Bäuerliches Bodenrecht (BRG 88.066)

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Der Bundesrat eröffnete das Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf für ein Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht, welches verhindern soll, dass Landwirtschaftsbetriebe weiterhin zweckentfremdet, zerstückelt und zu übersetzten Preisen von Spekulanten und Kapitalanlegern erworben werden. Kernpunkt des Entwurfs ist die Bestimmung, dass grundsätzlich nur noch Selbstbewirtschafter ein landwirtschaftliches Gewerbe oder Grundstück erwerben können – und zwar zu einem tragbaren Preis; dazu werden Höchstpreisvorschriften sowie bundesrechtliche Bewilligungsverfahren für den Erwerb vorgeschlagen. Positiv überrascht über diesen Vorschlag zeigten sich die Initianten der «Stadt-Land-Initiative gegen die Bodenspekulation»; sie waren jedoch nicht bereit, ihr Begehren zurückzuziehen, da einerseits im Entwurf wichtige Bereiche wie das Mietwesen fehlen und andrerseits damit gerechnet werden muss, dass die Vorlage im Vernehmlassungsverfahren und in den parlamentarischen Verhandlungen noch abgeändert wird.

1987 konnte das Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf für ein neues Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht abgeschlossen werden. Unbestritten blieb dabei die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes, über dessen Ausgestaltung gingen die Meinungen jedoch diametral auseinander. Grundsätzlich einverstanden mit dem Entwurf zeigten sich vorab der Schweizerische Bauernverband, die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Bergbevölkerung, die CVP, die SPS und die SVP. Insbesondere befürworteten diese die Bestimmungen, die festhalten, dass der Erwerb von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken Selbstbewirtschaftern zu einem tragbaren, auf dem Ertragswert basierenden Preis reserviert sein soll. Die SPS forderte darüber hinaus einen Dringlichen Bundesbeschluss, um Spekulationskäufe in der Ubergangsphase bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zu verhindern. Auf der anderen Seite standen die Wirtschaftsverbände zusammen mit der FDP, für die die Erwerbsbeschränkung und die Preislimitierung unhaltbare Eingriffe in den traditionellen Eigentumsbegriff bedeuten. Sukkurs erhielten sie dabei vom Schweizerischen Anwaltsverband, der die umstrittenen Bestimmungen gar als verfassungswidrig, weil gegen die Handels- und Gewerbefreiheit verstossend, betrachtete.

Auf Anregung des Schweizerischen Bauernverbandes will nun der Bundesrat das Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht noch vor der im Jahr 1988 anberaumten Abstimmung über die «Stadt-Land-Initiative» als indirekten Gegenvorschlag mit einer Botschaft vorstellen. Der neue Entwurf soll von Alt-Bundesrat Friedrich (fdp) ausgearbeitet werden und den Vernehmlassungsantworten Rechnung tragen.

