Im Dezember gab der Bundesrat eine Teilrevision des Aktien- und des Rechnungslegungsrechts (rechtliche Bestimmungen für Aktiengesellschaften) in die Vernehmlassung. Vorgeschlagen werden darin insbesondere eine Stärkung der Aktionärsrechte durch verbesserte Transparenz sowie Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten. In Zukunft sollen zudem die Banken die Stimmrechte der bei ihnen deponierten Aktien nicht mehr ausüben können; zugelassen wäre nur noch eine speziell vom Aktionär beauftragte unabhängige Stellvertretung.

Dossier: Aktienrechtsrevision und die Abzocker-Initiative

Die ersten Reaktionen auf die Ende 2005 in die Vernehmlassung gegebene Teilrevision des Aktien- und des Rechnungslegungsrechts (rechtliche Bestimmungen für Aktiengesellschaften) fielen vorwiegend positiv aus. Insbesondere die Stärkung der Aktionärsrechte durch verbesserte Transparenz sowie Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten wurde begrüsst. Economiesuisse, die FDP und die CVP kritisierten jedoch den im Reformpaket enthaltenen Vorschlag, die stimmrechtlose Inhaberaktie abzuschaffen.

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Kurz vor Ende des Berichtsjahres unterbreitete der Bundesrat dem Parlament seine Vorschläge für eine Teilrevision der Vorschriften im Obligationenrecht über die Rechnungslegung in Unternehmen. Es geht dabei zur Hauptsache um die Aktiengesellschaften, aber auch GmbH, Genossenschaften und andere Unternehmensformen sind von einzelnen Bestimmungen betroffen. Mit der Schaffung von grösserer Transparenz im Bereich der Rechnungslegung sollen insbesondere die Rechte der Aktionäre verbessert werden. So hätten sich die Mitglieder des Verwaltungsrats jährlich einer Wiederwahl zu stellen. Die Rechte der Aktionäre sollen zudem im Bereich der Festsetzung der Entlohnung der Unternehmensführung ausgebaut werden und auch für nicht börsenkotierte Gesellschaften gelten. So würde die Generalversammlung einer Aktiengesellschaft die Berechtigung erhalten, Bestimmungen über die Entschädigung und Entlohnung der Mitglieder des Verwaltungsrats und des hohen Managements zu erlassen. Das Depotstimmrecht, das bisher den Banken die Möglichkeit gab, die Stimmrechte derjenigen Kunden auszuüben, die ihre Aktien bei der Bank deponiert haben, soll abgeschafft werden. Möglich wäre nach dem Vorschlag des Bundesrates nur noch eine echte Stellvertretung durch eine beauftragte unabhängige Person. Weitere Neuerungen betreffen den Verzicht auf einen vorgeschriebenen minimalen Nennwert einer Aktie. Der Bundesrat hielt im Weiteren an der von der Wirtschaft in der Vernehmlassung kritisierten Abschaffung der stimmrechtlosen Inhaberaktie fest. In ersten Reaktionen begrüsste der Gewerkschaftsbund die Vorschläge, während Economiesuisse die Vorschrift der jährlichen Wahl des Verwaltungsrats ablehnte.

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In der Wintersession befasste sich die kleine Kammer als Erstrat mit dem zurückgestellten Teil Rechnungslegung bei der Revision der Vorschriften im Obligationenrecht über die Rechnungslegung in Unternehmen. Eintreten war unbestritten und auch in der Detailberatung gab es wenig zu diskutieren. Der Ständerat nahm aber einige Veränderungen zugunsten der KMU vor, indem er zum Beispiel den Schwellenwert für die Pflicht einer vollständigen Rechnungsführung für Einzel- und Personengesellschaften von einem Jahresumsatz von 100'000 auf 250'000 Fr. erhöhte. In der Gesamtabstimmung verabschiedete der Rat die Vorlage einstimmig (bei sechs Enthaltungen).

