Halbierung der Wohnsitzpflicht für Einbürgerung (Pa.Iv. 90.257)

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Der Nationalrat stimmte auf Antrag seiner Kommission und gegen die Opposition von Giger (fdp, SG) und Steffen (sd, ZH) einer parlamentarischen Initiative Ducret (cvp, GE) für eine Erleichterung der Einbürgerung zu. Der Vorstoss verlangt eine Halbierung der für die ordentliche Einbürgerung geforderten minimalen Wohnsitzdauer von 12 Jahren. Diese bestehende Anforderung ist im europäischen Vergleich ausserordentlich streng, nur gerade Deutschland und Österreich kennen mit zehn Jahren annähernd so hohe Barrieren. Ob mit dieser angestrebten Gesetzesänderung die Einbürgerung für die vielen jungen Ausländer, welche einen guten Teil ihrer Jugend in der Schweiz verbracht haben, attraktiver gemacht werden kann, ist allerdings fraglich. Da bereits heute die Wohnsitzjahre zwischen dem 10. und dem 20. Altersjahr doppelt angerechnet werden, stellt diese Vorschrift für die meisten von ihnen keinen Hinderungsgrund dar. Eine Erleichterung trat aber für die in der Schweiz wohnenden italienischen Staatsbürger in Kraft, indem Italien das Verbot der doppelten Staatsbürgerschaft ebenfalls aufgehoben hat.

Nachdem der Nationalrat im Vorjahr der parlamentarischen Initiative Ducret (cvp, GE) für eine Halbierung der für die Einbürgerung geforderten minimalen Wohnsitzpflicht Folge gegeben hatte, arbeitete eine Kommission einen konkreten Vorschlag aus. Sie schlug vor, die erforderliche Wohnsitzdauer für die ordentliche Einbürgerung von 12 auf 6 Jahre (wovon 3 während der letzten 5 Jahre vor der Gesuchseinreichung) zu halbieren. Dabei sollen aber die zwischen dem 10. und 20. Altersjahr in der Schweiz verbrachten Jahre nicht mehr wie heute doppelt angerechnet werden. Eine bürgerliche Minderheit in der Kommission beantragte hingegen eine Verkürzung auf 8 Jahre unter Beibehaltung der doppelten Anrechnung der Jugendjahre. Die Fristen bei den verschiedenen Formen der erleichterten Einbürgerung möchte die Kommission nicht generell verkürzen, sondern nur für Kinder mit einem schweizerischen Elternteil.

Der Bundesrat zeigte sich in seiner Stellungnahme zur parlamentarischen Initiative Ducret (cvp, GE) vom negativen Ausgang der Volksabstimmung vom 12. Juni über die erleichterte Einbürgerung beeindruckt. Er sprach sich mit dieser Begründung gegen die von Ducret angestrebte Halbierung der für die ordentliche Einbürgerung erforderlichen Wohnsitzdauer auf sechs Jahre aus.

Im Anschluss an die Behandlung einer parlamentarischen Initiative Ducret (cvp, GE), welche kürzere Fristen für die Einbürgerung von Ausländern verlangt, forderte eine Minderheit der Staatspolitischen Kommission unter Angéline Fankhauser (sp, BL) eine Gesetzesgrundlage zur Förderung der Integration der Ausländer. Da Bundesrat Koller für die kommenden Monate einen Revisionsentwurf für das Ausländerrecht in Aussicht stellte, der auch einen Integrationsartikel enthalten soll, wurde die Motion mit Einverständnis der Autorin - und gegen den Widerstand der FP - in der Postulatsform angenommen.

Der Nationalrat nahm die Behandlung der parlamentarischen Initiative Ducret (cvp, GE) aus dem Jahr 1992 wieder auf. Die Beratung war unterbrochen worden, um das Ergebnis der Volksabstimmung über die erleichterte Einbürgerung Jugendlicher abzuwarten. Nachdem diese Vorlage im Juni 1994 am Ständemehr gescheitert war, hatte der Bundesrat beantragt, den Vorschlag von Ducret, die Frist für die ordentliche Einbürgerung von 12 auf 6 Jahre zu verkürzen, nicht weiter zu verfolgen. Die nationalrätliche Kommission, welche den Antrag Ducret ursprünglich unterstützt hatte, sprach sich nun nur noch für eine Verkürzung auf 8 Jahre aus. Für Jugendliche soll die heute geforderte Mindestwohndauer bei 6 Jahren bleiben. Gegen den Widerstand der SVP, der FP und der SD – letztere drohten mit einem Referendum – beschloss der Rat Eintreten und stimmte der beantragten Verkürzung auf 8 Jahre mit 86:63 zu.

Der Ständerat sprach sich mit 21 zu 13 Stimmen gegen die vom Nationalrat im Vorjahr im Rahmen der Behandlung einer parlamentarischen Initiative Ducret (cvp, GE) beschlossene Verkürzung der Frist für die reguläre Einbürgerung von 12 auf 8 Jahre aus. Als Hauptargument wurde der negative Ausgang der Volksabstimmung über die erleichterte Einbürgerung im Jahr 1994 ins Feld geführt. Ebenfalls keine Mehrheit erreichte ein Kompromissvorschlag des Sozialdemokraten Aeby (FR), welcher den Kantonen erlauben wollte, die Frist auf minimal acht Jahre zu verkürzen. Vor der Behandlung des Geschäfts in der kleinen Kammer hatten die Schweizer Demokraten mit dem Referendum gedroht.

In der Differenzbereinigung zu der 1995 vom Nationalrat beschlossenen Verkürzung der Frist für die ordentliche Einbürgerung setzte sich der vom Ständerat vertretene Status quo durch. Zuerst stimmte der Nationalrat mit 94:64 Stimmen der von Aeby (sp, FR) 1996 in der kleinen Kammer erfolglos eingebrachten Kompromissformel einer Kantonskompetenz zur Verkürzung der minimalen Wohnsitzpflicht von zwölf auf acht Jahre zu. Obwohl der Ständerat diese Lösung ein zweites Mal ablehnte, und Keller (sd, BL) mitteilte, dass seine Partei beschlossen habe, das Referendum gegen diesbezügliche Kantonskompetenzen zu ergreifen, hielt der Nationalrat mit 76:74 Stimmen daran fest. Die nach dem dritten ablehnenden Entscheid der kleinen Kammer einberufene Einigungskonferenz stellte sich mit 13:9 Stimmen hinter den Ständerat. Damit beschränkte sich die Teilrevision des Bürgerrechtsgesetzes auf eine Liberalisierung der Voraussetzungen für die erleichterte Einbürgerung von Kindern mit einem schweizerischen Elternteil.