Sechs Wochen vor der Abstimmung über die «Stadt-Land-Initiative» verabschiedete der Bundesrat als indirekten Gegenentwurf die Bundesgesetze über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) sowie über die Teilrevisionen des ZGB (Immobiliarsachenrecht) und des OR (Grundstückkauf). Das BGBB regelt den Rechtsverkehr mit landwirtschaftlichem Boden, hat Gültigkeit für Grundstücke und Gewerbe in der Landwirtschaftszone und fasst Bestimmungen von fünf verschiedenen Gesetzen neu in einem Erlass zusammen. Im Zentrum der Zielsetzungen stehen die Erhaltung der bäuerlichen Familienbetriebe und die Erleichterung des Erwerbs von landwirtschaftlichen Gewerben durch den Selbstbewirtschafter zu tragbaren Bedingungen. Vorgesehen sind dazu ein erweitertes Vorkaufsrecht für Familienangehörige bei jeder Veräusserung, wobei der Selbstbewirtschafter das Gewerbe zu Vorzugsbedingungen – Zuweisung oder Kaufsrecht zum Ertragswert – übernehmen kann. Das Vorkaufsrecht soll auch den Pächtern zustehen, jedoch ohne Vorzugspreis und ohne die Möglichkeit einer Anfechtung eines übersetzten Verkaufspreises. Bei Verkäufen ausserhalb der Familien soll anstelle des ursprünglich vorgesehenen Bewilligungsverfahrens die bisher in 17 Kantonen bestehende Einsprachemöglichkeit, namentlich der Behörden, generell eingeführt werden, allerdings mit einer engen Fassung des Kreises der Einspracheberechtigten, ohne Verbandsbeschwerde und ohne Publikationspflicht der Handänderungen. Der Erwerb landwirtschaftlichen Bodens wäre dann unzulässig, wenn dabei übersetzte Preise verlangt würden, wenn er überwiegend der Kapitalanlage oder der Spekulation diente und wenn daraus eine übermässige Konzentration von landwirtschaftlichem Grundbesitz resultieren würde. Ein Kaufpreis gälte als übersetzt, wenn er über dem Durchschnitt der innerhalb der letzten fünf Jahre in der gleichen Gegend bezahlten Summen läge. Damit soll die Nachfrage nach landwirtschaftlichem Land eingeschränkt, der spekulative Wiederverkauf verhindert und eine Beruhigung des Bodenmarktes erreicht werden, weshalb auf die Einführung von Höchstpreisvorschriften verzichtet wurde. Als flankierende Massnahmen untersagt der Entwurf zudem die freiwillige Versteigerung landwirtschaftlichen Bodens. Im weitern soll die Zerstückelung von Grundstücken unter ein bestimmtes Mass und die Realteilung von landwirtschaftlichen Gewerben bei Veräusserung und Erbteilung untersagt werden. Die Neudefinition eines landwirtschaftlichen Gewerbes umfasst Haupterwerbsbetriebe der landwirtschaftlichen Produktion und des produzierenden Gartenbaus. Die Kantone hätten die Kompetenz, auch Nebenerwerbsbetriebe den Bestimmungen zu unterstellen.

Der Entwurf für ein neues BGBB vermochte nur wenige zu überzeugen und wurde als ungenügende Alternative zur «Stadt-Land-Initiative» eingeschätzt. Während die FDP voll dahinter stand, zeigten sich die übrigen Bundesratsparteien unbefriedigt und der Schweizerische Bauernverband erachtete die Erwartungen der Landwirtschaft als nicht erfüllt. Er verabschiedete seinerseits bodenpolitische Grundsätze als Alternative zur «Stadt-Land-Initiative».

Das im Vorjahr vorn Bundesrat vorgelegte Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht wurde in erster Lesung von der Kommission des Ständerates beraten. Bei der Neudefinition des Haupterwerbsbetriebs strich sie das Kriterium, wonach der Ertrag mehr als die Hälfte des Erwerbseinkommens ausmachen muss. Erben, die den Hof nicht selber bewirtschaften wollen, sollen kein Recht auf einen Vorzugspreis erhalten. Ein zentraler Punkt der Vorlage stellt das Verfahren für den Verkauf ausserhalb der Familie dar. Weil sie einen zu grossen administrativen Aufwand befürchtete, schloss sich die Kommission der Bundesratsvariante an und sprach sich bloss für ein Einspracheverfahren aus; sie strich zudem das Kriterium des Erwerbs zum Zweck der Kapitalanlage aus der Liste der Einsprachegründe gegen den Erwerb landwirtschaftlichen Bodens. Der Erwerbspreis soll generell dann als übersetzt gelten, wenn die Preise von vergleichbaren Grundstücken in der betroffenen Region überstiegen werden.

Als Erstrat trat der Ständerat in der Frühjahrssession auf das 1988 vom Bundesrat vorgelegte Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht ein. Wie bereits in der Ständeratskommission war auch im Rat selber die Frage, ob das von der Kommissionsmehrheit vorgesehene und in einigen Kantonen bereits praktizierte Einsprache durch das restriktivere Bewilligungsverfahren für den Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstückes oder Gewerbes ersetzt werden solle, am heftigsten umstritten. Mit 20 zu 17 Stimmen wurde dieser Artikel schliesslich an die Kommission zurückgewiesen und diese beauftragt, ein Bewilligungsverfahren auszuarbeiten.
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Nachdem die Kommission die Bestimmungen im vorgegebenen Sinn bereinigt hatte, konnte die Vorlage in der Herbstsession zur endgültigen Beratung kommen. Hier wurde auf Antrag Zimmerlis (svp, BE), welcher bereits die Kommissionsminderheit in der Verfahrensfrage angeführt hatte, entgegen der Vorlage der Kommissionsmehrheit die Privilegierung des Selbstbewirtschafters festgeschrieben, indem die Bewilligung verweigert werden muss, wenn «der Erwerber nicht Selbstbewirtschafter ist», der Käufer nach dem Handel mehr Land hätte, als für «eine überdurchschnittlich gute Existenz einer bäuerlichen Familie» nötig ist oder das Grundstück ausserhalb des «ortsüblichen Bewirtschaftungsbereichs» liegt. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind jedoch zulässig, namentlich, wenn der Erwerb der Schaffung oder Arrondierung eines Pachtbetriebes oder einer Versuchsanstalt dient sowie zur Gewährleistung einer vernünftigen Bodenpolitik durch die öffentliche Hand. Zu verweigern ist die Bewilligung schliesslich auch, wenn ein «übersetzter Preis» vereinbart wurde, wobei über die Definition eines solchen Preises zwischen dem Ständerat und der vorberatenden Kommission des Nationalrats zur Zeit noch Uneinigkeit besteht. In dieser Form wurde das Gesetz vom Ständerat mit 24 zu 5 Stimmen verabschiedet.

