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Infrastruktur und Lebensraum
Boden- und Wohnwirtschaft
Der Bundesrat legte seine Botschaft zum Recht auf Privaterschliessung sowie zu Massnahmen zur Beschleunigung der Baubewilligungsverfahren vor. - Ein Expertenvorschlag zu einer Revision des Raumplanungsgesetzes, der vorsieht, das Bauen in der Landwirtschaftszone zu erleichtern, wurde stark kritisiert. - Bundesrat und Parlament stimmten einer Lockerung der "Lex Friedrich" zu. Die Schweizer Demokraten ergriffen dagegen das Referendum. - Der Nationalrat sprach sich für die Deregulierung des Mietrechts und die Einführung der Marktmiete aus.
Raumplanung
Die Bundesbeschlüsse über die Sperrfrist zur Weiterveräusserung und die Pfandbelastungsgrenze für nichtlandwirtschaftliche Grundstücke, die 1989 als dringliche bodenrechtliche Sofortmassnahmen beschlossen worden waren und welche die Spekulation und Nachfrage nach Boden und Wohnungen dämpfen sollten, liefen Ende 1994 aus. Beide Massnahmen waren 1992 vom Parlament gelockert worden. Der Bundesrat verzichtete angesichts der veränderten Lage auf dem Bodenmarkt - nachlassende Kaufkraft und Nachfrage, zurückhaltende Kreditgewährung - vorerst auf eine Weiterführung dieser Bundesbeschlüsse. Massnahmen erübrigten sich unter anderem auch wegen einer neuen Bestimmung des ZGB, wonach die Kantone seit 1. Januar 1994 jede Eigentumsübertragung von Grundstücken publizieren müssen [1].
Die vom Bundesrat im März 1993 in die Vernehmlassung gegebenen Massnahmen zur Ablösung der 1989 vorgelegten befristeten Eingriffe im Bodenrecht waren von bürgerlichen Kreisen derart zerzaust worden, dass der Bundesrat darauf verzichtete, sie dem Parlament vorzulegen. Das Programm hatte vier Punkte - das Vorkaufsrecht für Mieter, das Vorkaufsrecht für Gemeinden, die Pflicht zur Publikation von Kaufpreisen nach Handänderungen sowie das private Erschliessungsrecht - vorgesehen. Die bürgerlichen Parteien (ohne Teile der CVP) sowie der Hauseigentümerverband und eine knappe Mehrheit der Kantone lehnten das Vorkaufsrecht als eigentumsfeindlich und marktbehindernd ab. Der Vorschlag der Publikation von Kaufpreisen nach Handänderungen wurde mit dem Argument bekämpft, er verstosse gegen den Datenschutz. Bundesrat Koller sprach von einer Patt-Situation im Bodenrecht und behielt sich vor, auf die Vorkaufsrechte zurückzukommen. Er legte im Mai lediglich eine Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG) bezüglich der Vorschriften über die Erschliessung von Bauzonen vor, welche die heute bestehende Möglichkeit der Kantone, das sogenannte Recht auf Privaterschliessung zu gewähren, in eine Pflicht umwandelt. Zudem wird mit der Revision klargestellt, dass der Grundeigentümer einen Anspruch auf die zeitgerechte Erschliessung seines Baulandes hat und ihm zu dessen Durchsetzung die Rechtsmittel des RPG offenstehen. Von kantonaler Seite wurde kritisiert, dass das neue Erschliessungsrecht unnötigen Zentralismus bringe in einen Bereich, den Kantone und Gemeinden bisher autonom regeln konnten [2].
Erfolgreicher war im Vernehmlassungsverfahren vom Herbst 1993 der Entwurf zur Vereinfachung, Beschleunigung und Koordination der Bewilligungsverfahren für Bauten und Anlagen, den der Bundesrat in derselben Botschaft ebenfalls als Teilrevision des RPG vorlegte. Gemäss dieser sollen die Kantone verpflichtet werden, Fristen für die Verfahren zu setzen. Weiter werden gewisse Minimalanforderungen an die Koordination der Baubewilligungen gestellt, ein Anspruch auf widerspruchsfreie Verfügungen verankert sowie die Konzentration des Beschwerdeverfahrens bei einer einzigen kantonalen Behörde vorgeschrieben. Die SP sowie verschiedene Kantone, darunter Zürich, lehnten die Revision als unnötig und sinnlos ab. Umweltorganisationen befürchteten von der zeitlichen Straffung der Verfahren die Vernachlässigung von Umwelt- und Landschaftsschutzinteressen. Der Ständerat wird die Revision des RPG als Erstrat in der Januar-Sondersession 1995 behandeln [3].
