindestens zehn Ratsmitgliedern veröffentlicht wissen. Den beiden Anliegen aus der grossen Kammer zur generellen Veröffentlichung der Abstimmungsergebnisse wollte der Ständerat nicht nachkommen und gab ihnen keine Folge. Der Kommissionsentwurf auf der Basis der parlamentarischen Initiative Jenny wurde in der Frühjahrssession diskutiert. Man war sich einig, dass man das Geschäft unter den veränderten Vorzeichen – tatsächlich waren die im Berichtjahr erneut festgestellten Fehlzählungen Gegenstand zahlreicher hämischer Bemerkungen in Medien und Gesellschaft gewesen – zum Abschluss bringen müsse. Die Einführung einer elektronischen Abstimmungsanlage war deshalb mehr oder weniger unbestritten, obwohl einige Votanten wie bereits im Vorjahr auf die spezielle Situation in der „chambre de réflexion“ verwiesen. Anders als im Nationalrat soll aber auf Antrag der Kommission nicht volle Transparenz herrschen, wie das von einer Minderheit beantragt wurde, sondern die Vorschläge Jennys sollen übernommen werden. Diesem Antrag folgten die Kantonsvertreterinnen und -vertreter mit 24 zu 18 Stimmen. Bei der Schlussabstimmung wurde das revidierte Geschäftsreglement mit 28 zu 14 Stimmen gutgeheissen. Die Kosten für die Abstimmungsanlage, die ab der Frühjahrssession 2014 zum Einsatz kommen soll, wurden auf CHF 600'000 veranschlagt. In der Wintersession endete damit die 165-jährige Tradition des Handerhebens im Ständerat.

In der Frühjahrssession wurde die elektronische Abstimmungsanlage im Ständerat in Betrieb genommen. Zum ersten Mal seit 1848 werden in der kleinen Kammer für Schluss- und Gesamtabstimmungen nicht mehr die Hände erhoben, sondern elektronisch abgestimmt. Die Stimmprotokolle weisen die Ständeräte und -rätinnen gemäss ihrer Kantons-, nicht aber gemäss ihrer Parteizugehörigkeit aus. Die Beschaffung und Einrichtung der Anlage kostete rund CHF 600‘000 und benötigte ein Jahr. Der Wechsel von Hand- zu elektronischer Abstimmung ging auf mehrere Vorstösse und Pannen bei der Auszählung in der Chambre de réflexion zurück. Am Sessionsende zeigten sich die Mitglider der kleinen Kammer zufrieden mit der neuen Anlage. Die Angst der Gegner der Umstellung, dass sich aufgrund des sicht- und analysierbareren Abstimmungsverhaltens eher ein Blockverhalten zeigen würde, bewahrheitete sich nicht. Allerdings konnte eine höhere Präsenz bei Abstimmungen als früher beobachtet werden, wie einige Ständerätinnen und Ständeräte zu Protokoll gaben.

Abstimmungen im Ständerat veröffentlichen (Pa. Iv. 15.436)

Seit Ende 2013 stimmt auch der Ständerat nicht mehr mittels Handaufheben ab, sondern mit einer elektronischen Anlage. Mit dieser Umstellung werden im Prinzip alle Abstimmungsresultate erfasst. Ein Argument gegen die Einführung einer solchen Anlage in der kleinen Kammer war die Befürchtung gewesen, dass es – wie auch im Nationalrat – zu Analysen und Rankings des Abstimmungsverhaltens käme, was der Kultur in der "chambre de réflexion" aber nicht entspreche. Man hatte sich deshalb bei der Einführung der elektronischen Anlage darauf geeinigt, nur bei Gesamt- und Schlussabstimmungen, bei Abstimmungen mit qualifiziertem Mehr und auf Verlangen von 10 Ratsmitgliedern Namenslisten von Abstimmungen zu veröffentlichen. An dieser Ungleichbehandlung der Räte stiess sich Andrea Geissbühler (svp, BE), die per parlamentarischer Initiative verlangt, dass auch im Ständerat sämtliche Abstimmungen veröffentlicht werden. Die Bevölkerung müsse wissen, wer wie gestimmt habe.
Die SPK-NR stellte sich im April 2016 hinter dieses Anliegen. Mit 18 zu 5 Stimmen bei einer Enthaltung und dem Argument, dass hier Gleichberechtigung hergestellt werden solle, empfahl sie Folge geben. Die Kommissionsminderheit verwies freilich darauf, dass jeder Rat selber entscheiden müsse, wie er seine Abstimmungen regeln wolle. Ebendieses Argument wurde von der SPK-SR als Grund für die Nicht-Zustimmung ins Feld geführt. Mit einem allerdings knappen Stimmenverhältnis von 6 zu 5 Stimmen wurde darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine Änderung des Geschäftsreglements handeln würde und dafür der Ständerat selber zuständig sei. Zwar könne man sich mit der Idee für mehr Transparenz anfreunden, der vorgeschlagene Schritt käme aber zu früh.

