Bekanntgabe der Affäre Jeanmaire und erste parlamentarische Vorstösse

Eine in ihrem Ausmass noch nicht abzuschätzende Beeinträchtigung erfuhr die wehrpolitische Situation durch die Affäre Jeanmaire. Eine nachhaltige Welle der Beunruhigung ergriff Armee und Öffentlichkeit, als das EJPD im August bekanntgab, der frühere Chef der Abteilung für Luftschutztruppen, Brigadier Jean-Louis Jeanmaire, sei wegen Preisgabe militärischer Geheimnisse an die Sowjetunion verhaftet worden. Noch nie war in der neueren Schweizergeschichte ein so hoher Offizier in einen Verratsfall verwickelt gewesen. Dass der als Haudegen und scharfer Antikommunist bekannte Truppenführer ein Sowjetspion sei, erschien seiner nächsten Umgebung unverständlich. Da die Behörden mit Informationen vorerst sehr zurückhielten, zirkulierten allerlei Mutmassungen und Gerüchte: Der Verrat sei durch den westdeutschen Nachrichtendienst entdeckt worden und er beziehe sich auf Absprachen mit der NATO für einen Ernstfall. Das Bestehen solcher Absprachen wurde von den amtlichen Stellen entschieden dementiert.

Ein Missbehagen über den kargen Informationsstand blieb jedoch bestehen. Es äusserte sich in parlamentarischen Vorstössen, in denen verschiedene Gegenstände der Besorgnis zur Sprache kamen: Stand des Staatsschutzes, Geheimhaltungspraxis, Beförderungsverfahren, Verkehr von Beamten und Offizieren mit ausländischen Botschaften sowie Umfang und Bewegungsfreiheit des Personals östlicher Missionen (SVP-Fraktion, D.Ip. 76.430; Heimann, D.Ip. 76.432; Allgöwer, Ip. 76.436; Schwarzenbach, Ip. 76.444; Schalcher, A 76.762). Dies veranlasste Bundesrat Furgler im Oktober zu konkreten Auskünften: Der Geheimnisverrat reiche bis ins Jahr 1962 zurück und betreffe u.a. die Organisation der Gesamtverteidigung und die Kriegsmobilmachung. Der Chef] des EJPD wandte sich gegen die Einführung polizeistaatlicher Methoden zur Erhöhung der Sicherheit, räumte aber ein, dass psychologische Faktoren bei der Besetzung hoher Kommandostellen stärker gewichtet werden sollten. Nachdem die Bundesanwaltschaft (BA) ihre Ermittlungen abgeschlossen hatte, übertrug der Bundesrat den Fall im November der Militärgerichtsbarkeit. Ein Gesuch Jeanmaires um Entlassung aus der Wehrpflicht wurde abgewiesen. Als Hauptmotiv des Verrats wurde Enttäuschung über das Misslingen einer infanteristischen Karriere genannt. Zur Behebung des Schadens nahm man im EMD eine Revision der Mobilmachungspläne und die Umstrukturierung der Nachrichtenabteilung in Aussicht. Befürchtungen amerikanischer Stellen, die den Fall Jeanmaire mit der Beschaffung des Kampfflugzeugs «Tiger» in den USA in Zusammenhang brachten, gaben Anlass zu Klarstellungen durch Vertreter des EMD in Washington. Schwerer wog jedoch da und dort der Verlust an Vertrauen in die Institutionen, deren Wachsamkeit und Strenge sich zu sehr auf offene Militärgegner zu konzentrieren schien.

Urteil des Divisionsgerichts im Fall Jeanmaire

In der Affäre Jeanmaire fällte das zuständige Divisionsgericht im Juni ein überraschend hartes Urteil: Mit 18 Jahren Zuchthaus ging es weit über den Strafantrag hinaus. In der Presse wurde die Strenge im Allgemeinen anerkannt, wenn es auch an Rufen nicht fehlte, man müsse aus dem Fall Konsequenzen für die militärische Beförderungspraxis ziehen. Verbreitete Kritik erntete die äusserst restriktive Information durch das Gericht. Über den Inhalt des Geheimnisverrats erfuhr man nichts Neues. Die schon im Vorjahr verbreitete These, der Verurteilte habe über geheime Beziehungen der Schweiz zur NATO Auskunft gegeben, trat wieder auf und gab Anlass zu einem neuen Dementi des EMD. Von offizieller Seite wurde festgestellt, man bereite sich zwar in den Führungsstäben intern auf ein Zusammengehen mit einer Drittmacht im Fall eines Angriffs auf die Schweiz vor, schliesse aber eine vorsorgliche Verständigung aus. Dass es allerdings in den Bereichen der Waffenbeschaffung und des Besuchs von Militärschulen aus verschiedenen Gründen Beziehungen zu Mitgliedern der NATO, nicht aber zu solchen des Ostblocks gibt, wurde in der Presse vermerkt. Immerhin konnten im Juli erstmals schweizerische Beobachter – aufgrund der Vereinbarungen der Europäischen Sicherheitskonferenz (KSZE) von 1975 – sowjetischen Manövern beiwohnen.