Eine vom Obwaldner Landammann Adalbert Durrer (cvp) präsidierte Expertenkommission befasste sich mit der Umsetzung einer 1991 überwiesenen Motion Zimmerli (svp, BE), welche eine Lockerung des Raumplanungsgesetzes (RPG) im Bereich Landwirtschaft und Landschaft fordert. Die Experten schlugen vor, dass in der Landwirtschaftszone nicht mehr nur bodenabhängige Nutzungen möglich sein sollen. Zugelassen wären künftig auch Bauten und Anlagen, die zur langfristigen Erhaltung eines Landwirtschafts- oder Gartenbaubetriebs dienen. Darunter fallen auch bodenunabhängige Betriebsteile wie die Intensivmast oder Hors-sol-Kulturen und Anlagen für die Aufbereitung, die Lagerung und den Verkauf von betriebseigenen Erzeugnissen. Mit einem erweiterten Ausnahmetatbestand im RPG sollen die Kantone ausserdem die Kompetenz erhalten, Zweckänderungen von bestehenden Bauten ausserhalb der Bauzone zuzulassen, wenn das dadurch erzielbare Einkommen zur langfristigen Erhaltung des landwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betriebs erforderlich ist. Nicht beanspruchte landwirtschaftliche Gebäude könnten als Ferienwohnungen genutzt werden. Der vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickte Kommissionsvorschlag stiess in Umweltkreisen, bei Parteien und der Wirtschaft auf massive Kritik und wurde auch von einer Mehrheit der Kantone abgelehnt. So würde gemäss vielen Kritikern die bisherige strikte Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet unterlaufen, und es drohe eine beschleunigte Zersiedelung. Auf Opposition stiess vor allem auch die Zulassung bodenunabhängiger Agrar-Industrie. So befürchtete das Gewerbe eine Privilegierung der Bauern, welche auf billigstem Boden auf gewerbliche Tätigkeit umsteigen könnten. Nur die SVP und der Schweizerische Bauernverband begrüssten die Vorlage vorbehaltlos [4].
Das Bundesgericht trat auf eine staatsrechtliche Beschwerde gegen einen Beschluss des Kantons Wallis von 1993 über die "Erhaltung der Bausubstanz ausserhalb der Bauzonen" nicht ein. Es stützte damit die neue Praxis im Kanton Wallis, die Maiensäss- oder Erhaltungszonen vorsieht und wonach allein die kantonale Baukommission darüber zu entscheiden hat, welche Gebäude ausserhalb der Bauzone schutzwürdig und damit gegebenenfalls für einen Umbau geeignet sind. Das Bundesamt für Raumplanung äusserte Zweifel an der Rechtsmässigkeit der neuen "Lex Wallis", will aber weitere Erläuterungen des Bundesgerichtes abwarten [5].
Grossflächige Gewächshäuser für die Produktion von Hors-sol-Gemüse dürfen nach einem Entscheid des Tessiner Verwaltungsgerichts nicht in der Landwirtschaftszone der Magadino-Ebene gebaut werden. Erstmals äusserte sich damit ein Schweizer Gericht klar zur Zonenkonformität der industriellen Hors-sol-Produktion. Falls das Bundesgericht den Tessiner Entscheid bestätigt, will der WWF, der die Beschwerde eingereicht hatte, verlangen, dass alle künftigen Hors-sol-Projekte in der Industrie-/Gewerbezone oder in Spezialzonen zu verwirklichen seien [6].
Eine Motion Bisig (fdp, SZ) verlangte eine Revision des RPG (Art. 24) mit dem Ziel, Infrastrukturanlagen für die Erschliessung von Bauzonen auch ausserhalb des Baugebietes zuzulassen bzw. die Ausnahmemöglichkeiten zu erweitern. Der Ständerat überwies die Motion gegen den Willen von Bundesrat Koller [7].
Eine Motion Baumberger (cvp, ZH), die vom Nationalrat als Postulat überwiesen wurde, verlangte eine Teilrevision des RPG, welche dafür sorgt, dass weiterhin planungs- und baurechtliche Vorentscheide mit verbindlicher Wirkung im Verhältnis zum Gesuchssteller möglich bleiben. Das Bundesgericht hatte 1992 solchen nichtpublizierten Vorentscheiden die Verbindlichkeit aberkannt. In seiner Stellungnahme zeigte sich der Bundesrat mit der Zielsetzung einverstanden, bestand jedoch - wie das Bundesgericht - auf der Verfahrensteilnahme dritter, möglicherweise beschwerdelegitimierter Personen auch bei baurechtlichen Vorentscheiden [8].