Weil ihre Schwesterkommission die parlamentarische Initiative Geissbühler (svp, BE), die verlangt, dass auch im Ständerat sämtliche Abstimmungen veröffentlicht werden, abgelehnt hatte, gelangte das Begehren zurück an die SPK-NR. Dort wurde erneut deutlich, diesmal mit 18 zu zwei Stimmen bei zwei Enthaltungen, Folge geben empfohlen. Es sei nicht einzusehen, weshalb der Ständerat hier anders behandelt werden soll als der Nationalrat. Zudem würden es die Videoaufzeichnungen sowieso erlauben, das auf der Abstimmungsleinwand erscheinende Stimmverhalten auf die einzelnen Rätinnen und Räte aufzuschlüsseln. Eine offizielle Namensliste sei glaubwürdiger und zudem hätten die Bürgerinnen und Bürger das Recht, über das Abstimmungsverhalten beider Räte informiert zu werden.
In der Ratsdebatte wiesen die Kommissionssprecher zudem darauf hin, dass der nur knapp ablehnende Entscheid der SPK-SR die Hoffnung aufkommen lasse, dass bald auch der Ständerat auf mehr Transparenz umschwenken werde. Weil kein anderer Antrag gestellt wurde, wurde der Initiative Folge gegeben.

Die deutliche nationalrätliche Unterstützung der parlamentarischen Initiative Geissbühler (svp, BE), die auch im Ständerat sämtliche Abstimmungen veröffentlicht haben will, scheint der letzte Tropfen gewesen zu sein, um den Stein definitiv zu höhlen. In der Tat zeigte sich die SPK-SR überzeugt, dass nun der Moment für volle Transparenz auch im Ständerat gekommen sei. Allerdings lehnte die Kommission die parlamentarische Initiative Geissbühler ab, weil es sich hier um eine Angelegenheit des Ständerats handle und man deshalb selber tätig werden wolle. Mit der erneuten Ablehnung wurde die Ausarbeitung eines Vorschlags zur Änderung des ständerätlichen Geschäftsreglements versprochen. In der Herbstsession lehnte die kleine Kammer die parlamentarische Initiative ab.

Namenslisten bei allen Abstimmungen im Ständerat (Pa. Iv. 17.432)

Nachdem der Nationalrat durch Folge geben einer parlamentarischen Initiative Geissbühler (svp, BE) anscheinend genügend Druck aufgebaut hatte, erklärte auch die SPK-SR, dass die Zeit reif sei, dass auch im Ständerat Namenslisten bei allen Abstimmungen veröffentlicht werden. Bisher wurden lediglich bei Gesamt- und Schlussabstimmungen, bei Abstimmungen mit qualifiziertem Mehr und auf Verlangen von zehn Ratsmitgliedern Namenslisten von Abstimmungen veröffentlicht. Die Geheimhaltung sei aber sowieso nicht gegeben, weil auch alle anderen Abstimmungen gefilmt würden und so das Abstimmungsverhalten relativ einfach eruiert werden könne. Zudem hätten sich die bei der Einführung der elektronischen Abstimmungsanlage im Ständerat geäusserten Befürchtungen nicht bewahrheitet: die spezifische Diskussions- und Entscheidungskultur in der chambre de réflexion sei dadurch nicht beeinträchtigt worden.
Weil es sich um ein Anliegen der kleinen Kammer handle, liess es sich die SPK-SR nicht nehmen einen eigenen Vorschlag auszuarbeiten. Diesen legte sie Ende Juni 2017 vor. Weil sich aber das Büro-SR in einem Mitbericht gegen die Änderung ausgesprochen hatte, soll die Vorlage von der kleinen Kammer beraten werden.

