Hochschulen im Rahmen des Bildungsrahmenartikels

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Der Nationalrat gab einer parlamentarischen Initiative Zbinden (sp, AG) Folge, die eine Koordination der nationalen Bildung via Verfassungsartikel anregt. Schon die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) hatte sich hinter den Bildungsrahmenartikel gestellt. Die internationale Harmonisierung im Bildungswesen bedinge eine nationale Harmonisierung. Konkret seien variable, nahtlos zusammenfügbare und somit “europakompatible und entwicklungsoffene” Bildungsgänge vornehmlich in den Bereichen Berufsbildung sowie tertiäre (Universitäten und Fachhochschulen) und quartäre Bildung (Weiterbildung) zu ermöglichen. Das Volksschulwesen sei nach wie vor in der Regelungskompetenz der Kantone zu belassen. Bestritten wurde die Initiative von Nationalrat Hasler (svp, AG). Mit dem Vorstoss werde eine neue Bundesaufgabe eingeführt, ohne über die finanziellen Folgen konkrete Angaben zu machen bzw. ohne den Sparappell vom “Runden Tisch” zu berücksichtigen.

Der Nationalrat gewährte ohne Diskussion eine Fristverlängerung zur Ausarbeitung einer Vorlage im Sinne der Parlamentarischen Initiative Zbinden (sp, AG) für einen Bildungsrahmenartikel in der Bundesverfassung bis zur Herbstsession 2001.

Der Nationalrat gewährte eine zweite Fristverlängerung zur Ausarbeitung einer Vorlage im Sinne der parlamentarischen Initiative Zbinden (sp, AG) für einen Bildungsrahmenartikel in der Bundesverfassung bis zur Herbstsession 2002.

Basierend auf einer parlamentarischen Initiative Zbinden (sp, AG) gab die WBK des Nationalrats einen Entwurf zu einem Bildungsrahmenartikel in die Vernehmlassung. Dieser soll die Verfassungsgrundlage bieten, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des schweizerischen Bildungswesens zu erhöhen, die interkantonale und internationale Mobilität zu erleichtern und die kantonalen Bildungssysteme in Teilbereichen gesamtschweizerisch zu harmonisieren (Dauer der Bildungsstufen, ihre Übergänge und die Anerkennung von Abschlüssen). Der Entwurf stiess bei Parteien und Organisationen mehrheitlich auf Zustimmung. Die Kantone und die CVP sprachen sich für eine subsidiäre Bundeskompetenz aus, d.h. der Bund soll nur dann mit einseitigen Regelungen in die Schulhoheit der Kantone eingreifen, wenn diese sich nicht auf eine Lösung einigen können. FDP, SP und Grüne optierten für eine aktivere Rolle des Bundes. Einzig die SVP meldete grundsätzliche Vorbehalte an; für die notwendigen Änderungen genügten die bestehenden Verfassungsgrundlagen. Die Universitätskonferenz befürwortete eine klarere Regelung der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen; die Konferenz der Fachhochschulen vermisste die Verankerung eines Ordnungsprinzips, nach welchem die Hochschullandschaft funktionieren soll, dem Dachverband „Berufsbildung Schweiz“ und dem Gewerbeverband fehlte eine Verankerung der Gleichstellung von allgemeinen und berufsorientierten Bildungswegen.

Im Sommer präsentierte die WBK des Nationalrats ihren Entwurf zu einem Bildungsrahmenartikel, den sie zusammen mit der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) erarbeitet hatte. Die Vorlage geht über die ursprüngliche Zielsetzung der parlamentarischen Initiative Zbinden (sp, AG) aus dem Jahr 1997 hinaus und fasst die unmittelbar bildungsbezogenen Artikel der Bundesverfassung (Art. 62-67 BV) neu. Sie zielt darauf ab, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des schweizerischen Bildungswesens zu erhöhen, die interkantonale und internationale Mobilität zu erleichtern und die kantonalen Bildungssysteme in einzelnen Punkten gesamtschweizerisch zu harmonisieren. Die wichtigsten Neuerungen beinhalten: 1. die Verankerung von Qualität und Durchlässigkeit als wegleitende Ziele; 2. die ausdrückliche Pflicht zur Koordination und Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen; 3. die gesamtschweizerisch einheitliche Regelung von Eckwerten bezüglich des Schuleintrittsalters und der Schulpflicht, der Dauer und Ziele der Bildungsstufen und deren Übergänge sowie der Anerkennung von Abschlüssen; 4. die gemeinsame Verantwortung von Bund und Kantonen für die Koordination und für die Gewährleistung der Qualitätssicherung im Hochschulwesen; 5. eine einheitliche Regelung der Studienstufen und deren Übergänge, der akademischen Weiterbildung, der Anerkennung von Institutionen sowie der Finanzierungsgrundsätze für die Hochschulen; 6. eine Rahmengesetzgebung des Bundes für die allgemeine Weiterbildung. – Kommt die angestrebte Regelung der Eckwerte im Schulwesen oder die Erreichung der Ziele auf der Hochschulstufe nicht auf dem Koordinationswege zustande, erlässt der Bund die notwendigen Vorschriften; zudem kann er die Unterstützung der Hochschulen an einheitliche Finanzierungsgrundsätze binden und von der Aufgabenteilung zwischen den Hochschulen in besonders kostenintensiven Bereichen abhängig machen.

