Folgen der Ausübung des Melderechts Christoph Meili (Pa.Iv. 97.420)

Als PDF speichern

Am 14. Januar gab die Schweizerische Bankgesellschaft bekannt, dass ihr Archivar irrtümlicherweise und entgegen bankinterner Weisungen Bankdokumente aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zur Zerstörung freigegeben hatte. Aufgedeckt worden war die Aktenvernichtung von Christoph Meili, einem Angestellten einer Bewachungsfirma, welcher diese Dokumente im Shredderraum am Hauptsitz der Bank entdeckt hatte. Die ihm am brisantesten erscheinenden Papiere hatte er mitgenommen und der Israelitischen Kultusgemeinde Zürich (und teilweise auch einer Journalistin) übergeben, welche sie an die Bezirksanwaltschaft Zürich weiterleitete. Die sichergestellten Dokumente stammten von der 1945 von der Bankgesellschaft übernommenen Eidgenössischen Bank und bezogen sich nicht auf Vermögenswerte von Kunden. Ein Teil handelte von Geschäftsvorgängen vor 1930; brisanter erschienen jene, welche sich auf die Verwaltung von Liegenschaften in Berlin während der dreissiger Jahre bezogen. Sollte es sich dabei um Liegenschaften handeln, welche die Bank aufgrund von Zwangsversteigerungen infolge der deutschen Rassengesetze erworben hat, wäre ihre Vernichtung gemäss dem im Vorjahr verabschiedeten Beschluss zur Aufarbeitung der Schweizer Geschichte während der dreissiger und vierziger Jahre unzulässig gewesen. Der Vorsitzende der Historiker–Kommission, Jean–François Bergier, richtete in der Folge einen Appell an alle Finanz– und Industriefirmen, das Aktenvernichtungsverbot bis zum Abschluss der Untersuchungen extensiv zu interpretieren. Dieses erstrecke sich auf sämtliche Dokumente zu Finanz– und Handelsgeschäften mit dem Ausland für den Zeitraum 1920 bis 1950.

Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Der von der Bewachungsfirma zuerst suspendierte und dann entlassene Meili erhielt für seine Aktion diverse Auszeichnungen von jüdischen Organisationen. Da er mit seiner Aktion (insbesondere der Übergabe eines Teils der Akten an eine Journalistin) aber eventuell eine als Offizialdelikt geltende Verletzung des Bankgeheimnisses begangen hatte, eröffnete der zuständige Zürcher Bezirksanwalt Peter Cosandey gegen Meili eine Strafuntersuchung. Anfangs Oktober gab Cosandey bekannt, dass er das Verfahren gegen Meili eingestellt habe. Der Grund liege in der in bezug auf Wahrung des Bankgeheimnisses geringen Bedeutung der von Meili abtransportierten Akten, welche keine kundenrelevanten Informationen enthalten hätten. Die sichergestellten Protokolle der Direktion der Eidgenössischen Bank stammten aus der Zeit vor 1930, und die Kontenblätter zur Verwaltung von Liegenschaften in Berlin würden Immobilien betreffen, welche die Bank von einem Schweizer erworben habe. Angesichts der auch von der Bergier–Kommission bestätigten Irrelevanz dieser Dokumente für die historische Forschung stellte Cosandey auch das Verfahren gegen den Archivar der Bankgesellschaft ein.

Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats beantragte mit einer parlamentarischen Initiative, eine Lücke beim dringlichen Bundesbeschluss aus dem Vorjahr, welcher die Grundlage zur Arbeit der Historikerkommission Bergier bildet, zu schliessen. Auslöser für diesen Vorstoss war die Sicherstellung von alten Bankdokumenten aus dem Shredderraum einer Grossbank durch den Wachmann Meili. Der Zusatzbeschluss sah vor, dass Personen, welche vor dieser Kommission aussagen möchten oder ihr anderweitig Informationen zukommen lassen, keine Nachteile wegen Verletzung der Treuepflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber oder des Berufsgeheimnisses erwachsen dürfen. Dabei soll insbesondere auch ausdrücklich festgehalten werden, dass eine Kündigung in solchen Fällen nicht zulässig wäre. Der Nationalrat stimmte dieser Ergänzung zu. Der Ständerat war hingegen der Ansicht, dass eine solche explizite Formel nicht nötig sei, da Auskunftspersonen, welche in gutem Glauben handeln, durch den Bundesbeschluss vom Dezember 1996 ausreichend geschützt seien. Die Materialen zu diesem Beschluss würden nach Ansicht der Kommissionsmehrheit den Richtern auch in Zivilsachen eindeutig die Anweisung geben, das Interesse der Öffentlichkeit an der Geschichtsforschung den privaten Klägerinteressen vorzuziehen. Diese Ansicht wurde auch vom Bundesamt für Justiz geteilt. Die kleine Kammer beschloss mit 35 zu 7 Stimmen, nicht auf die Vorlage einzutreten. Im Nationalrat beantragte die Kommissionsmehrheit, am Beschluss festzuhalten, da in bezug auf das Zivilrecht die Rechtslage nicht eindeutig sei; diese Meinung hatte auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zur parlamentarischen Initiative vertreten. Gegen den Widerstand der SVP - welche sich insbesondere auch über die publizistische Ausschlachtung des Falls Meili empörte - entschied der Nationalrat, an der neuen Bestimmung festzuhalten.

Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Meili selbst war mit seiner Familie, und begleitet vom amerikanischen Rechtsanwalt Edward Fagan, welcher eine der Sammelklagen gegen die Banken eingereicht hatte, bereits vorher in die Vereinigten Staaten ausgereist. Als Grund gab er an, dass er anonyme Drohbriefe erhalten habe und sich in der Schweiz nicht mehr sicher fühle. In den USA trat er an mehreren Medienveranstaltungen von Fagan und Senator D'Amato auf und erhielt – mit dem Argument, dass er und seine Familie in der Schweiz bedroht werden – in einem Sonderverfahren vom Parlament eine sofortige und permanente Niederlassungsbewilligung.

Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Wachmann Christoph Meili, der im Vorjahr aus dem Shredderraum der UBS Dokumente geholt hatte und in der Folge von der Bewachungsfirma entlassen worden war, verklagte die UBS bei einem Gericht in New York wegen Verleumdung, Diskriminierung, Erzeugung von Qualen und anderer Delikte auf einen Schadenersatz von USD 2.56 Mia. Mit der Globallösung war auch diese Klage erledigt; die Höhe der an Meili gehenden Zahlung war nicht bekannt.

Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Der Ständerat befasste sich noch einmal mit dem vom Nationalrat im Vorjahr beschlossenen besonderen Schutz von Personen, welche vor der Historikerkommission aussagen. Er hielt gegen den Widerstand der Linken an seiner Meinung fest, dass Auskunftspersonen durch den Bundesbeschluss, welcher die Kommission mandatiert hatte, ausreichend geschützt seien, und lehnte es ab, auf die Vorlage der grossen Kammer einzutreten. Damit wurde das Geschäft aus der Traktandenliste gestrichen.

Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken