Verhandlungen mit der EU über ein neues Vertragspaket

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Ende Februar 2022 präsentierte der Bundesrat seine neue Stossrichtung für das Verhandlungspaket mit der EU. Die offenen Punkte, die sich nicht zuletzt bei den Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen gezeigt hätten, wolle man mit einem sektoriellen Ansatz in den einzelnen Binnenmarktabkommen separat lösen. Dazu gehörten die dynamische Rechtsübernahme, die Streitbeilegung, sowie Ausnahmen und Schutzklauseln. Den horizontalen Ansatz – ein übergeordneter Streitlösungsmechanismus für alle Abkommen – des gescheiterten Rahmenabkommens betrachtete der Bundesrat nicht länger als valable Option. Als weitere mögliche Bestandteile des Pakets nannte der Bundesrat mehrere neue Binnenmarktabkommen in den Bereichen Strom und Lebensmittel, sowie Assoziierungsabkommen in den Bereichen Forschung, Gesundheit und Bildung. Die Republik attestierte dem Bundesrat dabei geschicktes Taktieren, denn eine grössere Verhandlungsmasse biete «mehr Spielraum für ein Geben und Nehmen». Auch eine Institutionalisierung der Schweizer Kohäsionszahlungen wurde von der Exekutive in den Raum gestellt. Auf der Grundlage des neuen Beschlusses sollen Sondierungsgespräche mit der EU aufgenommen werden. Parallel dazu liefen die Arbeiten zu den Regelungsunterschieden zwischen dem EU-Recht und dem Schweizer Recht weiter. Das EJPD war schon kurz nach dem Verhandlungsabbruch über das InstA im Mai 2021 damit beauftragt worden, Differenzen zwischen dem EU-Recht und der schweizerischen Rechtsordnung zu eruieren. Ende Juni 2021 lag eine erste Auslegeordnung der Regelungsunterschiede vor, woraufhin in einem zweiten Schritt ermittelt werden sollte, in welchen Bereichen autonome Angleichungen im Interesse der Schweiz wären. Bundesrätin Karin Keller-Sutter teilte an der Medienkonferenz zur neuen Stossrichtung mit, dass sich ihr Departement dabei auf fünf Marktzugangsabkommen der Bilateralen I fokussiert und ein Konzept mit 17 Handlungsoptionen erarbeitet habe. Alt-Staatssekretär Gattiker habe eine «Analyse und Bewertung der ermittelten Spielräume» durchgeführt und werde diese im Gespräch mit den Kantonen und Sozialpartnern vertiefen, teilte der Bundesrat in seiner Pressemitteilung mit.

Der neue Ansatz der Schweiz löste in den Medien kollektives Stirnrunzeln aus, hatte doch EU-Kommissar Sefčovič nach dem Treffen mit Aussenminister Cassis im November 2021 dem Tages-Anzeiger gegenüber klar gemacht, dass man institutionelle Fragen nicht «von Fall zu Fall» lösen könne, sondern ein Rahmenabkommen dafür benötige. Der Blick merkte an, dass Bundespräsident Cassis nicht habe erklären können, weshalb sich diese Auffassung unterdessen geändert haben soll. Stattdessen schicke man Staatssekretärin Leu nach Brüssel, «um zu sondieren, ob sich die Meinung dort geändert hat», so der Blick. Auch die parallel zu den Sondierungsgesprächen mit der EU geführte Verhandlung mit den Sozialpartnern und den Kantonen beäugte der Blick kritisch. Karin Keller-Sutter äusserte sich den Medien gegenüber diesbezüglich aber zuversichtlich und betonte, dass man damit verschiedene Differenzen von vornherein eliminieren wolle. Die Le Temps bezeichnete den neuen Ansatz des Bundesrats als «Bilaterale III», auch wenn der Begriff in der Pressekonferenz nicht gefallen sei. Sie äusserte auch die Vermutung, dass der sektorielle Ansatz – mit dem die Streitbeilegung durch den EuGH umgangen werden soll – Brüssel verärgern dürfte. Aussenminister Cassis erklärte gegenüber derselben Zeitung, dass man auf detaillierte Vorschläge verzichtet habe, um Staatssekretärin Leu mehr Handlungsspielraum zu verschaffen.
Die Reaktionen der Parteien und anderer Interessengruppen auf die neuen Vorschläge des Bundesrats fielen gemischt aus. Für die FDP stelle der sektorielle Ansatz die vielversprechendste Lösungsvariante dar, hielt Parteipräsident Thierry Burkart (fdp, AG) fest. SP-Ständerat Carlo Sommaruga (sp, GE) erachtete den Vorschlag als eher unrealistisch und Foraus-Co-Direktor Darius Farman sowie NEBS-Präsident und SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (sp, BL) kritisierten das Fehlen eines Zeitplans scharf. Die SVP befürchtete hingegen die Unterwerfung der Schweiz unter EU-Recht und EU-Richter und kündigte daher Widerstand gegen die Pläne des Bundesrats an.
Petros Mavromichalis, der EU-Botschafter in der Schweiz, begegnete dem neuen Vorgehen der Schweiz mit viel Skepsis. Er begrüsste zwar die Ankündigung des Bundesrats, alle offenen Fragen angehen zu wollen, bezweifelte aber die Machbarkeit des sektoriellen Ansatzes. Er stellte im Interview mit der Republik auch klar, dass die Personenfreizügigkeit für die EU untrennbar mit dem Binnenmarkt verbunden sei und daher ebenfalls der dynamischen Rechtsangleichung und dem juristischen Streitbeilegungsmechanismus unterliegen müsse. Für ihn wirke es, «als ob die Schweiz mit sich selber verhandeln würde und es kein Gegenüber gäbe». Auch die EU habe Erwartungen und Bedürfnisse, weshalb die Debatte nicht nur nach Innen gerichtet werden dürfe.

