Kritik an der Politikfinanzierung aus dem Ausland - Greco

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Ab dem 1. Januar 2011 können Spenden bis zu 10'000 Fr. von den Steuern abgezogen werden. Die Stadtberner FDP sorgte im Mai für Schlagzeilen, nachdem sie ankündigte, in Zukunft die Namen von Grossspendern offenzulegen, die der Partei mehr als 5'000 Franken zukommen lassen. Die Kantonalzürcher FDP und die Jungfreisinnigen wollen in Zukunft Spenden zwar nicht nach Namen, aber nach Kategorien (Private und Unternehmen) und Branchen ausweisen. Die meisten kantonalen und die nationale Mutterpartei machten aber klar, dass sie eine solche Handhabung nicht übernehmen werden. Bei der Veröffentlichung des Korruptionswahrnehmungsindex rügte Transparency International die Schweiz als einziges demokratisches Land, das keine Regelungen zur Parteienfinanzierung kenne.

Dossier: Finanzierung der Politik

Das Thema Parteienfinanzierung wurde auch im Wahljahr virulent diskutiert. Im Berichtsjahr veröffentlichte das Bundesamt für Justiz ein von Justizministerin Sommaruga in Auftrag gegebenes rechtsvergleichendes Gutachten, in dem deutlich wurde, dass die Schweiz neben Schweden das einzige Land Europas ist, das keine Regelung zur Finanzierung von Parteien kennt. In Schweden veröffentlichen die Parlamentsparteien ihre Einkünfte aufgrund einer freiwilligen Vereinbarung. In der Schweiz gibt es keinerlei Regelungen. Einzig im Kanton Tessin und im Kanton Genf gibt es Ansätze für mehr Transparenz. Während im Tessin Parteispenden von mehr als CHF 10'000.- bzw. Spenden an Wahlkandidaten und Abstimmungskomitees ab CHF 5'000.- an die Staatskanzlei gemeldet werden müssen, sind die Parteien im Kanton Genf seit 1999 verpflichtet, der Finanzinspektion jährlich eine Spenderliste sowie den Spenden-Gesamtbetrag abzugeben. Anfang Dezember legte die GRECO (Groupe d’Etats contre la Corruption), bei der die Schweiz seit 2006 Mitglied ist, einen Bericht vor, in welchem sie der Schweiz die gesetzliche Regelung der Parteienfinanzierung sowie Transparenzvorschriften für die Finanzierung von Abstimmungskampagnen empfiehlt. Die GRECO kritisierte, dass die freie Willensbildung durch die bestehende Intransparenz gefährdet sei und der unverfälschte Wählerwille nicht zum Tragen komme. Der Bundesrat hat bis 2013 Zeit, einen Bericht zur Umsetzung der Empfehlungen zu verfassen. Ende September gab Bundesrätin Sommaruga eine weitere Studie in Auftrag, welche die Investitionen verschiedener politischer Akteure in Wahl- und Abstimmungskampagnen untersuchen soll. Die Resultate lagen bis zum Ende des Berichtsjahrs noch nicht vor. In zahlreichen Kantonen scheiterten Anläufe für kantonale Regelungen.