Die Deutsch-Schweizerische Raumordnungskommission zog anlässlich ihres 20-Jahr-Jubiläums eine positive Bilanz zu ihrer bisherigen grenzüberschreitenden Tätigkeit. Für das dritte Jahrzehnt schlug die deutsche Bundesministerin Irmgard Schwaetzer vor, an einer Raumordnung im Sinne des Europas der Regionen zu arbeiten und dabei auch den Grenzbereich Frankreichs einzubeziehen [9].
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Im Rahmen des Programms "Raumbeobachtung Schweiz" erarbeitete das Bundesamt für Raumplanung Grundlagen, mit welchen sich die räumlichen Auswirkungen einer Liberalisierung bei der Umnutzung der bestehenden Bausubstanz besser abschätzen lassen sollen. Die Studie zeigt auf, dass in der Schweiz jedes vierte Gebäude ausserhalb der Bauzonen steht. Zwischen den Kantonen bestehen grosse Unterschiede. In Kantonen mit grossen Streusiedlungen (z.B. OW, NW, AI) beträgt der Anteil von Bauten ausserhalb der Bauzonen am Gesamtgebäudebestand bis zu über 50%. Mit einem Anteil von 70% dominieren die Landwirtschaftsgebäude, dazu kommen 121 000 Wohn- bzw. Ferienhäuser sowie 43 000 Wirtschaftsgebäude [10].
Mit dem Bericht "Grundzüge der Raumordnung Schweiz", der 1989 in Auftrag gegeben worden war, will das Bundesamt für Raumplanung Impulse gegen die Zersiedelung und eine ungeordnete und umweltfeindliche Entwicklung geben. Die räumliche Situation der Schweiz sei gekennzeichnet durch ungeordnete Besiedelung, anhaltenden Raumbedarf bei knappen Ressourcen und räumliche Ungleichgewichte zwischen Wirtschaft, Wohnen und Verkehrserschliessung. Die heutige ungünstige Siedlungsstruktur sei auch mit hohen Kosten für Bau und Unterhalt der Infrastruktur verbunden. Nachdem das Strassennetz weitgehend gebaut ist, komme dem öffentlichen Verkehr eine zentrale Rolle zu. Gemäss dem Raumordnungsbericht soll Wachstum dort stattfinden, wo es sinnvoll ist: in den Städten und städtischen Agglomerationen, damit ein in die europäische Entwicklung eingebundenes Städtesystem entstehe, das sich nicht mehr weiter gegen aussen, sondern im Innern entwickelt. Die Vernetzung der im internationalen Vergleich eher kleinen Schweizer Grosstädte zu einer "Dreimillionenstadt" erhöhe die Standortgunst und erlaube es, mit den europäischen Zentren zu konkurrieren. Gemäss der Studie haben die Kantone der Entwicklung der Städte bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ergänzt werden soll die auf die Agglomerationen ausgerichtete Raumordnung durch eine Revision des Finanzausgleichs. Der Bund müsste demnach den wirtschaftsschwachen Regionen vermehrt frei verwendbare Mittel zur Verfügung stellen, damit sie sich selber helfen können. Der Bericht ging in die Vernehmlassung und der Bundesrat wird darüber entscheiden, ob die Erkenntnisse dieser Studie in eine Totalrevision des Raumplanungsgesetzes einfliessen sollen [11].
Das Bundesamt für Raumplanung beschäftigte sich mit einem stärkeren Einbezug der Frauen in die Orts- und Bauplanung. Im Jahr der "inneren Sicherheit" erarbeitete das Bundesamt eine Studie, die frauenspezifische Anliegen in den Bereichen Sicherheit, Mobilität, Arbeitsplätze, Kinderfreundlichkeit und Gemeinschaft aufnimmt. Im Vordergrund müsse der bewusste Einbezug von Frauen in die verschiedenen Planungsgruppen stehen [12].
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Bodenrecht
Zum Anschlussprogramm für die auslaufenden bodenrechtlichen Eingriffe siehe oben, Raumplanung.