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Der Ständerat befasste sich als erster mit der Teilrevision der Vorschriften im Obligationenrecht über die Rechnungslegung in Unternehmen und gleichzeitig auch mit der vom Kleinunternehmer Thomas Minder 2007 eingereichten so genannten „Abzockerinitiative“. Der Bundesrat hatte im Vorjahr die Teilrevision des OR um Bestimmungen über die Rechte der Aktionäre von börsenkotierten Aktiengesellschaften bei der Festlegung der Managementsentschädigungen ergänzt. Damit sollte sie einen indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative bilden. Um die parlamentarischen Beratungen zu beschleunigen und der Initiative fristgerecht einen Gegenvorschlag gegenüber zu stellen, beschloss der Ständerat, die Bestimmungen über die Rechnungslegung herauszulösen und später separat zu behandeln (siehe unten). In der Eintretensdebatte stellte sich nur Savary (sp, VD) eindeutig hinter die „Abzockerinitiative“. Andere Abgeordnete der SP (Fetz, BS und Leuenberger, SO) und der SVP (Reimann, AG und Jenny, GL) behielten sich vor, diese in der Volksabstimmung zu unterstützen, falls die Aktionärsstellung mit dem Gegenvorschlag nicht klar verbessert werde. Der Ständerat empfahl mit 26 zu 10 Stimmen die Abzockerinitiative zur Ablehnung.
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Dass aber in Bezug auf die Festlegung der Managerentschädigungen der Staat aktiv werden muss war unbestritten. Ein Nichteintretensantrag zur OR-Teilrevision wurde nicht gestellt. In der Detailberatung hielt sich der Ständerat weitgehend an die Regierungsvorschläge. Die vom Bundesrat beantragte Abschaffung des Depotstimmrechts akzeptierte er zwar, führte aber mit dem „Nominee-Modell“ eine neue Stellvertretung für nicht ins Register eingetragene Aktionäre durch die Depot-Banken ein. Schweiger (fdp, ZG) begründete dieses Modell damit, dass es die Stimmbeteiligung erhöhe und damit den Einfluss von Minderheitsaktionären einschränke. Die vom Bundesrat vorgeschlagene einjährige Amtsdauer von Verwaltungsräten, wie sie auch die Volksinitiative vorsieht, lehnte der Ständerat ab, da eine jährliche Wiederwahl durch die Aktionärsversammlung die Ausrichtung an kurzfristigen Erfolgsstrategien fördern würde. Er legte sie deshalb auf drei Jahre fest. Er kam der Abzockerinitiative aber auch etwas entgegen, indem er börsenkotierten Gesellschaften vorschrieb, dass der Verwaltungsratspräsident zwingend durch die Aktionäre gewählt werden muss. Der Bundesrat hatte den Entscheid über das Wahlgremium wie bisher den einzelnen Gesellschaften überlassen wollen. Bei börsenkotierten Gesellschaften wird in Zukunft die Generalversammlung die Gesamthöhe der Entschädigungen für Verwaltungsräte genehmigen, und diese müssen einzeln ausgewiesen werden. Ein Antrag der Kommission, dass neben der Gesamtsumme der Entschädigung der Geschäftsleitung (Management) nicht nur der Betrag für den bestbezahlten, sondern für alle Manager individuell ausgewiesen werden muss, fand jedoch keine Mehrheit. Auch das von der Kommission beantragte und auch in der Volksinitiative enthaltene Verbot von Abgangsentschädigungen für Spitzenmanager lehnte er ab. Der Ständerat machte zusätzlich einige Änderungen zugunsten von KMU, indem er nicht börsenkotierte Aktiengesellschaften von einigen Transparenzvorschriften gegenüber Minderheitsaktionären befreite. Vor der Gesamtabstimmung, die mit 26 zu 8 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) ausging, erklärten sich Vertreter der SP, aber auch Stadler (cvp, UR), enttäuscht über diesen „zahnlosen“ und in ihren Augen absolut ungenügenden Gegenvorschlag zur „Abzockerinitiative“.

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Die grosszügigen Entschädigungsregelungen für die strategischen Gremien und Führungsriegen grosser Unternehmen wurde als sogenannte Bonusfrage breit diskutiert. Ende 2008 ergänzte der Bundesrat seine Vorlage zur Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts mit einem zentralen Anliegen der 2008 eingereichten Abzocker-Initiative. Er integrierte die Forderung, dass börsenkotierte Unternehmen die Verwaltungsratsvergütungen künftig jährlich der Generalversammlung zu unterbreiten hätten. In der entsprechenden Botschaft legte der Bundesrat dem Parlament nahe, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen und die Revisionsvorlage als indirekten Gegenvorschlag dazu anzunehmen. Dabei betonte er, dass der ergänzte Gesetzesentwurf neben einer Stärkung der Aktionärsrechte über eine verbesserte Corporate Governance, wie sie auch von der Abzocker-Initiative verlangt werde, zusätzlich eine Flexibilisierung der Kapitalstrukturen, eine Modernisierung der Bestimmungen zur Generalversammlung und der Rechnungslegung vorsehe. Damit werde das Aktien- und Rechnungslegungsrecht umfassender und massvoller revidiert als allein auf Basis der Volksinitiative von Thomas Minder.