Die Vorlage stiess im Nationalrat auf ein mehrheitlich positives Echo. Für die CVP stellte sie einen wichtigen Schritt für die Wissensgesellschaft Schweiz des 21. Jahrhunderts dar, die FDP hielt die Reform für notwendig, damit die Schweiz im Bildungsbereich im europäischen Vergleich weiterhin konkurrenzfähig bleibe. Die Grünen und ein Teil der Ratslinken bedauerten jedoch, dass ein umfassendes Recht auf Bildung, das Mitbestimmungsrecht für Studierende und eine einheitliche Regelung im Stipendienwesen nicht Eingang in die neuen Bestimmungen gefunden hatten. Während die Rechtskonservativen den Bildungsrahmenartikel ablehnten, weil sie ihn als Gefahr für den Föderalismus und die kantonale Autonomie betrachteten, hielt die äusserste Linke die Vorlage für undemokratisch; ein Rückweisungsantrag Zisyadis (pda, VD), der die Einführung eines Volks- oder Kantonsreferendums gegen interkantonale Verträge verlangt hatte, blieb mit 158:4 Stimmen chancenlos. In der Detailberatung nahm der Nationalrat nur minime Änderungen am Vorschlag seiner WBK vor: So hiess er mit 106:62 Stimmen einen Einzelantrag Triponez (fdp, BE) gut, welcher Bund und Kantone verpflichtet, sich für die Gleichwertigkeit von rein schulischer und beruflicher Bildung einzusetzen. Abgelehnt wurden sowohl zwei Minderheitsanträge Rutschmann (svp, ZH), welche dem Bund mehr Zurückhaltung auferlegen wollten, wenn die Harmonisierung des Schulwesens nicht auf dem Koordinationsweg zustande kommen sollte resp. im Bereich der Weiterbildung, als auch ein Minderheitsantrag Stump (sp, AG) zur Ausweitung der Kompetenzen des Bundes; hier hatte die Linke die Bestimmung streichen wollen, wonach der Mitwirkung der Kantone besonderes Gewicht zukommt, falls der Bund Erlasse vorbereitet, die ihre Zuständigkeiten betreffen. Die Vorlage passierte die Gesamtabstimmung mit 152:8 Stimmen bei 7 Enthaltungen.

Auch der Ständerat begrüsste die Bildungsverfassung und beschloss ohne Gegenstimme Eintreten. Namens der für den Hochschulartikel zuständigen Subkommission erklärte Bieri (cvp, ZG), dass die kantonalen Universitäten, die ETH und die Fachhochschulen künftig auf der gleichen Verfassungsgrundlage basierten und unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Zielsetzungen und Trägerschaften gleich behandelt würden. Ihre Steuerung erfolge primär über eine partnerschaftliche Kooperation unter den verschiedenen Hochschulträgern und über eine umfassende Koordination von Bund und Kantonen durch ein gemeinsames Lenkungsorgan. In der Detailberatung stimmte die kleine Kammer einer von ihrer WBK vorgeschlagenen Präzisierung der von Nationalrat Triponez (fdp, BE) eingebrachten Ergänzung zur Gleichwertigkeit der verschiedenen Bildungswege zu und billigte die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 32:0 Stimmen. In zweiter Lesung schloss sich die grosse Kammer dieser Umformulierung diskussionslos an. Die Räte verabschiedeten den Bildungsrahmenartikel in der Schlussabstimmung mit 176:3 Stimmen bei 7 Enthaltungen (Nationalrat) und 44:1 Stimmen (Ständerat).

Nach einem lauen Abstimmungskampf nahmen Volk und alle Stände bei einer Beteiligung von 27,8% die Verfassungsänderung zur Bildung mit 85,6% Ja-Stimmen an. Am meisten Zuspruch erhielt die Vorlage in Bern (92,9%); über 90% Ja-Stimmen resultierten auch in Neuenburg, Basel-Stadt, der Waadt, Solothurn und Basel-Land. Am skeptischsten zeigten sich das Tessin (59,7%) und Appenzell Innerrhoden (59,2%). Die hohe Zustimmung von 85,6% hat Seltenheitswert; einen ähnlichen Wert erreichten nur weniger als zehn von den über 500 Urnengängen seit der Gründung des Bundesstaates. Ebenfalls bemerkenswert ist die sehr tiefe Stimmbeteiligung von 27,8% (Durchschnitt 1992-2002: 44%): Seit der Einführung des Frauenstimmrechts 1971 fiel die Beteiligung nur bei drei Urnengängen (von rund 280) unter die 30%-Marke.


Abstimmung vom 21. Mai 2006

Beteiligung: 27,8%
Ja: 1 137 450 (85,6%) / 20 6/2 Stände
Nein: 191 666 (14,4%) / 0 Stände

Parolen:
– Ja: CVP, FDP, SP (1*), SVP (4*), GP (1*), LP, CSP, EVP, EDU, FP; economiesuisse, SGB, Travail Suisse, SGV, SBV, ZSA, Erziehungsdirektorenkonferenz, Dachverband der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer, Schweizerische Universitätskonferenz, Verband Schweizer Hochschulstudierender.
– Nein: PdA, Lega, KVP; Centre patronal.
– Stimmfreigabe: SD.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Die niedrige Stimmbeteiligung erklärt die Autorin der Vox-Analyse mit der ausgebliebenen Kampagne, fehlender Betroffenheit und entsprechend geringer Mobilisierung. Gemäss der Nachbefragung votierten alle Bevölkerungsgruppen unabhängig von Sprachregion, Alter, Geschlecht, sozialer Schicht und politischer Einstellung für ein Ja. Einzig bei der SVP-Anhängerschaft fiel die Zustimmung mit 68% etwas verhaltener aus als bei den übrigen Regierungsparteien mit über 90%.