Geld-, Geldmengenpolitik 1990-1999

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Die Geldpolitik der Nationalbank geriet im Berichtsjahr noch stärker unter Beschuss als im Vorjahr. Zum einen machte sich eine gewisse Ungeduld bemerkbar, da trotz der restriktiven Politik die Teuerung weiter anstieg. Zum anderen wurde aber – zum Teil von den selben Personen – eine Lockerung verlangt, um das Abgleiten in eine Rezession zu verhindern. Der Bundesrat stärkte jedoch der Nationalbank im allgemeinen den Rücken und betonte mehrmals, dass das Ziel der dauerhaften Preisstabilität nur über eine Politik des knappen Geldes erreicht werden könne. Die Gefahr einer dadurch ausgelösten Stagflation schien ihm noch im November wenig wahrscheinlich.

In Anbetracht der konjunkturellen Überhitzung, der zunehmenden Teuerung und dem Ende 1989 eingetretenen Kursverlust des Schweizer Frankens setzte die Nationalbank ihre Politik des knappen Geldes fort und verschärfte um den Jahreswechsel 1989/90 ihren Kurs noch. Als sich im Jahresverlauf eine Verflachung des Wirtschaftswachstums abzeichnete und sich der Franken von seiner Schwäche wieder erholt hatte, lockerte sie die Zügel etwas, ohne jedoch einen grundlegenden Kurswechsel vorzunehmen. Die bereinigte Notenbankgeldmenge nahm nicht wie vorgesehen um 2 Prozent zu, sondern lag im letzten Quartal um 2.6 Prozent tiefer als vor Jahresfrist. Die einzelnen Aggregate entwickelten sich ähnlich wie 1989: Die Geldmenge M1 (Bargeldumlauf und Sichteinlagen) lag im Durchschnitt um 5.0 Prozent unter dem Vorjahresstand und widerspiegelte das Abfliessen der Gelder in Termineinlagen und andere höher verzinste Anlageformen. Bei der Geldmenge M3, welche zusätzlich auch die Termin- und Spareinlagen umfasst, verlangsamte sich das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr weiter und machte im Jahresdurchschnitt noch 2.5 Prozent aus.

Die Unsicherheit des internationalen Umfeldes veranlasste die Nationalbank, auf die Formulierung eines exakten Geldmengenzieles für 1991 zu verzichten. Die technischen Änderungen im Zahlungsverkehr beeinträchtigten zudem die Aussagekraft der Notenbankgeldmenge. Die Nationalbank will diese aber weiterhin zumindest als mittelfristigen geldpolitischen Indikator verwenden. Allerdings hat sie die als optimal erachtete Expansionsrate dieses Indikators von bisher 2 Prozent auf 1 Prozent korrigiert.

Die Nationalbank hatte für 1991 erstmals die angestrebte Expansionsrate der Geldmenge nicht exakt beziffert, sondern angegeben, dass sie ein mittelfristiges Wachstum der Notenbankgeldmenge von rund 1 Prozent im Jahresmittel erreichen wolle. Diese Wachstumsrate ist aus technischen Gründen etwas kleiner als die als optimal erachtete reale Wirtschaftsentwicklung. Die für einen Zeitraum von 3 bis 5 Jahren geltende Zielvorgabe soll es erlauben, weiterhin die Teuerungsbekämpfung als Hauptziel der Geldmengenpolitik zu verfolgen, aber genügend flexibel zu bleiben, um auf kurzfristige Wechselkursstörungen zu reagieren. Für 1992 sah die Nationalbank im Einvernehmen mit dem Bundesrat keinen Anlass für eine Kursänderung.

Nachdem im Vorjahr die Geldmenge geschrumpft war, steuerte die Nationalbank im Berichtsjahr wieder einen etwas expansiveren Kurs. Im letzten Quartal lag die saisonbereinigte Notenbankgeldmenge um 1.4 Prozent über dem Vorjahresstand (1990: –2.6%). Auch die anderen Aggregate expandierten: M1 nahm im gleichen Zeitraum um 0.6 Prozent (1990: –1.6%) und M3 um 3.3 Prozent (1990: +2.2%) zu. Diese Geldmengenexpansion lag leicht über den mittelfristigen Zielvorgaben, blieb jedoch im internationalen Vergleich gering. Das Wachstum erfolgte nicht gleichmässig: es fand vor allem im ersten Quartal statt, anschliessend zwang der Kursverlust des Schweizer Frankens die Nationalbank wieder zu einem restriktiveren Kurs. Dass die Inflation trotz dieser Politik des knappen Geldes auf ihrem hohen Stand blieb, führte die Nationalbank insbesondere auf zwei Faktoren zurück: den starken Anstieg der Lohnkosten und die witterungsbedingten Preissteigerungen bei den Nahrungsmitteln.