Dossier: Entwicklung der bilateralen Beziehungen mit der EU nach dem Scheitern des Rahmenabkommens

Ende Juni 2023 verabschiedete der Bundesrat die Eckwerte für ein neues Verhandlungsmandat mit der EU. Im Vorfeld wurde in der Öffentlichkeit die Hoffnung geäussert, dass die Verhandlungsgrundlage dieses Mal besser sei als jene beim gescheiterten institutionellen Rahmenabkommen. Die vom Bundesrat präsentierten Eckwerte sollen als Grundlage für weitere Gespräche und als Leitlinien für mögliche künftige Verhandlungen mit der EU dienen. Der Bundesrat definierte damit also jene Bereiche, die in einem künftigen Verhandlungsmandat abgedeckt werden sollten. Ergänzt wurden diese durch Oberziele allfälliger Verhandlungen und durch spezifische Ziele in einzelnen Bereichen. Zu den Oberzielen gehören unter anderem: Eine Stabilisierung des bilateralen Wegs und dessen für die Schweiz massgeschneiderte Entwicklung; hindernisfreie Binnenmarktbeteiligung in den Bereichen Landverkehr, Luftverkehr, Landwirtschaft, Strom, Lebensmittelsicherheit sowie in allen Kapiteln des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen; der Abschluss eines Stromabkommens, eines Abkommens im Bereich Lebensmittelsicherheit und eines Gesundheitsabkommens; die Zulassung der Schweiz zu EU-Programmen wie beispielsweise Horizon 2021-2027. Im Gegenzug zu diesen Zugeständnissen biete die Schweiz Hand zu institutionellen Lösungen zur Erhöhung der Rechtssicherheit bei bestehenden und künftigen Binnenmarktabkommen. Zudem wolle die Schweiz sektoriell eingeschränkte staatliche Beihilferegelungen der EU übernehmen und die Verstetigung der Kohäsionszahlungen an die EU prüfen.
Der Bundesrat teilte in seiner Medienmitteilung mit, dass die betroffenen Bundesämter damit beauftragt worden seien, die noch offenen Punkte in Gesprächen mit der EU zu klären, unter anderem die Frage, wie die neuen Abkommen in das Verhandlungspaket integriert werden sollen. Er kündigte an, bis Ende Jahr die Verabschiedung des Verhandlungsmandats vorzubereiten, sofern die internen Arbeiten und die Gespräche mit der EU weiterhin gut verliefen.