In der Herbstsession 2017 wehrte sich die kleine Kammer ein weiteres Mal gegen die Einführung von Namenslisten bei allen Abstimmungen. Die SPK-SR hatte sich dem Druck des Nationalrats gebeugt und eine Vorlage ausgearbeitet, mit der mehr Transparenz für die Wählerinnen und Wähler geschaffen werden sollte – wie sich die Kommissionssprecherin Pascale Bruderer (sp, AG) ausdrückte. Seit 2014 würden auch in der kleinen Kammer alle Abstimmungen erfasst, aber nicht alle veröffentlicht, nämlich lediglich die Gesamt- und die Schlussabstimmungen, sowie Abstimmungen mit qualifiziertem Mehr und solche, bei denen mindestens zehn Ratsmitglieder dies verlangten. Die Veröffentlichung aller Abstimmungen sei keine Kostenfrage. Da das Abstimmungsverhalten via Livestream sowieso eruierbar sei, sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Resultate nicht gänzlich veröffentlicht würden. Zudem, so die Aargauerin weiter, habe die bisherige Erfahrung gezeigt, dass sich die Debattenkultur in der kleinen Kammer nicht verändert habe – eine Befürchtung, die immer wieder gegen die Einführung einer elektronischen Abstimmungsanlage in der „chambre de reflexion“ vorgebracht worden war. Das Büro-SR, vertreten durch Karin Keller-Sutter (fdp, SG), lehnte die parlamentarische Initiative allerdings einstimmig ab. Die bisherige Regelung habe sich bewährt, Transparenz sei bereits gegeben und man wolle mit einer vollständigen Veröffentlichung eben eine „Vermessung der Ratsmitglieder durch Politbeobachter und -beobachterinnen“ verhindern. Diese Masse seien zu oberflächlich und könnten das differenzierte Abstimmungsverhalten nicht nachzeichnen. Nach lediglich drei Jahren könne man auch noch nicht sagen, ob sich an der Debattenkultur etwas geändert habe oder nicht. Thomas Minder (parteilos, SH) machte geltend, dass die Vermessung bereits heute stattfinde und zwar entweder mittels der wenig aussagekräftigen Schluss- und Gesamtabstimmungen oder aber mittels des gesamten Datensatzes über alle Abstimmungen, der zu Forschungszwecken abgegeben werde. Diese Vermessung sei aber richtig und wichtig, damit die Wählerinnen und Wähler nachschauen könnten, wie ihre Ständevertreterinnen und -vertreter abstimmen. In der weiteren Debatte hielten sich die Vertreter der ständerätlichen Kultur und die Modernisierer in etwa die Waage. Zur Abstimmung stand schliesslich die Frage, ob auf die Vorlage der SPK-SR eingetreten werden soll. Mit 27 zu 17 Stimmen und einer Enthaltung entschied sich der Rat dagegen, womit das Thema wieder eine Weile vom Tisch sein dürfte. In den Medien wurde der Entscheid mit Unverständnis aufgenommen. Der Ständerat bleibe eine Dunkelkammer. Im Tagesanzeiger wurde das Stimmverhalten der Rätinnen und Räte demonstrativ aufgrund des Livestreams abgebildet. Es zeigten sich dabei keine deutlichen Parteilinien. Aus allen Fraktionen gab es sowohl Befürworterinnen und Befürworter als auch Gegnerinnen und Gegner der Neuerung.

Öffentliche Abstimmungen im Ständerat (Pa.Iv. 19.498)

Am ersten Tag der neuen Legislatur nahm Thomas Minder (parteilos, SH) neuerlich einen Anlauf für öffentliche Abstimmungen im Ständerat. Er reichte eine parlamentarische Initiative ein, mit der er auch die «grauen Ecken» ausleuchten wolle, die es im Ständerat immer noch gebe, obwohl dieser freilich keine Dunkelkammer mehr sei, wie der Schaffhauser in der Aargauer Zeitung betonte. Zwar war 2014 beschlossen worden, analog zum Nationalrat auch im Ständerat eine elektronische Abstimmungsanlage einzuführen, die Resultate der Abstimmungen werden aber lediglich bei Gesamt- und Schlussabstimmungen veröffentlicht. Das Abstimmungsverhalten von Ständerätinnen und Ständeräten bei Vorstössen oder einzelnen Gesetzesartikeln wird hingegen nicht ersichtlich gemacht.
Beim damaligen Entscheid sei argumentiert worden, dass man nicht scheibchenweise zu einem kleinen Nationalrat werden wolle. Die Forderungen nach mehr Transparenz kämen nicht von der Bevölkerung, sondern von Journalistinnen und Journalisten sowie Forschenden aus der Politikwissenschaft, die Rankings erstellen wollten, zitierte die Aargauer Zeitung ein Statement der damaligen Ständerätin Karin Keller-Sutter (fdp, SG). Minder konterte in der Begründung seiner Initiative, dass die «Vermessung» sowieso stattfinde und das Abstimmungsverhalten auch auf Basis der Videoaufnahmen eruiert werden könne. Er hoffte laut Medien, dass sein Vorstoss dank neuer Mitglieder in der kleinen Kammer eher eine Chance habe. Immerhin sei Abstimmungstransparenz für die elf vom Nationalrat in den Ständerat wechselnden neuen Mitglieder Usus.