Die Geldmengenpolitik der Nationalbank liess sich namentlich in der ersten Jahreshälfte weiterhin als restriktiv charakterisieren. Den Hintergrund dafür bildete nicht nur das Festhalten am Ziel der Bekämpfung der Binnenteuerung, sondern auch das Bemühen, die für das Preisniveau der Importgüter wichtige Wechselkursrelation zur Deutschen Mark relativ konstant zu halten. In der ersten Jahreshälfte hatten die immer noch hohe Inflationsrate und der sinkende Frankenkurs die Nationalbank zu einem Festhalten an ihrer restriktiven Politik veranlasst. In der zweiten Jahreshälfte erlaubte dann der Rückgang der Inflationsrate und die für den Schweizer Franken positive Entwicklung auf den Devisenmärkten eine leichte Lockerung. Die bereinigte Notenbankgeldmenge nahm vom vierten Quartal 1991 bis zur selben Periode des Berichtsjahres nicht wie geplant zu, sondern bildete sich um rund 1 Prozent zurück. Die Geldmenge M1 expandierte in diesem Zeitraum zwar um 2.7 Prozent, im Jahresdurchschnitt fiel die Steigerung mit 0.3 Prozent allerdings gering aus.

Für einige Kritiker war freilich diese leichte Lockerung angesichts der sich markant verschlechternden Konjunkturlage ungenügend. In der Herbstsession des Nationalrats forderte die Fraktion der Grünen den Bundesrat mit einer Dringlichen Interpellation (Ip. 92.3383) auf, sich bei der Nationalbank für eine Lockerung der Geldmengenpolitik einzusetzen. Die SVP-Fraktion verlangte ebenfalls eine weniger restriktive Politik (Ip. 92.3380). Allerdings präzisierte ihr Sprecher in der Debatte, dass dieses Ziel erreicht werden könnte, wenn die Nationalbank auf die Verfolgung wechselkurspolitischer Ziele verzichten und sich auf eine autonome schweizerische Geldmengenpolitik beschränken würde. Der Bundesrat stellte sich vollumfänglich hinter die Notenbankpolitik und lehnte politische Interventionen ab. Insbesondere hielt er fest, dass er mit der Nationalbank übereinstimme, dass nur mit einer auf Geldwertstabilität ausgerichteten Strategie auf die Dauer ein tiefes Zinsniveau erreicht werden könne. Da die Nationalbank bereits vorher mit zwei Diskontsatzsenkungen ein Lockerungssignal gegeben hatte, waren die Forderungen der GP und der SVP bei ihrer parlamentarischen Behandlung ohnehin nicht mehr besonders aktuell.

Nachdem das Geldmengenwachstum im Mittel der drei vorangegangenen Jahre unter dem anvisierten Ziel von 1. Prozent gelegen hatte, setzte die Nationalbank im Berichtsjahr ihre Mitte 1992 leicht gelockerte Politik fort. Die saisonbereinigte Notenbankgeldmenge war im vierten Quartal um 2.8 Prozent grösser als im Vorjahr. Auch für 1994 strebt die Nationalbank ein Geldmengenwachstum an, das geringfügig über dem mittelfristigen Ziel liegt.

Die saisonbereinigte Notenbankgeldmenge stieg zu Jahresbeginn noch stark an, bildete sich dann aber stetig zurück. Sie lag im vierten Quartal um 0.6 Prozent über dem Vorjahresstand. Die Nationalbank gab bekannt, dass sie auch 1995 ihre restriktive Geldpolitik fortführen wolle. Angesichts des erwarteten realen Wirtschaftswachstums von rund zwei Prozent strebe sie eine leicht über der mittelfristig als optimal erachteten Wachstumsrate von ein Prozent liegende Ausweitung der saisonbereinigten Notenbankgeldmenge an.