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Ende 2011 hatte das Antikorruptionsorgan des Europarates, die Greco (Groupe d’Etats contre la Corruption), bei der die Schweiz seit 2006 Mitglied ist, einen Bericht vorgelegt, der zum Schluss kommt, dass die Schweiz gegen die Empfehlungen aus dem Jahr 2003 hinsichtlich Transparenz bei der Parteienfinanzierung verstosse. Der Bundesrat bekam bis Ende April 2013 Zeit, auf die im Bericht gemachten Empfehlungen (Transparenzvorschriften für Parteienfinanzierung und für die Finanzierung von Abstimmungskampagnen) zu reagieren. Mitte Jahr beschloss die Regierung mit der Greco das Gespräch zu suchen, bevor weitere Schritte unternommen würden. Aufgrund der zunehmenden Kritik am intransparenten Spendensystem – die Greco sprach von schweizerischer Diskretion, die der Korruption nahe komme – nahmen sich einige Unternehmen vor, von sich aus Transparenz zu schaffen. So gab etwa die Raiffeisenbank bekannt, allen Parteien abhängig von der Anzahl derer nationalen Mandate Geld zu spenden. Pro Jahr werde pro Ständerat 2'674 und pro Nationalrat 615 Franken gespendet. Die Spendensumme der Genossenschaftsbank belief sich also auf 246 000 CHF. Neben der Raiffeisenbank machte auch die Versicherungsgesellschaft Mobiliar ihre jährliche Parteispende von 10'000 CHF pro Bundesratspartei publik. Anfang März gab die Crédit Suisse ihre Spendensumme von 1 Mio. CHF bekannt, die sie auf alle Parteien verteilen wolle. Und schliesslich gab auch die UBS zu Protokoll, die politischen Parteien mit einer Mio. CHF zu unterstützen. Sie machte ihre Spende allerdings von einem Bekenntnis zur Marktwirtschaft abhängig. Die Bankenspenden brachten vor allem die SP und die Grünen in ein Dilemma. Parlamentarischen Vorstössen für mehr Transparenz in der Parteienfinanzierung war hingegen weiterhin kein Erfolg beschieden. So wurde eine parlamentarische Initiative der SP zum Thema im Nationalrat abgelehnt. Die geforderte Einrichtung einer Meldestelle sei zu bürokratisch und die Regelungen für die Offenlegung von Parteiausgaben wären einfach zu umgehen. Eine Motion Chopard-Acklin (sp, AG) (11.3116), die ebenfalls für mehr Transparenz in der Parteienfinanzierung plädierte, wurde abgeschrieben. Im Berichtsjahr noch nicht behandelt wurden eine parlamentarische Initiative Leutenegger Oberholzer (sp, BL) sowie eine parlamentarische Initiative (12.499) Minder (parteilos, SH). Beide zielen auf eine Regelung der Parteispenden von Unternehmen bzw. börsenkotierten Gesellschaften ab.

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Das Korruptions-Barometer von Amnesty International, das in mehreren Ländern über 1 000 Personen nach ihrer Einschätzung zur Korruption in verschiedenen Institutionen fragt, zeigte auf, dass sowohl weltweit als auch in der Schweiz die Parteien als die korruptesten politischen Akteure betrachtet werden. 43% der Befragten in der Schweiz denken, dass die politischen Parteien korrupt sind. Laut den Verfassern der Studie sei dieses Resultat auch auf die fehlende Transparenz hinsichtlich Parteienfinanzierung zurückzuführen.