Einschränkungen für die Ausländerkontakte von Militärpersonen ab Sommer 1977

Bereits im Sommer verfügte das EMD Einschränkungen für die Ausländerkontakte von Militärpersonen. Gleichzeitig beunruhigten Funktionäre des Nachrichtendienstes die Öffentlichkeit, indem sie durch die Presse Verdächtigungen gegen leitende Beamte ihres Dienstzweiges verbreiten liessen. Während die Angelegenheit departementsintern untersucht wurde, äusserten Vertreter des EMD die Ansicht, dass der Wirbel im wesentlichen auf Unzufriedenheit über administrative Umdispositionen zurückzuführen sei. Von verschiedener Seite wurde überdies eine Reduktion des Personals überdotierter ausländischer Botschaften gewünscht; der Chef des EPD bezeichnete solche Begehren jedoch als unangebracht. Zur Beförderungspraxis der Armee veröffentlichte ein Journalist eine pointierte Kritik, die sich auf Aussagen militärischer und politischer Persönlichkeiten berief, von diesen aber als zu einseitig zurückgewiesen wurde.

Angelegenheit Jeanmaire, Bericht der GPK-NR und MK-NR (PAG 77.073)

Die parlamentarische Arbeitsgruppe, die sich mit der Abklärung politischer und administrativer Aspekte der Affäre zu beschäftigen hatte, legte im Herbst ihren Bericht vor. Dieser bestätigt das Ungenügen des Auswahlverfahrens, das Jean-Louis Jeanmaire bis in den Generalsrang steigen liess, betont jedoch, dass Bundesrat Gnägi nach seinem Amtsantritt Verbesserungen einführte. Er verlangt aber weitere Reformen, namentlich eine sorgfältige Charakteranalyse. Insbesondere soll auch die Qualität des Instruktionskorps gehoben werden, damit die Instruktorenlaufbahn an Attraktivität gewinnt und sich die Auswahl für die höchsten Posten verbreitert. Zur Verstärkung der Spionageabwehr schlägt der Bericht einen Ausbau der zuständigen Organe und eine bessere Kontrolle der Kontakte zwischen Geheimnisträgern und ausländischen Funktionären vor, ebenso eine offenere Information über Spionagefälle trotz möglichen Vergeltungsmassnahmen der betroffenen Staaten gegenüber schweizerischen Missionen. Konkrete Anträge werden jedoch den Geschäftsprüfungs- (GPK-NR und GPK-SR) und Militärkommissionen (MK-NR und MK-SR) überlassen.

Die öffentlichen Auseinandersetzungen um die Affäre Jeanmaire fanden im Frühjahr mit weiteren Parlamentsdebatten ihren Abschluss. Beide Räte stimmten dem Bericht der 1976 gebildeten Arbeitsgruppe zu und ebenso den Beschlüssen der Geschäftsprüfungs- (GPK-NR und GPK-SR) und Militärkommissionen (MK-NR und MK-SR), sie würden die wesentlichen Punkte weiter verfolgen, insbesondere Organisation von Nachrichtendienst und Spionageabwehr, Kontakte von Geheimnisträgern mit Ausländern, Qualifikations- und Beförderungswesen in der Armee sowie erforderliche militärische Massnahmen. Der Nationalrat verlangte überdies in einer Motion, dass man die Spionagebekämpfung auf die Höhe der Zeit bringe. Bundesrat Furgler sicherte dies zu, versäumte dabei aber nicht, auf eine Lockerung des Personalstopps zu dringen. Ein Rückweisungsantrag Schwarzenbachs (Rep. ZH), der präzisere Auskünfte forderte, erntete wenig Echo. In Bezug auf die Beförderungspraxis herrschte im Parlament die Meinung vor, die nötigen Verbesserungen seien zur Hauptsache schon getroffen. Das Gerichtsurteil gegen Jeanmaire wurde mit der Abweisung der Kassationsbeschwerde rechtskräftig.