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Im Anschluss an eine 1993 eingereichte Standesinitiative des Kantons Genf, welche die ersatzlose Abschaffung der von 1983 datierenden "Lex Friedrich" forderte, sowie als Antwort auf parlamentarische Vorstösse, präsentierte der Bundesrat eine Teilrevision der "Lex Friedrich". Der Vorentwurf war in der Vernehmlassung gut aufgenommen worden. Die Kantone - allen voran Berg- und Tourismuskantone - sprachen sich fast ausnahmslos für eine Lockerung der "Lex Friedrich" aus. Luzern lehnte die vorgeschlagene Revision jedoch mit den Argumenten ab, die Vorlage werde den Überfremdungsängsten des Volkes nicht gerecht und könnte überdies zu einer Verteuerung des Produktionsstandortes Schweiz führen. St. Gallen forderte eine restriktivere Bewilligungspraxis als vom Bundesrat vorgeschlagen. Von den grossen Parteien sprachen sich nur die SP einschränkend aus, indem sie flankierende Massnahmen gegen die Bodenspekulation forderte; die SD wies als einzige Partei das Vorhaben ganz zurück. Die Teilrevision sieht eine kontrollierte Öffnung des Immobilienmarktes vor. Gleichzeitig soll das schweizerische Recht den internationalen Verpflichtungen angepasst werden. Ausländerinnen und Ausländer sollen Schweizer Boden frei erwerben können, wenn sie hier wohnen oder während insgesamt fünf Jahren in der Schweiz gewohnt haben; bisher galt dies nur für Ausländer mit Niederlassungsbewilligung. Keine Bewilligungspflicht ist für den Erwerb von Grundstücken vorgesehen, welche der wirtschaftlichen Tätigkeit von Unternehmen dienen. Kontingentiert und bewilligungspflichtig für im Ausland wohnende Personen bleiben jedoch weiterhin der Grundstückerwerb zum Zweck der blossen Kapitalanlage und des gewerbsmässigen Immobilienhandels sowie der Erwerb von Ferienwohnungen. Diese Bestimmungen sollen aus Gründen der Rechtsgleichheit neu auch für Auslandschweizer gelten [13].
Beide eidgenössischen Räte stimmten im Berichtsjahr dieser Lockerung der "Lex Friedrich" zu, wobei zwei zentrale Differenzen zu bereinigen waren: Einerseits die Kontingentierung der höchstzulässigen Kaufbewilligungen für Ferienimmobilien an Ausländer, welche der Nationalrat gemäss den Vorgaben des Bundesrates von heute 2840 auf 4000 Handänderungsbewilligungen pro zwei Jahre festlegen wollte. Ein Vorstoss von Nationalrat Vetterli (svp, ZH), der die Höchstzahl auf 3000 Handänderungsbewilligungen pro zwei Jahre reduzieren wollte, scheiterte knapp. Der Ständerat, welcher zunächst auf eine Festschreibung der Kontingente im Gesetz verzichten wollte, schloss sich in der Differenzbereinigung dem Standpunkt des Nationalrates an. Andererseits setzte er sich bei der zweiten grossen Differenz gegen den Nationalrat durch, welcher eine Sonderregelung für Auslandschweizer im Gesetz verankern wollte. Danach wären neu im Ausland wohnende "natürliche Personen ohne Schweizer Bürgerrecht" bewilligungspflichtig geworden. Ständerat und Bundesrat Koller lehnten eine Privilegierung der Auslandschweizer, wenn auch mit Bedauern, als widersprüchlich zum Staatsvertragsrecht ab und wiesen auf andernfalls wahrscheinliche ausländische Retorsionsmassnahmen gegenüber Auslandschweizern hin. Der Nationalrat schloss sich diesem Streitpunkt mit 78 gegen 67 Stimmen schliesslich an. Verschiedene Redner machten geltend, dass es sich ja ohnehin nur um eine auf wenige Jahre befristete Übergangslösung bis zur definitiven Aufhebung der Lex Friedrich handle. In der Schlussabstimmung nahm der Nationalrat die Revision der Lex Friedrich mit 149 zu 19, der Ständerat einstimmig an. Verschiedene andere parlamentarische Vorstösse im Zusammenhang mit der "Lex Friedrich" wurden von den Räten abgeschrieben. Eine Motion Maspoli (lega, TI), die - wie die Genfer Standesinitiative - eine gänzliche Abschaffung der Lex Friedrich forderte, wurde vom Nationalrat klar verworfen [14].
Die Befürworter der Vorlage sind jedoch in zwei Lager gespalten. Während bürgerliche Vertreter kurz- oder mittelfristig eine möglichst weitgehende Liberalisierung bzw. eine Abschaffung der "Lex Friedrich" postulieren, wollen Linke und Grüne nur eine vorsichtige Öffnung. Auch die Kantone sind in dieser Frage gespalten. Der Bundesrat schliesslich will den Schlussbericht einer Expertenkommission unter der Leitung der Solothurner Regierungsrätin Cornelia Füeg (fdp) abwarten, die beauftragt worden war, die Folgen einer vollständigen Liberalisierung der "Lex Friedrich" einzuschätzen [15].
Die Schweizer Demokraten, die im Nationalrat mit ihrem Nichteintretenantrag unterlegen waren, ergriffen im Oktober gegen die Liberalisierung der "Lex Friedrich" das Referendum [16].