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Der Druck der Groupe d’Etats contre la Corruption (Greco), einem Gremium des Europarats, auf die Schweiz, in Sachen Parteienfinanzierung mehr Transparenz zu schaffen, nahm im Berichtsjahr noch einmal zu. 2011 hatte die Greco auf der Basis eines Länderexamens die Schweiz diesbezüglich gerügt, gegen Europarats-Empfehlungen von 2003 zu verstossen. Der Bundesrat hatte noch 2012 beschlossen, das Gespräch mit der Greco zu suchen und das Gremium darauf hinzuweisen, dass Tradition und Besonderheiten des politischen Systems der Schweiz (direkte Demokratie, Föderalismus) nicht vereinbar seien mit Regelungen zur Finanzierung von Politik. Das Schweizer Parteiensystem könne nicht mit dem anderer Länder verglichen werden. Die im April des Berichtjahres geführten Gespräche fruchteten aber nicht. Die Greco anerkannte zwar die Eigenheiten der Schweiz, konnte aber die Nichtvereinbarkeit des Systems mit höherer Transparenz in der Parteienfinanzierung nicht nachvollziehen. Als Konsequenz wurde die Schweiz in ein so genanntes Nichtkonformitätsverfahren versetzt. Dies hat zwar keine rechtlichen Konsequenzen, der politische Druck auf die Schweiz, die mit ihrem 2006 erfolgten Beitritt implizit auch die Empfehlungen der Greco zur Parteienfinanzierung akzeptiert hatte, sollte aber so weit erhöht werden, bis Massnahmen eingeleitet werden. Im Berichtsjahr weiterhin hängig waren die parlamentarischen Initiativen Leutenegger Oberholzer (sp, BL) und Minder (parteilos, SH). Beide zielen auf eine Regelung der Parteispenden von Unternehmen bzw. börsenkotierten Gesellschaften ab. Immerhin hatte sich die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats Anfang Mai mit 7 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung für Folgegeben der Initiative Minder entschieden. Die Schwesterkommission hatte sich bis Ende 2013 noch nicht dazu geäussert. Die fehlenden Regelungen führten auch im Berichtjahr dazu, dass verschiedene Unternehmen von sich aus öffentlich bekannt gaben, Parteien zu finanzieren. So kündigte etwa die Fluggesellschaft Swiss an, ab 2014 die Bundesratsparteien nach einem fixen Verteilschlüssel jährlich finanziell mit total CHF 200'000 unterstützen zu wollen. Die Finanzierung wurde dabei offiziell nicht an Bedingungen geknüpft, die Swiss wünsche sich allerdings auch in Zukunft politische Unterstützung. Die SVP gab bekannt, die Spende anzunehmen, die SP kündigte an, darauf zu verzichten, um sich nicht in Abhängigkeiten zu verstricken. Keine Auskunft gaben die anderen drei Regierungsparteien. In den Kantonen Genf und Tessin kennt man kantonale Transparenzvorschriften. Eine Volksinitiative der Juso im Kanton Basel-Landschaft, die ebenfalls mehr Transparenz in der Parteienfinanzierung gefordert hätte, hatte an der Urne keine Chance und wurde mit einem Ja-Anteil von 43% abgelehnt. Im Kanton Zürich wurde eine parlamentarische Initiative der SP mit dem Ziel der Offenlegung von Parteispenden von der zuständigen Kommission und dem Regierungsrat abgelehnt.

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Die Diskussionen um die Parteienfinanzierung rissen auch 2014 nicht ab. Dabei zeigte sich in vielen Bereichen ein Graben zwischen Links und Rechts. Während die SP und die GP relativ transparent Zuwendungen summarisch veröffentlichten, Spenden von Wirtschaftsunternehmen in der Regel nur sehr zurückhaltend annahmen und bei der mangelnden Transparenz von einem Demokratiedefizit sprachen, schwiegen sich die Bürgerlichen normalerweise über Zuwendungen aus. Politische Parteien würden eine Dienstleistung erbringen, die durchaus auch von Wirtschaftsunternehmen honoriert werden könne, liess etwa die CVP verlauten. Die FDP nehme keine Spenden an, die sieben Prozent des Parteibudgets übersteigen würden - es wüssten aber lediglich der Generalsekretär und der Parteipräsident, woher Spenden fliessen würden. Damit vermeide man politische Abhängigkeiten. Nach wie vor offen war die Forderung der Greco, der Groupe d'Etats contre la Corruption des Europarats, nach gesetzlichen Regelungen für die Parteien- und Kampagnenfinanzierung. Die Schweiz musste aufgrund eines Nichtkonformitätsverfahrens bis Ende April 2014 einen Bericht vorlegen, indem diesbezügliche Bemühungen dargelegt werden sollten. Darin versuchte der Bundesrat, die mangelnde Transparenz hinsichtlich Parteienfinanzierung mit den Spezifika des schweizerischen Systems zu erklären. Die Greco zeigte sich allerdings wenig beeindruckt und stellte der Schweiz in einem Zwischenbericht ein schlechtes Zeugnis aus. Die Mehrheit der Empfehlungen sei nach wie vor nicht umgesetzt. Zu befürchten hatte die Schweiz dadurch höchstens einen Reputationsschaden. Dagegen kämpfte insbesondere Justizministerin Simonetta Sommaruga, die zwar verschiedene Varianten für eine Verstärkung der Transparenz bei der Parteienfinanzierung erarbeitete, aber bei den bürgerlichen Parteien und im Gesamtbundesrat kein Gehör fand.
Dafür, dass es in naher Zukunft kaum ein Gesetz für Parteienfinanzierung geben wird, sorgte auch das Parlament. Gleich drei Vorstösse für mehr Transparenz in der Legislative wurden abgelehnt: Die parlamentarischen Initiativen von Thomas Minder (parteilos, SH), von Susanne Leutenegger Oberholzer (sp, BL) und von der Rechtskommission des Ständerates (RK-SR) wurden allesamt versenkt. Mit ein Argument war dabei, dass man durch zu viel Transparenz die Spender vergraulen könnte, was für die staatlich nicht finanzierten Parteien ein Problem darstellen würde.
Auch in den Kantonen fand das Thema Transparenz in der Politik keine Mehrheit. Im Kanton Aargau wurde Ende September eine entsprechende Initiative mit 56% Nein-Stimmen abgelehnt. Das Thema wird freilich nicht so schnell verschwinden. Vor allem die Juso, aber auch Lukas Reimann (svp, SG) dachten laut über nationale Volksinitiativen zum Thema Finanzierung der Politik nach. Zudem gaben die investierten Summen bei verschiedenen Abstimmungskampagnen immer wieder viel zu reden.