Mit 9 zu 3 Stimmen (1 Enthaltung) beschloss die SPK-SR, der parlamentarischen Initiative von Thomas Minder (parteilos, SH) für öffentliche Abstimmungen im Ständerat Folge zu geben. Damit kann die Kommission einen Entwurf ausarbeiten, auf dessen Basis künftig auch im Ständerat – wie bereits im Nationalrat – alle Abstimmungen namentlich erfasst beziehungsweise die Namenslisten veröffentlicht werden. Seit 2014 galt dies in der kleinen Kammer lediglich für die Gesamtabstimmungen, Schlussabstimmungen, Abstimmungen mit qualifiziertem Mehr oder auf Verlangen von mindestens zehn Ratsmitgliedern. Transparenz entspreche dem Zeitgeist, könne aber auch negative Folgen zeitigen, wie etwa «gewisse undifferenzierte, in den Medien veröffentlichte Ratings», so die SPK-SR in ihrer Medienmitteilung.

Mitte November 2021 legte die SPK-SR ihren Vorschlag für eine Änderung des Geschäftsreglements des Ständerats vor. Fortan sollen sämtliche Abstimmungen im Ständerat veröffentlicht werden und nicht bloss Gesamt- und Schlussabstimmungen bzw. Abstimmungen mit qualifiziertem Mehr und Abstimmungen, bei denen von mindestens zehn Ratsmitgliedern eine Veröffentlichung beantragt wird. Die auf eine parlamentarische Initiative von Thomas Minder (parteilos, SH) zurückgehende Änderung sei sinnvoll, weil das Abstimmungsverhalten auch bei allen anderen Abstimmungen in den Video-Übertragungen der Ratsdebatten sowieso nachvollziehbar sei, begründete die SPK-SR ihren Vorschlag in ihrem Bericht. Die Anpassung an den Nationalrat – dieser veröffentlicht seit 2007 alle individuellen Abstimmungsentscheide – sei aber auch sachlich und politisch bedeutend, weil nicht nur Schluss- und Gesamtabstimmungen, sondern eben auch Abstimmungen während der Detailberatung eines Gesetzesbeschlusses Transparenz verdienten. Die seit 2014 geltende Regelung zur Veröffentlichung ausgewählter Abstimmungen habe zudem an «der spezifischen Diskussions- und Entscheidungskultur des Ständerats» nichts geändert. Nicht zuletzt würde die umfassende Transparenz auch einer Empfehlung der GRECO gerecht, die nach der Ablehnung eines ähnlichen Vorstosses 2017 an den Ständerat gerichtet worden war.

Ob es künftig öffentliche Abstimmungen im Ständerat geben wird, ist aber alles andere als sicher, entschied doch lediglich eine knappe Kommissionsmehrheit mit 7 zu 6 Stimmen, den Entwurf dem Rat zu unterbreiten. Die starke Kommissionsminderheit sah hingegen keinen Nutzen in der Bekanntmachung des Abstimmungsverhaltens und warnte vor einem «Transparenzexzess». Die Ermittlung der Namen aufgrund der Videoübertragung der Ratsdebatten – etwa indem die Abstimmungsresultate auf der elektronischen Abstimmungstafel, die im Ständerat seit 2014 in Betrieb ist, betrachtet und übertragen würden – sei zwar mit Aufwand verbunden, reiche aber aus, wenn jemand bei spezifischen Geschäften Wissen über das Abstimmungsverhalten benötige. Die Veröffentlichung der Namenslisten aller Abstimmungen würde hingegen nur der «Vermessung» der Ständerätinnen und Ständeräte dienen, die aber lediglich schematisch sei, mit der aber die Gründe des individuellen Abstimmungsverhaltens nicht nachvollziehbar seien. Die «parteiübergreifende Kompromisssuche», welche heute die kleine Kammer präge, könnte durch «parteipolitische Auseinandersetzungen» verdrängt werden, weil mit der Veröffentlichung der Abstimmungen der Druck steige, der Parteilinie zu folgen.

In der Wintersession entschied sich eine für die kleine Kammer relativ knappe Mehrheit von 23 zu 18 Stimmen, auf die Vorlage zur Änderung des Geschäftsreglements des Ständerats einzutreten, mit der neu bei allen Abstimmungen auch im Ständerat Namenslisten veröffentlicht werden sollen – also nicht nur bei Gesamt- und Schlussabstimmungen, sondern bei allen Abstimmungen, die mit der 2014 eingeführten elektronischen Anlage getätigt werden. Für die SPK-SR, die den Entwurf mit 7 zu 6 Stimmen zur Annahme empfahl, sprach Thomas Minder (parteilos, TG), der Urheber der parlamentarischen Initiative, auf die der Entwurf zurückging: Die Befürchtung der Minderheit, dass sich die Debattenkultur mit Veröffentlichung der Abstimmungsresultate verschlechtere, könne er nicht nachvollziehen. Ganz im Gegenteil habe sie sich seit Einführung der Abstimmungsanlage sogar verbessert. Freilich gebe es in den Medien verbreitete Ratings und Auswertungen zum Abstimmungsverhalten. Die würden aber mit dem Einbezug von Detailabstimmungen zusätzlich «die Hunderte von spannenden Positionsbezügen, mit denen wir aufeinander zugehen, Differenzen zwischen den Räten abbauen, abseits der Parteilinie abstimmen», berücksichtigen und so eine wesentlich breitere Datengrundlage liefern.
Die Minderheit, die gegen Eintreten votierte, wurde von Daniel Jositsch (sp, ZH) vertreten. Es sei schwierig gegen die Vorlage und damit gegen die «Transparenz-Hysterie» anzutreten. Er befürchte aber, dass das Wesentliche, was den Ständerat vom Nationalrat unterscheide, durch die Neuregelung verloren ginge: die Debatte, von der die Abstimmungsresultate lediglich Resultat seien. Er habe überhaupt keine Probleme mit Ratings, wenn aber auch der Ständerat nur noch Abstimmungen für Ratings produziere, müssten sich Journalistinnen und Journalisten nicht mehr die Mühe machen, zu recherchieren, wie ein Resultat genau zustande gekommen sei und welche Argumente vorgebracht wurden. Er befürchte darüber hinaus, dass bald auch die Forderung nach Transparenz von Kommissionssitzungen kommen werde.
Die in der Folge vorgebrachten Meinungen verliefen nicht entlang der Fraktionsgrenzen. So sprach sich etwa Jositschs Fraktionskollege Hans Stöckli (sp, BE) für ein konsequentes Öffentlichkeitsprinzip aus und Lisa Mazzone (gp, GE) gab zu bedenken, dass vor allem den Bürgerinnen und Bürgern ein Dienst erwiesen werde, wenn ihnen Informationen einfacher zur Verfügung gestellt würden. Auf der anderen Seite warb Daniel Fässler (mitte, AI) mit dem Argument gegen Eintreten, dass parteitreues Abstimmen wohl zunehmen werde und man sein Abstimmungsverhalten gegenüber der eigenen Partei, dem Kanton, den Medien wesentlich häufiger rechtfertigen müsse. Auch Alex Kuprecht (svp, SZ) bedauerte, dass der «Ständerat immer nationalrätlicher geworden» sei, und befand, dass die Resistenz gegen den zunehmenden Druck der eigenen Partei nicht mehr so stark sei wie früher. Wichtig sei der Bevölkerung zudem nicht, wie man bei Detailfragen abstimme, sondern wie man zum gesamten Gesetz stehe, weshalb es die Veröffentlichung von Detailabstimmungen auch nicht brauche. Pointiert äusserte sich zum Schluss Roberto Zanetti (sp, SO): Er hätte wohl früher für Nichteintreten gestimmt, weil aber «aus der Chambre de Réflexion (...) eine Chambre der reflexartigen Vertretung der Einzelinteressen (...) und die Rumpelkammer der Steuerumgehung und Steueroptimierung geworden» sei, wolle auch er genauer nachverfolgen können, wer im Detail wie stimme.
Nachdem Eintreten beschlossen worden war, sprach sich auch eine 28 zu 14-Mehrheit für die Vorlage aus. Deutlicher war dann die Schlussabstimmung, bei der die Vorlage mit 32 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen gutgeheissen wurde. Die Gegenstimmen stammten erneut aus allen Fraktionen. Damit werden auch im Ständerat künftig sämtliche elektronisch erfassten Abstimmungsresultate veröffentlicht.