Die Zahl der bewilligten Immobilienverkäufe an im Ausland lebende Personen stieg 1993 an. Gegenüber 1992 nahmen die kantonalen Bewilligungen mit 2040 um 11% zu, wobei das Wallis an erster, das Tessin an zweiter Stelle lag. Die bewilligte Fläche lag mit 215 ha (1992: 221) etwas tiefer, die Preissumme jedoch höher. Die Zahl der tatsächlich erfolgten Erwerbe durch Ausländer war tiefer als im Vorjahr: 1993 wurden 1137 (1992: 1189) Handänderungen ins Grundbuch eingetragen, wobei der weitaus grösste Teil der Erwerber aus dem EU-Raum stammt [17].
Eine Motion der Rechtskommission des Nationalrates, die den Bundesrat ersuchte, zur Beschränkung der Ausdehnung von Zweit- und Ferienwohnungen und zur Bestanderhaltung von ständig bewohnten Wohnungen raumplanerische Massnahmen zu ergreifen, wurde als Postulat überwiesen. Insbesondere hätten die Kantone gezwungen werden sollen, für die kommunalen Nutzungspläne Anteile von ständig bewohnten Wohnungen zu definieren. Gemäss dem Bundesrat werden flankierende Massnahmen im Bereich der Zweit- und Ferienwohnungen bereits von der Expertenkommission Füeg geprüft (s. oben) [18].
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Ständerat Martin (fdp, VD) möchte mit einer Motion für eine Änderung des Bäuerlichen Bodenrechtes die Stellung von nicht landwirtschaftlich tätigen Gläubigern (z.B. Banken) verbessern. Er verlangte, dass bei Zwangsversteigerungen von grundpfandlich belasteten Landwirtschaftsgrundstücken die Gläubiger auch dann mitbieten können, wenn sie in Konkurrenz zu einem Selbstbewirtschafter stehen. Bundesrat Koller sprach sich gegen die Abänderung dieses erst seit Jahresbeginn in Kraft gesetzten Gesetzes aus, der Ständerat überwies die Motion jedoch mit klarer Mehrheit [19].
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Mietwesen
Die Ersthypotheken lagen während dem ganzen Berichtsjahr stabil bei durchschnittlich 5,5%, die Althypotheken reduzierten sich von 5,9% auf ebenfalls 5.5% [20].
Auch die Mieten blieben 1994 im Schweizerischen Landesdurchschnitt auf stabilem Niveau. Ein Vergleich des Landesindex für Wohnungsmiete zwischen Dezember 1993 und Dezember 1994 ergibt eine leichte Erhöhung der Wohnmieten von 0,1%. Damit wirkte sich das wachsende Angebot auf dem Wohnungsmarkt, von einigen Teilmärkten und Wohnungssegmenten abgesehen, noch nicht auf die Entwicklung der Wohnkosten aus [21].
Eine Univox-Umfrage über die Lebensqualität am Wohnort zeigte, dass ein Drittel der Mieterinnen und Mieter ihre Wohnung gerne kaufen würde, wobei dieser Wunsch unter den Romands stärker verbreitet ist. Der Grossteil der Befragten, 80%, gibt mehr als ein Fünftel des Einkommens für das Wohnen aus. Grösstes Wohnproblem ist gemäss der Studie der Verkehr, von dem sich 60% der Befragten negativ betroffen fühlen; 25% leiden darunter [22].
Nach Ansicht des Datenschutzbeauftragten Odilo Guntern sind viele Fragen auf Anmeldungsformularen bei Wohnungsbewerbungen unnötig und verletzen die Privatsphäre der Mieter. Guntern erliess im November zuhanden der Vermieter- und Mieterverbände eine Empfehlung. So soll etwa das Einkommen nur noch in Kategorien erhoben werden und Fragen, ob sich der Mieter in einer Notlage befinde oder ob er aufgrund der Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt zum Abschluss des Mietvertrages gezwngen wurde, nicht mehr erlaubt sein. Ebenso sollen keine Fragen mehr zur Mitgliedschaft bei einer Mieterschutzorganisation oder zum Bestehen chronischer Krankheiten des Wohnungsbewerbers gestellt werden dürfen. In einer ersten Reaktion akzeptierten die Vermieterverbände die als moderat eingestuften Empfehlungen [23].