Ende Oktober nahm auch die Nationalratskommission die Beratungen, welche sie unterbrochen hatte, um die Entscheidung der kleinen Kammer abzuwarten, wieder auf und verabschiedete Ende Dezember eine Fassung, welche weitgehend derjenigen des Ständerats entspricht, mit der gewichtigen Ausnahme jedoch, dass das Gesetz auch auf die Nebenerwerbsbetriebe ausgedehnt werden soll.

Während die Privilegierung des Selbstbewirtschafters in den Räten grundsätzlich unbestritten war, konnten sich beide Kammern in der Frage der Einbeziehung von Nebenerwerbsbetrieben in das Gesetz, welches Bundesrat und Ständerat ursprünglich auf die Haupterwerbsbetriebe hatten beschränken wollen, auf den vom Nationalrat bereits in der Januarsession gefundenen Kompromiss einigen. Nachdem dort der Antrag einer von Vollmer (sp, BE) geführten Kommissionsminderheit auf Einbeziehung jener Betriebe, deren Ertrag «namhaft zum Einkommen einer bäuerlichen Familie beiträgt» nur mit Stichentscheid des Präsidenten Bremi (fdp, ZH), bei einem Patt von je 92 Stimmen, abgelehnt worden war, begrenzte der Rat den Geltungsbereich des Gesetzes auf Betriebe, die mindestens die halbe Arbeitskraft einer bäuerlichen Familie beanspruchen. Mit dieser Entscheidung folgte der Rat der Forderung Bundesrat Kollers nach Strukturanpassungen im Bereich der Landwirtschaft, welche gerade im Hinblick auf den zukünftigen Europäischen Wirtschaftsraum und das GATT unausweichlich würden.

Bis zuletzt umstritten war dagegen die Frage, wann ein – von Gesetzes wegen unzulässiger – «übersetzter Preis» für den Erwerb landwirtschaftlichen Bodens vorliege. Nachdem der Nationalrat der kleinen Kammer entgegengekommen war, indem er auf eine numerisch unbestimmte Umschreibung verzichtete, reduzierte diese ihre ursprünglich weiter gehenden Forderungen. Demnach gilt ein Erwerbspreis nunmehr als übersetzt, wenn er die Preise der betreffenden Region im Mittel der letzten fünf Jahre um mehr als 5 Prozent übersteigt.

Nachdem bereits im April von einem dem «Centre patronal» nahestehenden «Verein zum Schutz des landwirtschaftlichen Grundeigentums» das Referendum angedroht worden war, wurde dieses nach Abschluss der parlamentarischen Beratungen von einem insbesondere von bürgerlichen Parlamentariern aus der Romandie, der Arbeitgeberseite sowie der LP getragenen Komitee lanciert. Unbehagen löste das neue Gesetz aber auch in Kreisen der Landwirtschaft aus, insbesondere den Landwirtschaftsverbänden der Westschweiz. Während der Schweizerische Bauernverband die Neuordnung des bäuerlichen Bodenrechts akzeptierte, entschloss sich die einflussreiche, grossbäuerlich geprägte «Chambre vaudoise d'agriculture» im November, das Referendum zu unterstützen. Die Kritik der Gegner des revidierten bäuerlichen Bodenrechts richtet sich insbesondere gegen das Selbstbewirtschafterprinzip, welches einen Grossteil des nutzbaren Bodens einer kleinen Minderheit vorbehalte, damit die Eigentumsfreiheit untergrabe und so letztlich den geforderten Strukturwandel in der Landwirtschaft verunmögliche.

