Volksinitiative "für eine Regelung der Zuwanderung"

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Rechtsbürgerliche Kreise um Nationalrätin Geneviève Aubry (fdp, BE) und die Nationalräte Hardi Bischof (sd, ZH), Rolf Mauch (fdp, AG), Werner Scherrer (edu, BE) und Luzi Stamm (fdp, AG) lancierten eine Volksinitiative «für eine Regelung der Zuwanderung», welche den Bundesrat verpflichten will, dafür zu sorgen, dass der Anteil der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung 18 Prozent der Gesamtbevölkerung nicht übersteigt, wobei anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber ebenso mitzuzählen wären wie Niedergelassene und Jahresaufenthalter. Zudem verlangt die Initiative, für Asylbewerber, Kriegsvertriebene, vorläufig Aufgenommene, Internierte sowie Ausländer ohne festen Wohnsitz seien alle finanziellen Anreize für den Verbleib in der Schweiz zu unterbinden.

Die von einem rechtsbürgerlichen Komitee eingereichte Volksinitiative «für eine Regelung der Zuwanderung» kam mit 121'313 gültigen Unterschriften zustande. Gemäss Initiativtext soll der Anteil der ständigen ausländischen Bevölkerung 18 Prozent nicht mehr übersteigen dürfen. Die Initiative will neu auch bisher nicht in der Statistik erscheinende Kategorien wie Asylbewerber und Kurzaufenthalter mitzählen. Die Initiative fand in der Deutschschweiz bedeutend mehr Zustimmung als in der Romandie. Nur wenige Tage nach der Einreichung dieses Volksbegehrens doppelten die Schweizer Demokraten (SD) mit der Lancierung einer weiteren Volksinitiative («Masshalten bei der Einwanderung») nach. Diese verlangt, pro Jahr nur so viele Ausländer einzulassen wie Ausländer die Schweiz verlassen.

Der Bundesrat beantragte dem Parlament, die 1995 von rechtsbürgerlichen Kreisen eingereichte Volksinitiative «für eine Regelung der Zuwanderung», welche den Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung auf 18 Prozent beschränken will, ohne Gegenvorschlag Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen. Bundespräsident Arnold Koller begründete die Haltung der Regierung vor allem mit aussenpolitischen Argumenten. Eine Annahme der Initiative würde möglicherweise das Abkommen mit der EU über den freien Personenverkehr in Frage stellen, was durchaus auch zu einer Schlechterstellung der Schweizer im Ausland führen könnte. Im weiteren gefährde die Initiative die Weiterführung der humanitären Flüchtlingspolitik. Er führte aber auch innenpolitische Motive an. Erstens habe sich aus den oben angeführten Gründen der Ausländeranteil in den letzten Jahren ohnehin bei rund 19 Prozent der Wohnbevölkerung eingependelt, womit das Ziel der Initiative mit einer geringfügigen Abweichung eigentlich erreicht sei. Eine rigorose Beschränkung auf einen gewissen Prozentsatz könnte auch dazu führen, dass der Wirtschaftsstandort Schweiz nicht mehr genügend Fachkräfte aus dem Ausland rekrutieren könnte, was der zunehmenden Globalisierung widerspreche. Internationale Konventionen wie das Dienstleistungsabkommen Gats müssten allenfalls aufgekündigt werden.

Mit 130 zu 19 Stimmen empfahl der Nationalrat auf Antrag des Bundesrates die Volksinitiative «für eine Regelung der Zuwanderung» Volk und Ständen zur Ablehnung. Das 1995 von einem rechtsbürgerlichen Komitee eingereichte Begehren will den Anteil der Ausländer an der gesamten Bevölkerung auf 18 Prozent beschränken. Von dieser Stabilisierungsrechnung ausgenommen würden qualifizierte Wissenschafter, Führungskräfte, Künstler, Schüler und Studenten. Mitzählen müsste man aber Asylbewerber, vorläufig Aufgenommene und Kriegsflüchtlinge, die heute nicht in der Ausländerstatistik erscheinen.

Für die FDP warf Stefan Fritschi (ZH) der Initiative ihren rein quantitativen Ansatz vor, der die Bedürfnisse eines auf Flexibilität angewiesenen Arbeitsmarktes ignoriere. Im Namen der SP stellte Anita Thanei (ZH) fest, Finanzen liessen sich stabilisieren, Menschen dagegen nicht. Als ethisch nicht akzeptabel bezeichnete Rose-Marie Ducrot (cvp, FR) das Ansinnen, gewissermassen zwischen «guten» und «schlechten» Ausländern zu unterscheiden, oder – wie es die Luzerner Grüne Cécile Bühlmann sah – sozusagen die «unrentablen» auszuschliessen. Erwähnt wurden aber auch die Bedeutung der Gastarbeiter für die Finanzierung der AHV und die praktischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer derartigen Quotenpolitik. Bundesrat Arnold Koller warnte vor den möglichen Konflikten dieser Initiative mit bereits eingegangenen internationalen Verpflichtungen der Schweiz und mit dem ausgehandelten Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU. Zudem stellte er in Aussicht, 1999 den Entwurf zu einem totalrevidierten Gesetz über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern (Anag) in die Vernehmlassung zu geben, welcher dann als faktischer Gegenvorschlag zur Initiative betrachtet werden könne.

Wie der Nationalrat lehnte auch der Ständerat die Volksinitiative «für eine Regelung der Zuwanderung» einstimmig ab. Die Initiative wurde generell als impraktikabel bezeichnet. Die kleine Kammer war der Ansicht, die verlangte Begrenzung des Ausländeranteils (inklusive Asylbewerber, die seit mehr als einem Jahr in der Schweiz leben) auf 18 Prozent der Wohnbevölkerung löse die Probleme in der Flüchtlings- und Ausländerpolitik nicht. Die Asylgesuche und der Familiennachzug liessen sich nur beschränkt beeinflussen. Eine unvorhersehbare Zunahme in diesen Kategorien würde zu einschneidenden Massnahmen im steuerbaren Bereich des Arbeitsmarktes zwingen; dies würde aber den Interessen des Wirtschaftsstandortes Schweiz widersprechen. Zudem sei der Ausländeranteil allein nicht aussagekräftig; auch der Integrationsgrad der ausländischen Bevölkerung müsse berücksichtigt werden. Eine Annahme der Initiative würde im weiteren das Abkommen mit der EU über den freien Personenverkehr in Frage stellen.