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Drei Vorstösse bürgerlicher Parlamentarier und Vertreter des Hauseigentümerverbandes zielten in der Sommersession auf eine Deregulierung im Mietwesen ab. Zwei parlamentarische Initiativen Hegetschweiler (fdp, ZH) von 1992 und 1993 verlangten in Form ausgearbeiteter Entwürfe Änderungen des erst 1990 in Kraft getretenen revidierten Mietrechts. Dieses habe die Stellung des Vermieters verschlechtert und halte private Investoren vom Wohnungsbau ab. Insbesondere forderte der Initiant die Abschwächung von Mietrechtsnormen in den Bereichen Anfechtbarkeit der Anfangsmiete, Kündigung und ihre Erstreckung, vorzeitige Rückgabe des Mietobjektes, Mietzinsdepot, Mängelbehebung und Erneuerung des Mietobjektes, Untermiete und Eigenbedarf. Mit der zweiten, ergänzenden Initiative forderte der Initiant eine klare Regelung des Mietzinsvorbehalts. Danach müsste jeder Vermieter das Recht haben, nach zweijähriger Frist eine Erhöhungsmöglichkeit der Mieten auch ohne Vorbehalt geltend machen zu können. Eine parlamentarische Initiative Ducret (cvp, GE) von 1993 forderte ausserdem, den durch die geltenden Bestimmungen möglichen Widerspruch, dass der von einer zuständigen Verwaltungsbehörde bestimmte Mietzins von einer richterlichen Instanz als missbräuchlich erklärt werden könne, mit einer Änderung im Mietrecht zu verhindern. Die vorberatende Rechtskommission des Nationalrates beschloss, den drei Initiativen Folge zu geben, da sich das neue Mietrecht tätsächlich in verschiedenen Punkten nicht bewährt habe und äusserst kompliziert und unüberschaubar sei. Der Nationalrat folgte der Empfehlung seiner Kommission gegen den Widerstand der SP und der GP mit 94 zu 73 bzw. mit 105 zu 64 Stimmen [24].
Überwiesen wurde vom Nationalrat mit 72 gegen 63 Stimmen zudem eine Motion Baumberger (cvp, ZH), welche explizit die Einführung der Marktmiete verlangt. Die SP, die GP und ein Teil der CVP-Fraktion wehrten sich vergeblich gegen einen Systemwechsel, der ihrer Meinung nach der Abschaffung des Mieterschutzes gleichkäme und drohten, wie auch der Mieterverband, mit dem Referendum. Sie beriefen sich auf den Bericht der vom Bundesrat eingesetzten Studienkommission Marktmiete von 1993, der - ohne eine Empfehlung abzugeben - davon ausgeht, dass eine Einführung der Marktmiete zu Preiserhöhungen, insbesondere auch im Altwohnungsbestand, führen würde. Bundesrat Delamuraz machte sich für eine etappenweise Reform stark, die vor allem die Vereinfachung des Mieterrechts zum Ziel haben müsse. Eine reine Marktmiete sei hingegen wirtschaftlich und sozial nicht zu verkraften. Vergeblich sprach er sich für die Umwandlung der Motion in ein Postulat aus. Die Befürworter der Marktmiete sprachen sich zur "sozialen Abfederung" des Systemwechsels für eine staatliche Subjekthilfe aus [25].
In der Herbstsession reichte die christlichdemokratische Fraktion per Motion eine Kompromisslösung ein, welche sich gegen die Marktmiete, aber für eine Entschlackung des Mietrechts ausspricht. Die Motion wurde vom Nationalrat als Postulat überwiesen [26].
Eine Motion de Dardel (sp, GE), welche den Bundesrat mit einem dringlichen Bundesbeschluss ermächtigen wollte, bei Hypothekarzinssenkungen eine allgemeine Mietzinssenkung anzuordnen, wurde vom Nationalrat auch als Postulat abgelehnt [27].
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Wohnungsbau
Der Wohnungsmarkt in der Schweiz entspannte sich weiter. Mit Stichtag 1. Juni 1994 wurde ein Leerwohnungsbestand von 39 423 Wohnungen sowie Einfamilienhäuser ermittelt. Das sind nahezu 10 000 Einheiten oder 32% mehr als im Vorjahr. Erstmals seit 1978 überschritt die Leerwohnungsziffer wieder die 1%-Marke: der Leerwohnungsbestand nahm von 0,92 auf 1,2% zu. Während die Zahl der leerstehenden Wohnungen mit fünf und mehr Zimmern im Vorjahresvergleich praktisch stagnierte, nahm die Zahl der leerstehenden Ein- und Zweizimmerwohnungen (+44%) und Drei- und Vierzimmerwohnungen (+36%) deutlich zu. Nach Kantonen betrachtet, war die Anzahl leerstehender Wohnungen einzig im Kanton Nidwalden leicht rückläufig. In allen übrigen Kantonen stieg die Leerwohnungsziffer an, wobei der Kanton Wallis die grösste absolute Zunahme zu verzeichnen hatte. Die höchsten Leerwohnungsziffern meldeten das Tessin (2,15), Wallis (2,12) und Waadt (2,1), während Basel-Land (0,36) und Basel-Stadt (0,33) die wenigsten leerstehenden Wohnungen registrierten. Allgemein wiesen die Süd- und Westschweiz deutlich höhere Leerwohnungsziffern auf als die Deutschschweiz [28].