In der Herbstsession wurde das Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht sowie das dazugehörige Bundesgesetz über die Teilrevision des Zivilgesetzbuches und des Obligationenrechts von beiden Kammern mit grosser Mehrheit verabschiedet. Dieser Annahme war jedoch ein zum Teil langwieriges Differenzbereinigungsverfahren vorausgegangen, in dessen Verlauf sich drei Hauptproblemfelder herauskristallisiert hatten: das Selbstbewirtschafterprinzip, die Ausdehnung des Gesetzes auf Nebenerwerbsbetriebe sowie die Preisbestimmungen.

Das Referendum, welches letztes Jahr von Arbeitgeberseite sowie bürgerlichen Parlamentariern, insbesondere aus der Romandie, und dortigen Landwirtschaftsverbänden gegen das neue bäuerliche Bodenrecht ergriffen worden war, wurde im Januar mit 60'871 gültigen Unterschriften eingereicht. Mit 44 Prozent war der Anteil der Unterschriften aus der Romandie, insbesondere der Waadt, überproportional hoch.

Zuhanden der Abstimmung hatten unter den Parteien FDP und LP, aber auch AP und EDU (nicht jedoch die SD) und – etwas überraschend – der LdU die Nein-Parole ausgegeben. Der negative Beschluss des LdU wurde freilich von dessen Jungpartei sowie von vier kantonalen Parteigruppen nicht mitgetragen. Auch bei den übrigen Parteien standen den Parolen der gesamtschweizerischen Parteiführungen auf kantonaler Ebene zahlreiche Abweichungen gegenüber. In sich gespalten waren besonders die bürgerlichen Parteien, während sich innerhalb von SP und Grünen keine Opposition erhoben hatte. Unter den Verbänden wurde das neue bäuerliche Bodenrecht neben dem Schweizerischen Bauernverband namentlich von den Gewerkschaften sowie dem Mieterverband unterstützt. Die Verbände der Arbeitgeber sowie von Industrie und Gewerbe und der Schweizerische Hauseigentümerverband lehnten es ab.


Neues bäuerliches Bodenrecht (Referendum)
Volksabstimmung vom 27. September 1992

Stimmbeteiligung: 45,7 %
Ja-Stimmen: 1'975'408 (53,6%)
Nein-Stimmen: 917'091 (46,4%)

Parolen:
Ja: CVP (9), SP, SVP (7), GP, SD (1 *), EVP; SBV, VKMB, ,SGB, CNG, Mieterverband, WWF, Heimatschutz
Nein: FDP (5), LP, AP, LdU (4), EDU; Vorort, SGV, Hauseigentümerverband
* Anzahl abweichender Empfehlungen der Kantonalparteien


Die Abstimmung vom 27. September erbrachte bei einer Stimmbeteiligung von 45,7 Prozent eine Ja-Mehrheit von 53,55 Prozent. Abgelehnt wurde die Vorlage von den Kantonen Schwyz, Obwalden, Zug, Appenzell Innerrhoden, Graubünden, Aargau, Waadt, Wallis und Jura. Erstaunlicherweise lief also der Bruch zwischen Befürwortern und Gegnern nicht entlang der Sprachgrenze, wie es aufgrund der Träger des Referendums zu erwarten gewesen wäre, sondern manifestierte sich vorwiegend zwischen konservativen, agrarisch geprägten Land- und Bergkantonen, insbesondere der Innerschweiz, und dem Rest des Landes. Gemäss der Vox-Analyse waren denn auch nicht sprachkulturelle Verschiedenheiten ausschlaggebend, sondern die Tatsache, dass es den Behörden gelungen war, politisch ungebundene Stimmberechtigte für ihre Sache zu mobilisieren. Dabei spielten bei der Entscheidungsfindung vorwiegend subjektiv-emotionale Beweggründe eine Rolle, da nur wenige der Stimmenden eine detaillierte Kenntnis der Vorlage besassen. Die Entscheidung fiel somit bei den Befürwortern aus Solidarität zur Bauernschaft und gegen eine befürchtete Spekulation beim landwirtschaftlichen Grundbesitz, während sich die Gegner gegen zusätzliche staatliche Marktregulierungen verwahrten.