Die Schweizer Öffentlichkeit reagierte unterschiedlich auf die Positionsbestimmung des Bundesrats. Während der Schweizerische Gewerkschaftsbund und Travail Suisse auf viele ungelöste Probleme verwiesen und den präsentierten Kompromissen kritisch gegenüber standen, betonte der Arbeitgeberverband, dass die «allermeisten offenen Punkte» bei den flankierenden Massnahmen gelöst werden konnten. Die Eckpunkte stiessen auch bei den Parteien nicht auf uneingeschränkte Gegenliebe. FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) bezeichnete die Eckwerte vor der Verabschiedung des Verhandlungsmandats als unnötigen Zwischenschritt, der nur dazu diene, «alle ruhigzustellen». Die SVP monierte laut «La Liberté», dass der Bundesrat mit diesen Eckwerten die Souveränität des Landes opfern wolle. SVP-Aussenpolitiker Franz Grüter (svp, LU) kritisierte, dass die heiklen Punkte wie die dynamische Rechtsübernahme oder die Streitbeilegung mit dem EuGH als Entscheidungsinstanz die gleichen wie beim institutionellen Rahmenabkommen seien. Ebenfalls unzufrieden, wenngleich aus anderen Gründen, waren die Grünen. Sie warfen dem Bundesrat vor, die Verhandlungen mit der EU bis nach den nationalen Wahlen im Herbst 2023 zu verzögern. Sibel Arslan (basta, BS) sprach dem Bundesrat den politischen Willen und den Mut zu Verhandlungen ab. Auch SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (sp, BL) störte sich in der «Republik» an dieser Verlangsamung der Gespräche, denn damit sei nichts zu gewinnen. Ähnliches vernehme man auch aus Brüssel, berichtete die NZZ. Der Sprecher der Europäischen Kommission gab zu Protokoll, dass man die Ankündigung des Bundesrates zur Kenntnis nehme und bereit sei, die laufenden Sondierungsgespräche fortzusetzen. Das übergeordnete Ziel für die EU sei es, eine systemische Lösung für alle strukturellen Fragen in den verschiedenen Abkommen zu finden. Für die EU sei jedoch ein «glaubwürdiger Zeitplan» wichtig, man wolle die Verhandlungen noch während der Amtszeit der derzeitigen Kommission zu Ende führen. Auch die Gewerkschaften, deren Vorbehalte gegen das institutionelle Rahmenabkommen mitverantwortlich für dessen Scheitern gewesen waren, äusserten sich zu den Eckwerten des Bundesrates. SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard (sp, VD) warf Bundesrat Cassis vor, schönfärberisch über die Fortschritte im EU-Dossier zu kommunizieren. Seiner Meinung nach nehme man in den Gesprächen mit der EU kaum etwas von diesen vermeldeten Fortschritten wahr, da sich die EU-Kommission auf ihre Positionen aus den Verhandlungen zum Rahmenabkommen berufe. Der SGB befürchtete nicht nur die Schwächung des Schweizer Lohnschutzes, sondern auch Forderungen der EU in weiteren Bereichen wie der Spesenregelung oder bei der Liberalisierung des Service public. Pierre-Yves Maillard nannte das Schienennetz oder den Strommarkt als Beispiele, bei denen man hart bleiben müsse. Er bezeichnete die Gefahr eines erneuten Scheiterns der Verhandlungen angesichts der derzeitigen Ausgangslage als «gross».

Dossier: Entwicklung der bilateralen Beziehungen mit der EU nach dem Scheitern des Rahmenabkommens

Anfang November 2023 verkündete der Bundesrat, ein Verhandlungsmandat mit der EU auszuarbeiten. Bis Ende 2023 werde er über die Annahme des Mandats sowie über die Konsultation der beiden aussenpolitischen Kommissionen und der Kantone befinden.
Seit April 2022 hatte der Bundesrat mit der EU Sondierungsgespräche über alle Bestandteile des so genannten Paketansatzes geführt. Dieser Ansatz umfasst gemäss Medienmitteilung zum einen neue Abkommen in den Bereichen Strom, Lebensmittelsicherheit sowie Gesundheit. Zum anderen gehe es dem Bundesrat aber auch um die Teilnahme an EU-Programmen – und hier vor allem um die Vollassoziierung an das EU-Forschungsprogramm Horizon Europe –, um den Regulierungsdialog im Finanzbereich sowie um die Etablierung eines strukturierten politischen Dialogs. Schliesslich beinhalte der Paketansatz auch die Aufnahme institutioneller Lösungen für die bestehenden Marktzugangsabkommen, Regeln für staatliche Beihilfen sowie die regelmässige Zahlung der Schweiz an ausgewählte EU-Mitgliedsstaaten (so genannte Kohäsionsmilliarde). Gleichzeitig hatte der Bundesrat in den letzten Monaten intensive Gespräche mit den Kantonen, den Sozialpartnern sowie mit Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft geführt. Hierbei hätten in vielen Punkten bereits Lösungen gefunden werden können, bei anderen Themen würden die Gespräche fortgesetzt, so der Bundesrat.
Die Medien reagierten mit einiger Zurückhaltung auf die Nachricht der Regierung. Das grüne Licht zur Ausarbeitung eines Verhandlungsmandats sei lediglich ein erster kleiner Schritt, wurde argumentiert. Der mediale Tenor lautete, dass die Verhandlungen mit der EU sehr schwierig würden, ausserdem gelte es danach noch das Parlament sowie allenfalls die Stimmbevölkerung vom Ergebnis der Verhandlungen zu überzeugen. Dabei meldeten sich auch die Sozialpartner zu Wort: Während SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard (sp, VD) seitens der Gewerkschaften kritisierte, dass allen voran der Lohnschutz in den Sondierungsgesprächen zwischen der Schweiz und der EU zu kurz gekommen sei, zeigten sich der SAV sowie Vertretende der Wirtschaft, wie etwa Economiesuisse und der SGV, erfreut über den Beschluss des Bundesrates.