Der Wohnungsbau hat 1994 markant zugenommen: Laut dem BFS wurden 44 880 Wohnungen erstellt, rund 30% mehr als im Vorjahr. Ende Jahr befanden sich 56 300 Wohnungen im Bau, rund 15% mehr als im Vorjahr [29].
Klar zugenommen im Vergleich zum Vorjahr haben im Berichtsjahr auch die Baugesuche für Neu- und grössere Umbauten. Insgesamt stieg die Zahl der Gesuche um 10,5% auf 26 546 an. Während in der Deutschschweiz die Zahl um 12% zunahm, machte der Anstieg in der Westschweiz rund 5% und im Tessin nur rund 3% aus. Die grösste Zunahme von Baugesuchen gegenüber dem Vorjahr verzeichnete der Wohnbau (+9,9%), gefolgt von den Gewerbe- und Industriebauten (+6,6%), während sich die Zahl der Gesuche für Büro- und Verwaltungsbauten stark rückläufig entwickelte (-8,5%) [30].
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Der Bundesrat empfahl dem Parlament die Hauseigentümer-Initiative "Wohneigentum für alle" ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung, weil diese einseitige Steuererleichterungen zugunsten von Wohnungs- und Hausbesitzern fordere und Mieter und untere Einkommensbezüger benachteilige. Gemäss Bundesrat würde der Bund bei Annahme des Begehrens zudem einen Steuerausfall von einer halben Milliarde und die Kantone einen solchen von nahezu 1,4 Mia Fr. erleiden [31].
Eine Motion Gysin (svp, BL), die eine Korrektur des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden anstrebte, um den Kantonen die steuerliche Förderung des Wohneigentums weiterhin zu ermöglichen, wurde vom Bundesrat abgelehnt und nur als Postulat überwiesen. Das 1993 in Kraft getretene Steuerharmonisierungsgesetz wird individuelle steuerliche Abzüge der Kantone zur Förderung des Bausparens ab dem Jahre 2000 nicht mehr zulassen [32].
Der Bundesrat veröffentlichte im Oktober die Verordnungen zu den 1993 beschlossenen Freizügigkeits- resp. Wohneigentumsförderungsgesetzen, welche auf den 1. Januar 1995 in Kraft treten werden. Nach diesen können die Versicherten ihr Vorsorgekapital bis zur Höhe ihrer Freizügigkeitsleistung für ihr Wohneigentum einsetzen. Das Guthaben kann vorbezogen oder verpfändet und für den Kauf, den Bau oder die Beteiligung an Wohneigentum sowie die Amortisation von Hypotheken verwendet werden. Wer den Vorbezug in Anspruch nimmt, hat zukünftig einen reduzierten Leistungsanspruch und muss das vorbezogene Kapital sofort versteuern. Die Pensionskassen sind grundsätzlich verpflichtet, die geltend gemachten Vorbezüge möglichst rasch auszuzahlen. 1995 wird die Auszahlungsfrist noch maximal zwölf, danach sechs Monate betragen [33].
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Weiterführende Literatur
Bundesamt für Raumplanung, Bauten ausserhalb der Bauzonen - eine Bestandesaufnahme, Bern 1994.
Bundesamt für Raumplanung, Grundzüge der Raumordnung Schweiz, Entwurf für die Anhörung, Bern 1994.
Bundesamt für Raumplanung, Frau und Planung - keine Liebe auf den ersten Blick, Bern 1994.
Bundesamt für Raumplanung/Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Landschaft unter Druck - Fortschreibung. Zahlen und Zusammenhänge über Veränderungen in der Landschaft Schweiz. Beobachtungsperiode 1978 - 1989, Bern 1994.
M. Lendi, Planung als politisches Mitdenken, Zürich 1994.
Raumplanungsamt des Kantons Bern, Planung ist auch Frauensache..., Bern 1994.
Schweizerische Stiftung für Landschaftsschutz und Landschaftspflege, Öffnung für das Bauen im Landwirtschaftsgebiet - ein Bumerang für alle?, Bern 1994.
A. Vatter, "Vollzugskonflikte und Lösungsansätze in der lokalen Raumplanung", in Schweizerische Zeitschrift für Soziologie, 20/1994, S. 329 ff.