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Die parlamentarische Beratung des Geschäfts entpuppte sich auch für Schweizer Verhältnisse als äusserst kompliziert. Zur Verfahrensbeschleunigung hatte der Ständerat 2009 die Rechnungslegungs- und die Aktienrechtsrevision in zwei Geschäfte aufgeteilt, die Beratung des letzteren vorgezogen und grundsätzlich im Sinn des Bundesrats entschieden. Das parteitaktische Vorgeplänkel zur Nationalratsdebatte um die Aktienrechts- und Rechnungslegungsrechtsrevision sowie die Abzocker-Initiative begann Anfang Berichtahr, als die CVP (in Abweichung zum Ständeratsentscheid des vorangehenden Jahres) in den Medien einen direkten Gegenvorschlag als valable Option zur Minder-Initiative ansprach. Im Februar antwortete die SVP mit der Lancierung eines im Sinn des Initianten verschärften indirekten Gegenentwurfs. Kurz vor der Frühlingssession konterte die SP mit einem direkten Gegenvorschlag, den der Nationalrat schliesslich annahm. Dieser nimmt die wichtigsten Forderungen der Initiative auf, lässt aber statutarisch festgehaltene Ausnahmeregelungen zu und will im Gegensatz zur Initiative keine strafrechtlichen Bestimmungen festschreiben. Darüber hinaus regelt der direkte Gegenvorschlag die Bonusfrage und die Rückerstattungsklage. Der Nationalrat empfahl sowohl Initiative auch als Gegenvorschlag dem Volk zu Annahme. Als Folge der unterschiedlichen Lösungsansätze von National- und Ständerat über den Einbezug der Abzocker-Initiative in die laufende OR-Revision, beschloss die Rechtskommission des Nationalrats knapp (12 zu 10 bei 2 Enthaltungen), alle Bestimmungen der Aktienrechtsrevision im Bereich der Corporate Governance bis zum definitiven, von beiden Räten getragenen Entscheid über den Umgang mit der Abzocker-Initiative vom Rest der Beratungen abzukoppeln und zurückzustellen. Gleichzeitig gab die grosse Kammer ihren grundsätzlichen Widerstand gegen einen indirekten Gegenvorschlag auf und öffnete damit den Weg für ein Weiterführen der Verhandlungen.