Dossier: Entwicklung der bilateralen Beziehungen mit der EU nach dem Scheitern des Rahmenabkommens

Mitte Dezember 2023 genehmigte der Bundesrat den Entwurf für ein Verhandlungsmandat mit der EU. Dieser enthielt die Leitlinien, an denen sich die Schweizer Delegation in den einzelnen Bereichen der Verhandlungen ausrichten werde. Als Hauptziel legte der Bundesrat den hindernisfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt fest. Der vom Bundesrat gewählte Paketansatz – also der Abschluss von neuen sektoriellen Abkommen, die Teilnahme an EU-Programmen, die Aufnahme institutioneller Lösungen für die bestehenden Marktzugangsabkommen, Regeln für staatliche Beihilfen sowie die regelmässige Zahlung der Schweiz an ausgewählte EU-Mitgliedsstaaten – soll der Schweizer Delegation im Vergleich zum Rahmenabkommen, welches bekanntlich 2021 Schiffbruch erlitten hatte, mehr Flexibilität und Verhandlungsspielraum bieten. Wie die Medien berichteten, bot das Verhandlungsmandat keine grossen Überraschungen, die Inhalte waren bereits seit mehreren Monaten bekannt. Bemerkenswert sei eher das Tempo; die EU wie auch die Schweiz hätten bekannt gegeben, die Verhandlungen im Frühjahr 2024 aufnehmen und noch im selben Jahr zum Abschluss bringen zu wollen. Erstaunt hatte die Medien auch, dass der Bundesrat sehr transparent über die bisherigen Sondierungsgespräche sowie über den Inhalt des Verhandlungsmandats informierte.
Anschliessend wurden das Parlament, die Kantone sowie die Sozialpartner um Stellungnahmen zum Mandat gebeten. Den Medienmitteilungen der konsultierten Kommissionen liess sich entnehmen, dass der Paketansatz sowie der Inhalt des Mandats grundsätzlich positiv bewertet wurden. Die beiden aussenpolitischen Kommissionen sowie die WAK-NR empfahlen dem Bundesrat jedoch, jeweils wichtige Details zu korrigieren. Die Knackpunkte schienen dabei beim anvisierten Strommarktabkommen, bei den staatlichen Beihilfen, bei der Unionsbürgerrichtlinie, bei der Marktöffnung des Schweizer Schienenverkehrs sowie bei den flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit zu liegen.
Im März 2024 verabschiedete der Bundesrat das endgültige Mandat für die Verhandlung mit der EU. Der Bundesrat erläuterte, dass die Konsultation zum Mandat auf grosses Interesse gestossen sei. Dabei sei der Paketansatz des Bundesrates grundsätzlich positiv aufgenommen worden. In der Folge habe er zahlreiche Empfehlungen der konsultierten Akteure aufgenommen und das Mandat entsprechend präzisiert. Andere Empfehlungen seien jedoch nicht mit den zentralen Zielen des Pakets vereinbar gewesen und seien entsprechend nicht berücksichtigt worden. Der Bundesrat beauftragte ausserdem das EJPD, zu analysieren, ob das Paket im Falle eines erfolgreichen Verhandlungsabschlusses einem obligatorischen oder einem fakultativen Referendum unterstehen würde.
Die wichtigsten Ziele des Verhandlungsmandats der Schweiz waren die folgenden:
-Strommarkt: Die Öffnung des Schweizer Strommarktes sollte vorangetrieben werden; die Schweiz sollte am EU-Strombinnenmarkt teilnehmen, um den Stromhandel zu fördern und die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Die Schweizer Privathaushalte sollten den Strom weiterhin aus der regulierten Grundversorgung beziehen oder in diese zurückkehren können. Zudem sollten die Kantone weiterhin die erneuerbare Energieproduktion durch staatliche Beihilfen unterstützen können.