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Auch 2015 erregte die Frage der Partei- und Politikfinanzierung mediale Aufmerksamkeit. Mitte Jahr reichte die Juso des Kantons Freiburg eine kantonale Volksinitiative ein, mit der gefordert wurde, dass die Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskampagnen transparenter wird. Ein ähnliches Anliegen der Juso des Kantons Aargau war im Vorjahr an der kantonalen Abstimmungsurne gescheitert. Hingegen gibt es im Kanton Genf bereits seit 2011 eine entsprechende Regelung. Le Temps veröffentlichte im August die offengelegten Budgets der kantonalen Parteien für das Jahr 2014, die sich zwischen CHF 1.4 Mio. (FDP) und CHF 710'000 (SVP) bewegten (SP: CHF 957'000; EaG: CHF 859'000; MCG: CHF 835'000; CVP: CHF 826'000; GP: CHF 713'000), wobei sich der Anteil an Spenden, die ebenfalls ausgewiesen werden müssen, zwischen den Parteien deutlich stärker unterschied: So stammte fast ein Viertel des Budgets der FDP aus Donationen, während dieser Anteil bei der SVP 11.2 Prozent, bei der CVP 9.5 Prozent und beim MCG 8.3 Prozent betrug. Deutlich geringer war der Anteil an Spenden am Budget der SP (1.1%), der Grünen (1.2%) und der extremen Linken (2.1%). Die links-grünen Parteien finanzierten sich vor allem aus Mandatsabgaben, berichtete Le Temps.
Mitte August ereilte die Schweiz erneut eine Rüge der Greco. Als einziger der 49 Mitgliederstaaten kenne die Schweiz keinerlei Regeln zur Parteienfinanzierung. Sowohl der Befund und die Bewertung im Bericht – Note ungenügend und keine nennenswerten Fortschritte – als auch die Erklärung durch den Bundesrat, wonach sich Transparenz der Politikfinanzierung nicht mit dem speziellen schweizerischen politischen System vertrage, unterschieden sich nicht vom Vorjahresbericht.
Zu reden gaben im Oktober 2015 auch die hohen Ausgaben für die eidgenössischen Wahlen. Der Tages-Anzeiger rechnete – gestützt auf eine Studie aus dem Jahr 2012 – vor, dass im Vergleich von Wahl zu Wahl total jeweils rund CHF 7 Mio. mehr ausgegeben würden als in den jeweils vergangenen eidgenössischen Wahlen. Weil 2003 etwa CHF 28. Mio. aufgewendet worden seien, könne für 2015 entsprechend mit Ausgaben von rund CHF 49 Mio. gerechnet werden. Grund dafür sei auch, dass der Wahlkampf immer früher beginne.
Die SP-Spitze kündigte kurz vor den Wahlen an, die seit einiger Zeit diskutierte Volksinitiative für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung definitiv zu lancieren. Die Delegiertenversammlung gab dafür Anfang Dezember 2015 grünes Licht und im April begann die Partei mit der Unterschriftensammlung. Bei den bürgerlichen Parteien stiess das Anliegen allerdings auf Skepsis.

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