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Im September des Berichtsjahrs gelangte der Entwurf zur Revision des Rechnungslegungsrechts zur Beratung an die grosse Kammer als Zweitrat. Das Hauptziel der Revision ist es, die Transparenz über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens zu fördern und die Vergleichbarkeit der Rechungsabschlüsse zu steigern. Dies soll mit fünf Kernmassnahmen erreicht werden. Erstens soll eine rechtsformneutrale Regelung alle handelsregisterpflichtigen Rechtsträger (Einzelunternehmen, Personengesellschaften und juristische Personen, unter Einbezug von Stiftungen und Vereinen, die rechtlich im ZGB und nicht im OR erfasst sind) des Privatrechts erfassen. Zweitens sollen – orientiert am Grundsatz der Zweckmässigkeit – die Anforderungen an die Buchführung nach der wirtschaftlichen Bedeutung eines Unternehmens differenziert werden, wobei für Banken, Versicherungen und Börsen gesonderte, sektorielle Regelungen gelten. Dabei sollen für die Abgrenzung zwischen KMU und grossen Unternehmen die gleichen drei Kriterien (Bilanzsumme, Umsatzerlös, Anzahl Vollzeitstellen im Jahresschnitt) zutreffen wie sie im Revisionsrecht gelten. Zudem behält der Entwurf für ganz kleine Einzelunternehmen, die mit Roheinnahmen von weniger als 100 000 Fr. weder handelsregister- noch mehrwertsteuerpflichtig sind, einen einfachen Buchhaltungsabschluss, die sogenannte Milchbüchleinrechnung (Ausweis der Einnahme und Ausgaben sowie der Vermögenslage) vor. Der Übergang von der Bewertungskategorie KMU in jene für grosse Firmen soll zu jenem Zeitpunkt erfolgen, zu dem Unternehmen während zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren in zwei von drei Kriterien den gesetzlich festgelegten Schwellenwert überschritten haben. Drittens soll – unter der Voraussetzung, dass die Jahresrechnung nach einem internationalen Standard verfasst ist – die Auflösung stiller Reserven als Bruttobertrag ausgewiesen werden, dies indem das Gesetz zwischen steuerlich und nicht steuerlich bedingten Auflösungen unterscheidet. Im Sinne eines Minderheitenschutzes sollen auch eine qualifizierte Minderheit von Gesellschaftern (10% des Grundkapitals), Genossenschaftern (10% der Mitglieder bei Genossenschaften ohne Anteilscheinkapital) oder Vereinsmitgliedern (20% der Mitglieder) von Unternehmen, für die das Gesetz keinen standardisierten Abschluss vorsieht, einen solchen verlangen können. Viertens soll die Neuregelung steuerneutral gestaltet werden, d.h. die steuerlich nicht anerkannten Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen müssen nicht in der Bilanz oder der Erfolgsrechnung verbucht werden. Sie sind jedoch mindestens im Anhang des Geschäftsberichts als Gesamtbetrag auszuweisen. Fünftens formuliert der Gesetzesentwurf die strengeren Rechnungslegungsvorgaben, wie sie für voll revisionspflichtige, grosse Unternehmen und für Konzerne gelten sollen. Ihnen soll die Pflicht auferlegt werden, den Geschäftsbericht mit einem Anhang zu ergänzen, der mindestens eine Mittelflussrechnung und einen Lagebericht enthält. Zusätzlich möchte der Bundesrat bei den Bestimmungen zum Konzernrecht vom Leitungs- zum Kontrollprinzip und damit zur Konsolidierungspflicht auf Stufe der Obergesellschaften übergehen. Demnach soll juristischen Personen eine Delegation der Konsolidierungspflicht an kontrollierte Gesellschaften künftig nicht mehr möglich sein.

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Während der Grundsatz einer einheitlichen Regelung des Rechnungslegungsrechts für alle Rechtsformen des Privatrechts in der Detailberatung unumstritten war, entbrannte der Disput v.a. um die Anforderungen an die Buchführung. Aber auch der Rechnungslegungsstandard und die Konzernrechnungslegung boten Stoff für die Ratsdebatte. Einigkeit herrschte in Bezug auf den Vorschlag der Rechtskommission des Ständerats, zur angestrebten Differenzierung nach Unternehmensgrösse das Schwellenprinzip aus dem seit 2008 gültigen Revisionsrecht zu übernehmen (Bilanzsumme: 10 Mio. Fr., Umsatzerlös: 20 Mio. Fr., Anzahl Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt: 50). Die Grenzziehung zwischen KMU und grossen, revisionspflichtigen Unternehmen war jedoch umstritten. So drehte sich die Ratsdebatte primär um die Höhe der entsprechenden Schwellenwerte. Diskutiert wurden drei Lösungsansätze: Der von der SP und den Grünen unterstützte Bundesratsvorschlag, sich am geltenden Quorum des Revisionsrechts zu orientieren, wurde ebenso verworfen wie der Antrag aus der SVP-Fraktion, den Umsatzerlös bei 80 Mio. Fr. festzusetzen. In Übereinstimmung mit der Kommissionsmehrheit und dem Ständeratsentscheid unterstützte eine überwiegende Mehrheit der FDP-, BDP- und CVP-Mitglieder – gegen die geschlossen stimmenden Fraktionen von Grünen und SP – das Ansinnen, die Schwelle bei einer Bilanzsumme von 20 Mio. Fr. sowie einen Umsatzerlös von 40 Mio. Fr. festzulegen und die Anzahl Vollzeitstellen bei 250 zu fixieren. Nationalrat Ineichen (fdp, LU) trug mit einem Einzelantrag dem Umstand Rechnung, dass mit der Einführung des Schwellenprinzips im Rechnungslegungsrecht zwar die gewünschte Analogie zum Revisionsrecht hergestellt wurde, die Eckwerte in den beiden Rechtsbereichen nun aber voneinander abwichen. Gegen den Willen des Bundesrats und die erneut geschlossen stimmenden Grünen und SP, aber unterstützt durch die FDP-, BDP- und SVP-Fraktionen sowie einer CVP-Mehrheit, erwirkte er eine prioritäre und auf Juli 2011 rückwirkende Verankerung der nun beschlossenen höheren Eckwerte im Rechnungslegungsrecht auch für das Revisionsrecht. Auf das nachfolgende Nichteintreten des Ständerats aus Verfahrensgründen hielt die grosse Kammer am Geschäft fest und schickte es zur Bereinigung ins neue Geschäftsjahr. Nachdem bereits der Ständerat von den bundesrätlich vorgeschlagenen 100'000 Fr. Umsatz als Schwelle für den Übergang von der einfachen zu einer doppelten Buchhaltung abgewichen war, schuf der Nationalrat eine Differenz zur kleinen Kammer, indem er den fraglichen Wert gemäss Einzelantrag Loepfe (cvp, AI) auf 500'000 Fr. erhöhte. In den Bestimmungen zum Ausweis der stillen Reserven in der Jahresrechnung folgte der Nationalrat seiner Kommissionsmehrheit und übernahm in Abweichung vom strengeren, durch eine Kommissionsminderheit gestützten Bundesratsentwurf den Vorschlag des Ständerats.