H. Vettiger, Lebensverhältnisse und Lebensqualität in städtischen Räumen der Schweiz: Möglichkeiten der Anwendung objektiver und subjektiver Raumbeobachtungsindikatoren, St. Gallen (Diss.) 1994.
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Hausbesitzer-Verein Basel, Studie Boden- und Liegenschaftsmarkt: Wieviel soll der Staat regulieren?, Basel 1994.
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Bundesamt für Wohnungswesen, Bericht der Studienkommission Marktmiete, Arbeitsberichte Wohnungswesen, Heft 28, Bern (EDMZ) 1993.
C. Calamo, Die missbräuchliche Kündigung der Miete von Wohnräumen, Bern (Haupt) 1994.
E. Sallin-Kornberg, Propriété par étages ou location?, Pully 1994.
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[1] NZZ, 3.12.94. Siehe SPJ 1989, S. 158 ff. und 1992, S. 175 ff.1
[2] BBl, 1994, III, S. 1075 ff.; Presse vom 31.5.94. Zur Vernehmlassung vgl. SPJ 1993, S. 170 f.2
[3] BBl, 1994, III, S. 1075 ff.; AT, 10.1.94; Presse vom 31.5.94. Vgl. SPJ 1993, S. 168 f. Vgl. auch die Artikel "Baubewilligungen gesetzlich beschleunigen? Kontraproduktive Fristenlösung des Bundesrates" und "Fristen als massvolle Auflage im Interesse der Revitalisierung" in NZZ, 13.10 und 23.12.94.3
[4] Presse vom 26.3. und 27.4.94. Kritik: NZZ, 17.8.94; TA, 2.9.94; SHZ, 8.12.94. Siehe auch Lit. Schweiz. Stiftung für Landschaftsschutz und Landschaftspflege. Vgl. SPJ 1991, S. 177.4
[5] Bund, 1.2.94; LZ, 24.12.94.5
[6] Bund, 28.6.94.6
[7] Amtl. Bull. StR, 1994, S. 830 f.7
[8] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1176 f.8
[9] NZZ und SGT, 18.2.94.9
[10] Die Volkswirtschaft, 67/1994, Nr. 5, S. 51 ff.10
[11] Presse vom 22.10.94. Zum Finanzausgleich siehe oben, Teil I, 5 (Finanzhaushalt der Kantone).11
[12] Lit. Bundesamt für Raumplanung sowie Raumplanungsamt des Kantons Bern. Vgl. Bund, 21.12.94.12
[13] BBl, 1994, II, S. 509 ff.; Presse vom 26.1. und 24.3.94. Vgl. auch SPJ 1993, S. 170 f. Luzern: LZ und LNN, 27.1.94. St. Gallen: SGT, 28.1.94. Eine Standesinitiative des Kantons Tessin, welche in die gleiche Richtung zielte wie der Vorschlag des BR, wurde von den Räten als erfüllt abgeschrieben (Amtl. Bull. NR, 1994, S. 543 f.; Amtl. Bull. StR, 1994, S. 543 f.).13
[14] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1491 ff., 1640 ff. und 1966; Amtl. Bull. StR, 1994, S. 525 ff., 952 ff. und 1074; BBl, 1994, III, S. 1837 ff. Motion Maspoli: Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1532 f.14
[15] Presse vom 4.10.94.15
[16] NZZ, 10.10.94. Im Januar 1995 kam das Referendum zustande (Presse vom 13.1.95).16
[17] Die Volkswirtschaft, 68/1995, Nr. 1, S. 60 ff.17
[18] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1492 ff. und 1529.18
[19] Amtl. Bull. StR, 1994, S. 832.19
[20] SNB, Geschäftsbericht 1994, 87/1994, S. 40 f.20
[21] Bundesamt für Statistik, Landesindex der Wohnungsmiete, Basis Mai 1993, Bern 1994.21
[22] TA, 4.3.94.22
[23] TA, 17.3.94; SGT, 22.11. und 23.11.94; Bund, 23.11.94.23
[24] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 881 ff. und 937 ff.; Presse vom 21.5., 7.6. und 10.6.94.24
[25] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 947 ff.; Presse vom 21.5., 7.6. und 10.6.94. Vgl. SPJ 1993, S. 173.25
[26] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1895 f.26
[27] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 949 ff.27
[28] Presse vom 27.9.94.28
[29] NZZ, 8.3.95 (provisorische Zahlen).29
[30] NZZ, 9.1.95.30
[31] BBl, 1994, III, S. 768 f.; Presse vom 17.11.94. Siehe auch SPJ 1993, S. 174.31
[32] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1332 ff.32
[33] NZZ, 5.10. und 18.10.94; BaZ, 18.10.94. Vgl. SPJ 1993, S. 174 f.33
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