Kosequenzen aus dem Fall Jeanmaire, Berichte der GPK-NR und MK-NR (PAG 79.028)

Dossier: Affäre Bachmann

Über die Spionageaffäre Jeanmaire wurde mit der Vorlage eines ausführlichen Berichts über die zu ziehenden Konsequenzen der Schlussstrich gezogen. Obschon man erkannte, dass es auch in Zukunft unmöglich sein wird, fremden Nachrichtendienst generell zu verhindern, so erachteten die Geschäftsprüfungs- (GPK-NR) und die Militärkommission (MK-NR) des Nationalrates in ihrem Rapport doch in zwei Punkten Reformen für angebracht. Einerseits soll der personell unterdotierte schweizerische Nachrichtendienst (NDB) ausgebaut werden, anderseits aber auch das in der Armee herrschende Beförderungssystem, dessen Mängel gerade in dieser Angelegenheit offen zu Tage getreten sind, neu überprüft werden. Die Dringlichkeit von diesbezüglichen Reformen wurde vor allem auch durch das an Peinlichkeit kaum mehr zu übertreffende Vorgehen Oberst Bachmanns unterstrichen, der es für nötig erachtete, einen Untergebenen zum Auskundschaften der österreichischen Armee, die hohe schweizerische Offiziere zu ihren Manövern eingeladen hatte, abzuordnen. Das EMD, das Bachmann sofort in seinem Dienst einstellte, versuchte die Angelegenheit als Einzelfall darzustellen, es wurde jedoch bekannt, dass der Nachrichtenoffizier bereits früher ähnliche Aufträge erteilt hatte.

Affaire Bachmann, Rapport de la CdG-CN (OP 80.073)

Dossier: Affäre Bachmann

Au terme d'une pénible enquête, toute la lumière aurait été faite sur le désordre qui régnait au sein des services de renseignement avant l'éclatement de l'affaire Bachmann. Présidé par le radical vaudois Jean-Pascal Delamuraz, le groupe de travail de la Commission de gestion du National (CdG-CN), formé pour compléter les investigations entreprises par la section DMF de ce même organe, a présenté son rapport au début de l'année. Ce document innocente le colonel Albert Bachmann mais ne ménage pas ses aptitudes personnelles. La négligence des supérieurs de cet officier à l'époque des faits y est sévèrement critiquée. Lors du long débat dont le rapport a fait l'objet au National, la gauche s'est déclarée insatisfaite, alors que des réserves confinant au reproche étaient exprimées par la droite radicale, libérale et agrarienne à l'adresse des avocats d'un contrôle parlementaire plus serré des activités de renseignement. Quant au colonel, il a été mis à pied à la fin de 1980, mais n'a pas subi de poursuites, au contraire des subalternes qui avaient dévoilé ses agissements. C'est pourquoi, malgré le nouveau départ pris par le Groupement renseignement et sécurité sous la direction du divisionnaire Mario Petitpierre, l'affaire a laissé un arrière-goût à gauche et dans la presse. Personnage central d'un épisode plus ancien, l'ex-brigadier Jean-Louis Jeanmaire, de sa prison, a cherché à provoquer un regain d'attention; suivi d'une question Silvio Bircher (Q 81.638).

Rapport de la CEP DMF à propos de l'affaire Jeanmaire

La CEP II, ayant vu son mandat élargi par l'attribution, par les Bureaux des Conseils, de la pétition demandant une nouvelle évaluation de l'affaire Jeanmaire, décida, à ce propos, de rendre un rapport distinct dans le courant de 1991. Rappelons que le brigadier Jean-Louis Jeanmaire fut condamné à 18 ans de réclusion pour trahison en 1977. Après avoir purgé les deux tiers de sa peine, il fut libéré; deux demandes de révision de son procès, en 1984 et 1986, échouèrent.

En mars, la CEP DMF a présenté son rapport sur l'affaire Jeanmaire. Dans ses conclusions, elle s'est déclarée en faveur d'une publication des chefs d'accusation et du jugement subséquent, ce d'autant que l'ex-brigadier Jeanmaire, dont les droits de la personnalité seraient atteints par cette démarche, l'a approuvé et souhaité. Elle a donc demandé, par le biais d'un postulat, que ces différents points soient communiqués à l'attention du public, et a également sollicité la levée du secret militaire pesant sur l'ensemble des dossiers de la procédure, afin que l'intéressé puisse en prendre connaissance. Le Conseil des Etats accéda partiellement à cette demande en transmettant ce deuxième point du postulat, tandis que le Conseil national souscrivit entièrement au souhait de la CEP DMF et transmit le texte.
Dans ses considérations, la CEP DMF a livré quelques informations supplémentaires. Ainsi, elle n'a constaté, dans le cadre de son mandat, aucun acte incorrect de la part du Ministère public de la Confédération. Elle n'a, de même, trouvé aucun témoignage permettant d'accréditer la thèse selon laquelle l'affaire Jeanmaire aurait servi à détourner les soupçons de l'existence d'un autre traître au sein du GRS (Groupement renseignements et sécurité).

Decès du brigadier Jeanmaire

Sur le point de demander une troisième révision de son procès, le brigadier Jeanmaire, condamné pour espionnage en 1977, est décédé en début d'année. L'affaire n'est néanmoins pas close, son fils ayant décidé de poursuivre cette procédure.