Die saisonbereinigte Notenbankgeldmenge stieg im Berichtsjahr etwas stärker an als im Vorjahr. Sie lag im vierten Quartal um 1.4 Prozent über dem Vorjahresstand (1994: 0.6%); damit konnte jedoch das Ende 1994 formulierte Wachstumsziel von zwei Prozent nicht ganz erreicht werden. Die Nationalbank gab bekannt, dass sie auch 1996 eine leicht gelockerte Geldpolitik verfolgen wolle, um wieder auf den langfristig als optimal angesehenen Wachstumspfad von plus ein Prozent zu gelangen. Sie strebe deshalb wie 1995 eine Ausweitung der saisonbereinigten Notenbankgeldmenge um etwas mehr als ein Prozent an.

Dieser expansive Kurs war auch vom Parlament gefordert worden. Unter dem Eindruck der anhaltend schlechten Wirtschaftslage hatte der Nationalrat in der Frühjahrssession seinem Wunsch nach einer stärkeren Lockerung der Geldpolitik Ausdruck gegeben. Gegen den Antrag des Bundesrates, der vor dem Aufbau eines Inflationspotentials warnte, überwies er ein entsprechendes Postulat Kühne (cvp, SG), das zusätzlich auch noch eine Ausrichtung der Währungspolitik auf das Europäische Währungssystem (EWS) oder die DM anregte.

Die Nationalbank kündigte an, dass sie auch 1998 ihren geldpolitischen Kurs nicht straffen werde, da nur eine geringe Inflationsgefahr bestehe. Man wolle auf jeden Fall nicht das Risiko eingehen, mit einer Geldverknappung und den sich daraus ergebenden Zinssteigerungen die sich abzeichnende Konjunkturerholung abzuwürgen. Auf ein näher definiertes Geldmengenziel legte sie sich nicht fest. SNB-Präsident Meyer wies aber darauf hin, dass bei allfälligen Wechselkursturbulenzen, wie sie namentlich in Zusammenhang mit der Einführung der gemeinsamen europäischen Währung Euro nicht auszuschliessen seien, die Nationalbank kurzfristig auch währungspolitische Ziele verfolgen werde.

Die weiterhin ungünstige Wirtschaftslage veranlasste die Nationalbank, ihre grosszügige Geldpolitik des Vorjahres auch 1997 fortzusetzen. Insbesondere während des ersten Halbjahres versuchte sie, mit einer reichlichen Geldversorgung die kurzfristigen Zinsen tief zu halten und damit eine für die Exportwirtschaft schädliche Höherbewertung des Frankens zu verhindern. Das Geldmengenwachstum hat sich deshalb im Berichtsjahr beschleunigt, es lag aber nach Angaben der Nationalbank immer noch in einem Bereich, der längerfristig die Preisstabilität nicht gefährdet.

Die Nationalbank gab bekannt, dass sie auch 1999 ihren grosszügigen und (in bezug auf Reaktionen auf Wechselkursschwankungen) pragmatischen Kurs in der Geldpolitik beibehalten werde. Nicht zuletzt mit dem Verweis, dass die Interpretation des zentralen Steueraggregats Notenbankgeldmenge immer schwieriger werde und man sich deshalb an kurzfristig weniger genau prognostizierbare Aggregate wie die Geldmenge M³ halten müsse, verzichtete die SNB auch dieses Jahr auf die Angabe eines exakt bezifferten Geldmengenziels für 1999.

Die Nationalbank vollzog den letzten Schritt auf dem Weg zur Abkehr vom klassischen Konzept der Geldmengenpolitik mit Angabe einer Zielgrösse für das Geldmengenwachstum. Infolge diverser Veränderungen auf den Finanzmärkten und bei den Zahlungsgebräuchen waren Geldmengenaggregate in den letzten Jahren als Indikator und als Steuerungsinstrumente zusehends unzuverlässig geworden. Die SNB gab bekannt, dass sie in Zukunft ihre Entscheide auf eine Inflationsprognose stützen werde. Als Grundlage dafür soll eine jeweils zu Jahresende erstellte Dreijahresprognose dienen. Weiterhin oberstes Ziel der Geldpolitik bleibt dabei die Preisstabilität, wobei die Nationalbank als obere Stabilitätsgrenze eine Inflationsrate von zwei Prozent angab. Bei der Umsetzung werde sie sich am Geldmarktzins  orientieren und nicht mehr an Geldmengenaggregaten. Für das Jahr 2000 plante sie eine leicht restriktivere Politik, um eine allfällige, durch den guten Konjunkturverlauf begünstigte Inflation zu verhindern.