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In der Ausgestaltung des Minderheitenschutzes folgte der National- dem Ständerat, der den Vorschlag des Bundesrats übernommen hatte. Der vom Ständerat in der ersten Lesung genehmigte Gesetzesentwurf räumt revisionspflichtigen Stiftungen und Genossenschaften sowie börsenkotierten Unternehmen unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit ein, beim Vorliegen eines anerkannten, standardisierten Abschlusses auf das Beibringen einer Jahresrechnung nach OR, auf ein sogenanntes dual reporting, zu verzichten. Auf Ersuchen der Bundesverwaltung, welche die Problematik eines allenfalls fehlenden Abschlusses nach OR für die schweizerischen Steuerbehörden erst im Anschluss an die Vorberatungen der nationalrätlichen Kommission erkannt hatte, stellte Nationalrat Kaufmann (svp, ZH) den Antrag, dass in jedem Fall ein Abschluss nach OR vorzuliegen habe und der standardisierte Abschluss optional sein soll. Mit der Umkehrung des Prinzips des dual reporting schuf der Nationalrat eine weitere Differenz zum Ständerat.

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In Bezug auf die Konsolidierungspflicht juristischer Personen mit Konzernstruktur hatte der Ständerat mit der Gewährung der freien Wahl zwischen dem Leitungs- und Kontrollprinzip gegen den Bundesrat votiert. Der Nationalrat entschied sich in dieser Frage auf Vorschlag seiner Kommission für eine Unterscheidung zwischen Vereinen, Stiftungen und Genossenschaften sowie börsenkotierten Unternehmen. Während die Mehrheit des Zweitrats – gegen eine geschlossen stimmende Minderheit aus SP und Grünen – Ersteren die Wahlfreiheit zwischen Kontroll- und Leitungsprinzip zugestehen möchte, gedenkt sie, Letztere dem Kontrollprinzip zu unterstellen. Bei der Bestimmung des Schwellenwerts, ab dem eine Konzernrechnung erstellt werden sollte, schloss sich der Nationalrat dem vom Ständerat vorgeschlagenen Quorum an, wie es neu auch für die Revisionspflicht gelten soll. Nachdem der Ständerat in den Vorgaben zur Rechnungslegung dem Bundesrat gefolgt war und im Grundsatz für Konzerne eine Jahresrechnung nach anerkanntem Standard verlangt hatte, entschied sich der Nationalrat in Abweichung zur kleinen Kammer für den Status quo im bestehenden Obligationenrecht. In annähernd gleicher Stimmverteilung wie beim Quorum beschränkte er die Gültigkeit der neu vorgesehenen strengeren Regelung auf den begrenzten Kreis von Unternehmen mit entsprechenden Vorschriften der Börse, von grossen Genossenschaften und von revisionspflichtigen Stiftungen. Die übrigen Unternehmen sollen bezüglich des verwendeten Rechnungslegungsstandards Wahlfreiheit erhalten.