-Lohnschutz: Der Bundesrat strebte hierbei eine «Angleichung des Rechts von entsandten Arbeitnehmenden gemäss Anwendungsbereich des FZA an das in diesem Bereich geltende EU-Recht an», Lohndumping und unfaire Spesenregelungen sollten aber verhindert werden.
-Schiedsgericht: Bei einem Streit im Rahmen eines bilateralen Abkommens sollten die Parteien im jeweiligen gemischten Ausschuss nach einer politischen Lösung suchen. Sollte dies nicht klappen, kann jede Vertragspartei den Streit einem paritätisch zusammengesetzten Schiedsgericht unterbreiten. Falls der Streitfall die «Auslegung oder Anwendung einer Bestimmung eines Abkommens oder des EU-Rechts» betreffen sollte, so sei unter spezifischen Umständen der EuGH für die verbindliche Auslegung zuständig.
-Dynamische Rechtsübernahme: Die bestehenden und zukünftigen Binnenmarktabkommen sollten durch eine dynamische Rechtsübernahme regelmässig aktualisiert werden. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass die Schweiz an der Weiterentwicklung des entsprechenden EU-Rechts mitwirken kann und die verfassungsrechtlichen Verfahren der Schweiz respektiert werden.
-Zuwanderung: Auch hier war eine Rechtsangleichung vorgesehen. Der Bundesrat verfolgte dabei das Ziel, die Einwanderung stark auf die Erwerbstätigkeit auszurichten, um die Folgen für das Sozialversicherungssystem zu begrenzen und Missbräuche zu unterbinden. Zudem sollte auch der Landesverweis weiterhin möglich sein.
-Internationaler Bahnverkehr: Der Bundesrat sah vor, dass die institutionellen Elemente (bspw. die dynamische Rechtsübernahme) und die Regelungen über die staatlichen Beihilfen in das bestehende Landverkehrsabkommen integriert werden. Dabei sollten die Errungenschaften des schweizerischen ÖV, wie etwa der Taktfahrplan, bestehen bleiben und auch die in der BV verankerte Verkehrsverlagerung von der Strasse auf die Schiene sollte abgesichert werden.
-Teilnahme an EU-Programmen: Die Schweiz strebte die Schaffung eines Rechtsrahmens für den Bereich der EU-Programme an. Dieser Rechtsrahmen sollte insbesondere für eine Teilnahme der Schweiz am Horizon-Paket 2021–2027 sowie an Erasmus+ 2021–2027 sorgen.
Die Vorteile des Paketansatzes im Vergleich zum Rahmenabkommen sah das EDA gemäss seiner Website im August 2024 darin, dass die grössten Knackpunkte insbesondere bei der Unionsbürgerrichtlinie, beim Lohnschutz und den staatlichen Beihilfen hätten bereinigt werden können und dass die institutionellen Elemente sektoriell verankert und nicht über alle Binnenmarktabkommen hinweg angewendet würden. Dadurch könne besser auf die Charakteristika der einzelnen Abkommen eingegangen werden. Zudem werde die Zuständigkeit des Bundesgerichts respektiert und äuf eine «Super-Guillotine» verzichtet.
Die Medien waren sich einig, dass die harten Verhandlungen erst jetzt losgingen. Zudem sei es zum jetzigen Zeitpunkt schwierig vorherzusagen, ob die Verhandlungen dieses Mal erfolgreich abgeschlossen werden könnten oder ob wieder ein Verhandlungsabbruch drohe. Die Zeitungen gingen auch der Frage nach, wie sich die politischen Parteien zum Verhandlungsmandat positionierten. Einig war man sich, dass sich die SVP dagegen aussprechen und sich die GLP für den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen stark machen würde. Bei den anderen Parteien sei die Ausgangslage unklar, es würde wohl noch zu vielen Diskussionen kommen.
Die EU gab ihrerseits wenige Tage nach dem Bundesrat bekannt, dass auch sie ihr Mandat verabschiedet habe.

Dossier: Entwicklung der bilateralen Beziehungen mit der EU nach dem Scheitern des Rahmenabkommens