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In Bezug auf das Revisionsrecht trat der Ständerat im Gegensatz zum Vorjahr und gegen die Empfehlung des Bundesrats auf die Vorlage gemäss Antrag Ineichen (fdp, LU) ein. Dieser Entscheid kam in der Frühjahrssession mit 21 zu 19 Stimmen allerdings nur knapp zu Stande. Der Nationalrat hatte im Dezember 2010 an seinem Eintretensentscheid festgehalten, um die Revisionspflicht für kleine und mittlere Unternehmen zu lockern. In der Detailberatung erhöhte der Ständerat in Übereinstimmung mit dem Nationalrat die Schwellenwerte, wobei dazu der Stichentscheid des Ratspräsidenten erforderlich war. Allerdings schuf der Ständerat eine Differenz zum Nationalrat, indem er den Bundesrat damit beauftragte, den Zeitpunkt des Inkrafttretens zu bestimmen. Nachdem der Nationalrat noch in der Frühjahrssession beschloss, die Vorlage per 1. Januar 2012 in Kraft treten zu lassen, beugte er sich letztlich in der Sommersession dem Entscheid des Ständerates. Widerstand regte sich vor allem aus den Reihen der SVP. In der Schlussabstimmung wurde die Vorlage im Nationalrat mit 147 zu 34 Stimmen und im Ständerat mit 34 zu 5 Stimmen angenommen. Damit mussten Gesellschaften ihre Jahresrechnung und gegebenenfalls ihre Konzernrechnung neu durch eine Revisionsstelle prüfen lassen, sofern sie in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren zwei der folgenden drei Schwellenwerte überschritten: Bilanzsumme von 20 Millionen Franken, Umsatzerlös von 40 Millionen Franken oder 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt.

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Im Rahmen der Änderung des Aktien- und Rechnungslegungsrechts beschäftigte sich das Parlament mit dem Rechnungslegungsrecht (Vorlage 2) und dem Revisionsrecht (Vorlage 3) und schloss beide ab. Wie in den vorangehenden Jahren wurde die Aktienrechtsrevision im Bereich der Corporate Governance (Vorlage 1) zurückgestellt, da noch kein Entscheid zur Abzocker-Initiative getroffen wurde. Die Vorlage zum Rechnungslegungsrecht beabsichtigte eine Modernisierung von veralteten Bestimmungen. Das Hauptziel der Vorlage bestand darin, allgemeine Kriterien festzulegen, die unabhängig von der Rechtsform der Unternehmungen gelten soll. Nach Ansicht von Experten blieb das Parlament dabei auf halbem Weg stehen. Aus Rücksicht auf die KMUs weichten die Räte viele der vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen auf. Die beiden Parlamentskammern konnten sich nicht in allen Fragen einigen. Insgesamt blieben vier Differenzen bestehen, sodass eine Einigungskonferenz eingesetzt werden musste. Schliesslich setzte sich in allen Punkten die Version des Ständerats durch. Es wurde beschlossen, dass Verbindlichkeiten in der Buchhaltung zum Nennwert bilanziert werden mussten. Weiter einigten sich die Räte darauf, dass zehn Prozent der Aktionäre einen Geschäftsbericht nach internationalen Standards anfordern konnten. Ausserdem sah die Revision vor, dass zehn Prozent der GenossenschafterInnen oder 20 Prozent der Vereinsmitglieder eine Konzernrechnung nach anerkannten Standards verlangen durften, wenn eine Genossenschaft oder ein Verein eine Firmengruppe kontrollierte. Letztlich wurde dem Bundesrat die Kompetenz zugesprochen, auch für börsenkotierte Firmen die Rechnungslegungsstandards zu bestimmen. Der Nationalrat wollte diese Befugnis ursprünglich der Börse übertragen. In der Schlussabstimmung wurde die Revision im Nationalrat mit 129 zu 62 und im Ständerat mit 44 zu 0 Stimmen angenommen. Im Nationalrat wurde sie von SVP-Fraktion geschlossen abgelehnt.

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Nachdem Volk und Stände die Abzocker-Initiative angenommen hatten, wiesen die eidgenössischen Räte die sistierte Aktienrechtsrevision in der Sommersession an den Bundesrat zurück. Dies ermöglichte der Landesregierung, dem Parlament zu einem späteren Zeitpunkt eine kohärente Vorlage zu unterbreiten, welche auch die Ausführungsgesetzgebung der Abzocker-Initiative enthalten sollte .

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